SECURITY insight 6/10
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Recht<br />
Recht<br />
Facherrichters<br />
Rechts-Know-how<br />
Kennen sich Facherrichter für Videoüberwachungsanlagen<br />
mit solchen<br />
rechtlichen Aspekten aus? Dazu muss<br />
man sich den Ablauf der Errichtung<br />
einer solchen Anlage vor Augen führen.<br />
Zunächst einmal will der Anwender,<br />
beispielsweise der Sicherheitschef<br />
eines Produktionsbetriebs, Gebäude und<br />
Gelände per Kameras überwachen. Mit<br />
diesem Ansinnen wendet er sich an seinen<br />
Fachplaner oder direkt an einen<br />
Errichter. Beide sind verpflichtet, in der<br />
Beratung ihren Kunden darauf hinzuweisen,<br />
sollten seine Wünsche gegen<br />
geltende Gesetze und Vorschriften verstoßen.<br />
Besteht der Kunde weiterhin auf<br />
Planung und Ausführung, sollten beide<br />
den Auftrag zumindest in diesem Punkt<br />
ablehnen oder sich zumindest schriftlich<br />
absichern. Der Errichter muss auch dann,<br />
wenn er nicht selbst plant, sondern eine<br />
fertige Planung vom Planer übergeben<br />
bekommt, auf zu erwartende Gesetzesverstöße<br />
hinweisen.<br />
Kein Argument ist, dass die Gesetzesverstöße<br />
erst beim Betrieb der Videotechnik<br />
entstehen. Wenn eine Kamera auf einen<br />
Bereich ausgerichtet ist, der tabu sein<br />
muss, so gibt es viele Möglichkeiten<br />
zu unerlaubten Handlungen (im Folgenden<br />
sind nur Handlungen aufgeführt, die<br />
unabhängig vom Einsatz durch den Nutzer<br />
strafbar sein können):<br />
• Der Errichter überwacht bereits durch<br />
den Testlauf, wenn er die Kameras<br />
konfiguriert und in übergeordnete<br />
Steuersysteme (Videokreuzschiene<br />
usw.) einbindet.<br />
• Für die Konfiguration der Aufzeichnungskomponenten<br />
ist wiederum<br />
der Betrieb der Kameras erforderlich<br />
– und damit die unerlaubte Überwachung.<br />
• Bei der Abnahme gibt es Funktionskontrollen,<br />
zu der die Überprüfung<br />
des Überwachungsbereichs und der<br />
Videoaufzeichnung gehören und an<br />
denen sowohl der Errichter als auch<br />
gegebenenfalls ein Fachplaner beteiligt<br />
sind.<br />
Besonders großzügig legen Banken und Sparkassen die Regeln der Videoüberwachung<br />
aus. Dass sie ihre Geldausgabeautomaten von Kameras beäugen lassen, lässt<br />
sich noch nachvollziehen. Es ist aber nicht mit der besonderen Schutzwürdigkeit<br />
eines Objekts zu erklären, dass eine Bank gleich über mehrere Straßen hinweg ihre<br />
Gebäudeaußenfront, bei der nur Bürofenster sichtbar sind, per Kamera permanent<br />
überwacht.<br />
• Bei der Abnahme werden Aufzeichnungen<br />
oder Videoprints der Überwachungsbereiche<br />
gefertigt und archiviert,<br />
um den Ist-Stand zu dokumentieren.<br />
Warum werden trotzdem so viele Anlagen<br />
falsch installiert? Die am weitesten<br />
verbreiteten Gründe: Unwissenheit und<br />
Fehlinformation. Die freilich schützt nicht<br />
vor zivil- oder strafrechtlichen Folgen.<br />
Ein anderer: Man braucht den Auftrag<br />
unbedingt. Doch das kann teuer werden.<br />
Werbung statt Information<br />
Beim Thema Fehlinformation kommen<br />
Handel und Hersteller ins Spiel. Dass<br />
sie ihre Produkte auf den Markt bringen<br />
wollen und dafür entsprechend werben,<br />
ist ganz klar. Wie aber sieht die Werbung<br />
oft aus? Mal wirbt einer ganz offen damit,<br />
wie und mit welchen Geräten (verboten)<br />
überwacht werden kann. Zum Beispiel:<br />
„...eignet es sich insbesondere für Orte,<br />
an denen Wert auf diskrete Videoüberwachung<br />
gelegt wird, z.B. (...) Konferenz-<br />
und Besprechungsräume (...) oder<br />
Restaurants“. Beim Fachmann müssten<br />
hier die Alarmglocken schrillen: Kameras,<br />
die den Konferenzteilnehmern auch noch<br />
senkrecht von oben in die Unterlagen<br />
sehen können? Videoaufnahme der Teilnehmer<br />
von Besprechungen? Die gleichzeitige<br />
Audioaufnahme ist gar nicht mehr<br />
nötig, denn man kann von den Lippen<br />
ablesen, was sich zwei Teilnehmer zwischendurch<br />
zuflüstern.<br />
Wenn Hersteller und Händler gewissenhafter<br />
mit ihren Aussagen sowie Planer<br />
und Errichter etwas kritischer wären,<br />
könnte dies ein Schritt in die richtige<br />
Richtung sein.<br />
Abkupfern ist in!<br />
Auch in der Aus- und Weiterbildung von<br />
Planern und Errichtern sind, was die<br />
unerlaubte Videoüberwachung anbelangt,<br />
erhebliche Defizite festzustellen.<br />
In der Literatur ist wenig zu finden, was<br />
geeignet wäre, das Wissen zu erweitern.<br />
Im Gegenteil findet man seit Jahren in<br />
(Fach-)Büchern grobe Fehler, etwa wenn<br />
als Beispiel für die Planung einer Kamera<br />
die Firmenkantine gewählt wird. Sozialbereiche<br />
sind für die Videoüberwachung<br />
nämlich tabu! Erschwerend kommt hinzu,<br />
dass andere diese Fehler übernehmen<br />
und nachdrucken.<br />
Selbst in der VdS-Richtlinie 2472 zu<br />
optischen Raum- und Videoüberwachungsanlagen<br />
(ORÜA) ist ausführlich<br />
zu lesen, wo Kameras überall (möglichst<br />
unsichtbar) einzusetzen sind, aber kaum<br />
rechtliche Hinweise. Es wird lediglich<br />
darauf hingewiesen, dass Diskretionsbereiche<br />
und Mietfachinhalte nicht von<br />
der Videoüberwachung erfasst werden<br />
dürfen. Und in einem Dreizeiler heißt<br />
es: „Hinweis: Vor der Installation der<br />
ORÜA sollte geprüft werden, inwieweit<br />
der Einsatz der Anlage die Rechte Dritter<br />
berührt.“ Dabei ist besonderes Augenmerk<br />
zu legen auf die Wortwahl: „Vor der<br />
Installation“ – nicht bei der Planung und<br />
nicht bei der Kundenberatung; „sollte<br />
geprüft werden“ – nicht „muss“.<br />
Auch die VdS-Broschüre 5473 ist in diesem<br />
Zusammenhang recht interessant:<br />
Ein Bild auf Seite 3 stellt eine typische<br />
Situation dar, bei der eine Kamera von<br />
einem Gebäude zu einem Tor hin ausgerichtet<br />
ist. Der Darstellung nach endet<br />
der Überwachungsbereich dieser (Spezial-)Kamera<br />
genau in Höhe des Tores; der<br />
davor liegende Raum wird nicht überwacht.<br />
Wie schön!<br />
Das Thema Web-Kamera würde fast ein<br />
ganzes Buch füllen, da die Regelverstöße<br />
mit diesen Vorrichtungen zuhauf<br />
vorkommen. Firmen, die die Aufschaltung<br />
auf eine Web-Cam ermöglichen, zum Teil<br />
mit entsprechender Kamerabewegung<br />
und Zoommöglichkeiten, sollten sich<br />
intensiv darüber Gedanken machen, ob<br />
beispielsweise die Überwachung einer<br />
Straßenkreuzung nebst Nummernschilderkennung<br />
eine Werbemaßnahme oder<br />
die Bereitstellung von Hilfsmitteln für<br />
einen Gesetzesverstoß ist!<br />
Der Videoüberwacher will nicht nur vorbeugen, sondern Täter auch beweissicher<br />
überführen. Ist die Videotechnik aber nicht gesetzeskonform eingerichtet, sind die<br />
Aufnahmen umsonst angefertigt. Die Beweise unterliegen dann vor Gericht einem<br />
Verwertungsverbot, weil sie ihrerseits durch eine strafbare Handlung erhoben wurden.<br />
Unzulässige Beweise<br />
Ein weiterer rechtlicher Aspekt der Videoüberwachung<br />
wird immer wieder übersehen.<br />
Der Anwender verfolgt mit der Überwachung<br />
naturgemäß ein bestimmtes<br />
Ziel. Er will vorbeugen, aber auch Täter<br />
beweissicher überführen. Mit der heutigen<br />
Technik ist es leicht, Beweisbilder<br />
oder -sequenzen schnell zu übertragen<br />
und anschließend fast mit Fotoqualität zu<br />
reproduzieren. Ist die Videotechnik aber<br />
nicht gesetzeskonform eingerichtet, sind<br />
die Aufnahmen umsonst angefertigt. Die<br />
Beweise unterliegen dann vor Gericht<br />
einem Verwertungsverbot, weil sie ihrerseits<br />
durch eine strafbare Handlung<br />
erhoben wurden. Das ist insbesondere<br />
bei der verdeckten Videoüberwachung<br />
ein großes Problem.<br />
Über die Konsequenzen denken die Verantwortlichen<br />
erst hinterher nach. Ein<br />
Täter, der nur anhand einer verbotenen<br />
Videoüberwachung überführt werden<br />
könnte, muss gegebenenfalls wegen<br />
fehlender weiterer Beweise und einem<br />
Verwertungsverbot der Videoaufzeichnungen<br />
freigesprochen werden, um dann<br />
seinerseits den „Überwacher“ auf Grund<br />
der Verstöße bei der Videoüberwachung<br />
vor Gericht zu bitten. Dazu gibt es<br />
Gerichtsurteile, die unerlaubt überwachten<br />
Personen Schmerzensgeld zusprachen.<br />
Außerdem besteht nach StGB die<br />
Möglichkeit, für die Videoüberwachung<br />
genutzte Geräte (Kameras, Rekorder)<br />
einzuziehen.<br />
Das wäre eine Konsequenz, die den<br />
Anwender der Videoanlage betrifft. Er<br />
kann daraufhin aber nicht den Errichter<br />
mit der Begründung verklagen, dass<br />
der ihm Technik verkauft und installiert<br />
hat, die für den vorgegebenen Zweck<br />
unzulässig ist. Sondern als Grund ist nur<br />
akzeptabel, dass er in der Beratung nicht<br />
auf diesen Umstand hingewiesen hat.<br />
Zum Thema Beratung kann der Anwender<br />
obendrein noch den Planer in die<br />
Verantwortung nehmen. Aufwand, Ärger,<br />
Kosten...<br />
Die Gesetzeslage ist so kompliziert also<br />
nicht. Doch schert sich keiner darum.<br />
Den totalen Überwachungsstaat will<br />
zwar niemand. Doch kaum jemanden<br />
interessiert es, dass jeder jeden überwachen<br />
kann.<br />
Foto: Werner Schwehm – fotolia.com<br />
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