Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Zu den Beziehungen zwischen der KPD und der Kommunistischen Internationale 201<br />
Ich bitte Sie, mit allen Mitteln auf Abstellung dieser Verhältnisse zu wirken.<br />
Mit kommunistischem Gruß<br />
Privat-Archiv Rosa Meyer-Levine Ernst Meyer<br />
Dokument 9<br />
An die Berlin, 11. Febraur 1925<br />
Exekutive der Komintern Moskau<br />
Werte Genossen!<br />
In Ergänzung meines Briefes vom 18. Dezember 55 (ich bitte mir den Empfang meiner<br />
Briefe zu bestätigen) und der beiliegenden Kopie meines Briefes vom 3. Januar an<br />
den hiesigen Vertreter der Exekutive 56 möchte ich <strong>für</strong> die Sitzung der erweiterten<br />
Exekutive noch folgendes betonen.<br />
Die KPD hat auf die Losung der Arbeiter- und Bauernregierung und der Konfiskation<br />
(Steuern) der kapitalistischen Vermögen verzichtet. Sie versuchte sich auf die<br />
Gewerkschafts- und Betriebsrätefrage zu konzentrieren. Diese Einstellung hat zu<br />
schweren Schäden und Mißerfolgen <strong>für</strong> die Partei geführt, weil 1.) die Situation die<br />
Erörterung auch rein politischer Fragen (Regierungsfrage, Steuerfrage) von der Partei<br />
zwingend verlangt und 2.) weil eine Vernachlässigung der politischen Seite unmittelbar<br />
Versäumnisse der wirtschaftlichen Seite hervorrufen muß.<br />
Es ist eine alte Erfahrung des revolutionären Kampfes, daß Arbeiterorganisationen,<br />
die die wirtschaftliche oder politische Seite negieren, nirgends Erfolg haben. Bei der<br />
KPD mußte sich das umso stärker zeigen, weil sie die Einheitsfronttaktik bewußt verletzte.<br />
Als ich bei Beginn der Kampagne gegen den Dawesplan eine politische Antwort<br />
forderte, hielt man mir entgegen, die Losung „Für Achtstundentag und höheren<br />
Lohn" sei das beste Mittel zur Auslösung von Kämpfen, und jeder andere Vorschlag<br />
stelle ein opportunistisches Manöver zur Ablenkung von diesen Kämpfen dar.<br />
Jetzt muß die Zentrale selbst eingestehen, daß die Partei trotz einjähriger Wiederholung<br />
ihrer Forderung nichts erreicht hat, und daß, soweit Lohn- und Arbeitszeitbewegungen<br />
entstehen, nicht wir sie führen, sondern der ADGB und die christlichen<br />
Gewerkschaften.<br />
Das Fiasko der Partei auf diesem Gebiet ist ebenso gründlich wie in unserer Gewerkschaftsarbeit.<br />
Die Partei redet zwar viel von der Notwendigkeit der Gewerkschaftsarbeit.<br />
Aber leider bleibt es bei der bloßen Behauptung, die Partei sei in dieser<br />
Frage weit vorangekommen. Tatsächlich geht unser Einfluß in den Gewerkschaften<br />
noch immer zurück, wo<strong>für</strong> die Wahlresultate bei Gewerkschaftswahlen der beste<br />
Beweis sind.<br />
Worauf sind die Rückschläge zurückzuführen?<br />
Die Zentrale behauptet, wir hätten jetzt eine bessere, mehr bolschewistische Partei<br />
als früher. Sie schob ihre Mißerfolge auf eine ungünstige Situation. Auch die Zentrale<br />
wird jetzt nicht sagen können, daß im Proletariat pazifistische Illusionen vorhanden<br />
sind oder daß die allgemeine Situation die kommunistische Agitation erschwert. Die<br />
55 Am 18. 12. 1924 schrieb Ernst Meyer einen ausführlichen Brief über die Lage in der<br />
KPD an das EKKI. Er konstatierte Fehler der linken Führung in der Gewerkschaftsfrage,<br />
in der Politik gegenüber dem Dawesplan und der Steuerfrage und verlangte die KPD solle:<br />
,,a) die Einheitsfronttaktik konkretisieren, b) den Rahmen der notwendigen Teilforderungen<br />
umgrenzen, c) eine theoretische Klärung und die praktische Handhabung kommunistischer<br />
Steuerpolitik herbeiführen". Der Brief befindet sich im Privat-Archiv Rosa Meyer-Levine.<br />
56 Vgl. Dok. 8.