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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Zur Ansprache Hitlers vor den Führern der Wehrmacht am 22. August 1939 139<br />

wie ein Wilder auf einem Tisch herumspringend., abstattet. Ebenso wird Brauchitsch<br />

nur in diesen beiden Versionen erwähnt 76 .<br />

Sachlich neu in L ist eigentlich nur die Erwähnung Japans in dem Satz: „Den<br />

Abfall Japans müssen wir in Kauf nehmen." Er dürfte unter dem Eindruck von<br />

Mitteilungen (zwischen dem 23. und 25. August) über die japanische Entrüstung 77<br />

bezüglich des deutsch-russischen Nichtangriffspakts entstanden sein. Alle übrigen<br />

scheinbar neuen Gesichtspunkte bedeuten entweder ein Ausmalen auch in den<br />

anderen bereits enthaltener („Dschingis Chan hat Millionen Frauen und Kinder in<br />

den Tod gejagt." - „Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?")<br />

oder ein erstaunliches Vorausahnen von später tatsächlich eingetretenen Ereignissen,<br />

so etwa wenn von der physischen Vernichtung der Polen die Rede ist (das dürfte<br />

auf die zweideutige Wendung „Beseitigung der lebendigen Kräfte des Gegners"<br />

zurückzuführen sein!) oder von einem Angriff auf die Sowjetunion, der nur eine<br />

Wiederholung des „Exerzitiums" mit Polen sein würde.<br />

Es sind also nicht nur sachliche Kriterien, die uns den Verfasser von L im Kreise<br />

der Abwehr suchen lassen, sondern auch inhaltlich-stilistische und sogar aus Bearbeitungszeichen<br />

gewonnene Gründe, die in dieselbe Richtung weisen. Dürfen wir<br />

nicht folgern, daß, nachdem wir Canaris mit ziemlicher Sicherheit als den Verfasser<br />

der Aufzeichnung ohne Unterschrift erkannt haben, die Lochner-Version<br />

auf seine Niederschrift trotz einiger durch den politischen Zweck der Weitergabe<br />

nach London bedingten Zusätze und trotz der Dramatisierung des Inhalts zurückzuführen<br />

ist? Da er sie wohl kaum selber redigiert haben dürfte, so könnte man an<br />

Oster oder eine andere dem deutschen Widerstand nahestehende Person als ihren<br />

„Redakteur" denken.<br />

Unsere quellenkritische Untersuchung zur Überlieferung von Hitlers Ansprache<br />

vor den Oberbefehlshabern und Kommandierenden Generalen der Wehrmacht vom<br />

22. August 1939 haben mithin zu folgenden Hauptergebnissen geführt:<br />

Die Eintragung Greiners im Kriegstagebuch des OKW über diese Rede ist in<br />

erster Linie auf Grund der seit Nürnberg bekannten und umstrittenen „Aufzeichnung<br />

ohne Unterschrift" entstanden. Die in Nürnberg getroffene Feststellung,<br />

gemacht haben dürfte. Am 27. August 1939 schrieb Ogilvie-Forbes an Kirkpatrick: Lochner<br />

habe ihm mitgeteilt, daß ein Luftwaffenoffizier den Inhalt der Ansprache Hitlers bestätigt und<br />

bedauert habe, daß sich Göring in der beschriebenen Weise (gemeint ist der entsprechende<br />

Passus in L) aufgeführt habe. (Documents on British Foreign Policy VII, S. 316.) — Gen.Adm.<br />

Albrecht schreibt mir zu dieser Frage (Mitteilung vom 6. 12. 1966), er könne sich an eine<br />

„Dankrede" Görings nicht erinnern, wolle aber „eine solche in kürzester Form nach dem<br />

Schluß der 2. Ansprache nicht ausschließen".<br />

76 C: „Wenn mir Herr v. Brauchitsch gesagt hätte, ich brauche vier Jahre, um Polen zu erobern,<br />

dann hätte ich geantwortet: dann geht's nicht." L: „Generaloberst von Brauchitsch<br />

hat mir zugesagt, den Krieg gegen Polen in wenigen Wochen zum Abschluß zu bringen.<br />

Hätte er mir gemeldet, ich brauche zwei Jahre oder auch nur ein Jahr dazu, so hätte ich den<br />

Marschbefehl nicht gegeben ..."<br />

" Vgl. z. B. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik VII, Nr. 174, S. 154; Nr. 183,<br />

S. 159; Nr. 223, S. 198; Nr. 246, S. 217.

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