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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Zu den Beziehungen zwischen der KPD und der Kommunistischen Internationale 191<br />

Überlegt doch einmal: wenn man in der Gewerkschaftsfrage der „neuen Taktik"<br />

nachgibt, in Organisationsfragen an die in dieser Hinsicht menschewistische Tradition<br />

Rosa Luxemburgs appelliert, Beschlüsse gegen die Einheitsfronttaktik als solche faßt,<br />

falsche Töne gegenüber Sowjetrußland (vgl. „Der Rote Kurier") anschlägt, über eine<br />

sogenannte „Krise" der KI spektakelt, — wodurch unterscheidet man sich dann von<br />

der KAPD?<br />

Tröstet Euch nicht damit, die Ultra-„Linke" repräsentiere zur Zeit keine ernst zu<br />

nehmende Kraft, all das seien einfach Übertreibungen nicht besonders ernster Leute.<br />

Nein, so liegen die Dinge nicht. In der gegenwärtigen deutschen Situation sind objektiv<br />

jene Gefahren enthalten, die Lenin als „linkes Liquidatorentum" bezeichnete.<br />

Entschließt Ihr Euch nicht, offen diesem linken Liquidatorentum entgegenzutreten,<br />

so werdet ihr selbst zu dessen Gefangenen werden.<br />

Das gerade war es, was uns Alarm schlagen ließ.<br />

Ihr habt uns sehr ausführlich über die kleinen Machinationen berichtet, die Euch<br />

zufolge der eine oder andere Vertreter der Mittelgruppe begangen haben soll. All das<br />

ist aber reiner Mumpitz verglichen mit der grundlegendsten prinzipiellen Frage, ob<br />

Ihr dem „linken Liquidatorentum" irgend welche ideellen Konzessionen machen<br />

werdet. Wenn ja, so werden wir, ungeachtet all unseres Widerwillens gegen eine<br />

Erschwerung Eurer Arbeit, dennoch genötigt sein, gegen Euch offen zu polemisieren<br />

und zu kämpfen. — Wenn nicht, wenn Eure prinzipielle Haltung sich sowohl gegen<br />

rechtes wie „linkes" (wie es bei Lenin in analoger Lage der Fall war) Liquidatorentum<br />

richten wird, so gibt es unter uns keinerlei Differenzen.<br />

Wir alle harren hier mit Ungeduld der Entscheidungen Eures Parteitages. Eure<br />

Gegner, wie Radek und Co. 35 , spekulieren zweifellos darauf, daß Ihr irgend welche<br />

ernsten Fehler begeht, um sich dann vor allem vor der öffentlichen Meinung der<br />

russischen Kommunisten zu revanchieren. Wir hingegen sind fest überzeugt, daß es<br />

unserer Delegation gelingen wird, in allen wichtigsten Fragen mit Euch zu einem<br />

Einvernehmen zu gelangen und wir in Deutschland, wie in der gesamten KI durchaus<br />

einmütig vorgehen werden.<br />

Schreibt, was Ihr von all dem haltet.<br />

Mit aufrichtigem Gruß<br />

G. Sinowjew<br />

Moskau, 31. 3. 24<br />

P. S. Ich bin mir nicht ganz klar darüber, inwieweit Rosenberg und Scholem auf<br />

ihren ultra-„linken" Fehlern beharren werden. Wir wünschten, sie täten es nicht.<br />

Dann wäre auch mit ihnen ein kameradschaftliches Zusammenarbeiten durchaus<br />

möglich.<br />

Bundesarchiv Koblenz R 43 1/2671<br />

Reichskanzlei.<br />

Akten betr. Kommunistische Partei, Spartakus,<br />

Bolschewismus. Bd. 7 (1. Januar 1924 bis 31. Dezember 1924)<br />

L.483182-84<br />

35 Karl Radek (1885-1939), einer der Führer der Bolschewiki und der Komintern, hatte<br />

bis 1923 maßgebend die Politik der KPD unter Brandler bestimmt. Radek war im russischen<br />

Fraktionskampf Anhänger Trotzkis und da er in Deutschland die Rechten um Brandler verteidigte,<br />

waren die deutschen Linken Gegner Radeks und Trotzkis.

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