Glitzernd...pulsierend...eine endlose Zeit lang - World Federation of ...
Glitzernd...pulsierend...eine endlose Zeit lang - World Federation of ...
Glitzernd...pulsierend...eine endlose Zeit lang - World Federation of ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Holbein, U. (2006) <strong>Glitzernd</strong>...<strong>pulsierend</strong>...<strong>eine</strong> <strong>endlose</strong> <strong>Zeit</strong> <strong>lang</strong> - Wie verändert sich Musik unter Drogeneinfluß?<br />
Music Therapy Today (Online) Vol.VII (2) 375-412. available at http://musictherapyworld.net<br />
Brahms-Trio für Klarinette, Cello und Klavier nicht mehr überspielen<br />
ließ. Hinter dem klassischen Wohllaut spürte ich die angetippten,<br />
umsonst ungeglaubten Quasi-Schamanismusgeister, die immer nur nette<br />
durchschaubare Poesie gewesen waren, übel hervordrücken. Ich machte<br />
Brahms aus, was aber auch nichts mehr nützte. Ich sprang auf, warf mir<br />
Kleider über, fraß Gegenmittel, löffelweise Honig, was aber auch nichts<br />
mehr aufhielt. Etwas Gehetztes preschte aus mir hervor. Sobald ich die<br />
Augen schloß, quirlten ungeheure Welten über mich weg, in summa: die<br />
andere Welt, so schrecklich und derart präsent, weit und breit das einzig<br />
Vorhandende, daß ich nur als fortgeblasener Schnittpunkt am Rand stand,<br />
als Hülse, derweilen alles, was sonst die Welt und mich konstituiert,<br />
Sprache, Fühlen, Denken, Sex, Ich, alles-alles entwertet wurde, ausgemustert.<br />
Ich lief auf die Straße, um mich am <strong>of</strong>fiziellen Leben zu erden,<br />
zu stabilisieren, zu normalisieren -- dort sah ich in 20 m Entfernung Frau<br />
Laabs im Vorgarten hantieren. Die ich vor lauter schlapper laabsartiger<br />
Deformiertheit praktisch nicht wiedererkannte. Lediglich an irgend<strong>eine</strong>r<br />
Formalie der bläulichen Textilien identifizierte ich Frau Laabs als ebendiese<br />
Frau Laabs. Frau Laabs, dieses Musterbild gemütlicher, harmloser<br />
Menschheit, Brille, brettharte Dauerwelle, camembertfarbenes<br />
„Gesicht“, gehörte in die wesenlose Masse des dalihaft Verzerrten und<br />
Liquidierten hinein, nichts tröstete oder milderte, auch nicht die durchaus<br />
mich balsamisch umschmeichelnden, wundersam spürbaren Luftlamellen.<br />
Das Grauen tröpfelte von allen Enden her durch die eigentlich<br />
tröstliche Kulisse aus Frischluft und Lichtglanz. Ich lief in den Park, sah<br />
betäubt der blauen Laabsfigur hinterher. Spürte zuinnerst: dies war ein<br />
Abschied für immer gewesen. Nie würde ich Frau Laabs wiedersehn, und<br />
auch sonst k<strong>eine</strong> Frau Laabs. Frau Laabs ging zu ihrer definitiven, streichquartettgepeitschten<br />
Beisetzung. Eingebettet in objektiv leuchtende<br />
Natur, die mir wenig half. Alles weitere stand unter dem Stichwort<br />
Abschied. Von jedem Holzstapel, jedem Himbeerstrauch nahm ich<br />
Abschied. Von <strong>eine</strong>m Hochstand oben am Eichenwald sah ich unten im<br />
Tal ampelrot ein Mini-Auto hupen. Ich lief auf dem Höhenweg - am<br />
Rückersfelder Waldfriedh<strong>of</strong> vorbei - Richtung Hülsa, immer weiter aufwärts,<br />
rundum die Abschiedsszenerie mitleidheischend in Spätlicht<br />
getaucht, in verklärt übersonnte Abendlandschaft. Im Baumrauschen<br />
hörte ich die einander hetzenden und auslöschenden Welten -- jenseits<br />
aller Bildungsreminiszenzen wilde Jagd, apokalyptische Reiter usw. Ich<br />
jammerte nur: „Ich kann es nicht steuern“, sah mich als letztes Arschloch,<br />
das eigentlich fast eingeweiht worden wäre, aber die falsche Tür geöffnet<br />
und diese nicht mehr zugekriegt hatte, unreif fürs Eigentliche, Fehlinitiand,<br />
ich, der ich doch eigentlich in allen menschenmöglich erreichbaren<br />
Himmeln geschwelgt hatte, nur waren die <strong>lang</strong> nicht so schön erlösend<br />
gewesen wie jetzt das Entsetzliche entsetzlich war und blieb und nicht<br />
abebbte. Ich eilte durch Rapsfelder, Schlängelwege, sah Schindeldächer<br />
von oben, nahm Abschied von dieser Welt. Ich setzte den Walkman auf.<br />
Radiosendung 408