Glitzernd...pulsierend...eine endlose Zeit lang - World Federation of ...
Glitzernd...pulsierend...eine endlose Zeit lang - World Federation of ...
Glitzernd...pulsierend...eine endlose Zeit lang - World Federation of ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Holbein, U. (2006) <strong>Glitzernd</strong>...<strong>pulsierend</strong>...<strong>eine</strong> <strong>endlose</strong> <strong>Zeit</strong> <strong>lang</strong> - Wie verändert sich Musik unter Drogeneinfluß?<br />
Music Therapy Today (Online) Vol.VII (2) 375-412. available at http://musictherapyworld.net<br />
Ich stellte Opus 132 ein, a-moll, aus m<strong>eine</strong>r einsamsten <strong>Zeit</strong>, 1974 in Bad<br />
Hersfeld, jetzt war ich wieder so einsam, für immer, und die ersten<br />
Schmerz-Akkorde enthüllten sich s<strong>of</strong>ort als musikalische Umrahmung<br />
der Trauerfeier. Nicht nur Frau Laabs war nicht mehr unter den<br />
Atmenden, sondern alle primären Bezugspersonen: Mutti, Jojo, Antje,<br />
Viera, Herbert Müller: alle-alle galt es haltlos zu bew<strong>eine</strong>n, und ihnen<br />
nachzusterben. Ich rannte mit Opus 132 den Steinpilzweg hinauf in die<br />
Wälder, zu Reni's Ruh, mit erneut hervorstürzenden Tränen, a-moll -- die<br />
Klänge wurden schneidender, da merkte ich: die verstellen sich, die<br />
trauern gar nicht! Ihr simuliertes W<strong>eine</strong>n zog sich mit elektronischem<br />
Beigeschmack in die Länge -- da erkannte ich die Musiker als die fiesen<br />
Fiedler aus Schuberts „Tod und das Mädchen“! Kalt jaulend sich eins<br />
runterschrubben, diese Kadaver verscharrenden und hierbei musizierenden<br />
Mörder! Leises technisches Schleifen im Apparat, scheinheilig<br />
aufgespachtelte Musik, immer blecherner tönend, ich fingerte nach Tempotüchlein,<br />
Rotz rann mir in den chinesischen Bart. Jeden Moment<br />
konnte der Strom ausgehn, die Musik absaufen. So konnte den Fieslingen<br />
das Maul gestopft werden, andererseits bestand die ganze Welt aus<br />
diesem verzerrten, höhnischen Opus 132! Jetzt, wo alle m<strong>eine</strong> Lieben<br />
bereits komplett unter der Erde lagen, blieb dieser perfide Nekrolog als<br />
einziges übrig. (Eventuell ging das verzerrte, halleffektversetzte Opus<br />
132 bzw. Ausschnitte aus L. Berios Beethoven-Quartett-Musik in Y.<br />
Xenakis-Elektronik „Orient/Okzident“ irgendwie über.) Ohnedies k<strong>lang</strong><br />
der akustische Mischmasch aus entfernten Autos, Glocken, Vogelrufen,<br />
Kinderstimmen leicht metallisch, dosennahrungshaft, zwar digital schaltknacks-<br />
und staubbefreit, alles ineinander vermanscht und verhallt, tingiert<br />
mit technischem Grundfluidum, alles elektronisch erzeugt, trotz<br />
naturidentischer Aromast<strong>of</strong>fe doch arg synthetisch, so als hätte das was<br />
zu bedeuten, daß LSD und kybernetische Musik einigermaßen gleichzeitig<br />
entdeckt wurden -- daher auch die cellophan flowers <strong>of</strong> yellow<br />
and green, (eventuell gesungen auf die Beatles-Melodie) towering over<br />
your head! Fieberhaft sann ich auf Auswege: nach Kümmerode wandern,<br />
mich bei Herbert Müller auszuschluchzen? Doch sind 13 km mit <strong>eine</strong>r<br />
Rauschdroge, die 50 m zu ewigkeitsträchtigen Tageswanderungen dehnt,<br />
praktisch unüberwindlich. Jogger kamen mir entgegen, genauer: <strong>eine</strong><br />
Radfahrerin fuhr neben <strong>eine</strong>r Joggerin -- and the Band plays on! Bescheuert<br />
muß ich ausgesehen haben: verschleimt, verschwollen; ich versuchte<br />
zu grüßen. Ließen sie sich anmerken, daß sie nichts merkten?<br />
Womöglich sah ich nur so aus wie immer. Jedenfalls ging oben, auf der<br />
Hochebene, der Abschied weiter: Die aufgegangene Sichel stand genau<br />
über dem jungen Pferdchen, das ans Gatter s<strong>eine</strong>s Freigeheges kam, und<br />
auch hier stand ich zum letzten Mal davor, also w<strong>eine</strong>nd, denn: Dies war<br />
genau jenes Pferd, das ich zum 7. Geburtstag in Gestalt <strong>eine</strong>s 10 cm<br />
großen Eselchens aus Kunstst<strong>of</strong>f geschenkt bekam! Zum letzten Mal<br />
schritt ich am Ententeich vorbei und dann durchs dämmernde Tal über<br />
Radiosendung 409