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Magazin 198601

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•<br />

men Ist Schätzungsweise 20 000 der inSgesamt<br />

50 000 Bürger Armeros verheren<br />

bei der gewaltigen Naturkatastrophe Ihr Leben.<br />

Mehrere Hundert oder gar Tausend<br />

fallen den Schlammassen Im Umland und<br />

in den Nachbarorten zum Opfer.<br />

khnell schwindende Hoffnung<br />

Den Überlebenden wie auch den herbelgeeillen<br />

Hilfsmannschaften des Roten Kreu ­<br />

zes und der Armee bietet sich ein Bild des<br />

Grauens : Bis zu acht Meter hohe Gebäude<br />

sind Im Schlamm untergegangen, von der<br />

Kirche ragt nur noch der Glockenturm heraus<br />

Wo soll In dieser Wüste mit der Suche<br />

nach Opfern begonnen werden? Die Hoffnung,<br />

bislang nicht geortete Überlebende<br />

zu finden, schwindet rasch. DIelenIgen, die<br />

von den schlickartigen Massen in die Tiefe<br />

gezogen wurden, sind den Erstickungstod<br />

oder an Inneren Verletzungen gestorben<br />

Auch dort, wo noch Lebenszeichen zu vernehmen<br />

sind, kommt rettende Hilfe nicht<br />

Immer rechtzeitig. So scheitert etwa die<br />

Bergung eines zwölflahrlgen Mädchens,<br />

das von Schlamm und Trümmerstücken<br />

festgehalten Wird. Trotz verzwelfeller Bemuhungen<br />

der EInsatzkrafte kann das Kind<br />

nicht befreit werden. Als endlich die angelorderte<br />

Pumpe zum Absaugen der<br />

Schlammassen eintrifft, ISt es vor den Augen<br />

der Helfer an Erschöpfung und Unterkühlung<br />

gestorben.<br />

Rettung aus Notlagen<br />

durch Hubschrauber<br />

Überlebende mit teilweise schweren Verletzungen<br />

werden In ein notdürftig emchtetes<br />

medizInisches Zentrum gebracht, dort behandell<br />

und versorgt. Hinzu kommen zahl ­<br />

reiche Menschen, die sich auf Dachfirste,<br />

Bäume und AnhÖhen geflüchtet haben und<br />

nach und nach von mehr als zwei Dutzend<br />

Hubschraubern aus Ihrer Zwangslage befrM<br />

werden.<br />

Doch auch die beweglichen Helikopter<br />

können nicht Immer und überalf landen<br />

Der welche, schlammige Untergrund erweist<br />

sich bel mehreren Versuchen als zu<br />

wenig tragfähig. In diesen Fällen kann die<br />

Besatzung oft nicht mehr tun, als die eingeschlossenen<br />

Hilfesuchenden mit Wasser<br />

und Verpflegung aus der Luft zu versorgen<br />

EInige Menschen mussen deshalb tagelang<br />

ausharren, ehe sie geborgen werden<br />

konnen Wo es um lebensrettende SoIorthilfe<br />

geht, wagen die Piloten aber auch<br />

schon einmal ein abenteuerliches LandemanÖver.<br />

So Wird beispielsweise ein fünfköpfiges<br />

Ärzteteam auf dem Dachfirst eines<br />

anders nicht erreichbaren Hauses abgesetzt,<br />

um zu einer hochschwangeren Frau<br />

zu gelangen, die kurz vor der Niederkunft<br />

steht. Noch am Ort nehmen die MediZiner<br />

einen Kalserschmtt vor und bnngen ein gesundes<br />

Madchen zur Welt<br />

Internationale Hilfe angelaufen<br />

Alles In allem aber bleiben solche Erfolge<br />

In der Minderzahl. Viele, wenn nicht die<br />

meisten Überlebenden dieser schlimmsten<br />

Naturkatastrophe In der Geschichte des<br />

Landes können mit weniger spektakulären<br />

Aktionen In Sicherheit gebracht und betreut<br />

werden. Daran beteiligen sich auch deutsche<br />

Helfer des Arbelter-Samarlter-Bundes.<br />

Die kolumblanlsche Regierung hat<br />

mittlerweile über das Vulkangebiet den<br />

Notstand verhängt, und zahllose In- und<br />

ausländische Helfer sind bemüht, HIlfsgüter<br />

und -geräte an den Ort der Katastrophe zu<br />

bringen.<br />

Dringend benotlgt werden vor allem Zelle,<br />

Decken, Medikamente und Nahrungsmittel.<br />

Der Transport der Guter, darunter 15 Tonnen<br />

Material aus der Bundesrepublik<br />

Deutschland, Wird durch die von der Flut<br />

zerstörten Brucken und überschwemmten<br />

Straßen Immer wieder behindert und verzögert.<br />

Die Sachschäden werden nach ersten<br />

Schätzungen auf umgerechnet rund 800<br />

Millionen Mark beZiffert. Baumwoll-, Relsund<br />

Kaffeepflanzungen Sind der Naturkatastrophe<br />

zum Opfer gefalfen, die Bauern<br />

haben 18000 Rinder verloren.<br />

Durch Trinkwas.erverseuchung<br />

droht Epidemie<br />

Schwerer als dieser Verlust wiegt die Gefahr,<br />

die den Überlebenden durch Seuchen<br />

droht. Um ein Ausbrechen soweit wie möglich<br />

zu verhindern, werden nIchtidentifIzIerte<br />

Tote In Massengräbern beigesetzt. Doch<br />

längst Sind nicht alle Leichen geborgen:<br />

Durch den Verwesungsprozeß Wird das<br />

Brunnenwasser vergiftet - Wasseraufbereitungsanlagen<br />

werden Wichtiger denn fe. Als<br />

ein leitender Arzt angeSichts der vorherrschenden<br />

schlechten Bedingungen die Befürchtung<br />

äußert, ein Viertel der Überlebenden<br />

könne einer Epidemie zum Opfer fallen,<br />

werden MassenImpfungen angeordnet.<br />

Zugleich Wird erwogen, rund 60 000 Menschen<br />

aus der Umgebung zu evakUieren<br />

und die Suche nach weiteren Opfern einzustellen.<br />

Statt dessen soll die Stadt eingeebnet<br />

und zu einer Art Friedhof erklärt werden.<br />

Derlei Überlegungen stoßen jedoch auf den<br />

Widerstand Vieler Einwohner, so daß die<br />

Suche zunachst fortgesetzt Wird<br />

U,..chen der Katllstrophe<br />

Wie Viele Opfer der Vulkanausbruch tatsächhch<br />

gefordert hat, Wird dennoch mit<br />

letzter Sicherheit nie ganz zu klären sein.<br />

Nach inoffiziellen Angaben ist von über<br />

22 000 Toten und Vermißten, darunter etwa<br />

8000 Kinder, auszugehen. 2 500 Personen<br />

Sind vertetzt, etwa 50 000 obdachlos. Insgesamt<br />

Wird die Zahl der auf die eine oder<br />

andere Welse Geschädigten mit rund<br />

200 000 angegeben.<br />

Als ausschlaggebend für die tod bringende<br />

AktiVität des Vulkans Wird von Experten das<br />

gleiche Phanomen genannt, das auch zu<br />

den schweren Erdbeben In MeXiko wenige<br />

Wochen zuvor führte : Die süd- und mitteIamerIkanIsche<br />

KontInentalplatte drückt gegen<br />

den Meeresboden des Paziftk, wobei<br />

durch Reibung verflÜSSigtes Gestein nach<br />

oben drückt und an den dünnsten Stellen<br />

der Erdkruste - eben in vulkanreichem Gebiet<br />

- explosIonsartig In die Atmosphäre<br />

schießt. Schon set! längerem waren am Nevado<br />

det RUlz verstärkte vulkanische AktlvItaten<br />

beobachtet worden, die auch Tage<br />

nach dem verheerenden Ausbruch anhalten<br />

: Dumpfe Donnerschläge versetzen die<br />

Menschen Immer Wieder in Angst und<br />

Schrecken.<br />

Besonders tückisch im kolumblanlschen<br />

Vulkangebiet ISt ledoch nicht so sehr der<br />

Regen aus heißer Asche oder die eher<br />

langsam fheßende Lava. Viel gefährlicher,<br />

wie Sich gezeigt hat, ISt die aus Schlamm<br />

und Geröll bestehende, schnell fließende<br />

Masse, deren Auslöser riesige Mengen von<br />

geschmolzenem Gletschereis bilden.<br />

Durch diese sogenannten .Lahare" Sind<br />

nach Ansicht von Vulkanologen bereits<br />

mehr Menschen auf der Erde ums Leben<br />

gekommen als unmittelbar durch gluhende<br />

Lava.<br />

Blieb rechtzeitige<br />

Warnung aus?<br />

Ob die verheerenden AusWirkungen der<br />

nach diesem Muster verlaufenen Naturkatastrophe<br />

von Kotumblen unter Umständen<br />

vermeidbar gewesen wären, diese Frage<br />

mischt Sich wenige Tage später In die allgemeine<br />

Trauer um Bekannte und Angehörige.<br />

tst die Bevölkerung von den Behörden<br />

nur unzureichend auf die drohende Katastrophe<br />

hingewiesen worden? Oder haben<br />

die Menschen die Warnung Ignoriert, weil<br />

sie - wie es heißt - Ihre Ernte nicht Im Stich<br />

tassen wollten?<br />

Wie und wann Immer auch dieser Streit<br />

entschieden wird - für die versunkene<br />

Stadt Armero kommt die Antwort zu spät.<br />

h-k<br />

12 ZS-MAGAZIN 1/86

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