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Pragmatische Lösung eines komplexen Problems Schweizer ...

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SCHWERPUNKTTHEMA<br />

geplant war. Nachträglich wurde auf 14 Jahre erweitert,<br />

auch mit Mädchen. Und dann ist zwingend ein Schwangerschaftstest<br />

nötig.<br />

Sie fordern also einen Sicherheitscheck für alle Eventualitäten?<br />

Jenny: Ja, vergleichbar mit einem Sicherheitscheck vor<br />

einem Flugzeugstart. Auch da müssen immer alle Punkte der<br />

Checkliste abgehakt werden, um kein Risiko zu übersehen.<br />

Machen Sie Unterschiede, ob es sich um eine gefährliche<br />

klinische Studie handelt, oder lediglich eine Erhebung<br />

von Daten?<br />

Jenny: Dieser Punkt ist tatsächlich derzeit nicht praktikabel<br />

geregelt. Das <strong>Schweizer</strong>ische Heilmittelgesetz<br />

definiert, dass alles, was dazu dient, klinische Daten zu<br />

sammeln, eine klinische Studie ist. Das bedeutet in der<br />

Praxis, wenn ein Forscher nur Fragebögen verteilt, um<br />

nach einer Krebsbehandlung systematisch Informationen<br />

von Patienten zu sammeln, dann gilt das als vollwertige<br />

klinische Studie.<br />

Das ist in anderen Ländern nicht so, oder?<br />

Jenny: Nein und diese Situation versucht man nun mit<br />

dem Humanforschungsgesetz zu korrigieren. Dort soll<br />

von vorn herein eine Unterscheidung zwischen risikoreichen<br />

klinischen Studien und solchen, welche die Praxiserfahrung<br />

belegen, möglich sein. Letztere müssten dann<br />

nur die Ethikkommissionen beurteilen, nicht mehr Swissmedic.<br />

Dann wird das Humanforschungsgesetz die Zulassung<br />

für Studien demnach erleichtern?<br />

Jenny: Nicht in allen Fällen. Gerade Krebstherapien sind<br />

oftmals schwer einzuordnen. Da werden zum Beispiel Patientendaten<br />

erhoben nach einer Anwendung <strong>eines</strong> Arzneimittels<br />

oder nach einer Kombination von zwei, drei<br />

Wirkstoffen. Wenn diese Therapien noch nicht zugelassen<br />

sind und die Mediziner die Absicht haben, ihre Daten zu<br />

publizieren, dann führen sie eine Studie durch.<br />

Und das heisst dann für Swissmedic?<br />

Jenny: Wir müssen sicherstellen, dass die Qualität der<br />

Studie stimmt und dass die Patienten hinreichend informiert<br />

wurden. Diese Anforderungen müssen belegt sein.<br />

Und da kann natürlich ein Arzt, der nur eine neue Kombination<br />

von Präparaten, die er in einer Veröffentlichung<br />

gelesen hat und an seinen fünf Patienten ausprobieren<br />

will, sagen: «Unmögliche Bürokratie. Ich kann nicht<br />

mehr forschen.» Das ist seine Sicht.<br />

Und Ihre Sicht?<br />

Jenny: Auch in solch einer kleinen Studie sind Patienten<br />

betroffen. Swissmedic hat den Auftrag, die Patienten<br />

vor Schäden durch neue Anwendungen zu schützen. Bei<br />

Krebstherapien mit einer neuen Kombination von bekannten<br />

Wirkstoffen ist das meist nicht dramatisch. Dennoch<br />

müssen wir sicherstellen, dass ein Patient nicht etwa<br />

um der Vollständigkeit einer Publikation willen mehr<br />

Nebenwirkungen oder gar eine nicht optimale Behandlung<br />

in Kauf nehmen muss.<br />

Gerade bei kleinen Studien ist doch davon auszugehen,<br />

dass der Arzt seine Patienten gut kennt und<br />

alles für ihr Wohl tut. Wäre da nicht ein unbürokratischeres<br />

Vorgehen möglich?<br />

Jenny: Das Problem ist, wenn die Ergebnisse aus Einzelstudien<br />

zusammengenommen und publiziert werden,<br />

dann haben auch die kleinen – vielleicht ungenau oder<br />

falsch interpretierten – Resultate letztlich einen Einfluss<br />

auf das Design weiterer Studien. Das führt in eine Schieflage.<br />

Deshalb legen wir so viel Wert auf GCP, Good Clinical<br />

Practice.<br />

Was bedeutet «Good Clinical Practice»?<br />

Jenny: GCP hat drei Aspekte im Fokus: Die körperliche<br />

Unversehrtheit der Patienten ist zu schützen ebenso wie<br />

deren Rechte. Zudem müssen die Daten verlässlich sein.<br />

Das heisst, die Resultate müssen richtig sein und sorgfältig<br />

gedeutet werden. Es ist beispielsweise verboten, Patientendaten,<br />

die nicht in das erhoffte Ergebnis passen,<br />

einfach wegzulassen. Auch darf die Statistik oder die Hypothese<br />

nicht nach Studienbeginn verändert werden. GCP<br />

fordert also eine gute Experimentierpraxis.<br />

Auch die Krebsforscher befürworten, dass die Qualität<br />

der Studien steigt. Aber in der Praxis fehle oft der<br />

gesunde Menschenverstand. Zum Beispiel fordern<br />

Sie immer eine Versicherung für alle Patienten, die an<br />

einer Studie teilnehmen. Sogar als ein Forscherteam<br />

lediglich eine Hautcreme gegen Blasen an Händen<br />

und Füssen nach einer Chemotherapie ausprobierte.<br />

Diese Versicherung kostete die Forscher zusätzlich<br />

8000 Franken.<br />

Jenny: Da haben wir eine andere Sicht: Das Gesetz sagt,<br />

dass der Patient finanziell geschützt sein muss, wenn er<br />

Schaden bei einer Studie nimmt. Wie die Forscher diese<br />

Auflage erfüllen, ist ihre Sache. Wenn die Forscher für<br />

jede Studie eine neue Versicherung abschliessen, wird das<br />

teuer. Eine andere Möglichkeit wäre beispielsweise, dass<br />

die Spitäler oder die Träger dieser Organisationen Rahmenversicherungen<br />

mit günstigen Prämien aushandeln.<br />

208 <strong>Schweizer</strong> Krebsbulletin • Nr. 3/2010

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