probleme des stapellaufs
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E . V l i g<br />
Probleme <strong>des</strong> Stapellaufs 1<br />
Gelingen und Mißlingen liegen dicht beieinander.<br />
Austin<br />
Mittlerweile ist inzwischen der Bau auf der Helling so weit fortgeschritten, daß<br />
man sich einem Meilenstein auf dem Lebensweg <strong>des</strong> Schiffs nähert, nämlich<br />
dem Augenblick, wo man es seinem Element übergibt, indem es<br />
gewissermaßen den ersten Schritt vom Schiffbau zur Schiffahrt macht.<br />
Was bis jetzt nicht mehr war als eine leblose, unbewegliche Masse, muß jetzt<br />
leben und sich bewegen. Es muß getauft werden und einen Namen<br />
bekommen, kurzum es muß Schiff werden.<br />
Viele Leser haben vielleicht schon einmal einem Stapellauf eines großen<br />
Schiffs beigewohnt. Sie werden sich womöglich verwundert gefragt haben, wie<br />
es sein kann, daß sich solch ein gewaltiger Körper so genau zu einem<br />
festgesetzten Zeitpunkt in Bewegung setzt und schon wenige Sekunden später<br />
sicher sein Element erreicht.<br />
Die (glücklicherweise viel weniger zahlreichen) Leser, die dagegen schon<br />
einmal die Enttäuschung mitgemacht haben, unverrichteter Dinge von einem<br />
Stapellauf nach Hause geschickt worden zu sein, weil die ‚Vorstellung’ ausfiel,<br />
werden sich wahrscheinlich gefragt haben, was die Ursache gewesen sein<br />
konnte, daß nach manchmal stundenlangen Bemühungen sich das Schiff<br />
hartnäckig weigerte, die Helling zu verlassen.<br />
Sobald wir diese beiden Fragen beantwortet haben: „Wie läuft das eigentlich<br />
ab?“ und „Warum klappt es bisweilen auch schon einmal nicht?“ (so<br />
vollständig wie es in diesem Zusammenhang möglich ist), haben wir schon<br />
unsere Aufgabe erfüllt, dem Leser Einblick in die wichtigsten Gesichtspunkte<br />
<strong>des</strong> Stapellaufs zu gewähren. Das setzt in<strong>des</strong> voraus, daß wir zuvor sowohl<br />
eine Beschreibung der verschiedenen Hellingen geben, auf denen Schiffe<br />
gebaut werden, als auch der Art und Weise, wie das Schiff bis zum Stapellauf<br />
auf der Helling ruht.<br />
Offene Hellingen<br />
Der Begriff Helling deutet schon an, daß es sich um denjenigen Teil der Werft<br />
handelt, der zur Wasserseite hin schräg abfällt. Bei Werften, die an einem<br />
1 Erstveröffentlichung als: De Problemen van den Stapelloop – De tewaterlating in haar<br />
voorbereiding, in: Neerlands Scheepsbouw en Scheepvaart – Deel 1: Scheepsbouw,<br />
J.Th.Wilke en S. Halfweeg (redactie), Rotterdam [T.Wyt] 1943/44, S. 59-79<br />
Dank für einige wichtige Hinweise bei der Übersetzung an: Gerhard Carlsson, Werner<br />
Lundt, Verband f. Schiffbau u. Meerestechnik e.V. Hamburg, sowie G. Siemsen, Stapellauf<br />
bei Lindenau, Kiel 2005
Fahrwasser liegen, das unter dem Einfluß von Ebbe und Flut steht, oder wo<br />
sich – wie an unseren oberen Flüssen – der Wasserstand ständig verändert<br />
(erstere werden wir der Einfachheit halber fortan ‚Gezeitenwerften’ nennen),<br />
ist die Schiefe Ebene in erster Linie dazu da, den Bauplatz <strong>des</strong> Schiffs bei<br />
normalem Wasserstand trocken zu halten; nur bei Hochwasser wird die<br />
Helling teilweise und vorübergehend überflutet. Außerdem würden ohne den<br />
schrägen Ablauf die Stapel bei A viel zu hoch werden.<br />
Abb 1<br />
Die Helling läuft so weit wie möglich ins Wasser hinein, allerdings so, daß<br />
man zu jeder Zeit bei normal niedrigem Wasserstand die Ablaufbahnen (das<br />
sind die hölzernen Balken, auf denen das Schiff hinuntergleitet) bei E an ihren<br />
Platz legen kann. Die Helling wird unter das Hochwasserniveau<br />
durchgezogen, damit beim Stapellauf soviel Wasser wie möglich über dem<br />
unteren Ende der Bahn steht. Warum das so ist, wird weiter unten erklärt.<br />
Abb. 2<br />
Was den Bau von Hellingen betrifft, bestehen sie bei den meisten kleinen<br />
Werften aus einigen Reihen in den Boden eingegrabener Holzbalken. Diese<br />
Balken sind bisweilen auf Rammpfählen gegründet, abhängig vom Gewicht
der Schiffe und der Beschaffenheit <strong>des</strong> Untergrunds. Auf den modernen<br />
großen Werften, wo man es mit gewaltigen Gewichten der großen Schiffe zu<br />
tun hat, ist eine derartige Konstruktion nicht tragfähig genug, so daß<br />
Hellingen zumeist in Stahlbeton ausgeführt werden. Die Helling besteht in<br />
diesen Fällen aus einer breiten, auf Pfählen gegründeten Betonplatte, die eine<br />
gewisse Neigung aufweist, bis sie die Ebene <strong>des</strong> Gelän<strong>des</strong> bei C schneidet.<br />
Danach läuft die Betonplatte eben mit dem Gelände, um aber zu vermeiden,<br />
daß Aufklotzung (die hölzernen Blöcke, auf denen das Schiff ruht) bei A zu<br />
hoch zu stehen kommt, wird der vorderste Teil mit einer mit der gleichen<br />
Neigung auflaufenden, Gewölbekonstruktion aus Beton versehen, in der<br />
Hilfsmagazine, Aufsichtsbüros usw. untergebracht sein können (s. Abb. 31).<br />
Sollen auf derselben Helling auch Schiffe auf zwei Schlitten zu Wasser<br />
gelassen werden, wird das obere Ende mit zwei Ansatzstücken aus<br />
gegründeten Balkenlagen versehen, auf deren Bedeutung weiter unten<br />
eingegangen wird (Abb. 2, 1-4).<br />
Geschlossene Hellingen<br />
Diesen Typ findet man bisweilen auf großen Werften an, die an einem<br />
abgeschlossenen Binnengewässer mit gleichbleibendem Wasserspiegel liegen,<br />
der lediglich anläßlich eines Stapellaufs innerhalb gewisser Grenzen<br />
angehoben werden kann. Das untere Ende der Helling wird dann weit unter<br />
dem angehobenen Wasserspiegel angelegt, weil sonst der Wasserstand, den<br />
große Schiffe am unteren Ende brauchen, nicht erreicht wird. (Abb. 3)<br />
Abb. 3<br />
Die Helling liegt in diesem Fall nicht auf dem geböschten Teil <strong>des</strong><br />
Werftgelän<strong>des</strong>; sie wird vielmehr in das ebene Gelände eingeschnitten. Das<br />
wasserseitige Ende läßt sich mit Hilfe eines Schwimmtors (oder einem auf<br />
andere Weise beweglichen Tor) wasserdicht abschließen. Bei geschlossenem<br />
Tor wird das Wasser ausgepumpt, so daß alle Arbeiten auf dem Trockenen<br />
ausgeführt werden können.
Kurz vor dem Stapellauf werden der Wasserstand im Fahrwasser, falls nötig,<br />
angehoben, das Wasser eingelassen und das Tor geöffnet. Es versteht sich von<br />
selbst, daß auch hier die Helling, wo sie die Ebene <strong>des</strong> Gelän<strong>des</strong> schneidet,<br />
aus den oben beschriebenen Gründen als Schräge durchgezogen wird.<br />
Eine abschließbare Helling findet man auch auf Gezeitenwerften, hier aber<br />
nur für sehr große Schiffe, die einen Wasserstand über dem Ende der Bahn<br />
erfordern, der ansonsten nur erreicht würde, wenn man die Helling weit in<br />
den Fluß hineinbaute, viel weiter als bei den Ausläufern der erwähnten<br />
offenen Hellingen.<br />
Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten und Kosten der<br />
Unterwasserarbeiten würden diese Ausläufer ein in den Fluß hineinragen<strong>des</strong><br />
Hindernis darstellen, das von den Behörden, die für den ungehinderten<br />
Verkehr auf unseren Wasserstraßen zuständig sind, nicht zu dulden ist.<br />
Querhellingen und Hellingen an einem schmalen Fahrwasser<br />
Wo die Breite <strong>des</strong> Fahrwassers wenig mehr ausmacht als eine Schiffslänge,<br />
stellen sich andere Probleme. Manchmal gräbt man, bei kleinen Schiffen,<br />
einfach ein Loch ins gegenüberliegende Ufer, das mit Flechtwerk gefüllt wird,<br />
in das man das Schiff laufen lässt (Abb. 4 a). Es kommt auch vor, daß die<br />
Helling schon von vornherein nicht senkrecht, sondern schräg zum<br />
Fahrwasser angelegt wird (Abb. 4 b). Abgesehen davon, daß man auf diese<br />
Weise Ablaufraum gewinnt, bietet diese Form den Vorteil, daß die starke<br />
Strömung bei Werften, die an den oberen Flüssen gelegen sind, beim<br />
Stapellauf weniger Einfluß auf das Schiff hat.<br />
Abb. 4<br />
Liegt die Werft allerdings an einem so schmalen Kanal, <strong>des</strong>sen Breite geringer<br />
ist als die Schiffslänge, helfen alle diese Hilfsmittel nicht; das Schiff wird dann
längs <strong>des</strong> Kanals gebaut und auf besondere, später zu behandelnde Weise<br />
querschiffs zu Wasser gelassen.<br />
Baudocks und überdachte Hellingen<br />
Diese Beschreibung soll nicht beschlossen werden, ohne der Vollständigkeit<br />
halber das Bauen in Baudocks zu erwähnen.<br />
Dabei handelt es sich um in den Grund gegrabene, tiefe Gruben, deren<br />
Wände und Boden in Stahlbeton ausgeführt werden und die durch ein Tor,<br />
wie bei geschlossenen Hellingen, mit dem angrenzenden Fahrwasser<br />
verbunden sind. Der Boden liegt so weit unter dem Wasserspiegel dieses<br />
Fahrwassers, daß das Schiff einfach aus dem Dock ausgeschwommen werden<br />
kann, nachdem es geflutet und das Tor geöffnet wurde.<br />
Das Baudock bietet verschiedene Vorteile. Erstens wird das Schiff nicht auf<br />
einer schiefenen Ebene, sondern in der Horizontalen gebaut, was viel<br />
einfacher ist. Zweitens werden die ständig wiederkehrenden Lohn- und<br />
Materialkosten, sowie die Risiken, die mit einem Stapellauf verbunden sind,<br />
vermieden. Drittens braucht man das herangeschaffte Material nur ins Dock<br />
hinunterzulassen (praktisch ohne Energieverbrauch), während es bei<br />
Hellingen stets bis auf teils große Höhe angehoben werden muß. Und<br />
schließlich lässt sich das Baudock bei ausbleibenden Bauaufträgen in<br />
beschränktem Maß auch als Reparaturdock benutzen.<br />
Daß das Baudock ungeachtet seiner Vorteile hierzulande nur selten<br />
anzutreffen ist, hat technische Gründe, liegt vor allem aber an den Kosten, die<br />
den Vorteilen gegenüber stehen und sie weitgehend wieder aufwiegen.<br />
Zum Schluß ist noch zu erwähnen, daß Hellingen in einigen Fällen überdacht<br />
sind und manchmal sogar von einer dichten Halle umschlossen sind. Man<br />
schützt sich damit gegen den Einfluß <strong>des</strong> Wetters, das sich in unserem<br />
gesegneten Klima oft genug hinderlich auf den Bau auswirkt. Insbesondere<br />
bei komplizierten Marineschiffen, wie z.B. Unterseebooten u.dgl. machen sich<br />
diese Einflüsse besonders störend bemerkbar, weshalb das Bauen auf<br />
überdachten Hellingen für solche Schiffe oft sogar durch die Auftraggeber der<br />
Marine vorgeschrieben wird.<br />
Die Lage auf der Helling<br />
Aus Gründen, die noch darzulegen sind, wird das Schiff immer mit dem<br />
Achtersteven zum Wasser gebaut. Was die Stelle für diesen Steven betrifft, so<br />
wählt man sie bei offenen Hellingen so weit vom Wasser entfernt, wie es die<br />
Umstände irgend zulassen. (Der Vordersteven darf z.B. nicht zu weit über das<br />
obere Ende der Helling hinausragen.) Je weiter der Achtersteven vom Wasser
entfernt liegt, um so unwahrscheinlicher ist es, daß die Arbeit am Achterschiff<br />
wegen Hochwassers unterbrochen werden muß, und so geringer das Risiko,<br />
daß bei einem außergewöhnlich hohen Hochwasser die hintersten<br />
Kimmblöcke während <strong>des</strong> Stapellaufs nicht mehr zugänglich sind. Diese<br />
Gefahr entfällt bei geschlossenen Hellingen natürlich, weshalb dort die<br />
Hellinglänge so weit wie möglich ausgenutzt werden kann, indem man den<br />
Achtersteven möglichst weit nach unten legt.<br />
Was übrigens die größtmögliche Ausnutzung betrifft: Es kommt vor, daß auf<br />
langen Hellingen zwei Schiffe hintereinander gesetzt werden, was dazu führt,<br />
daß das obere Schiff eine ziemlich lange Reise unternehmen muß, bevor es in<br />
seinem Element ist. Auf sehr breiten Hellingen werden sogar bisweilen vier<br />
kleinere Schiffe, also zwei nebeneinander und zwei hintereinander, gebaut.<br />
Abb. 5<br />
Hat man den Platz <strong>des</strong> Achterstevens in der Längsrichtung festgelegt, wird<br />
hier noch die Höhe vom Kiel zur Helling bestimmt (Abb. 5, bei B). Auch hier<br />
muß – mit Rücksicht auf einen angemessenen Platz zum Arbeiten unter dem<br />
Kiel – die Höhe wieder so gering wie möglich sein, um am Ende der Bahn so<br />
viel Wasser wie möglich über dem Kiel zu haben. Der Platz unter dem Kiel<br />
wird selten niedriger als 1 Meter sein, wenngleich man sich in Ausnahmefällen<br />
mit weniger zufrieden geben muß. Wurde die Höhe schließlich festgelegt,<br />
steht zugleich der Anfangspunkt der Kiellinie fest.<br />
Jetzt kommt die sehr wichtige Frage: „Mit welcher Neigung muß die Kiellinie<br />
nach vorn hinauflaufen?“ Dieses Gefälle, das für jede Helling und für je<strong>des</strong><br />
Schiff gesondert bestimmt werden muß, ist min<strong>des</strong>tens gleich der – und<br />
beinahe immer größer als – Neigung der Helling selbst. In letzterem Fall liegt<br />
dann die Bahn bei E (s. Abb. 5) ungefähr direkt auf der Helling und der<br />
Abstand von Kiel zu Helling nimmt nach vorn ein wenig zu, was dem<br />
Arbeitsraum in wachsendem Maß zugute kommt. Dieser Raum darf wiederum<br />
nicht zu groß werden, denn das bedeutete ein zu hohes und teures<br />
Ablaufgerüst unter dem Vorschiff. Die Abbildung zeigt deutlich, welchen<br />
Einfluß das auf die Höhe <strong>des</strong> Balkenlagers beim Vorsteven bei A 1 hat.<br />
Das kleinste gebräuchliche Gefälle im Seeschiffbau beträgt rd. 1 : 20 und das<br />
höchste 1 : 12. Das heißt, der Kiel hat eine Neigung im Verhältnis zur<br />
Horizontalen, von einem Meter auf 20 respektive zwölf Meter Kiellänge.
Einem der vornehmsten Grundsätze bei der Festlegung <strong>des</strong> richtigen Gefälles<br />
zufolge muß dieses min<strong>des</strong>tens so groß sein, daß das Fahrzeug, nachdem es<br />
losgelassen wird, ganz von selbst in Bewegung kommt.<br />
Dabei ist zu beachten, daß (bei selbem Gefälle) Schiffe mit einem niedrigen<br />
Fettdruck oft nicht von selbst in Bewegung kommen und in einer viel<br />
langsameren Geschwindigkeit abgleiten als bei einem hohen Fettdruck. Unter<br />
Fettdruck versteht man den Druck, der durch das Schiff je Oberflächeneinheit<br />
auf die Fettschicht in der Bahn ausgeübt wird. Der Druck muß zwischen 15<br />
und 35 Tonnen je m 2 (1 t = 1 000 kg) liegen und wird durch Teilung <strong>des</strong><br />
Schiffsgewichts durch die Gesamt-Schlittenoberfläche ermittelt.<br />
Daraus folgt, daß sehr kleine und leichte Schiffe mehr Gefälle benötigen als<br />
große und schwer gebaute (bisweilen beträchtlich mehr als das erwähnte<br />
Maximum von 1 : 12), weil bei ersteren der Fettdruck, selbst bei kleinster<br />
möglicher Schlittenbreite, noch viel zu niedrig ist.<br />
Ein zweiter Grundsatz lautet, daß das Gefälle, und in Verbindung damit die<br />
Ablaufgeschwindigkeit, so groß wie möglich angesetzt werden müssen, es sei<br />
denn, es überwiegen die Bedenken gegen eine hohe Geschwindigkeit. In<br />
verschiedenen Phasen <strong>des</strong> Stapellaufs treten Momente auf, bei denen sowohl<br />
im Schiff als auf der Helling recht große Belastungen (und dementsprechend<br />
Biege- und Druckspannungen) zu verzeichnen sind, so daß es darauf<br />
ankommt, das Fahrzeug so schnell wie möglich über diese kritische Punkte zu<br />
bringen. Das eigentlich einzige Motiv, diese Geschwindigkeit zu beschränken,<br />
ist ungenügender Schwimmraum vor der Werft. Es gibt jedoch verschiedene<br />
Arten, die Geschwindigkeit <strong>des</strong> Schiffs, nachdem es die Helling verlassen hat,<br />
abzubremsen. Diese werden im Abschnitt zum Thema ‚Das Abbremsen’<br />
behandelt.<br />
Es würde zu weit führen, alle Belastungen zu behandeln, die auftreten können.<br />
Wir begnügen uns hier damit, Ort und Ursache der zwei bedeutendsten zu<br />
behandeln.<br />
Abb. 6<br />
Hinsichtlich der ersten möchte ich auf Abbildung 6 verweisen. Das Schiff<br />
wird darauf in halb abgelaufenem Zustand dargestellt, zu dem Zeitpunkt, da<br />
der Schwerpunkt Z gerade über das Ende der Helling hinweg ist. (Der<br />
Schwerpunkt ist der Punkt, in dem das Schiff im Gleichgewicht bleibt, wenn<br />
es lediglich dort unterstützt wird.)
Denken wir uns jetzt für einen Moment das Wasser im Fluß weg. In diesem<br />
Fall liegt es auf der Hand, daß das Schiff einfach hintüberfällt, entsprechend<br />
der mit einer feinen Linie gezeichneten Position. Es neigt dann dazu, durchzubiegen,<br />
wie in der gebogenen Form, die zur besseren Sichtbarkeit übertrieben<br />
dargestellt wurde. Diesem Hintüberschlagen, dem sog. Dumpen, das<br />
selbstverständlich großen Schaden verursachen kann, wirkt die Auftriebskraft<br />
<strong>des</strong> Wassers entgegen. Es liegt jetzt an umfangreichen Berechnungen, das<br />
Gefälle so zu wählen, daß die Auftriebskraft <strong>des</strong> Achterschiffs bei einer bestimmten<br />
Wasserhöhe an jedem Punkt <strong>des</strong> Ablaufs überwiegt. Auf<br />
Abbildung 7 sieht man deutlich den Effekt eines erhöhten Ablaufs auf den<br />
Grad <strong>des</strong> Dumpens.<br />
Abb. 7<br />
Die Schwierigkeit besteht nun darin, daß bei Gezeitenwerften diese<br />
Wasserhöhe von vornherein nie genau zu berechnen ist. Es kann daher<br />
vorkommen, daß der Wasserstand am Tag <strong>des</strong> Stapellaufs so hinter den<br />
Erwartungen zurückbleibt, daß am Ende gerade eine kleine Neigung zum<br />
Dumpen übrig bleibt. Große Geschwindigkeit ist dann von großem Vorteil.<br />
Direkt nachdem der gefährliche Punkt passiert wurde, nimmt die<br />
Wasserverdrängung nämlich so rasch zu, daß das Schiff sozusagen in der nur<br />
kurzen gefährlichen Zone keine Zeit findet um zu dumpen. Daß dies in der<br />
Tat so geschieht, hat die Praxis mehrfach bewiesen.<br />
Aus dem Gesagten folgt außerdem, daß bei Gezeitenwerften das Schiff genau<br />
bei Hochwasser zu Wasser gelassen werden muß. Es kommt dabei nicht auf<br />
ein paar Minuten an, aber bei manchen Windrichtungen sorgt kräftiger Wind<br />
nicht nur bereits für einen abnormal niedrigen Wasserstand; sondern führt danach<br />
auch zum sehr schnellen Kentern der Gezeit und infolge<strong>des</strong>sen zum<br />
raschen Sinken <strong>des</strong> Wassers. Jene Werften nehmen diesbezüglich eine günstige<br />
Stellung ein, die an einem stillen Gewässer liegen, wo man jederzeit den<br />
Wasserspiegel erhöhen kann und so lange man will auf diesen Stand halten<br />
kann.<br />
Abb. 8
Der zweite kritische Punkt, über den ein Schiff während <strong>des</strong> Ablaufens<br />
hinweg muß, ist in Abbildung 8 dargestellt. Man sieht das Schiff zu dem<br />
Zeitpunkt, wo die Wasserverdrängung <strong>des</strong> Hinterschiffs so sehr zugenommen<br />
hat, daß es zu schwimmen beginnt und das Schiff somit an zwei Stellen<br />
gestützt wird: hinten durch die Auftriebskraft <strong>des</strong> Wassers, und vorn durch die<br />
Helling bei F. Der Druck kann dort bis zu 25% <strong>des</strong> gesamten Ablaufgewichts<br />
betragen und nimmt bei großen Schiffen beträchtliche Ausmaße an. Bei der<br />
Nieuw-Amsterdam betrug er beispielsweise schon 4 200 Tonnen und bei den<br />
größten Schiffen (Queen Mary, Normandie, u.ä.) steigt diese Zahl sogar auf<br />
7 bis 8 000 Tonnen. Der Leser wird verstehen, daß, falls dieser Druck auf<br />
einem Punkt der Ablaufbahn auftritt, wie es theoretisch der Fall ist, weder die<br />
Helling noch das Schiff stark genug sein können, um diese Kraft auszuhalten.<br />
Glücklicherweise verteilt sich dieser Druck durch die natürliche Elastizität der<br />
Aufklotzung und teils auch durch das Durchbiegen der Helling und der<br />
Ablaufbahn über eine gewisse Länge. Bei sehr großen Schiffen beträgt er aber<br />
noch stets 200 bis 250 Tonnen je m 2 Bahn-Oberfläche, so daß die Helling an<br />
dieser Stelle eine besondere Verstärkung benötigt. Deshalb ist es auch hier<br />
wichtig, daß das Schiff so rasch wie möglich diese Stelle passiert.<br />
Daß der Vorderstevendruck je Quadratmeter noch immer sehr hoch bleibt,<br />
sieht man deutlich daran, daß bei großen Schiffen alles Fett nicht nur im<br />
Augenblick <strong>des</strong> Aufschwimmens aus den hintersten Kissen gedrückt wird;<br />
durch die enorme Reibung der inzwischen trockenen Lauffläche entsteht<br />
sogar Rauch und selbst Feuer. Das Schiff biegt sich dabei auch durch,<br />
wenngleich weniger stark als in der Position in Abbildung 9 und diesmal in<br />
entgegengesetztem Sinn.<br />
Abb. 9<br />
Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, warum im Gegensatz zu den früheren<br />
hölzernen Segelschiffen die gegenwärtigen Schrauben-Dampfschiffe mit dem<br />
Achtersteven voraus zu Wasser gelassen werden. Das Achterschiff mit dem<br />
offenen Schraubenrahmen, dem Ruder und den anderen empfindlichen<br />
Anbauten, könnten diesem Druck nicht ohne Schaden standhalten. Dafür<br />
eignet sich die stärkere Vorschiffkonstruktion viel besser.<br />
Wir haben schon oben behauptet, daß Gefälle und Geschwindigkeit so groß<br />
wie möglich angenommen werden sollten, wenngleich unter dem Vorbehalt,<br />
daß keine ernsten Bedenken erhoben werden. Daß man bei einem besonders
hohen Gefälle auf jeden Fall mit der nötigen Vorsicht vorgehen muß, zeigt<br />
der folgende Vorfall aus der Vergangenheit:<br />
Vor Jahren erhielt ein junger Zeichner die Stellung <strong>des</strong> Betriebsleiters einer<br />
kleinen Werft in den Tropen, die für den Bau von Yachten und ähnlich<br />
kleinen Fahrzeugen eingerichtet worden war. Der junge Mann, der seine<br />
Position hauptsächlich dem äußerst unzuträglichen Klima <strong>des</strong> Ortes<br />
verdankte, durch das sachkundigere Bewerber abgeschreckt worden waren,<br />
besaß nicht die geringste Erfahrung beim Stapellauf und er beschloß daher,<br />
seinem ersten Schiff sicherheitshalber nicht zu wenig Gefälle zu geben.<br />
Er übertrieb es so, daß das kleine Schiff, eine sehr scharf gebaute Yacht für<br />
eine einheimische Herrschaft, beim Stapellauf aufgrund mangelnder<br />
Auftriebskraft mit dem gesamten Hinterschiff im Wasser abtauchte.<br />
Normalerweise wäre es danach natürlich von selbst wieder aufgetaucht.<br />
Bedauerlicherweise hatte man es aber versäumt, verschiedene große<br />
Öffnungen im Deck zu schließen. Das Schiff sank schließlich so weit, daß es<br />
durch diese Öffnungen ganz vollief, bevor es sich aufrichten konnte und<br />
setzte seinen weiteren Weg anstatt auf dem Wasser unter Wasser fort. Ebenso<br />
groß wie die Bestürzung der Betroffenen war das Vergnügen der zahlreich<br />
anwesenden Einheimischen. Für den Betriebsleiter dieser Werft war es sein<br />
erster und letzter Stapellauf.<br />
Die große Gefahr eines beim Stapellauf nicht vollständig geschlossenen<br />
Schiffs soll weiter unten noch anhand eines anderen Beispiels verdeutlicht<br />
werden.<br />
Aufklotzung und Ablaufbahn<br />
Jetzt, wo die Kiellinie festliegt, wenden wir unseren Aufmerksamkeit der<br />
Unterstützung <strong>des</strong> Schiffs während <strong>des</strong> Bauens zu, so wie der Art und Weise,<br />
wie diese Unterlage, die Aufklotzung durch die Ablaufbahn ersetzt wird.<br />
Abb. 9<br />
Das Schiff wird in der Mitte durch die Kielpallen A und an den Seiten bei den<br />
sog. Kimmen (dem abgerundeten Übergang zwischen Boden und Seiten)<br />
durch die Kimmpallen B gestützt (s. Abb. 9). Bei breiten Schiffen setzt man<br />
zwischen sie noch eine oder mehrere Reihen von Unterbauten, die aus
Zwischenblöcken C besteht oder aus runden Stützen D, wie auf dem<br />
Querschnitt gestrichelt dargestellt.<br />
Abb. 10<br />
Die Kielstapel stehen dicht beieinander, die Kimm- und Zwischenstapel<br />
hingegen viel weiter auseinander. All diese Stapel werden an der Oberseite mit<br />
schweren Keilen aus Eichenholz E versehen, auf denen eine Stoßplanke F<br />
liegt. Die Keile dienen dazu, die Blöcke fest gegen das Schiff zu pressen. Das<br />
geschieht unter starken Schlägen mit dem sog. Rammbär (‚ram’ Abb. 10),<br />
einem länglichen Stück Hartholz von rd. einem Meter Länge. Dieser<br />
Rammbär gleitet in einer glatten hölzernen Rinne und wird an beiden Seiten<br />
durch zwei bis drei Mann bedient, die ihn mit Hilfe von daran befestigten<br />
Seilen durch die Rinne ziehen und gegen das stumpfe Ende <strong>des</strong> Keils stoßen.<br />
Das Rammen wurde früher von rhythmischem Gesang begleitet, der<br />
inzwischen ungebräuchlich geworden ist.<br />
Die meisten Stapel werden später entfernt, um Platz für die Ablaufbahn zu<br />
machen. Wie das vor sich geht, hängt von einer maßgeblichen Entscheidung<br />
ab, die schon beim Legen <strong>des</strong> Kiels zu treffen ist: ob nämlich das Schiff auf<br />
einem oder auf zwei Schlitten zu Wasser gelassen werden soll. Überlegungen,<br />
die dabei im Spiel sind, werden an späterer Stelle behandelt.<br />
Abb. 11<br />
Abbildung 11 zeigt die Ablaufbahn eines Schiffs, das auf einem Schlitten zu<br />
Wasser gelassen wird. G ist der Schlitten, der unter dem Schiff angebracht<br />
wird und mit zu Wasser geht. Früher, zur Zeit der hölzernen Schiffe, wurde<br />
‚auf dem Kiel’ zu Wasser gelassen. Ein Schlitten war damals überflüssig, da<br />
der Kiel aus einem unter dem Schiff hervorstehenden breiten Holzbalken<br />
bestand und denselben Zweck erfüllte. Der Schlitten wird mit Stahldrähten H<br />
am Schiff aufgehängt, die oben an Deck befestigt und mit Spannschrauben K
ack geholt werden. Wenn das Schiff im Wasser liegt, werden die Drähte an<br />
Deck gelöst und der Schlitten in Längsrichtung unter dem Schiff<br />
hervorgeholt.<br />
Der Schlitten gleitet auf dem Kissen L, das seitlich mit hochkant stehenden<br />
Leitplanken O (das Wort spricht für sich selbst) versehen ist. Die Kissen sind<br />
so breit, daß der Schlitten mit ein wenig Spiel hineinpaßt und wird mit einer<br />
10 bis 20 mm dicken Fettlage (‚Unterfett’) überzogen, auf der eine dünne Lage<br />
Schmierseife und Öl (‚Oberfett’) liegt. Die Unterseite <strong>des</strong> Schlittens wird<br />
lediglich mit einem Quast mit Fett oder Grafitpulver eingeschmiert.<br />
Sowohl der Schlitten als auch die Kissen bestehen aus einem oder mehreren<br />
Vierkanthölzern von rd. 30 cm Kantenlänge, die im Abstand von rd. 1 m mit<br />
starken Durchbolzen N aneinander befestigt sind. Die Anzahl Balken bzw. die<br />
Gesamtbreite hängt vom zulässigen Fettdruck ab, der, wie schon erwähnt,<br />
zwischen 15 und 35 Tonnen je m 2 Schlittenoberfläche liegen muß. Die<br />
Gesamtbreite beträgt naturgemäß min<strong>des</strong>tens rd. 30 cm bzw. eine<br />
Balkenbreite, woraus folgt, daß die meisten leichten Flußschiffe einen<br />
Fettdruck aufweisen, der viel geringer als 15 Tonnen/m 2 ist, so daß diese<br />
Schiffe ein wesentlich höheres Gefälle als 1 : 12 benötigen.<br />
Was die größtmögliche Breite betrifft, liegt die Grenze aus technischen<br />
Gründen beim Ein-Schlitten-Stapellauf scharfer Schiffe bei 1½ m. Bei<br />
völligen Schiffen kann sie bis auf höchstens 2 m ansteigen. Wird selbst bei<br />
diesen großen Breiten der Fettdruck zu hoch, ist man gezwungen, das Schiff<br />
auf zwei Schlitten ablaufen zu lassen, wobei man ohne Schwierigkeit eine<br />
Schlittenbreite bis zu 3 m wählen kann. Ein großer Vorteil ist, daß dabei der<br />
hohe Druck <strong>des</strong> Vorderstevens auf zwei Punkte, also günstiger über die<br />
Helling verteilt wird.<br />
Abb. 12<br />
In Abbildung 12 sieht man zu beiden Seiten die sog. Stützbahnen<br />
(„Angstbahnen“) M. Das sind bis ans Wasser durchlaufende Balken, die<br />
lediglich an der Oberseite mit dem Quast eingefettet werden. Sie dienen der<br />
eventuellen Unterstützung <strong>des</strong> nur auf dem recht schmalen Schlitten ruhenden<br />
Schiffs, jedoch einzig und allein für den Fall, daß es aus irgendeinem Grund<br />
zur Seite kippen sollte. Zwischen dem Stützbahnen und den am Schiff<br />
aufgehängten Kimmschlitten P ist <strong>des</strong>halb auch einige Millimeter Luft. Auf<br />
einen weiteren Zweck hiervon gehe ich später ein. Indem man der Stützbahn<br />
ein wenig mehr Gefälle gibt als dem mittleren Schlitten, verhindert man, daß
der Kimmschlitten die Stützbahn berührt, sollte das Schiff während <strong>des</strong><br />
Ablaufs ein wenig durch die mittlere Fettschicht sacken.<br />
Das Anbringen der Schlitten, die für gewöhnlich aus einzelnen Abschnitten<br />
von 7 bis 8 m bestehen, geschieht folgendermaßen:<br />
Abb. 13<br />
Schon im Voraus wurden die Kielblöcke (Abb. 13 a) über etwas mehr als eine<br />
Kissenlänge losgeschlagen. Die obersten Blöcke werden entfernt, eine<br />
Schlittenlänge wird angebracht und mit den stumpfen Keilen wieder gegen das<br />
Schiff getrieben. Erst danach beginnt man mit der zweiten Länge. Auf diese<br />
Weise erreicht man, daß das Schiff zu keinem Zeitpunkt über mehr als 8 bis<br />
9 m ohne Unterlage bleibt. Die Abschnitte werden dann mit<br />
Verbindungslaschen fest mit einander verbunden, so daß sich ein Zustand<br />
ergibt wie in Abbildung 13 b.<br />
Abb. 14<br />
So kurzzeitig wie möglich vor dem Stapellauf (auf die hervorgehobene<br />
Formulierung kommen wir noch zurück) beginnt das eigentliche Schmieren.<br />
Zum zweiten Mal werden, nunmehr über etwas mehr als eine Bahnlänge die<br />
Kielblöcke losgeschlagen. Die schon vorab mit einer Fettschicht versehene
Bahn wird an ihre Stelle unter den Schlitten geschoben und jetzt mit Hilfe der<br />
Ausgleichskeile R gegen den Schlitten angedrückt, wodurch sich ein Zustand<br />
ergibt wie in Abbildung 13 c. Wie die Zeichnung zeigt, sind diese<br />
Ausgleichskeile viel flacher als die stumpfen Keile und üben daher einen<br />
weniger starken Druck aus. Dieses Aneinanderpressen darf nämlich nicht mit<br />
zuviel Kraft geschehen; ansonsten würde der große Druck die oberste Lage<br />
von Seife und Öl zwischen Schlitten und Bahn herausdrücken, wodurch das<br />
Schiff ‚kleben’ bliebe.<br />
Abb. 15<br />
Der Stapellauf auf zwei Schlitten (Abb. 14) funktioniert ganz anders. Die zwei<br />
Ablaufbahnen liegen in einem gewissen Abstand von der Mitte, der zwischen<br />
10 und 20 % der Schiffsbreite variiert. Dadurch befindet sich, im Gegensatz<br />
zum Ablauf mit einem Schlitten, über dem Schlitten keine ebene Fläche (der<br />
Kiel), vielmehr bildet der vertikale Querschnitt durch das Schiff an der Stelle<br />
Abb. 16<br />
<strong>des</strong> Schlittens eine gekrümmte Linie, wie in Abbildung 15 als punktierte Linie<br />
angegeben.
Solcherart entsteht zwischen dem rechten Schlitten und dem gebogenen<br />
Schiff ein nach vorn bzw. achtern stets großer werdender Raum, der natürlich<br />
auszufüllen ist. Über einen weiten Bereich der Länge kann diese Füllung<br />
(‚Wiege’) aus ausgelegtem Holz bestehen, jedoch muß dies nach vorn und<br />
achtern in vertikale Stützen aus Vierkantholz von 30 oder 40 cm Kantenlänge<br />
– die sog. Apostel – übergehen. Ganz am vorderen Ende (Abb. 16), wo die<br />
Wiege dem erwähnten Druck <strong>des</strong> Vorderstevens standhalten muß, wurden die<br />
Stützen zu einem massiven Block verbunden. Unter demselben Gesichtspunkt<br />
befestigt man am Schiff auch eine äußerst solide Konstruktion befestigt, mit<br />
der es sich auf die Wiege stützt (Abb. 15). Besondere Sorgfalt verdient<br />
außerdem der Verband zwischen den Stützen untereinander an beiden Seiten<br />
<strong>des</strong> Schiffs (T in Abb. 15). Die Stützen – ebenso der Schlitten – haben<br />
nämlich durch den hohen Druck die Neigung um ein wenig nach außen<br />
auszuweichen, und da der Schlitten in der Bahn nur einige Millimeter Spiel<br />
hat, kann er gegen die äußeren Leitplanken der Bahn gedrückt werden.<br />
Abb. 17<br />
Bisweilen ist es nötig, um bei scharfen Schiffen eine übermäßige Höhe der<br />
Wiege zu vermeiden, die Stützen sowohl vorn als auch achtern schräg<br />
aufzustellen, wie auf der linken Seite in Abbildung 17 dargestellt. Links wird<br />
der halbe Querschnitt eines scharf gebauten, rechts der eines völlig gebauten<br />
Schiffs dargestellt. Dabei zeigt die punktierte Linie links an, wie hoch die<br />
Wiege würde, wenn man sie senkrecht stellte. Es liegt auf der Hand, daß bei<br />
dem schrägen Stand die Neigung zur Seite auszuweichen noch größer ist, und<br />
es ist schon vorkommen, daß ein Schiff nach kurzer Zeit zum Stillstand kam,<br />
weil aufgrund eines fehlenden ausreichenden Querverbands die Schlitten<br />
gegen die Außenflächen der Bahn klemmgelaufen sind. Um dies<br />
auszuschließen, werden die äußeren Leitflächen manchmal fortgelassen.<br />
Dagegen bestehen keine Einwände, solange man darauf achtet, daß die zwei
Schlitten untereinander durch Stützen und Stahldrähte (siehe V en W<br />
Abb. 18) zu einem festen Ganzen verbunden sind.<br />
Abb. 18<br />
Die Kissen müssen (es sind jetzt weder Kiel- noch andere Stapel vorhanden)<br />
Stück für Stück auf dem richtigen Gefälle auf Blöcke gelegt und eingefettet<br />
werden. Danach werden darauf die Schlitten mit Füllholz und Apostel<br />
aufgestellt und fest verkeilt. Die Ausgleichskeile kommen hier also nicht unter<br />
die Bahn sondern auf dem Schlitten zu liegen (Abb. 18). Ist dies soweit klar,<br />
dann werden so langsam die Kiel- und Zwischenstapel weggenommen. Die<br />
Kimmpallen bleiben bis unmittelbar vor dem Stapellauf stehen.<br />
Wie die eben erwähnte gestrichelte Linie zeigt (Abb. 15), können die Apostel<br />
nicht bis zum Vor- oder Achtersteven durchgezogen werden, da sie dort<br />
unzulässig hoch würden. Das Ablaufgerüst endet daher in einem gewissen<br />
Abstand, der manchmal bis 10 % der Schiffslänge betragen kann, vor dem<br />
Vorder- bzw. Achtersteven (Abb. 15 X und Z), so daß Vor- und Achterschiff<br />
gewissermaßen in der Luft hängen.<br />
Abb. 19<br />
Auf Abbildung 19 hat das Schiff eben die Helling verlassen hat. In dem<br />
Augenblick taucht es weit unter den frei treibenden Tiefgang durch (in<br />
dünnen Linien angedeutete Stellung). Je mehr dieser Tiefgang die Wasserhöhe<br />
oberhalb <strong>des</strong> En<strong>des</strong> der Bahn übersteigt, um so tiefer wird das Schiff dumpen.
Abb. 20<br />
Dabei wird die Notwendigkeit der Ansatzstücke der Ablaufbahn (Abb 20,<br />
a − d] ersichtlich. Ohne sie würde der Bug <strong>des</strong> Schiffs bei einem Ablauf auf<br />
zwei Schlitten auf die Helling fallen; jetzt fällt er in die Fallgrube zwischen den<br />
Ansatzstücken. Bei kleineren Hellingen, auf denen ausschließlich Stapelläufe<br />
auf einem Schlitten durchgeführt werden, ist Verlängerung der Ablaufbahn<br />
daher unnötig, weil bei solchen Ablauf der Schlitten so weit nach vorn<br />
durchläuft, daß er bei beträchtlicher Geschwindigkeit stets von der Helling frei<br />
fällt. Sind sie dennoch vorhanden, können sie, falls nötig, durch eine<br />
Balkenlage vorübergehend überbrückt werden (Abb. 21).<br />
Abb. 21<br />
Der Leser wird aus dem Vorstehenden mit Recht schließen, daß die<br />
Vorbereitungen für den Stapellauf auf zwei Schlitten wesentlich<br />
zeitaufwendiger und kostspieliger sind als der auf einem Schlitten. Der<br />
Schiffbauer wird <strong>des</strong>halb nur dazu übergehen, falls es unumgänglich sein<br />
sollte. Wo diese Notwendigkeit beginnt, ist schwer zu sagen. Abgesehen von<br />
den bereits erwähnten Faktoren, gibt es noch andere Überlegungen, welche<br />
die Entscheidung beeinflussen, die aber hier nicht behandelt werden können.<br />
Ganz allgemein gesprochen ist festzustellen, daß Schiffe bis zu einem<br />
Ablaufgewicht von 6 000 Tonnen bei einer Länge von 150 Meter noch<br />
problemlos auf einem Schlitten zu Wasser gelassen werden können.
Die Schmierung<br />
Obwohl das Prinzip der Schmierung überall dasselbe ist, herrschen auf diesem<br />
Gebiet so viele unterschiedliche Auffassungen sowohl bezüglich der Art und<br />
Qualität der Schmiermittel, als auch was die Anwendung derselben betrifft,<br />
weshalb hier nur einige der unzähligen Variationen dieses Themas und auch<br />
diese nur unvollständig abgehandelt werden.<br />
Was die Qualität betrifft, gibt sich der eine Schiffbauer mit der einfachsten<br />
Sorte Schafstalg zufrieden, während andere wieder auf reines Rinderfett<br />
schwören und dabei manchmal so weit gehen, daß sie es in rohem Zustand<br />
kaufen und eigenhändig auslassen. In Wirklichkeit tut je<strong>des</strong> ordentliche<br />
Schmiermittel seinen Dienst, sofern man sich nur durch vielfältige und<br />
erfolgreiche Anwendung von den besonderen Eigenschaften und der Qualität<br />
der in Frage stehenden Fettsorte überzeugt hat. Das soll noch nicht heißen,<br />
daß sich jegliche Art von Blubber dazu eignet, ein Schiff zu Wasser zu lassen.<br />
Schwerwiegende Probleme mit in Kriegszeiten empfohlenen Ersatz-<br />
Schmiermittel haben wohl bewiesen, daß diese oft ungeeignet sind. Angesichts<br />
der gewaltigen Belange, die beim Stapellauf großer Schiffe auf dem Spiel<br />
stehen, werden an das Schmiermittel hohe Ansprüche gestellt.<br />
Das von Natur aus stets zu weiche Fett muß, auch bei der hierzulande<br />
vorkommenden tiefsten Temperatur, immer durch Zumischen eines gewissen<br />
Anteils an Stearin oder Paraffin gehärtet werden. Dieser Anteil hängt von dem<br />
zu erwarteten Fettdruck und der Temperatur ab, und es ist nunmehr eine<br />
Frage der Erfahrung, bestätigt durch Versuche, wie groß der Prozentsatz sein<br />
muß, der für jede Fettsorte verschieden ist. Gleichzeitig sollte einem bekannt<br />
sein, wie die Mischung auf alle Einflüsse unseres wechselhaften Klimas<br />
reagiert, z.B. indem es während <strong>des</strong> Erstarrens aufgrund zu schnellem<br />
Abkühlen, Risse bildet usw.<br />
Hat ein Schiffbauer in<strong>des</strong> auf dieser Grundlage einmal eine Wahl getroffen,<br />
versteht es sich von selbst, daß er nur im äußersten Notfall davon abweicht.<br />
Die Wahrscheinlichkeit <strong>des</strong> Mißlingens aufgrund verkehrter Schmierung ist<br />
dann praktisch ausgeschlossen.<br />
Auf keinen Fall darf man sich von falscher Sparsamkeit leiten lassen. Der<br />
Gebrauch billiger Produkte, deren Zusammensetzung unbekannt ist, oder das<br />
wiederholte Schmelzen von Fett, das schon ein- oder mehrfach gebraucht<br />
worden ist, zusammen mit Seife, Öl und was noch alles aus der Ablaufbahn<br />
gekratzt wird, führt auf die Dauer unvermeidlich zu Enttäuschungen. In<br />
beiden Fällen kennt man nicht die Verfälschungen und Verunreinigungen, die<br />
dem Produkt anhaften und es für seinen Zweck unbrauchbar machen können.<br />
Man darf dabei nämlich nicht außer Acht lassen, daß die gewaltigen Kosten,<br />
die ein mißglückter Stapellauf verursacht (von anderen Unannehmlichkeiten
ganz zu schweigen), in keinem Verhältnis zur Einsparung steht, die der<br />
Gebrauch minderwertigen Materials erbringt.<br />
Was die Anwendung betrifft, gehört es zu den vornehmsten Grundsätzen, daß<br />
das Fett unter keinen Umständen so weich sein darf, daß es während <strong>des</strong><br />
Stapellaufs vollständig aus dem Kissen herausgedrückt werden kann. Dieses<br />
Prinzip gilt nur bedingt für das untere Ende der Ablaufbahn. Der Fettdruck je<br />
Oberflächeneinheit nimmt nämlich allmählich zu, je weiter das Schiff nach<br />
unten gleitet, weil die tragende Oberfläche der Kissen abnimmt, während der<br />
gesamte Druck auf die Kissen sich durch den Auftrieb <strong>des</strong> einsinkenden<br />
Hinterschiffs in viel geringerem Maße vermindert. Dieser stetig zunehmende<br />
Druck verursacht ansteigende Wärmeentwicklung, wodurch die Fettschicht<br />
teilweise schmilzt, in jedem Fall aber erweicht. Deswegen ist es auf den<br />
unteren Kissen nicht immer zu vermeiden, daß die Fettschicht vollständig<br />
herausgedrückt wird, wie schon beim sog. Aufschwimmen erwähnt wurde.<br />
Im überwiegenden Teil der Ablaufbahn muß allerdings zu jeder Zeit eine<br />
dünne Unterlage verbleiben, die dann notfalls etwas zäher sein darf als die<br />
obere Schicht, weil das Schiff dann doch meistens schon eine ziemliche<br />
Geschwindigkeit aufgenommen hat. Das kann man durch eine gesonderte<br />
Unterlage aus reinem Paraffin oder Stearin erreichen, über die dann das<br />
weichere Fett gegossen wird, oder durch indem man das ganze Gemisch ein<br />
wenig fester zubereitet. Vor allem im letzteren Fall wird das Fett dann mit<br />
einer dünnen Schicht Schmierseife und Öl bedeckt, die die Eigenschaft<br />
besitzt, die Oberschicht <strong>des</strong> Gemischs (das durch Hinzufügen von Stearin,<br />
insbesondere aber von Paraffin stets recht zäh wird) ein wenig aufzulösen.<br />
Auf diese weiche Oberschicht gleitet das Schiff dann eigentlich hinunter,<br />
während, wie die Praxis gezeigt hat, die härtere Unterschicht fast vollständig in<br />
den Kissen zurückbleibt.<br />
Auch die Wahl dieser Hilfsmaterialien erfordert zu allererst Reinheit und<br />
Fachkenntnis, weil die Qualität und die Verwendung Ursache dafür sein<br />
können, daß das Schiff ‚klebt’. Dieses Kleben kann noch zahlreiche andere<br />
Ursache haben. Es hat jedoch immer die eine Wirkung, daß das Schiff nämlich<br />
nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten in Bewegung zu setzen ist.<br />
Eine der Ursache für das Kleben ist darauf zurück zu führen, daß das Schiff<br />
zu früh auf das Fett gesetzt wird. Ruht es zu lange auf dem Fett, hat Seife<br />
nämlich die Eigenschaft, daß die schmierende Wirkung durch das<br />
Eintrocknen nicht nur ganz verschwindet, sondern sogar negativ wird.<br />
Versuchen Sie einmal, eine schwer bewegliche Schublade mit Seife gängig zu<br />
machen. Anfangs ist die Wirkung überzeugend, aber nach einigen Tagen,<br />
wenn die Seife eingetrocknet ist, lässt sie sich gar nicht mehr bewegen. Das<br />
gleiche Ergebnis bekommt man, wenn das Kissen, wie schon oben erwähnt,<br />
zu sehr gegen den Schlittenläufer gepresst wird, weil dann nur eine dünne<br />
Schicht Seife zwischen Läufer und Kissen zurückbleibt, die in wenigen Tagen
fest wird und somit auch eine gegenteilige Wirkung zeitigt. Steht ein großer<br />
Teil der Ablaufbahn zu lange unter Wasser, was bei geschlossenen Hellingen<br />
an Binnengewässern nicht immer zu vermeiden ist, dann hat das ebenfalls zur<br />
Folge, daß sich die Seife auflöst und klebt. Ungünstig kann es sich auch<br />
auswirken, wenn man versäumt, bei kaltem Wetter die Fettschicht warm zu<br />
halten. Zum Wärmen reicht es, eine provisorische Dampfleitung in der<br />
Ablaufbahn zu verlegen. Um zu verhindern, daß die Seife gefriert, wird sie<br />
auch schon mal mit Glyzerin gemischt.<br />
Damit hätten wir die wohl wesentlichsten Aspekte dieses Themas behandelt,<br />
können aber nicht widerstehen, ein sehr interessantes Beispiel für einen<br />
mißglückten Stapellauf anzuführen, mit dem einst eine frühere Generation zu<br />
tun hatte. Dabei spielte nicht nur die Schmierung, sondern verschiedene<br />
andere, schon erwähnte Faktoren eine Rolle.<br />
Das Gefälle dieses Schiffs war verhältnismäßig normal, 1 : 19. Es wurde auf<br />
einem Schlitten von 132 Metern Länge und 0,91 Metern Breite zu Wasser<br />
gelassen, also mit einer Auflagefläche von rund 120 m 2 . Bei einem<br />
Ablaufgewicht von 6 500 Tonnen ergab das einen außergewöhnlich hohen<br />
Betrag von rund 54 Tonnen Fettdruck je m 2 Schlittenoberfläche. Ungeachtet<br />
dieses sehr hohen Fettdrucks meinte man aus unverständlichen Gründen mit<br />
einem mit einem Quast angebrachten Schmierfilm von nur 7 mm Dicke<br />
auszukommen. Diese Schicht war anscheinend so weich, daß das Schiff gleich<br />
vor dem Stapellauf schon 3 mm durch die Fettschicht gesackt war. Auf diese<br />
Weise blieb nur noch eine Fettschicht von 4 Millimeter übrig! Nachdem die<br />
Haltevorrichtung entfernt worden war, setzte sich das Schiff normal in<br />
Bewegung, um jedoch, nachdem es 22 Meter zurückgelegt hatte, langsamer zu<br />
werden und bei 45 Metern ganz zum Stillstand zu kommen. Bei der<br />
Untersuchung stellte sich heraus, daß der Schmierfilm vollkommen aus der<br />
Ablaufbahn herausgedrückt worden war. Das Schiff hatte sich unverrückbar<br />
‚Holz auf Holz’ festgelaufen und sowohl Schlitten als auch Kissen waren an<br />
verschiedenen Stellen sogar angekohlt. Glücklicherweise ragte der Schlitten<br />
noch nicht über dem hinteren Ende der Ablaufbahn hinaus. Das Schiff<br />
konnte <strong>des</strong>halb erneut ganz aufgeklotzt werden. Man schloß, daß der<br />
hauptsächliche Grund für das Fiasko ein hoher Fettdruck in Verbindung mit<br />
dem sehr dünnen und weichen Fettfilm war.<br />
Da das Ablaufgewicht nicht gesenkt werden konnte, mußte man zur<br />
Verminderung <strong>des</strong> Fettdrucks die Oberfläche <strong>des</strong> Schlittenläufers vergrößern.<br />
Das erzielte man dadurch, daß man zu beiden Seiten ein zusätzliches Kissen<br />
anbrachte, so daß das Schiff hier also auf drei Schlitten zu stehen kam.<br />
Infolge<strong>des</strong>sen sank der Fettdruck auf noch stets hohe 43 Tonnen je m 2 . Eine<br />
Analyse <strong>des</strong> verwendeten Talgs zeigte außerdem, daß es von sehr minderer<br />
Qualität war, weshalb man sich für reines Rinderfett mit einem Zusatz von<br />
4 % Schweineschmalz entschied. Man brachte zunächst eine feste Unterlage
von 8 mm auf, darüber eine weichere Schicht von 22 mm. So verfiel man hier<br />
von einem Extrem ins andere. Das Fett wurde schließlich mit einer dünnen<br />
Schicht Schmierseife überzogen. In solch einem Fall ist die einfachste Lösung,<br />
die ganze Ablaufbahn unter dem Schiff hervorzuziehen, zu reinigen und<br />
eingefettet wieder unten anzubringen. Diese Arbeit nahm – unter Tag- und<br />
Nachtarbeit – volle zwei Monate in Anspruch. Nach den Kosten braucht man<br />
nicht zu fragen!<br />
Der zweite Stapellauf verlief günstiger, obwohl der Geschwindigkeitsmessung<br />
zufolge auch bei dieser Gelegenheit das Schiff in Gefahr geriet, ein weiteres<br />
Mal still zu stehen. Die Ursache war eine andere, die sich schon beim ersten<br />
Stapellauf hemmend ausgewirkt hatte. Abgesehen davon ist dies ein Beispiel,<br />
wie eine Kombination von zu hohem Fettdruck, minderwertigem<br />
Schmiermittel und zu dünner Fettschicht auf einen Fehlschlag hinauslaufen<br />
muß. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß nur einer oder zwei dieser<br />
Faktoren zum selben Ergebnis geführt hätten.<br />
Die Stopper<br />
Bei der vorstehenden Beschreibung <strong>des</strong> Schmierens wurde ein Teil dieses<br />
Prozesses absichtlich nicht erwähnt, weil es besondere Erwähnung verdient.<br />
Gemeint ist das Setzen <strong>des</strong> Stoppers – das aus Zeitungsberichten allseits<br />
bekannte ‚letzte Hindernis’. Abgesehen von diesem letzten Hindernis gibt es<br />
auch noch ‚vorletzte’, die näher beleuchtet werden sollen. Wurden diese<br />
allerdings entfernt, braucht man allerdings einen in jeder Hinsicht<br />
zuverlässigen Mechanismus, der allein das Schiff so lange festhält, bis der<br />
Zeitpunkt gekommen ist, das Schiff laufen zu lassen.<br />
Man hat sich dem Problem auf verschiedene Weise genähert, obschon nicht<br />
immer gleich erfolgreich. Wir werden uns hier auf die richtige Aufstellung <strong>des</strong><br />
Stoppers beschränken und zur besseren Verständlichkeit auf seinen<br />
einfachsten Typ, den Stopperbalken, <strong>des</strong>sen Funktionsweise auch der<br />
technisch weniger versierte Leser leicht versteht (Abb. 22).<br />
Abb. 22
Die Ablaufbahn ist an der Stelle <strong>des</strong> Stoppers unterbrochen. An dieser Stelle<br />
befindet sich an der Unterseite <strong>des</strong> Schlittens eine mit Eisen beschlagene<br />
Aussparung. Der eigentliche Stopper, eine schwere eiserne Stange (A) mit<br />
zumeist vierkantem Profil greift mit dem oberen Ende in diese Aussparung,<br />
während sich das in Querrichtung abgerundete untere Ende gegen einen<br />
hölzernen, mit Eisen beschlagenen Anschlag B stützt. Zwei schwere Keile C<br />
halten das Ganze in Stellung. Zum gewählten Zeitpunkt werden diese Keile<br />
durch einen besonders schweren Rammbär, der in der Rinne D gleitet, in<br />
Querrichtung weggespalten, wodurch der Stopper A zur Seite fällt und das<br />
Schiff frei kommt. Dieses Losschlagen muß mit einem Schlag geschehen.<br />
Der Stopper blockiert nicht das Schiff selbst, sondern den Schlitten, auf dem<br />
es ruht. Der Kiel darf natürlich nicht über die trockene Oberseite <strong>des</strong> ganzen<br />
Schlittens rutschen, und wenn dieser in der Tat ein massives Ganzes bilden<br />
würde, könnte man den Stopper an einer beliebigen Stelle setzen. Doch der<br />
Schlitten besteht aus einer Anzahl einzelner, miteinander verbundener Stücke.<br />
Die Schwierigkeit besteht <strong>des</strong>halb darin, daß die Verbindungen zwischen den<br />
Schlittenabschnitten, vor allem bei großen Schiffen, nur mit Mühe stark genug<br />
gemacht werden können, um dem Druck <strong>des</strong> Stoppers zu widerstehen. Dieser<br />
Druck resultiert aus dem Gefälle, auf welchem das Schiff über die gefettete<br />
Ablaufbahn hinabgleitet. Überschlägig berechnet man den Druck, indem man<br />
das Ablaufgewicht durch den Gefällequotienten teilt. Bei einem Schiff<br />
mittlerer Größe von ungefähr 4 000 Tonnen Ablaufgewicht und einem<br />
Gefälle von 1 : 20 beträgt der Stopperdruck mithin ungefähr 4 000 : 20 = 200<br />
Tonnen. Dabei muß man den Reibungswiderstand zwischen Schlitten und<br />
Fettschicht berücksichtigen, wodurch sich diese Zahl um 25 bis 30 %<br />
vermindert.<br />
Abb. 23<br />
Setzt man den Stopper zu weit nach vorn, wie in dem Beispiel in Abb. 23 a<br />
übertrieben dargestellt, geschieht folgen<strong>des</strong>: Der vorderste Schlitten E wird<br />
unverrückbar durch den Stopper A festgehalten. Die Kraft in Pfeilrichtung,
entsprechend dem Stopperdruck ist groß genug, um die Reibung zwischen<br />
Kiel und Schlitten über die kurze Distanz F <strong>des</strong> Schlittens E zu überwinden.<br />
Die Stoßverbindung G ist nicht stark genug, um den Druck <strong>des</strong> Stoppers<br />
auszuhalten. Infolge<strong>des</strong>sen bricht er, weshalb das Schiff vom vordersten<br />
Schlitten hinuntergleitet und diesen mit Stopper und Allem auf der Helling<br />
stehen lässt (Abb. 23 b). Das kann natürlich nur geschehen, wenn schon ein<br />
Teil der Kimmpallen beseitigt worden sind. Es ist aber schon vorgekommen,<br />
daß sich das Schiff so unzeitig selbständig machte und die Helling verließ, daß<br />
niemand dabei anwesend war, weil die Kimmpallen nicht ordentlich festgekeilt<br />
waren, so daß das Schiff über sie hinweglief. Ohne den vorderen Schlitten fällt<br />
das Schiff nun nicht frei, sondern mit der ungeschützten Nase auf die<br />
Ablaufbahn (s. Abb. 24). Dieser Vorgang verläuft selbstredend nicht ohne<br />
Schaden.<br />
Abb. 24<br />
Bei einem Ablauf mit zwei Schlitten können die Folgen viel ernster sein. Das<br />
überhängende Vorschiff (Abb. 25) landet dann nicht zwischen den<br />
Unterenden der Vorhelling 2 , sondern auf der harten Betonhelling. Außerdem<br />
bleiben natürlich mit dem vorderen Schlitten auch die darauf stehenden<br />
Apostel zurück, so daß das schwere Schiff beim Aufschwimmen keine<br />
Unterstützung mehr hat. Wie seltsam es auch klingen mag, kommt so etwas<br />
schon einmal vor und, was dem nicht-technischen Zuschauer meistens<br />
entgeht, ab und zu auch beinahe.<br />
Abb. 25<br />
Je weiter man den Stopper nach achtern setzt, umso länger wird der Abstand<br />
F (Abb. 23). Schließlich wird er so lang, daß der Reibungswiderstand zwischen<br />
Kiel und Schlitten eine vorzeitige Bewegung unmöglich macht. Die Praxis hat<br />
gezeigt, daß dies erst der Fall ist, wenn man den Stopper ungefähr auf 1 / 3 der<br />
2 im Niederländischen heißen die Ansatzstücke uitloopers. Im Deutschen bezeichnet<br />
man die Vertiefung zwischen den Ablaufbahnen in der Hellingplatte als Fallgrube.
Schiffslänge hinter dem Vordersteven aufstellt. Eine Stelle noch weiter hinten<br />
wäre zwar noch sicherer; es sind dabei aber noch andere Faktoren zu<br />
berücksichtigen, z.B. muß sich der Stopper sich in einem Bereich außerhalb<br />
<strong>des</strong> Wassers befinden.<br />
Was nun die Anwendung <strong>des</strong> Stempelstoppers betrifft, muß man anmerken,<br />
daß dieser Typ sich für einen hohen Stopperdruck nicht eignet. Die<br />
Konstruktion kann zwar kräftig genug gefertigt werden, aber die Schwierigkeit<br />
dabei ist, daß bei einem zu hohen Druck die Keile C so zusammengepresst<br />
werden, daß sie sich nicht mehr losschlagen lassen – etwas, das sich durch<br />
ziemlich lautes Knacken bemerkbar macht. Wird das Knacken zu stark, ist das<br />
ein Zeichen für eine Überbelastung <strong>des</strong> Stoppers. Die Keile müssen in diesem<br />
Fall vorzeitig losgeschlagen werden, während einige vordere Kimmpallen<br />
noch stehen. Das freigekommene Schiff wird diese Blöcke umwerfen und<br />
ineinander drücken. Insbesondere wenn diese Pallen auf der Betonhelling<br />
stehen, bilden sie ein starkes Hemmnis. Dabei ist schon einmal<br />
vorgekommen, daß die niedrige Anfangsgeschwindigkeit dadurch verzögert<br />
wurde, wobei das Schiff Gelegenheit hatte, die Fettschicht aus der Gleitbahn<br />
zu drücken und nach kurzer Zeit zum Stehen kam. Man beugt der<br />
Überbelastung <strong>des</strong> Stopperbalkens vor, indem man ein hölzernes Füllstück<br />
[droge stopping] S (Abb. 22) einfügt, das fest gegen den Schlitten gedrückt wird<br />
und dadurch den Stopper entlastet. Diese Aufklotzung wird nach dem Fallen<br />
<strong>des</strong> Stoppers losgeschlagen.<br />
Noch größeres Risiko läuft man beim Stopper, wenn man die Kissen zu fest<br />
gegen den Schlittenläufer angedrückt hat. Die Kimmpallen werden dadurch<br />
dermaßen entlastet, daß die Keile mit einem einzigen Schlag mit dem<br />
Rammbär losgeschlagen werden können. Derartige lose Aufklotzungen sind<br />
natürlich nicht in der Lage ihre Funktion als ‚vorletzte Hemmung’ ordentlich<br />
zu erfüllen. Es soll sogar schon vorgekommen sein, daß ein Schiff vor der<br />
angesetzten Zeit losgelassen werden mußte, weil es ‚nicht mehr zu halten’ war.<br />
In der Tat schienen die Kimmpallen so schwach zu sein, daß auf dem Stopper<br />
der volle Druck lastete und unter dieser Belastung durchzubiegen begann.<br />
Man hielt es seinerzeit für geraten, in aller Eile das Schiff loszumachen und<br />
den Stopper wegzuschlagen. Der Stempelstopper wie übrigens die meisten<br />
anderen Systeme stellen also alles andere als eine ideale Lösung dieses Problems<br />
dar.<br />
Für den überaus hohen Druck auf den Stopper, der bei großen Schiffen auftritt<br />
(bei der Nieuw-Amsterdam etwa 650 Tonnen, bei der Queen Mary sogar<br />
1 000 Tonnen) benötigt man daher auch ein zuverlässiges Gerät. Ein solch<br />
hoher Druck kann auch nicht von einen Stopper gehalten werden. Bei der<br />
Nieuw-Amsterdam z.B. gab es zwölf, sechs auf jedem Schlitten. Die Schwierigkeit<br />
hierbei besteht darin, daß diese Stopper nicht nur gleichmäßig belastet,<br />
sondern auch gleichzeitig gelöst werden müssen. Eine der wenigen Stopperty-
pen, die dem zu hundert Prozent gerecht werden, ist der bei einigen der<br />
größten niederländischen Schiffswerften gebräuchliche Hebelstopper, bei dem<br />
über ein System von Hebeln jeder beliebige Stopperdruck auf eine Spannung<br />
von einigen Kilo reduziert werden kann, die selbst eine dünne Schnur aushält.<br />
Auf diese Weise kann man das Schiff gewissermaßen mit der Hand zurückhalten.<br />
Die erwähnte dünne Schnur wird von der Taufpatin auf der Tribüne durchtrennt,<br />
die auf diese Weise in der Tat die letzte Sicherung eigenhändig beseitig,<br />
ohne daß Arbeiter ihre Hand im Spiel haben. Die wenigen Stoppertypen, bei<br />
denen dies tatsächlich so funktioniert, müssen daher auch im letzten Moment<br />
arretiert, d.h. gesichert werden können, um auszuschließen, daß durch irgendein<br />
Mißverständnis der Stopper von der Tribüne aus vorzeitig fällt.<br />
Verschiedene Sicherheits- und anderen Maßnahmen<br />
Einige Tage vor dem eigentlichen Stapellauf müssen noch verschiedene Maßnahmen<br />
getroffen werden, um sicher zu gehen, daß der Stapellauf gefahrlos<br />
und zufriedenstellend verläuft. Die Maßnahmen unterscheiden sich in Art und<br />
Umfang so sehr von Werft zu Werft, daß ich mich hier in aller Kürze auf die<br />
Methode beschränkte, wie sie bei einer großen niederländischen Werft praktiziert<br />
wird.<br />
Die Hebelstopper, die schließlich nur durch eine dünne Schnur mit der Tribüne<br />
verbunden sind, werden mit Hilfe angelaschter Klammern so gesichert,<br />
daß es vollkommen ausgeschlossen ist, daß sie sich in einem unbewachten<br />
Augenblick, aus welchem Grund auch immer, lösen. Diese Klammern werden<br />
erst kurz vor dem Stapellauf losgebrannt.<br />
Außerdem wird das Ruder so gut wie möglich genau in Mittschiffstellung<br />
festgestellt. Ein losstehen<strong>des</strong> Ruder könnte durch den Wasserwiderstand gedreht<br />
werden, wodurch sich die Nase von der Helling windet und der Stapellauf<br />
ernthaft gefährdet wäre.<br />
Abb. 26<br />
Ebensoviel Aufmerksamkeit verdient die Stabilität: Ist sie ungenügend, muß<br />
man versuchen, sie durch Ballast zu verbessern. Da das nicht immer genügend<br />
möglich ist, kann es passieren, daß bei ungenügender Stabilität das Schiff<br />
(manchmal bei einem Ablauf mit einem Schlitten schon in Position von Ab-
ildung 26) zu kippen beginnt, bis es schließlich eine Schlagseite von einigen<br />
Grad hat. Das ist an sich noch kein Grund zur Beunruhigung. Man beobachtet<br />
dasselbe bei Frachtschiffen mit einer hohen Decklast Holz, die schon während<br />
<strong>des</strong> Ladens eine bleibende Schlagseite von manchmal 15 bis 20 Grad<br />
annehmen und trotzdem sicher über See den Bestimmungshafen erreichen.<br />
Ebenso verfügen viele große Passagierschiffe mit hohen Aufbauten über<br />
unzureichende Anfangsstabilität, wenn sie leer und ohne Ballast sind. In diesem<br />
Zustand ist eine Schlagseite von 10 Grad keine Seltenheit. Unter denselben<br />
Umständen und eben auch beim Stapellauf muß man allerdings achtgeben,<br />
daß alle losen Teile von einigem Gewicht so befestigt sind, daß sie sich<br />
nicht bewegen und auf diese Weise die ursprünglich geringe Neigung gefährlich<br />
zunimmt.<br />
Selbst wenn die Berechnungen eine zureichende Stabilität ergeben, sollte man<br />
trotzdem mit der Möglichkeit rechnen, daß durch Kollision, auf Grund Laufen<br />
oder aus anderer Ursache Wasser ins Schiff eindringt und eine geringe<br />
Schlagseite verursacht. Darum müssen alle Außenbordsanschlüsse unter der<br />
Wasserlinie gründlich geschlossen und gesichert, sicherheitshalber alle Öffnungen<br />
über der Wasserlinie, wie Außenbordstüren, Bullaugen usw. ausreichend<br />
dichtgemacht werden. Aus demselben Grund müssen auch alle wasserdichten<br />
Verbindungstüren unten im Schiff geschlossen werden, damit niemals<br />
mehr als eine der verschiedenen wasserdichten Abteilungen vollaufen kann.<br />
Daß diese Vorsichtsmaßregeln keineswegs übertrieben sind, zeigt der folgend<br />
Fall aus der Praxis: vor Jahren wurde ein großes Zwei-Schrauben-Passagierschiff<br />
zu Wasser gelassen. Das Schiff lief praktisch vollständig abgebaut und<br />
ausgerüstet, komplett mit allen Maschinen, Kesseln, Masten, Schornsteinen<br />
usw. an Bord vom Stapel (etwas, das äußerst selten vorkommt; technische<br />
oder wirtschaftliche Überlegungen können es aber erforderlich machen). Unmittelbar<br />
nach dem Freischwimmen begann das Schiff sich langsam nach<br />
Backbord zu legen. Als die Neigung so groß wurde, daß die vielen losen Teile<br />
und Werkzeuge begannen, sich zu verschieben – und daß dies möglich war,<br />
war schon der erste Fehler –, nahm die Schlagseite so sehr zu, daß das Wasser<br />
bald ins Schiff eindringen konnte, zuerst durch die tiefliegenden Außenbordstüren<br />
beim Zwischendeck und dann durch die höher gelegenen Öffnungen.<br />
Daß sie alle offen standen war der zweite Fehler.<br />
Das Schiff war dann nicht mehr zu retten. Es schlug vollständig um und verschwand<br />
in der Tiefe. Das vollzog sich mit einer Geschwindigkeit, daß es<br />
gerade noch rechtzeitig gelang, die Personen an Bord in Sicherheit zu bringen.<br />
Da es aufgrund der verschiedenen Ursache nicht möglich war, das Schiff zu<br />
bergen, wurde das Wrack nach einiger Zeit, soweit es ein Schiffahrtshindernis<br />
darstellte, beseitigt. Später stellte sich heraus, daß der zwar nur geringe Mangel<br />
an Stabilität bekannt gewesen war. Umso unbegreiflicher ist es, daß man versäumte,<br />
die nötigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Die Angelegenheit hätte
dann sicher nicht so einen katastrophalen Verlauf genommen. Als tragische<br />
Besonderheit muß noch hinzugefügt werden, daß der verantwortliche Ingenieur<br />
sich auf Grund dieses Unglücks das Leben genommen hat.<br />
Darüber hinaus muß man sich vor allem bei großen Schiffen durch Peilungen<br />
davon überzeugen, daß der Schlitten in Verbindung mit der Stellung nach<br />
Abbildung 27 nicht mit der Flußsohle in Berührung kommt. Es ist tatsächlich<br />
schon beim Stapellauf eines sehr großen Schiffs vorgekommen, daß das ganze<br />
hintere Ende vom Schlitten fortgerissen wurde. Falls nötig, muß eine unzureichende<br />
Wassertiefe durch Ausbaggern verbessert werden.<br />
Abb. 27<br />
Was die übrigen noch zu treffenden Maßnahmen angeht, so steht an erster<br />
Stelle das Errichten der Tribüne. Dabei handelt es sich um ein hölzernes Gerüst<br />
beim Vorschiff, <strong>des</strong>sen Boden ungefähr auf der Höhe der Kiellinie liegt<br />
und die sich daher bei sehr großen Schiffen so hoch über dem Gelände befindet,<br />
daß man, wie z.B. bei der Nieuw-Amsterdam, für die Gäste einen Aufzug<br />
bereitgestellt hat. Um eine solche außergewöhnliche Höhe zu vermeiden, wird<br />
die Tribüne auch schon mal seitlich <strong>des</strong> Achterschiffs aufgestellt. Die Tribüne<br />
(Abb. 28 und 29) ist meistens festlich mit Läufern und Flaggen geschmückt.<br />
Unter sehr ungünstigen Wetterbedingungen wird sie bisweilen mit<br />
Windschirmen, Regenzelt und sogar Heizung versehen, um den manchmal<br />
längeren Aufenthalt auf diesem hohen Standort annehmlich zu gestalten.<br />
Abb. 28
Abb. 29<br />
Auf der Tribüne befindet sich außerdem der Mechanismus A, der bereit für<br />
das Lösen <strong>des</strong> Stoppers ist. Bei der erwähnten Schiffswerft besteht er aus<br />
einem Holzblock, über den die dünne Schnur gespannt ist. Auf ein Glockensignal<br />
von unter dem Schiff hin wird die Schnur mit einem kleinen Beil gekappt,<br />
das die Taufpatin als Andenken mitbekommt, weshalb es mit einer<br />
datierten Inschrift versehen ist. Im gleichen Zug wird auch die Verbindung<br />
durchtrennt, mit der die mit Blumen geschmückte Champagnerflasche im<br />
Bügel B vor dem Schiff aufgehängt ist (Abb. 28).<br />
Schließlich ist noch der sog. Bewegungsanzeiger C aufgestellt (Abb. 30). Unter<br />
dem Schiff beim Stopper befindet sich ein auf die gleiche Weise funktionieren<strong>des</strong><br />
Instrument. Der Hebel D verfügt über einen Drehpunkt, der so dicht<br />
beim Schlitten liegt, daß der lange Arm <strong>des</strong> Hebels 10 mal so lang ist wie der<br />
Kurze, der an eine kleine Nocke am Schlitten stößt. Auf der gebogenen<br />
Ziffernplatte E wird über den längeren Arm <strong>des</strong> Hebels die wirkliche<br />
Bewegung <strong>des</strong> Schiffs 10 mal vergrößert angezeigt, wodurch selbst die<br />
kleinste, mit dem Auge nicht wahrnehmbare Bewegung deutlich zu erkennen<br />
ist. Außer daß es für die Zuschauer auf der Tribüne interessant ist, diese<br />
geringe Bewegung (die oft schon beim Lösen der ersten Kimmpallen einsetzt)<br />
als hoffnungsvolles Zeichen festzustellen, daß im Schiff ‚Leben’ sitzt, erweist<br />
das Instrument auch schon vorher, nämlich beim Lösen der Kiel- und<br />
Zwischenblöcke gute Dienste. Verzeichnet man dann noch nicht die geringste<br />
Bewegung, ist das ein sicheres Zeichen, daß das Schiff ‚klebt’.<br />
Abb. 30
Dieses Kleben kann selbst bei umsichtigstem Vorgehen vorkommen, z.B.<br />
wenn das Schiff durch unvorhersehbare Umstände länger auf dem Fett gestanden<br />
hat als beabsichtigt und auch aus anderen Gründen, die oben schon<br />
behandelt wurden.<br />
Um aber auch auf diesen Fall vorbereitet zu sein, wird vorn gegen den Schlitten<br />
eine hydraulische Presse aufgestellt. Sie tritt in Aktion, um das Schiff in<br />
Bewegung zu setzen, falls es nicht von selbst geschieht. Um zu verhindern,<br />
daß die Presse sich mit dem vordersten Kissen, auf der sie befestigt ist, nach<br />
hinten wegdrückt, anstatt das Schiff voraus zu schieben, wird sie mit Spannschrauben<br />
(F) und Stangen (H) (Abb. 28 und 29) ungefähr auf der Höhe <strong>des</strong><br />
Stoppers mit den Kissen verbunden. Kurz vor dem Stapellauf reicht vielleicht<br />
schon das Anziehen der Spannschrauben aus, um das Schiff über den Kleber<br />
hinwegzuhelfen, insofern damit in geringem Maß dieselbe Wirkung erzeugt<br />
wird, wie der Betrieb der Presse selbst, wie an der leichten Bewegung <strong>des</strong><br />
Anzeigers festzustellen sein wird.<br />
Der eigentliche Stapellauf<br />
Der Zeitpunkt <strong>des</strong> Stapellaufs ist also gekommen. Sobald sich die Gäste auf<br />
der Bühne versammelt haben und die Hafenbehörde, deren Aufgabe es ist,<br />
den Verkehr auf dem Fluß aufzuhalten, das Zeichen gegeben hat, daß alles<br />
bereit ist, beginnt man das Schiff loszumachen. Bald stehen nur noch einzelne<br />
Kimmpallen aufeinander und der leitende Ingenieur gibt das Achtungssignal<br />
an die Tribüne.<br />
Sobald schließlich auch die letzte Aufklotzung weggeschlagen wurde, geht das<br />
Signal an die Tribüne ‚Stopper los’. Das Beil fällt, das Schiff wird getauft, noch<br />
ein Augenblick der Spannung und schon zeigt die plötzlich beschleunigte<br />
Bewegung <strong>des</strong> Zeigers, daß das Schiff abläuft (Abb. 14). Damit nimmt automatisch<br />
der beim Schiff aufgestellte Geschwindigkeitsmesser K seinen Betrieb<br />
auf (Abb. 28 und 29). Dieses Instrument ist über einen dünnen Stahldraht L<br />
mit dem Schlitten verbunden, der die Schiffsbewegung auf eine Rolle überträgt,<br />
wodurch sowohl der Geschwindigkeitsverlauf als auch die Dauer <strong>des</strong><br />
Stapellaufs aufgezeichnet wird. Der Stapellauf selbst dauert, bei ordentlichem<br />
Gefälle in der Regel selten länger als eine Minute – im Fall der Nieuw-Amsterdam<br />
beispielsweise vergingen 42 Sekunden vom Fallen der Stopper bis zum<br />
Verlassen der Helling. Was die Geschwindigkeit betrifft, übersteigt sie in den<br />
meisten Fällen bei weitem die Geschwindigkeit, die das Schiff jemals in<br />
seinem weiteren Leben erreichen wird. Bei großen Schiffen ist eine maximale<br />
Ablaufgeschwindigkeit von mehr als 30 km/h keine Seltenheit.<br />
Falls das Schiff nicht unmittelbar in Bewegung gerät, bedient man sich<br />
entweder der Hydraulikpresse oder man greift zu anderen Mitteln. Bei
kleineren Schiffen auf einem Schlitten genügt es oft, wenn einige Arbeiter an<br />
Deck schnell von Backbord nach Steuerbord laufen und auf diese Weise das<br />
Schiff zum Schwanken bringen. Dasselbe erreicht man, indem man unter der<br />
Kimm <strong>des</strong> Schiffs einen langen hölzernen Baum [dompschoor] steckt, der nahe<br />
der Stützbahn ansetzt. Einige Arbeiter können dann, indem sie sich auf das<br />
lange Ende <strong>des</strong> Holzes legen, das Schiff ebenfalls zum Schwanken bringen.<br />
Diese Schaukelbewegung ist möglich und wird im übrigen durch das geringe<br />
Spiel zwischen Stützbahn und Seitenschlitten begrenzt, von denen oben die<br />
Rede war.<br />
Bei einem Schiff auf zwei Schlitten ist das natürlich nicht möglich. Hier ist<br />
man ganz und gar auf die Pressen am Vordersteven angewiesen, von denen<br />
eine gegen jeden Schlitten aufgestellt wird und die bisweilen einen Druck von<br />
jeweils ein paar hundert Tonnen aufbringen können. Sind die Kolben dieser<br />
Pressen ganz ausgefahren, was einer Bewegung von ungefähr einem halben<br />
Meter entspricht, und sich das Schiff noch immer widersetzt, kann man die<br />
Angelegenheit getrost als vergeblich betrachten. Verzeichnet man nicht die<br />
min<strong>des</strong>te spontane Bewegung, werden einfach von achtern nach vorn die<br />
Kimmpallen wieder aufgebaut und festgekeilt, um in den folgenden Wochen<br />
Ursachenforschung zu betreiben und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.<br />
Der unangenehmste Fall ist, daß das Schiff auf halber Strecke stehen bleibt.<br />
Es mutet merkwürdig an, daß es in diesem Fall nicht ganz still stehen bleibt,<br />
sondern mit einer kaum merklichen Geschwindigkeit seinen Weg fortsetzt. Es<br />
kostet dann oft auch stundenlange Arbeit, um das Schiff ganz zum Stehen zu<br />
bringen. Manchmal gelingt das erst, wenn das Schiff schon über der Helling<br />
hinaussteht, wodurch es, vor allem bei Gezeiten-Werften, in eine äußerst<br />
prekäre Lage geraten kann. Es ist schon vorgekommen, daß in solch einem<br />
Fall das ganze Hinterschiff beim Fallen <strong>des</strong> Wassers abgebrochen ist.<br />
Das Abbremsen<br />
Selbst wenn alles rasch verläuft, heißt das noch nicht, daß der Schiffbauer mit<br />
dem Fallen <strong>des</strong> Stoppers aller Sorgen ledig wäre. Das Schiff muß nicht nur<br />
sicher vom Stapel laufen, sondern auch sicher am Abbaukai festgemacht<br />
werden. Bei ziemlich engem Fahrwasser vor der Helling sind Maßnahmen<br />
erforderlich, die Geschwindigkeit so zeitig und wirksam abzubremsen, damit<br />
das Schiff nicht mit dem gegenüberliegen Ufer in Berührung kommt. Welches<br />
Verfahren hierbei angewandt wird, hängt größtenteils vom Verhältnis von<br />
Schiffslänge zu Fahrwasserbreite ab. Bei mehr als genügender Wasserbreite<br />
und bei leichten Schiffen reicht es aus einen Anker zu setzen. Entspricht die<br />
Breite <strong>des</strong> Wassers der doppelten Schiffslänge, reichen die sog. Bremsdrähte<br />
(Abb. 30). Das Schiff wird mit einem Bremsdraht in seiner Stellung auf der
Helling dargestellt (Pos. 1). Der Einfachheit halber wurde nur ein Draht<br />
eingezeichnet, obwohl für große Schiffe zwei oder drei Drähte benötigt<br />
werden.<br />
Abb. 30<br />
Das eine Ende <strong>des</strong> Stahldrahts ist am Hinterschiff befestigt, während am<br />
anderen Ende ein schweres Bündel Ankerketten von 3 bis 5 Tonnen Gewicht<br />
hängt, dem sog. Schleppkasten [peur] P, der auf den Grund <strong>des</strong> Fahrwassers<br />
gelegt wird. Manchmal verfügen diese Bremskästen zusätzlich über einen<br />
Anker (‚Später-Anker’).<br />
Die Länge <strong>des</strong> Drahtes und der Platz <strong>des</strong> Schleppkastens wird so gewählt, daß<br />
der Draht rack kommt, nachdem das Schiff gerade von der Helling gelaufen<br />
ist (Pos. 2). Bei zwei oder drei Drähten geschieht dies hintereinander mit ein<br />
wenig Abstand.<br />
Der Schleppkasten wird erst noch ein Stück durch den Schlamm geschleppt,<br />
was verhindert, daß der Draht mit einem Schlag rack kommt, so daß nicht nur<br />
die Geschwindigkeit abgebremst wird, sondern das Achterschiff auch in<br />
Pfeilrichtung gedreht wird (Pos. 3).<br />
Ist der Schleppkasten von hinreichendem Gewicht, liegt das Schiff, sobald es<br />
längs zum Fluß gedreht ist (Pos. 4), auch praktisch still, so daß sich die<br />
bereitliegenden Schlepper <strong>des</strong> Fahrzeugs annehmen können.<br />
Ist das Fahrwasser beträchtlich schmaler als die zweifache Schiffslänge, läßt<br />
sich das System der Bremsdrähte nicht anwenden. Das Schiff muß dann, ohne<br />
beizudrehen, abgebremst werden. Hierzu befestigt man man beiderseits <strong>des</strong><br />
Schiffs auf der Helling liegende schwere Gegenstände (vorzugsweise jene<br />
Schleppkästen, die auch in Verbindung mit den Bremsdrähten gebraucht<br />
werden), die mit Stahldrähten am Schiff befestigt sind und über den Grund zu<br />
schleifen beginnen, sobald das Schiff die Helling verlassen hat. Anzahl und<br />
Gewicht der Schleppkästen hängt vom Gewicht und der erwarteten
Geschwindigkeit <strong>des</strong> Schiffs ab. Allerdings spielt auch der Widerstand eine<br />
Rolle, den der Grund ausübt und der bei unterschiedlicher<br />
Grundbeschaffenheit verschieden ausfällt. Manchmal ist es erforderlich,<br />
diesen Reibungskoeffizienten in Versuchen zu bestimmen.<br />
Abb. 31<br />
Die Menge und das Gewicht der Schleppkästen sind bisweilen beträchtlich.<br />
Bei der Nieuw-Amsterdam z.B. wurden an jeder Seite 10 Kästen (Abb. 31) mit<br />
einem Gesamtgewicht von 900 Tonnen gebraucht. Das Ergebnis war, daß das<br />
Schiff mit einem Gewicht von 18 200 Tonnen und einer<br />
Ablaufgeschwindigkeit von max. 32 km/h nur 19 Sekunden nach dem<br />
Freischwimmen ganz still lag (Abb. 32). Um schnellstens 20 Drähte vom<br />
Schiff loszumachen, mußte ein besonderes Verfahren bedacht werden, damit<br />
die Schlepper das Schiff ohne Zeitverlust übernehmen konnten. Das<br />
Loswerfen dauerte tatsächlich nur einige Sekunden. Noch keine halbe Stunden<br />
später lag das Ungetüm sicher am Abbausteiger fest.<br />
Eine andere Art, um in kurzer Zeit Geschwindigkeit aus dem Schiff zu<br />
nehmen beruht auf dem sog. Flechtwerk. Dabei handelt es sich um einen<br />
Schwimmkörper aus geflochtenen Weidenruten, der für große Schiffe eine<br />
Größe von 20 Metern im Quadrat und 2½ Metern Höhe haben kann. Das<br />
Flechtwerk wird, leicht verankert oder am Ufer festgemacht, so ins<br />
Fahrwasser gelegt, daß das Schiff mit dem Achtersteven darin hineinläuft,<br />
wobei die leichten Verbindungen mit dem Ufer gelöst werden. Das<br />
Flechtwerk wird dann, zusammengedrückt und beinahe doppelt gefaltet, vom
Schiff mitgeschleppt. Aufgrund <strong>des</strong> großen Wasserwiderstands kommt das<br />
Schiff nach kurzer Zeit zu Stehen.<br />
Abb. 32<br />
Dabei ist es entscheidend, daß das Schiff genau in der Mitte auftrifft, weil<br />
sonst das Ganze vom richtigen Kurs abkäme. Das Flechtwerk eignet sich<br />
nicht für Fließgewässer, weil es unmöglich ist, das Ungetüm selbst kurzzeitig<br />
genau in Stellung zu halten.<br />
Der Querstapellauf<br />
Im Gegensatz zum Längsstapellauf liegt das Schiff beim Querstapellauf nicht<br />
lotrecht zum Wasser, sondern parallel zu ihm und wird in Querrichtung zu<br />
Wasser gelassen. Hierzulande beschränkt sich diese Methode auf recht kleine<br />
Schiffe und vorzugsweise auf Werften an sehr schmalen Fahrwassern.<br />
Im Allgemeinen geht man dabei folgendermaßen vor: Unter dem Schiff<br />
hindurch werden in Abständen von drei bis vier Metern Ablaufbahnen<br />
angebracht, die, wie auf Abbildung 33 gut zu erkennen, einige Meter über die<br />
Uferbefestigung hinausreichen. Diese Ablaufbahnen haben üblicherweise ein<br />
Gefälle von ca. 1 zu 12. Unter dem Schiffsboden werden an verschiedenen<br />
Stellen auf diesen Ablaufbahnen kurze Schlittenstücke angebracht und gegen<br />
das Schiff gedrückt. Nachdem die Kielstapel und weitere Aufklotzungen<br />
gelöst wurden sind, wird das Schiff lediglich von einigen Stahldrähten<br />
gehalten, die an der Wasserseite auf Deck befestigt sind, von dort unter dem<br />
Schiff durchlaufen und an Pfählen festgemacht sind, die in den Grund<br />
eingegraben wurden. Die Drähte werden mit Hilfe von Spannschrauben<br />
festgezurrt und sind mit einer sog. Zurring ausgestattet, einem kurzen
Tauende anstelle <strong>des</strong> Stahldrahts, das mehrmals zwischen zwei eisernen<br />
Schalmen gebunden wird.<br />
Abb. 33<br />
Auf ein Zeichen hin werden diese Zurrings gekappt, wodurch das Schiff<br />
freikommt. Normalerweise setzt sich das Schiff gleich in Bewegung und<br />
erreicht mit großer Geschwindigkeit das Ende der Ablaufbahnen. Sobald der<br />
Kiel die Uferbefestigung passiert, kippt das Schiff und fällt buchstäblich von<br />
der Helling ins Wasser (Abb. 33 b). Durch den großen seitlichen<br />
Wasserwiderstand wird das Schiff sofort abgebremst, so daß es praktisch<br />
sofort still liegt. Die überstehenden Enden der Ablaufbahnen werden nach<br />
unten gedrückt, wodurch die inneren Enden während <strong>des</strong> Kippens nach oben<br />
kommen und bisweilen abbrechen (Abb. 33 b und 34).<br />
Die Zurrings müssen genau gleichzeitig gekappt werden, weil sich zum einen<br />
Vor- und Achterschiff gleichzeitig in Bewegung setzen sollen. Außerdem<br />
müssen die beiden Enden <strong>des</strong> Schiffs gleichzeitig das Hellingende erreichen.<br />
Die Schlittenstücke müssen dann auch, was Anzahl und Oberfläche betrifft,<br />
auf eine Weise über die Bahnen verteilt sein, daß der Fettdruck – und in<br />
Verbindung hiermit die Ablaufgeschwindigkeit – an jedem Punkt der<br />
Schiffslänge dieselbe ist. Werden diese Vorsichtsmaßnahmen nicht getroffen,<br />
besteht große Wahrscheinlichkeit, daß das Schiff schief auf das Wasser trifft<br />
und mit einem Ende voran von der Helling fällt. Man kann sich denken, daß<br />
der Purzelbaum, die das Schiff danach machen wird, weder der Sicherheit<br />
noch der Gesundheit <strong>des</strong> Fahrzeugs zuträglich ist. Es ist daher auch schon<br />
vorgekommen, daß ein langes Rheinschiff auf diese Art und Weise ernsthaft<br />
beschädigt wurde. Schließlich werden nur einige der vielen Ablaufbahnen von
Leitplanken versehen und auf eine Weise, daß die Schlittenstücke sich bei<br />
einem eventuellen Schieflaufen nicht zwischen ihnen festlaufen können.<br />
Abb. 34<br />
Im Ausland und insbesondere im Bereich der Großen Seen in Amerika<br />
werden auch größere Schiffe bis zu 180 Meter Länge quer zu Wasser gelassen.<br />
Daß man dabei bisweilen große Risiken eingeht, sieht man in Abbildung 34<br />
<strong>des</strong> Stapellaufs eines 80 Meter langen Dampfers der Großen Seen. Die<br />
Fallhöhe (die hierzulande nur gering ist), betrug dort nicht weniger als 3 ½<br />
Meter. Das Schiff verharrte 14 Sekunden (!) in Seitenlage, bevor das hinter der
Verschanzung stehende Wasser so weit abgelaufen war, daß sich das Schiff<br />
wieder aufrichten konnte.<br />
Es liegt daher auch auf der Hand, daß nur sehr stabile oder durch Ballast<br />
stabilisierte Schiffe eine derartige Belastung überstehen. Im betreffenden Fall<br />
wurde die Stabilität dadurch beträchtlich erhöht, daß man Maschinen und<br />
Kessel auf der Helling eingebaut hatte. Es erübrigt sich zu fragen, welche<br />
gewaltigen inneren Verstärkungen nötig gewesen sind, um sie während <strong>des</strong><br />
Kippens vor dem Verschieben bewahren.<br />
Bei großen Schiffen sind die Vorbereitungen selbstverständlich minder<br />
primitiv als das hierzulande bei kleinen Schiffen gebräuchlich ist. In der Regel<br />
werden dabei eine große Anzahl Auslösemechanismen aufgestellt, die so<br />
gebaut sind, daß ein ungleichzeitiges Auslösen vermieden wird. Mit Blick<br />
darauf, daß das Schiff rasch abläuft, wählt man einen hohen Fettdruck, in den<br />
Niederlanden bis 60 Tonnen je m 2 . Im Fall von Abbildung 32 betrug er sogar<br />
100 Tonnen je m 2 .<br />
Unbestreitbar besitzt der Querstapellauf einige Vorteile. Man kommt mit einer<br />
sehr beschränkten Wasserbreite und geringer Geländetiefe aus und der<br />
horizontale Bau, ganz im Trocknen, erfordert nur niedrige Aufklotzungen und<br />
niedrige Gerüste um das Schiff. Die Risiken, die damit verbunden sind und<br />
die Tatsache, daß sich längst nicht alle Schiffstypen hierfür eignen, ist in<strong>des</strong><br />
der Grund, warum das System auf Werften beschränkt bleibt, wo ein<br />
Längsablauf nicht möglich ist und wo man sich in der Regel auf einen<br />
bestimmten, für den Querablauf geeigneten Schiffstyp spezialisiert hat.<br />
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, glaube ich, hiermit in<br />
Umrissen eine Übersicht über die Praxis <strong>des</strong> Stapellaufs gegeben zu haben.<br />
Ein Punkt soll noch mit Nachdruck vorgebracht werden. Aus den<br />
verschiedenen angeführten Beispielen mißglückter Stapelläufe könnte der<br />
Leser versucht sein zu schließen, jeder Stapellauf wäre ein mehr oder weniger<br />
gewagtes Unterfangen. Das soll es nicht und muß es auch nicht sein.<br />
Ausnahmslos haben wir zeigen können, daß die Fehlschläge immer auf große<br />
oder kleine Fehler zurückzuführen waren. Werden diese vermieden und<br />
werden die Vorbereitungen mit der nötigen Fachkenntnis und Erfahrung<br />
sorgfältig getroffen, kann man mit vollkommenem Vertrauen dem Ergebnis<br />
entgegensehen. Nur nicht vorhersehbare Umstände können dann noch<br />
Ursache für die glücklicherweise sehr seltenen Fälle sein, in denen der<br />
Stapellauf einen weniger glücklichen Verlauf nimmt.<br />
____________________________<br />
Abbildungen:<br />
Zeichnungen: E. Vlig<br />
Abb. 16, 31, 32: R.D.M.<br />
Abb. 33: NV E.J. Smit en Zn.<br />
Abb. 34: Shipbuilding and Shipping Review