Zweiter Rundbrief - gerardwagner.de
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abhing, drückt sich nicht zuletzt in <strong>de</strong>n vielen sogenannten Arbeitervorträgen<br />
aus, in <strong>de</strong>nen Rudolf Steiner einen ganz eigenen Darstellungsstil<br />
<strong>de</strong>r Anthroposophie in herzlich warmer Stimmung entwickelte: Von<br />
Grundfragen <strong>de</strong>r Entwicklung von Er<strong>de</strong> und Mensch, über die Bienenzucht<br />
bis zur Wirkung einzelner alkoholischer Getränke. Was die Menschen<br />
interessierte, konnte gefragt wer<strong>de</strong>n und wur<strong>de</strong> unter geisteswissenschaftlichen<br />
Gesichtspunkten erläutert. 11<br />
Gera<strong>de</strong> an einem Kunstwerk wie <strong>de</strong>m Goetheanum-Bau ist das enge<br />
Zusammenspiel von geistiger und physischer Arbeit von größter Be<strong>de</strong>utung.<br />
So ist es auch nicht verwun<strong>de</strong>rlich, Rudolf Steiner selbst als geistigen<br />
Schöpfer <strong>de</strong>r Bauformen bei intensiver körperlicher Arbeit zu fin<strong>de</strong>n:<br />
in <strong>de</strong>m Entwurf <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>lle, <strong>de</strong>m Schnitzen von Kapitellen und<br />
Sockeln o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Ausmalen <strong>de</strong>r kleinen Kuppel. Eine große Zahl von<br />
Menschen stand ihm dabei zur Seite, die eine größtmögliche Freiheit im<br />
Verwirklichen ihrer Gestaltungsimpulse fan<strong>de</strong>n – auch wenn sie, was<br />
gar nicht selten war, <strong>de</strong>n Intensionen <strong>de</strong>r künstlerischen Bemühungen<br />
wi<strong>de</strong>rsprachen.<br />
So kann man vielleicht zusammenfassen: Der erste Goetheanum-Bau<br />
war geistig-physisch betrachtet ein wun<strong>de</strong>rbares Gewebe zusammenklingen<strong>de</strong>r<br />
mathematischer Gesetze aus einem musikalischen Geist, das<br />
in <strong>de</strong>n unterschiedlich verwen<strong>de</strong>ten Stoffen mit warmen Herzen und<br />
großer Opferkraft durch die Arbeit vieler Hän<strong>de</strong> sinnlich zur Erscheinung<br />
kommen konnte. Eine klingen<strong>de</strong>, tönen<strong>de</strong> Architektur kann an<br />
<strong>de</strong>m Bau erlebt wer<strong>de</strong>n. Empfin<strong>de</strong>t man die durch die Hän<strong>de</strong> geleistete<br />
Arbeit als einen warmen Opferstrom, so legt sich dieser wie ein warmer<br />
gol<strong>de</strong>ner Glanz über <strong>de</strong>n Bau.<br />
„Körperliche Arbeit ist geistig, geistige Arbeit ist leiblich, am und im<br />
Menschen. Dieses Paradoxon muss man sich aneignen und es verstehen,<br />
dass körperliche Arbeit geistig und geistige Arbeit leiblich ist im<br />
Menschen und am Menschen. Der Geist umspült uns, in<strong>de</strong>m wir körperlich<br />
arbeiten. Die Materie ist bei uns tätig, in<strong>de</strong>m wir geistig arbeiten.“<br />
12<br />
11 Rudolf Steiner, GA 347 – GA 354. Sie umfassen mehr als 100 Vorträge.<br />
12 Rudolf Steiner, Allgemeine Menschenkun<strong>de</strong> als Grundlage <strong>de</strong>r Pädagogik, GA 293,<br />
13. Vortrag<br />
17