Bildpunkt - Wir machen Kunst weil, es die feministische ...
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Widerstand. Macht. Wissen. 05<br />
Den Geist dekolonisieren<br />
Für Spivak bedeutet Bildung vor allem eine Strategie zur Neuordnung<br />
von Begehren, <strong>die</strong> ohne Druck und Zwang operiert: an<br />
uncoercive re-arrangement of d<strong>es</strong>ir<strong>es</strong>. Womit eine pädagogische<br />
Methodenreflexion immer ein Nachdenken über das, was in den<br />
Lernenden wie und mit welchen Konsequenzen neu-geordnet<br />
wird, implizieren muss. Im Fokus d<strong>es</strong> Inter<strong>es</strong>s<strong>es</strong> steht dabei, ob<br />
das Re-arrangieren der Begehren tatsächlich gewaltfrei bewerkstelligt<br />
wurde. Di<strong>es</strong><strong>es</strong> nicht ganz einfache Unterfangen kann nur<br />
gelingen, wenn <strong>die</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Rolle der Vermittelnden übernehmen,<br />
sich als Teil d<strong>es</strong> G<strong>es</strong>amtproblems begreifen und sich nicht nur als<br />
Lehrende, sondern auch als Lernende verstehen.<br />
In di<strong>es</strong>en Zusammenhang ist <strong>es</strong> instruktiv, <strong>die</strong> andere Seite d<strong>es</strong><br />
Wissens zu betrachten: <strong>die</strong> Ignoranz. Wo Spivak von der g<strong>es</strong>tatteten,<br />
ja der belohnten Ignoranz spricht – jener Ignoranz also, <strong>die</strong><br />
nicht blamiert, sondern gegenteilig <strong>die</strong> eigene Position der Macht<br />
stabilisiert –, spricht <strong>die</strong> kanadische Philosophin Lorraine Code<br />
von der Macht der Ignoranz. Eine Ignoranz, <strong>die</strong> im wissenschaftlichen<br />
Diskurs gerne als Objektivität b<strong>es</strong>chrieben wird. 1817 schrieb<br />
Jam<strong>es</strong> Mill etwa <strong>die</strong> History of India, von der er selbst sagte, dass<br />
nur seine vollkommene Ignoranz gegenüber dem indischen Kontext<br />
<strong>es</strong> ihm ermöglichte, di<strong>es</strong><strong>es</strong> so wichtige Buch zu schreiben.<br />
For Code ist di<strong>es</strong><strong>es</strong> Beispiel geradezu emblematisch für eine Politik<br />
der Unwissenheit.<br />
In Anbetracht der vorherrschenden Ignoranz kann Lernen nur <strong>die</strong><br />
Dialektik von Lernen und Verlernen bedeuten. Während klassische<br />
Pädagogikvorstelllungen versuchen, Ignoranz zu bekämpfen, adr<strong>es</strong>siert<br />
eine postkoloniale Pädagogik offensiv <strong>die</strong> g<strong>es</strong>tattete und betupperwarena<br />
alias verena hentmayr, 2007. tupperware als aufbewahrungszustand von vorurteilen, standardisierungen und fakten. v.l.n.r.: halbe weiblichkeit, kernfamilie, bikinizone. www.tupperwarena.at<br />
textualisierungen und Bildungsproz<strong>es</strong>se erreicht wird. Die konkrete<br />
Kontextualisierung einer jeden kulturellen Produktion untergräbt<br />
<strong>die</strong> unangezweifelte Annahme d<strong>es</strong> universellen Charakters,<br />
indem sie <strong>die</strong> Quellen derselben offen legen.<br />
Die Rolle, <strong>die</strong> der Kultur und auch der Bildung als Stützpfeiler d<strong>es</strong><br />
Imperialismus zukommt, kann, so Spivak und Said unisono, unmöglich<br />
überbewertet werden, wird der Imperialismus doch erst<br />
durch di<strong>es</strong>e als zivilisatorische Mission eing<strong>es</strong>chrieben. Kultur erscheint<br />
als moralische Macht, <strong>die</strong> eine Art ideologische Befriedung<br />
herstellt, <strong>die</strong> u.a. durch Bildungsproz<strong>es</strong>se vermittelt wird<br />
(vgl. auch Viswanathan 1987). Das autoritative Gebäude selbstherrlicher<br />
Kultur, das im 19. Jahrhundert von Europa ausgehend<br />
aufgebaut wurde, erwi<strong>es</strong> sich als dermaßen stabil, dass seine<br />
Beteiligung an der imperialen Zivilisierungsmission nie wirklich<br />
hinterfragt wurde. Dekolonisierungsproz<strong>es</strong>se müssen d<strong>es</strong>wegen<br />
geradezu zwangsläufig <strong>die</strong> Dekolonisierung von Bildung miteinschließen.<br />
Insofern problematisiert postkoloniale Pädagogik zu<br />
Recht <strong>die</strong> in das Bildungsprojekt eingebettete, gelernte Verg<strong>es</strong>senheit<br />
und thematisiert <strong>die</strong> Komplizenschaft mit den imperialistischen<br />
und nationalistischen Projekten. Dabei ist <strong>es</strong> unmöglich,<br />
über Dekolonisierung der Bildung nachzudenken, ohne <strong>die</strong> sozialen<br />
Strukturen, in denen Bildung eingelassen ist, mit zu berücksichtigen.<br />
Ein erster Schritt in di<strong>es</strong>e Richtung ist getan, wenn <strong>die</strong><br />
eigene soziale Positionierung und Privilegierung hinterfragt wird.<br />
Wie bin ich zu dem oder der geworden, der oder <strong>die</strong> ich jetzt bin?<br />
Und auf w<strong>es</strong>sen Kosten bin ich das geworden? Welche Perspektiven<br />
versperren mir meine eigenen Privilegien? Was ist für mich<br />
nicht wahrnehmbar? Welche<br />
Räume darf ich betreten? Wem<br />
bleiben di<strong>es</strong>elben versperrt?