Brief an die Jugend - Dr. Lothar Gassmann
Brief an die Jugend - Dr. Lothar Gassmann
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[B] Zw<strong>an</strong>gsbekehrungen?<br />
Schirrmacher: „So sind wir uns zum Beispiel<br />
alle einig, dass wir niem<strong>an</strong>den bekehren<br />
können. Wir können Zeugnis<br />
geben, wir können erklären, was Bekehrung<br />
heißt, wir können zur Bekehrung<br />
aufrufen, doch wir können niem<strong>an</strong>den<br />
bekehren. Ein Mensch k<strong>an</strong>n nur sein<br />
eigenes Herz seinem Schöpfer zuwenden,<br />
und <strong>die</strong>se Bekehrung ist nur durch<br />
<strong>die</strong> Gnade Gottes und das wunderbare<br />
H<strong>an</strong>deln des Heiligen Geistes möglich.<br />
Dennoch schlüpft uns gerne der Satz ‚Ich<br />
habe ihn bekehrt’ über <strong>die</strong> Lippen, obwohl<br />
<strong>die</strong>ser erstens theologisch falsch ist und<br />
zweitens von Außenstehenden leicht<br />
missverst<strong>an</strong>den werden k<strong>an</strong>n.“ – „Lassen<br />
Sie mich der Vollständigkeit halber noch<br />
etwas <strong>an</strong>fügen, was oft vergessen wird:<br />
Gewalt und un<strong>an</strong>gemessener <strong>Dr</strong>uck<br />
können nicht nur eingesetzt werden, um<br />
Menschen dazu zu bringen, eine Religion<br />
zu verlassen, sondern auch dazu, sie in<br />
ihr festzuhalten! Junge Menschen zu<br />
zwingen, z. B. in einer Naturreligion in<br />
einem brasili<strong>an</strong>ischen Indi<strong>an</strong>erstamm zu<br />
bleiben, ist genauso schlimm, wie sie zu<br />
zwingen, z. B. Christen zu werden. M<strong>an</strong><br />
k<strong>an</strong>n Menschenrechte auch dadurch<br />
verletzen, dass m<strong>an</strong> Menschen dar<strong>an</strong><br />
hindert, zu einem <strong>an</strong>deren Glauben zu<br />
konvertieren.“ – „Ist eine Zw<strong>an</strong>gsbekehrung<br />
eine Bekehrung? Ich denke, hier<br />
sind sich alle christlichen Konfessionen<br />
einig, dass eine Bekehrung eine zutiefst<br />
persönliche, zu Ende gedachte Regung<br />
des Herzens sein muss. Eine Zw<strong>an</strong>gsbekehrung<br />
ist nichts, was wir wollen, und<br />
auch nichts, was wir als Bekehrung akzeptieren<br />
können.“<br />
So klar <strong>die</strong>se Ausführungen zu<br />
„Zw<strong>an</strong>gsbekehrungen“ sind, und<br />
darin stimme ich dem Referenten zu,<br />
so unklar ist jedoch im Kontext der<br />
Konfessionen (erst Recht in dem der<br />
Weltreligionen) der Begriff <strong>an</strong> sich: Ist<br />
nicht <strong>die</strong> „automatische Kindertaufe“<br />
eine Art von „Zw<strong>an</strong>gsbekehrung“?<br />
Dennoch gehört sie zum ekklesiologischen<br />
Selbstverständnis des Katholizismus,<br />
der Orthodoxie wie auch<br />
einiger ev<strong>an</strong>gelischer Konfessionen.<br />
Um „Zw<strong>an</strong>gsbekehrungen“ auszuschließen,<br />
fordert Schirrmacher Zeit<br />
zur Reflektion und Tr<strong>an</strong>sparenz in<br />
Bezug auf Bekehrungen. So wie er<br />
Probleme beim Konfessionswechsel<br />
von <strong>Jugend</strong>lichen sieht [19], so sollte<br />
ebenso der Religionswechsel in Bezug<br />
auf sogen<strong>an</strong>nte „Mischehen“<br />
zwischen Angehörigen verschiedener<br />
Konfessionen oder Religionen betrachtet<br />
werden. Aus Liebe zum Ehepartner<br />
dem Islam oder der römischkatholischen<br />
Kirche beizutreten, wird<br />
meist als „Akt der Liebe“ <strong>an</strong>gesehen<br />
und ist dennoch öfters kein freier<br />
Herzensentscheid.<br />
[C] Anstößige Begriffe?<br />
Schirrmacher: „Andererseits muss auch<br />
eine Klärung der sprachlichen Begriffe<br />
stattfinden. Nicht nur deswegen, weil eine<br />
kriegerische Sprache sich leicht d<strong>an</strong>ach<br />
<strong>an</strong>hören k<strong>an</strong>n, dass m<strong>an</strong> unethische<br />
Mittel in der Mission einsetzt – siehe z. B.<br />
im Anh<strong>an</strong>g das ‚Grundsatzpapier über<br />
den Sprachgebrauch in der Mission’ der<br />
Ev<strong>an</strong>gelical Fellowship of India – sondern<br />
auch, weil uns falsche theologische Sprache<br />
in Schwierigkeiten bringen k<strong>an</strong>n.“<br />
Bedenken wir bei <strong>die</strong>sen Aussagen,<br />
dass <strong>die</strong>se in engstem Zusammenh<strong>an</strong>g<br />
mit dem Projekt „Verhaltenskodex<br />
für Bekehrungen“ stehen? Ohne<br />
Zweifel verl<strong>an</strong>gt <strong>die</strong> Verkündigung,<br />
wie auch das persönliche Zeugnis<br />
vom Heil in Jesus Christus eine klare,<br />
verständliche, auch der einzigartigen<br />
Botschaft der Gnade <strong>an</strong>gemessene<br />
Sprache. Und „jeder“ Christ ist sich<br />
dessen beispielsweise bei den Begriffen<br />
„Sünde“ und Buße“, „Himmel“<br />
und „Hölle“ bewusst. Doch ist es<br />
Zeitjournal 4 / 2007 38