Drucken november 03 - Landesschulrat Steiermark
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NR. 150<br />
DEZEMBER<br />
20<strong>03</strong><br />
5<br />
Privatschulen, die sich früh<br />
der Reformpädagogik geöffnet<br />
haben und mit ihrem Betreuungsangebot<br />
großen Zuspruch<br />
erleben.<br />
Sie könnte durch ihre Übungsschule<br />
und das angeschlossene<br />
Tagesheim ein neues Modell<br />
einer Ganztagsschule anbieten.<br />
Die SozialpädagogInnen-Ausbildung<br />
sollte in die zukünftige<br />
Hochschule integriert und<br />
damit in Teilen auch den LehrerInnen<br />
zugänglich werden.<br />
Was denken Sie über die aktuellen<br />
Themen Ganztagsschule<br />
und Gesamtschule?<br />
Dr. Rupert Leitner: Hier sollte<br />
es keine Denk- und Versuchsverbote<br />
geben. Der Bedarf an<br />
Veränderung wird immer größer.<br />
Die Parteien sollten aus<br />
ihren ideologischen Schützengräben<br />
herausgehen und um<br />
der Familien willen neu ins<br />
Gespräch eintreten.<br />
Dem Wunsch der meisten<br />
Frauen nach Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie muss durch<br />
ein differenziertes und variables<br />
Angebot entsprochen werden.<br />
Durch ganztägige Schulformen<br />
wird es vermutlich zu<br />
keiner Verschlechterung der<br />
pädagogischen Situation, sondern<br />
eher zu einer deutlicheren<br />
Diskussion um Pädagogik und<br />
zu vermittelnde Werte kommen.<br />
Gerade die kirchlichen<br />
Privatschulen und Internate<br />
zeigen, dass Schulen mit der<br />
ihnen anvertrauten Jugend gut<br />
umgehen können, sodass diese<br />
nicht dem Fernsehen und der<br />
Einsamkeit und gefährlicher<br />
ausgeliefert bleiben.<br />
Zur Gesamtschule: Exkursionen<br />
zu Schulsystemen nordischer<br />
Länder verstärkten bei<br />
mir den Eindruck, dass eine<br />
gemeinsame Pflichtschule bis<br />
zum 14./15. Lebensjahr zu<br />
einer homogeneren Gesellschaft,<br />
zu weniger Klassendünkel<br />
bei Eltern und SchülerInnen,<br />
zu weniger sozialen<br />
Spannungen in der Jugend und<br />
mehr Berücksichtigung von<br />
individuellen Begabungen<br />
sowie Bedürfnissen führen<br />
könnte. Dies hätte auch Konsequenzen<br />
für die LehrerInnenbildung<br />
auf der Mittelstufe:<br />
Sie müsste angesichts der<br />
aktuellen pädagogischen<br />
Situation wirklich an einer<br />
Pädagogischen (!) Hochschule<br />
angesiedelt werden.<br />
Danke für das Gespräch und<br />
alle guten Wünsche für Ihr<br />
weiteres Leben.<br />
Herr Bischofsvikar, wohl wissend,<br />
dass Ihnen kürzlich der<br />
Hofratstitel verliehen worden<br />
ist, spreche ich Sie in Ihrer<br />
kirchlichen Funktion an. 20<br />
Jahre waren Sie Schulamtsleiter.<br />
Ihren ersten kirchlichen<br />
Dienst haben Sie in der Pfarre<br />
Trofaiach als Kaplan versehen.<br />
(Was habe ich Sie damals<br />
als Ministrant um Ihr neues<br />
Puch-Motorrad beneidet!) Sie<br />
haben viele sehr unterschiedliche<br />
berufliche Stationen<br />
durchlaufen. Welche waren<br />
diese?<br />
Dr. Willibald Rodler: Im Jahre<br />
1955 wurde ich im Dom zu<br />
Graz zum Priester geweiht.<br />
1956 begann ich meinen<br />
Kaplansdienst in Trofaiach<br />
und siedelte nach 2 Jahren<br />
nach Liezen. Bischof Joseph<br />
Schoiswohl holte mich 1961 in<br />
die Zentrale der Diözese und<br />
übergab mir die Sorge für die<br />
Katholische Landjugend. Bis<br />
zum 31. Dezember 1969 verblieb<br />
ich mit verschiedenen<br />
Aufgabenbereichen betraut in<br />
der Zentrale unserer Diözese:<br />
Rektor des Katholischen<br />
Bildungshauses Mariatrost,<br />
Diözesanjugendseelsorger,<br />
Geistlicher Assistent der<br />
Katholischen Männerbewegung,<br />
Generalassistent der Katholischen<br />
Aktion. 1970 wurde<br />
ich Pfarrer und ab 1973 auch<br />
Dechant in Birkfeld, 1982<br />
Diözesaninspektor für den<br />
Religionsunterricht und 1984<br />
Leiter des Bischöflichen Amtes<br />
für Schule und Bildung. Kürzlich<br />
ernannte mich unser<br />
Bischof zum Bischofsvikar für<br />
das diözesane Bildungswesen.<br />
Pädagogik, Lehrerausbildung,<br />
Schulgesetze, Schulorganisatorisches<br />
... Stand das schon<br />
immer in Ihrem „ Lebensbüchl“?<br />
Dr. Willibald Rodler: Nein, wir<br />
begegneten bei unserer Ausbildung<br />
an der Universität dem<br />
Wort „Pädagogik“ nur am<br />
Rande sozusagen, jedoch schon<br />
mit einer ganz eigenen und<br />
unvergessenen Kontur. Es war<br />
SCHULE<br />
www.dieschule-stmk.com<br />
Sehen, was Liebe<br />
Mit dem unlängst zum<br />
ist …<br />
Bischofsvikar ernannten ehemaligen<br />
diözesanen Schulamtsleiter<br />
Prälat Willibald<br />
Rodler sprach Willi Bernhardt.<br />
Professor Georg Hansemann,<br />
der uns mit seiner ihm eigenen<br />
Leidenschaftlichkeit in den<br />
Prozess des Menschwerdens<br />
einführte. Mehr gab es jedoch<br />
an Pädagogik an der Uni nicht.<br />
So sparsam ausgestattet,<br />
begann ich meinen katechetischen<br />
Dienst in Trofaiach. 12<br />
Klassen waren es schlussendlich,<br />
die ich zu versorgen hatte.<br />
Eigentlich begann ich mich<br />
erst als Pfarrer in Birkfeld<br />
ernsthaft mit dem zu beschäftigen,<br />
was pädagogische Wissenschaft<br />
meint. Ich bin kein<br />
Fachmann geworden, keiner<br />
der bei der Erstellung von<br />
Lehrplänen und Lehrbüchern,<br />
der im methodisch-didaktischen<br />
Bereich sozusagen fachkompetent<br />
ist. Ich bin ein<br />
Theologe geblieben, aber ich<br />
habe sehr viel von unseren<br />
Fachleuten auf der Universität,<br />
in unseren Akademien und<br />
Instituten gelernt.<br />
In diesem Zusammenhang<br />
muss ich den „Schulpolitiker<br />
Rodler“ ansprechen, der in<br />
diesem Land und darüber<br />
hinaus größtes Ansehen<br />
genießt und der, da darf ich<br />
auch meine persönliche Einschätzung<br />
einfließen lassen,<br />
die steirische Schullandschaft<br />
maßgeblich mitgeprägt hat.<br />
Nicht nur was den Religionsunterricht<br />
und die katholischen<br />
Schulen anlangt!<br />
Zurückschauend: Was vermerken<br />
Sie mit großer Genugtuung,<br />
was eher mit Skepsis<br />
und Sorge?<br />
Dr. Willibald Rodler: Schule,<br />
das wurde mir sehr bewusst,<br />
ist ein hoch politischer Ort und<br />
Pädagogik ein brisantes politisches<br />
Thema. Es ist auch verständlich,<br />
dass es so ist, denn<br />
in der Schule geht es um die<br />
Zukunft eines Volkes und um<br />
jene Werte und Werthaltungen,<br />
die in den jungen Menschen<br />
wachsen sollen, damit ihr<br />
Leben gelingt und eine funktionierende<br />
Gesellschaft<br />
ermöglicht wird. Es geht am<br />
Lebensort Schule nicht nur um<br />
GESPRÄCH<br />
Prälat Dr. Willibald Rodler<br />
wurde zum Bischofsvikar<br />
ernannt<br />
Wissen und Fertigkeiten, es<br />
geht um viel mehr. Es geht<br />
darum, dass junge Menschen<br />
befähigt werden ihre Welt,<br />
eine humane Welt zu gestalten.<br />
Es geht um den Schutz des<br />
Menschen. Darum, die Verzweckung<br />
des Menschen abzuwehren<br />
und sich gegen totalitäre<br />
Versuchungen aller Art zu<br />
wappnen. Und es geht um Antwort<br />
auf die letzten Fragen<br />
und damit um Hoffnung, ohne<br />
die man nicht leben kann. Dies<br />
sind Fragen von hoher politischer<br />
Brisanz. Es ist schon verständlich,<br />
dass die Mächtigen<br />
dieser Erde immer wieder nach<br />
dem Bildungsbereich gegriffen<br />
haben – auch nach der Schule.<br />
Im Ringen um einen solchen<br />
weiten offenen Lebensort<br />
Schule durfte ich dabei sein,<br />
20 Jahre lang – zusammen mit<br />
verantwortungsvollen Politikerinnen<br />
und Politikern. Ich<br />
müsste an dieser Stelle dankbar<br />
viele Namen nennen. In<br />
den Gesprächen, auch in den<br />
Streitgesprächen, in den Auseinandersetzungen<br />
wuchs mir<br />
eine Sensibilität für diesen<br />
Lebensraum zu, der mich<br />
zugleich behutsam und hartnäckig<br />
in meiner Arbeit werden<br />
ließ. Dieses gute Miteinander<br />
ließ mich begreifen: Verantwortung<br />
ist mehr als Zuständigkeit.<br />
Es waren gute Jahre.<br />
Ich bin dankbar, dass ich in<br />
diesem Land leben darf und an<br />
diesem Platz arbeiten durfte.<br />
Ich habe dabei viel gelernt.<br />
Der Religionsunterricht. Wie<br />
wichtig ist er? Können Menschenbildung<br />
und sinnvolle<br />
Lebensgestaltung auf ihn verzichten?<br />
Dr. Willibald Rodler: Die Religionspädagogik<br />
ist mitunter in<br />
Verruf gekommen. In den Auseinandersetzungen<br />
über den<br />
Lehrplan 1999 österreichweit<br />
wurde die Spannung, die in<br />
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