Drucken november 03 - Landesschulrat Steiermark
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GESPRÄCH<br />
Sehen, was Liebe ist<br />
Fortsetzung von Seite 4<br />
dieser Wissenschaft steckt,<br />
sichtbar und hörbar. Es musste<br />
so kommen, denn die Veränderungen<br />
im Denken und in der<br />
Grundmentalität unserer<br />
Jugend und in der Gesellschaft<br />
sind radikal und reichen bis in<br />
die Wurzeln. Mit dieser Jugend<br />
ins Gespräch zu kommen, mit<br />
ihr so zu reden, dass sie spürt,<br />
bei diesem Gegenstand „Religion“<br />
geht es um mein Leben,<br />
das ist die Herausforderung,<br />
der sich unsere Katechetinnen<br />
und Katecheten tagtäglich in<br />
den Schulen stellen müssen.<br />
Und dann muss noch dazu<br />
gesagt werden: Die Botschaft,<br />
die uns übergeben wurde, ist<br />
nicht verfügbar. Die Wahrung<br />
der Identität unseres Weges ist<br />
eine wichtige Sache. Das ist<br />
die Grenze für die Religionspädagogik,<br />
die Grenze auch<br />
des Hinausbeugens hin zum<br />
jungen Menschen. Eine plurale<br />
Gesellschaft braucht Erkennbarkeit,<br />
Konturiertheit, einen<br />
deutlichen Weg. In dieser<br />
Spannung stehen wohl alle, die<br />
im Namen unserer Kirche am<br />
Lebensort Schule und Kindergarten<br />
werken und wirken.<br />
Privatschulen oder noch<br />
genauer, konfessionelle Schulen,<br />
haben die heute noch eine<br />
Berechtigung bzw. eine besondere<br />
Aufgabe?<br />
Dr. Willibald Rodler: Eine plurale<br />
Welt darf auch in der Bildungslandschaft<br />
ein vielfältiges<br />
Angebot haben. Ich war<br />
immer ein Verfechter einer<br />
„bunten Schulwelt“.<br />
Die konfessionellen Schulen,<br />
die in unserem Staat eine lange<br />
Tradition haben, gehen mit<br />
den jungen Menschen einen<br />
Weg, der auf dem christlichen<br />
Menschen- und Gesellschaftsverständnis<br />
basiert. Den<br />
Eltern, die für ihre Kinder eine<br />
so ausgerichtete Erziehung<br />
und Bildung wollen, muss in<br />
einer Demokratie diese Möglichkeit<br />
offen bleiben. Die Frage<br />
nach der Berechtigung von<br />
Privatschulen und konfessionellen<br />
Schulen ist eine Frage<br />
nach dem Recht der freien<br />
Elternwahl, eine Frage nach<br />
dem Stellenwert der Freiheit<br />
in der Gesellschaft.<br />
Ist in der Umsetzung des<br />
neuen Akademiegesetzes<br />
bereits etwas weitergegangen?<br />
Gibt es Konturen? Ein wenig<br />
hat man den Eindruck, die<br />
Sache ist unter Verschluss,<br />
mehr oder minder geheim.<br />
Konkret die Frage: Kann über<br />
die Standorte der „neuen<br />
pädagogischen Hochschulen“<br />
schon etwas gesagt werden?<br />
Dr. Willibald Rodler: Der<br />
Schlüssel zum Lebensort<br />
„Schule“ ist der Lehrer, die<br />
Lehrerin. Die Rahmenbedingungen<br />
sind wichtig und müssen<br />
stimmen. Die Aus-, Fortund<br />
Weiterbildung dieser<br />
Schlüsselpersonen hat einen<br />
sehr hohen Stellenwert. Es ist<br />
gut, dass der Gesetzgeber mit<br />
dem Akademien-Studiengesetz<br />
’99 beschlossen hat, die Lehrerbildung<br />
und das notwendige<br />
lebenslange Lernen auf die<br />
Ebene einer pädagogischen<br />
Hochschule zu heben. Es geht<br />
dabei nicht um eine bloße<br />
Addition vorhandener Institutionen,<br />
sondern um eine Neuschöpfung.<br />
Es muss auf diesem<br />
Weg zur Hochschule noch viel<br />
gedacht und gearbeitet werden.<br />
Möchte uns doch in unserem<br />
steirischen Land eine<br />
Lösung gelingen, die nichts<br />
von dem abschneidet, was<br />
gewachsen ist, die nichts wegschneidet<br />
an Gutem und<br />
Erprobtem. Unser Land darf<br />
durch die Reform nicht ärmer<br />
werden. Möge uns doch ein<br />
Weg gelingen, der das Vorhandene<br />
bündelt, die Kräfte sammelt<br />
und so die große Tradition<br />
der Lehrerbildung unseres<br />
Landes mit neuer Qualität<br />
weiterträgt.<br />
Herr Bischofsvikar, im heutigen<br />
Sprachgebrauch hört man<br />
das Wort „Botschaft“ sehr oft.<br />
Ich spreche Sie jetzt als Priester<br />
an: Wird die christliche<br />
SCHULE<br />
www.dieschule-stmk.com<br />
Botschaft von Weihnachten<br />
heute weniger verstanden oder<br />
anders?<br />
Dr. Willibald Rodler: Diese<br />
Frage ist mit ein paar Sätzen<br />
schwer zu beantworten. Sie<br />
hat mit dem Sinn unseres<br />
Lebens zu tun und mit viel<br />
Hoffnung, ohne die Leben<br />
kaum schaffbar ist. Die Zeit, in<br />
der die Veränderung das einzig<br />
Konstante zu sein scheint,<br />
macht es nicht unbedingt<br />
leicht, das Innwendige, das<br />
Geheimnis unseres Lebens und<br />
der Welt, das Bleibende zu<br />
ertasten und zu glauben. Und<br />
darum geht es ja bei der weihnachtlichen<br />
Botschaft. Es ist<br />
nicht leicht heute an einen<br />
Gott zu glauben, der Mensch<br />
geworden ist. Doch die<br />
„Boten“ dieses Gottes sind<br />
unterwegs. Schon vor mehreren<br />
Jahren hat der Religionssoziologe<br />
Peter L. Berger von<br />
„Spuren der Engel“ geredet,<br />
die in unserer säkularisierten<br />
Gesellschaft aufzufinden<br />
wären. Ich meine, dass im<br />
weihnachtlichen Brauchtum<br />
solche Engelsspuren zu finden<br />
sind und damit Türen aufgemacht<br />
werden, wenn mitunter<br />
auch nur einen Spalt. Suchende<br />
und solche, die Ausschau<br />
halten, vermögen den zu verspüren,<br />
zu dem Christenmenschen<br />
„Vater“ sagen. Und wer<br />
in das Gesicht des Kindes von<br />
Weihnachten schaut, vermag<br />
wohl zu entdecken, was Liebe<br />
ist. Bei diesem kostbaren Wort<br />
treffen sich viele, die Menschen<br />
guten Willens. Und die<br />
gibt es zuhauf. Das Lied dieses<br />
Festes, das rund um diese Erde<br />
gegangen ist, beginnt mit dem<br />
Wort „Stille“. Still werden ist<br />
die Tür hinein in das Geheimnis<br />
von Weihnachten.<br />
Herr Bischofsvikar, ich danke<br />
Ihnen. Ich wünsche Ihnen ein<br />
gesegnetes Weihnachtsfest und<br />
ein glückendes Jahr 2004.<br />
Ich wüsst’ schon ein<br />
paar Kinder, die der<br />
Krampus mitnehmen<br />
hätt’ können …<br />
6<br />
NR. 150<br />
DEZEMBER<br />
20<strong>03</strong><br />
Dr. Josef Zollneritsch ist Leiter<br />
der Abteilung Schulpsychologie/Bildungsberatung<br />
<strong>Landesschulrat</strong> für <strong>Steiermark</strong><br />
DR. JOSEF ZOLLNERITSCH<br />
Alle haben mit Schule zu<br />
tun, deshalb wissen alle<br />
über Schule Bescheid. Das<br />
Wissen über Schule beziehen<br />
die meisten Menschen aus<br />
ihrer eigenen Schulerfahrung –<br />
diese war bei (zu) vielen nicht<br />
nur positiv. Schule ist daher<br />
ein affektgeladenes, emotional<br />
oft negativ gefärbtes Thema.<br />
Schule ist natürlich immer<br />
auch ein Spiegelbild gesellschaftlicher<br />
Meinungen, sozusagen<br />
ein Reagenzglas, in dem<br />
sich gesellschaftliche Strömungen<br />
kumulieren.<br />
Schule gibt es aber in erster<br />
Linie, weil es die Kinder gibt.<br />
Diese sollen eine optimale<br />
Ausbildung erhalten und im<br />
umfassenden Sinn des Wortes<br />
wachsen können. Schule ist<br />
also ein Ort des Wachstums,<br />
nicht nur für SchülerInnen,<br />
sondern auch für LehrerInnen.<br />
Wie sieht die Realität aber<br />
aus?<br />
Verschiedene Untersuchungen<br />
belegen, dass Schule für sehr<br />
viele Familien den Hauptbelastungsfaktor<br />
Nummer eins<br />
darstellt, besonders wenn es<br />
Schwierigkeiten gibt. In Familien,<br />
in denen Kinder Schulprobleme<br />
haben, hängt das<br />
Thema Schule oft wie eine<br />
schwarze Wolke über den<br />
Häuptern ihrer Mitglieder.<br />
Andere Studien zeigen, dass<br />
der Schulerfolg dann am größten<br />
ist, wenn die Eltern (das<br />
sind hier meist die Mütter)<br />
möglichst vielen Energien am<br />
Nachmittag in die Erledigung<br />
der Aufgaben investieren. Die<br />
Schule teilt also die Verantwortlichkeit<br />
für den Lernerfolg<br />
in selbstverständlicher<br />
Weise mit den Eltern. Was<br />
aber, wenn die Eltern sich dieser<br />
(im Grunde undefinierten)<br />
häuslichen Lernpflicht entzie-