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Download Programmheft - Peter Walchshäusl

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I<br />

Noctuelles<br />

Très léger<br />

Eine genaue Titulierung des ersten Stückes ist schwierig. Geläufig sind<br />

Übersetzungen wie Nachtfalter, Nachtgeister, nächtlicher Spuk und ähnliches.<br />

Wahrscheinlich ist der Titel eher eine Wortschöpfung aus dem Umfeld der „Apachen“<br />

im Sinne von „Nachtschwärmern“. In der Tat vermittelt der Klangeindruck etwas<br />

extrem Unstetes. Ständige Taktwechsel, freitonales Agieren und flatterhafte<br />

Arabesken werden nur kurz von tonmalerisch angedeuteten Ruhepausen<br />

unterbrochen. Im krassen Gegensatz dazu ein visionär-düsterer Mittelteil.<br />

II<br />

Oiseaux tristes<br />

Très lent<br />

“Das älteste dieser Stücke – und meines Erachtens das typischste von allen – ist das<br />

zweite der Sammlung, die Oiseaux tristes. Das sind Vögel, die verloren sind in der<br />

Beklemmung eines dunklen Waldes während der heißesten Stunden des Sommers.“<br />

(Ravel)<br />

Erzählungen zufolge hörte Ravel, der übrigens viele Vogelstimmen imitieren konnte,<br />

eines Morgens den Ruf einer Amsel und übertrug ihn aufs Klavier. Der Weg, den er<br />

hier beschreitet, wird Jahrzehnte später zu den Vogelstimmen-Metamorphosen eines<br />

Olivier Messiaen führen. Zwei verschiedene Vogelrufe bestimmen programmatisch<br />

die bis dato absolut neuartige Klangwelt. Fast scheint die Welt stillzustehen und die<br />

Beklemmung der Waldbewohner wird spürbar. Nur kurzzeitig und jäh unterbricht ein<br />

plötzliches aufgeregtes Kreischen die Stimmung, kehrt aber sogleich wieder in die<br />

vorherige Lethargie zurück.<br />

III<br />

Une barque sur l’océan<br />

D’un rythme souple<br />

Dieses ausgedehnte, scheinbar uferlose Werk stellt sich hochvirtuos in die Reihe der<br />

Wassermusiken, eines der Typen, den man zuerst mit dem impressionistischen Stil<br />

in Verbindung bringt. Eine mögliche Sichtweise hier ist das Erlebnis wind- und<br />

sturmgepeitschter Meereswogen, aus einem kleinen Boot heraus betrachtet. Über<br />

das Rauschen des bewegten Wassers führt zunächst eine tragende Melodiestimme<br />

hell und funkelnd, nie enden wollende Arpeggien stellen einmal die aufgewühlte See,<br />

ein anderes Mal das ruhige Dahingleiten auf ruhiger Wasseroberfläche dar. Ob das<br />

Hin und Her auch ein Sinnbild für das Auf und Ab des Lebens an sich sein kann, sei<br />

dahingestellt, letztlich behält aber der positive Grundcharakter die Oberhand.<br />

IV<br />

Alborada del gracioso<br />

Assez vif<br />

Hier zeigt uns Ravel die glanzvoll-virtuose spanische Seite seines Wesens, wobei er<br />

der eleganten Salonwelt eines Albeniz oder Granados näher ist als dem eher rauen<br />

Bild eines de Falla. Der Versuch einer Übersetzung lautet „Tagelied des Hofnarren“<br />

oder ähnlich. In der Lyrik der spätmittelalterlichen Troubadoure war eine alborada,<br />

das Tagelied, der Gesang, mit dem sich der liebende Ritter beim Anbruch des Tages<br />

nach einer geheimen Liebesnacht von der Geliebten verabschiedet. Wenn nun der<br />

gracioso, der Hofnarr, in die Rolle des Ritters schlüpft, dann wird die pathetische<br />

Lyrik eines Morgenliedes durch die Brille des Spaßmachers ironisch gebrochen. Das<br />

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