Die neuen Fälle von Marlowe

Einvernehmlich schüttelten beide den Kopf, Hennings Warnung vor den K.O.-Tropfen war
nachhaltig. Sie gingen zu der angewiesenen Nische und Miriam stieß nach einem kurzen
Augenblick wieder zu ihnen.
„Kann ich eure Fotos sehen, ich will wissen, ob das stimmt, was ich vermute.“
Kris schob ihr wortlos die Ausdrucke zu.
„Der hübsche Bursche hier ist Godinho, ein Portugiese. Er arbeitet für die Banco Espírito Santo
im Frankfurter Büro. Diese Bank investiert ihr Kapital in Kredite, sowie Wertpapiere und arbeitet
fast ausschließlich mit Unternehmen. Godinho ist dabei reich geworden. Ach ja, ich weiß das, weil
ich für die Frankfurter Börsen-Zeitung arbeite, bin sozusagen ein Kollege und guter Freund von
Tim. Leider nicht mehr, er stand nur auf ganze Männer oder richtige Frauen“, sagte Miriam mit
einem bedauernden Lächeln. „Jedenfalls hat Godinho jede Menge Geld in die Renovierung von
Tims geerbter Eigentumswohnung gesteckt, in der Hoffnung dort eines Tages mit ihm alt zu werden.
Nach der Trennung konnte Tim das Geld nicht zurückzahlen, zumindest nicht sofort. Es wäre nicht
das erste Mal, dass die beiden Hitzköpfe deswegen aneinandergeraten sind. Den anderen hab ich
noch nie gesehen und von denen, die ihn am Mittwoch gesehen hatten, konnte keiner ein Wort mit
ihm wechseln. Er war völlig auf Tim fixiert.“
„Hat sich Tim womöglich nach dem Streit betrunken und wollte sich dann mit der neuen
Eroberung trösten?“
„Nein, er rührte keinen Tropfen an. Schon lange nicht mehr. Wegen seiner ausgeprägten
Alkoholintoleranz ging es ihm oft schon dreckig, wenn in Speisen Spuren von Alkohol waren. Ich
bin mir sicher, dass der Kerl ihm was in den Drink gekippt hatte. Außerdem ging Tim nicht fremd,
sein Leben war jetzt Steven. Moment, da auf dem Foto! Was aussieht wie ein Fleck.“ Miriam
deutete auf die Jacke des Unbekannten. „Das könnte doch die Anstecknadel einer Burschenschaft
sein? Während meiner Studienzeit war ich selbst mal in einer, wohlgemerkt nicht schlagend. Sonst
war derzeit in Gießen kein Zimmer zu kriegen, etliche wohnten sogar in Bauwagen und Zelten.
Könnt ihr die Stelle vergrößern?“
„Mit unserer mobilen Ausrüstung leider nicht, aber im Labor. Könnten sie morgen um zehn aufs
16. kommen? Wir würden da gerne ihre Aussage zu Protokoll nehmen und haben dort sicherlich
mehr Ruhe. Bis dahin liegt uns auch die Ausschnitts-Vergrößerung vor. Also bis morgen“, sagte
Kris nachdrücklich und reichte jetzt ihrerseits Miriam die Hand.
„Hmm, der Fall ist reichlich verstrickt“, sagte Kattlowitz bei der morgendlichen Besprechung.
„Fassen wir mal zusammen: Tim wurde unter K.O.-Tropfen gesetzt und dann erschossen, niemand
weiß wo. Die Waffe mit der Tim erschossen wurde ist eine Polizeiwaffe. Laut Computer werden
bundesweit derzeit fünf P30 gesucht: zwei in Berlin, eine in Frankfurt, eine in Hamburg und eine in
Würzburg. Hier eine Liste der Seriennummern. Eine Serie von vergleichbaren Morden gab es vor