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Ausgabe lesen - Rheinkiesel

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Natur<br />

13 Kilogramm Lebendgewicht beim schwerfälligen Start auf dem Wasser<br />

Als die größte Schwanenart darf<br />

der heimische Höckerschwan den<br />

Weltmeistertitel (im Wettbewerb<br />

mit mehr als 9.100 Vogelarten<br />

weltweit) für sich beanspruchen.<br />

Damit nähert er sich auch der<br />

Obergrenze dessen, was bezüglich<br />

Vogelflug, Biomasse und Erdanziehungskraft<br />

machbar ist.<br />

Die großen Schwäne können<br />

ohnehin nur vom Wasser aus gut<br />

starten und dort auch wieder landen<br />

– an Land müssen Schwungfedern<br />

und Füße doch arg leiden.<br />

Der Start beginnt mit schwerfälligem,<br />

wasserklatschenden Flügelschlag,<br />

wobei die riesigen Füße<br />

mit den Schwimmhäuten auf<br />

der Wasseroberfläche mittreten.<br />

Irgendwann hebt das Tier tatsächlich<br />

ab. Beim Anblick fliegender<br />

Schwäne ist man unwillkürlich<br />

hin- und hergerissen zwischen der<br />

Ästhetik des Flugbildes mit dem<br />

langen, voll ausgestreckten, rhythmisch<br />

mitschwingenden Hals,<br />

dem singenden Geräusch der<br />

Flügel, dem majestätischen, ruhigen<br />

Flug und andererseits dem<br />

klobigen, breitbäuchigen Körper,<br />

der dort – mit einer gewissen<br />

Schwerfälligkeit oder vermeintlichen<br />

Schwermütigkeit - durch die<br />

Lüfte schwebt. Die erwähnten<br />

Füße im Großformat leisten auch<br />

bei der Landung gute Dienste,<br />

diesmal als Luftbremsklappen und<br />

Wasserlandekufen.<br />

An Land weichen die zu Luft und<br />

zu Wasser eleganten Bewegungsabläufe<br />

einer nicht zu leugnenden<br />

Schwerfälligkeit. Die weit hinten<br />

liegenden Ruderfüße können nur<br />

langsam watschelnd, unter scheinbar<br />

zehrender Körperbeherrschung,<br />

bei aufgerichtetem Oberkörper<br />

im Kriechgang Schritt für<br />

Schritt vorwärtsbewegt werden.<br />

Der Schwan – ein Vogel so schwer<br />

wie ein Getränkekasten! – ist vorwiegend<br />

mit dem Austarieren<br />

seines Gleichgewichts beschäftigt.<br />

Dieses Manko ist relativ desillusionierend<br />

und die Vorstellung eines<br />

watschelnden Getränkekastens<br />

vielleicht amüsant bis beeindrukkend,<br />

doch so fern jeder weltrekordverdächtiger<br />

Eigenschaften,<br />

daß an dieser Stelle schnell noch<br />

zwei weitere Höchstleistungen der<br />

Schwäne angefügt werden sollen:<br />

Das Gefieder und die Tauglichkeit<br />

für Langstreckenflüge.<br />

25.000 Federn<br />

schützen den Körper<br />

Nicht nur die stets schneeweiße<br />

Farbe des schwänlichen Federkleids<br />

– selbst in schmutzigen<br />

Gewässern – ist erstaunlich. Gewissenhafte<br />

Vogelkundler haben<br />

sich einmal die Mühe gemacht,<br />

die Anzahl der Federn zu ermitteln.<br />

Zwar unterscheidet sich die<br />

Menge der Schwanz- und Flügelfedern<br />

nicht sonderlich von derjenigen<br />

anderer Vögel, doch ein<br />

besonders dichtes Daunengefieder<br />

und der äußerst kompakt befiederte<br />

Hals offenbaren: Schwäne<br />

gehören mit rund 25.000 Federn<br />

zu den Vogelarten mit der besten<br />

Isolierung und den meisten<br />

Federn. Allein sage und schreibe<br />

20.000 kleiden Kopf und Hals!<br />

Wie gut die Federhülle als Kälteschutz<br />

wirkt, zeigt eine Beobachtung<br />

ziehender Singschwäne<br />

in 8.200 m Höhe vor der Küste<br />

Schottlands. Die Tiere waren vermutlich<br />

von Island aus gestartet,<br />

um in ihr wesentlich milderes<br />

Winterquartier in Irland zu fliegen.<br />

Berechnungen zufolge waren<br />

sie im Morgengrauen anläßlich<br />

einer günstigen Hochdruckwetterlage<br />

aufgebrochen und nutzten<br />

einen in dieser Höhe günstigen<br />

Jetstream als Rückenwind, um<br />

nach nur sieben Stunden ihr Ziel<br />

zu erreichen. Abgesehen von der<br />

in acht Kilometern Höhe herrschenden<br />

Sauerstoffarmut, die den<br />

Vögeln nichts auszumachen<br />

scheint – denn sie haben einen<br />

sehr effizienten Blutkreislauf und<br />

ein spezielles Lungen- bzw.<br />

Atmungssystem – trotzten sie bei<br />

Temperaturen von - 48°C problemlos<br />

der lebensfeindlichen<br />

Kälte. Um diese Leistung angemessen<br />

zu kommentieren eignet<br />

sich sowohl die deutsche Redewendung<br />

„Mein lieber Schwan!“<br />

als auch – passend zur Jahreszeit –<br />

das russische Sprichwort „Die<br />

Schwäne tragen den Winter auf<br />

ihren Flügeln“. •<br />

Ulrich Sander<br />

8 Januar 2009

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