Wissenschaft für die Gesellschaft. Leben und Werk des ... - WZB
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WISSENSCHAFT FÜR DIE GESELLSCHAFT<br />
Er kämpfte mit all seinen wissenschaftlichen Möglichkeiten (unter Verzicht auf kostbare<br />
Forschungszeit) gegen den Hitlerfaschismus <strong>und</strong> nahm nach der Befreiung<br />
Deutschlands <strong>die</strong> unterbrochenen wissenschaftlichen Arbeitsbeziehungen wieder auf.<br />
Doch so weit bekannt, haben sich nur in den Osten Deutschlands, in <strong>die</strong> spätere DDR,<br />
kontinuierliche wissenschaftliche Kontakte entwickelt. In deren Ergebnis wurde Bernal,<br />
der bereits zum Mitglied mehrerer nationaler Akademien gewählt <strong>und</strong> mit Ehrenpromotionen<br />
gewürdigt worden war, 1959 auch von der Humboldt-Universität zu<br />
Berlin als Ehrendoktor ausgezeichnet sowie 1962 als Korrespon<strong>die</strong>ren<strong>des</strong> <strong>und</strong> 1969<br />
als Auswärtiges Mitglied in <strong>die</strong> Deutsche Akademie der <strong>Wissenschaft</strong>en aufgenommen.<br />
Doch - wie erwähnt - blieb auch in der DDR seine wissenschaftliche Rezeption thematisch<br />
eingeschränkt. In das öffentliche Bewusstsein rückten vor allem sein weltweit<br />
aktives Friedens-Engagement, vor allem als Vizepräsident <strong>und</strong> Präsident <strong>des</strong><br />
Weltfriedenrats sowie seine Aktivitäten in der „World Federation of Scientific Workers“.<br />
Zwar war bereits 1953 seine Schrift „Marx <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>“ im Dietz-<br />
Verlag Berlin erschienen, <strong>die</strong> allgemeine wissenschaftliche Aufmerksamkeit fand<br />
aber erst sein von Ludwig Boll, dem Partner von Käthe Boll-Dornberger, 1961 erstmals<br />
deutsch veröffentlichtes Buch „Die <strong>Wissenschaft</strong> in der Geschichte“. Es wurde<br />
in der DDR zum Standardwerk der <strong>Wissenschaft</strong>sgeschichte. Doch obwohl es im<br />
Laufe der Jahre noch mehrere deutschsprachige Aufsätze in Sammelbänden <strong>und</strong> Zeitschriften<br />
von ihm gab <strong>und</strong> mit der Entwicklung der institutionalisierten <strong>Wissenschaft</strong>sforschung<br />
seit Ende der 60er <strong>und</strong> Beginn der 70er Jahre <strong>die</strong> Pionierleistungen<br />
Bernals <strong>für</strong> <strong>die</strong> Science of Science sowohl in der DDR als auch in der BRD zunehmend<br />
angeeignet wurden, blieb das Bild von der wissenschaftlichen Gesamtleistung<br />
<strong>und</strong> der façettenreichen Persönlichkeit Bernals im deutschen Sprachraum weithin<br />
fragmentarisch. Allein als Friedens-Aktivist <strong>und</strong> (marxistischer) <strong>Wissenschaft</strong>shistoriker<br />
mit einem naturwissenschaftlichen Hintergr<strong>und</strong> war er allgemein bekannt, aber<br />
nicht als Pionier auf vielen neuen naturwissenschaftlichen Forschungsfeldern, als<br />
experimenteller Forscher <strong>und</strong> Geräteentwickler, als „Evangelist“ (P. P. Ewald) <strong>und</strong><br />
Enzyklopädist der <strong>Wissenschaft</strong> im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Die späte deutsche Ausgabe von<br />
„The Social Function of Science“ 1986 <strong>und</strong> der ihrem 50. Jahrestag gewidmete Sammelband<br />
1989 haben zwar zu vielen Einsichten <strong>und</strong> Erkenntnissen mit Aha-<br />
Erlebnissen geführt, zu einer echten produktiven vorwärtsweisenden aktuellen <strong>und</strong><br />
differenzierten Diskussion über „The Social Function of Science“ am Ende <strong>des</strong> 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts ist es aber weder in der DDR noch in der BRD gekommen.<br />
Die durch den Nationalsozialismus <strong>und</strong> den II. Weltkrieg bedingte rigorose Verschlechterung<br />
der deutsch-britischen Beziehungen, aber auch Bernals Beziehungen<br />
zur Kommunistischen Partei, seine marxistischen Positionen, sein begeistertes, wenn<br />
auch produktiv-kritisches <strong>und</strong> zugleich loyales Verhältnis zur Sowjetunion sowie<br />
schließlich seine weltweiten Friedensaktivitäten haben <strong>die</strong> Rezeption seines wissenschaftlichen<br />
Gesamtwerks in seinen produktiven Jahrzehnten von den 20er bis zu den<br />
60er Jahren weltweit, aber in Deutschland besonders, entscheidend behindert.<br />
In den Arbeiten der aus Großbritannien heimgekehrten Emigranten Walter Hollitscher,<br />
Jürgen Kuczynski <strong>und</strong> Josef Schleifstein begegnete mir der Name <strong>des</strong> <strong>Wissenschaft</strong>lers<br />
J. D. Bernal zum ersten Mal. Wenn auch mit sehr großen Unterschieden,<br />
wurden <strong>die</strong> umfassenden <strong>und</strong> bahnbrechenden wissenschaftlichen Leistungen Bernals<br />
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