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Ausgabe 6/13 (pdf) - Cyty-Braunschweig

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<strong>Braunschweig</strong>er Journal 6<br />

<strong>Ausgabe</strong> 6/20<strong>13</strong><br />

Nachdenken! Von Friedrich Schaper<br />

Wilhelm-Raabe-Literaturpreis<br />

20<strong>13</strong><br />

Text: Anne-Margret Rietz • Abbildung: Buchcover<br />

Die Stadt <strong>Braunschweig</strong> in<br />

Kooperation mit dem<br />

Deutschlandradio verlieh in<br />

diesem Jahr den mit 30.000 €<br />

dotierten Wilhelm-Raabe-<br />

Literaturpreis an Marion<br />

Poschmann für ihren Roman<br />

Die Sonnenposition. In diesem<br />

Buchtitel, Suhrkamp Verlag<br />

Werk sieht die Jury – wie es in<br />

der Laudatio heißt – „eine<br />

erzählerische Meditation über<br />

die Rück- und Abseiten der<br />

Dinge, über Schatten und<br />

Kontraste. Über die schwer<br />

greifbare Wahrheit, die fehlende<br />

Substanz der Welt.“ Weiter<br />

heißt es: „Mit großer Verve,<br />

mit Spielfreude, dabei vor<br />

allem mit feinstmechanischer<br />

Sorgfalt, setzt Marion Poschmann<br />

die Motive, die Anspielungen,<br />

die Klänge in intime<br />

Beziehungen zueinander.<br />

Es entsteht dabei eine lyrische<br />

Prosa, die auch das epische<br />

Format tragen kann und beim<br />

lauten Lesen ihr sprachliches<br />

Aroma ganz besonders entfaltet.“<br />

Oberbürgermeister<br />

Gert Hoffmann und der<br />

Intendant von Deutschlandradio,<br />

Willi Steul, überreichten<br />

im Kleinen Haus den<br />

Preis am 2. November im<br />

Rahmen eines Matinee-Festaktes.<br />

Diesem Ereignis voraus ging<br />

zum vierten Mal die Lange<br />

Nacht der Literatur, in der<br />

wieder preisgekrönte Autoren<br />

und Autorinnen aus ihren<br />

Werken lasen, sich Interviews<br />

stellten und mit den<br />

Moderatoren der Veranstaltung<br />

diskutierten.<br />

Die Preisträgerin, 1969 in<br />

Essen geboren, studierte Germanistik,<br />

Philosophie und Slawistik<br />

und lebt jetzt als freie<br />

Schriftstellerin in Berlin.<br />

Neben verschiedenen kleineren<br />

Auszeichnungen, die sie<br />

erhielt, stand sie in diesem<br />

Jahr auch auf der Shortlist für<br />

den Deutschen Buchpreis. Das<br />

Buch Die Sonnenposition ist<br />

im Suhrkamp Verlag Berlin<br />

erschienen.<br />

Wir alle nutzen eine ganze Reihe<br />

technischer Einrichtungen und<br />

haben uns an sie gewöhnt.<br />

Manchmal so sehr, dass wir ihr<br />

Funktionieren als selbstverständlich<br />

ansehen. Rattert die<br />

Nähmaschine zu unruhig, kühlt<br />

der Kühlschrank nicht mehr,<br />

stottert der Motor vom Auto? Oh<br />

weh, schnell die Garantierurkunde<br />

suchen, da muss gehandelt<br />

werden.<br />

In letzter Zeit wird viel über<br />

unseren Energieverbrauch und<br />

vor allem die Herstellung der<br />

Energie diskutiert. Das war bisher<br />

doch selbstverständlich.<br />

Strom war da, wegen der Heizung<br />

rief man den Hausmeister<br />

an. Beim Kühlschrank musste<br />

ein Techniker kommen, ggf. hieß<br />

es einfach: Austauschen!<br />

Nun plötzlich ist nicht mehr alles<br />

so selbstverständlich. Wir leben<br />

mit und von der Technik. Wir<br />

verzehren industriell hergestellte<br />

Lebensmittel, Hähnchen oder<br />

Puten aus Mastbetrieben, Eier<br />

von Hühnern, die in Legebatterien<br />

ihr Dasein fristen müssen.<br />

Da tauchen Berichte auf von<br />

Dioxinskandalen, von Umweltgiften<br />

und überschrittenen<br />

Grenzwerten, von vermeidbaren<br />

Unfalltoten, von verstrahlten<br />

Landschaften. Ja, wo leben wir<br />

denn plötzlich? Und warum ist<br />

das so?<br />

Hier an dieser Stelle gilt es, innezuhalten.<br />

Wir müssen nachdenken.<br />

Was so selbstverständlich<br />

war, war nicht selbstverständlich.<br />

Wir lebten immer schon in<br />

einer Art Tauschsystem. Wir<br />

stellten in Firmen, Geschäften<br />

des Handels, in Banken oder als<br />

Hausfrau unsere Arbeitskraft in<br />

den Dienst der Gesellschaft und<br />

erhielten dafür möglichst sichere,<br />

funktionstüchtige Gerätschaften<br />

oder auch saubere<br />

Lebensmittel zu kaufen oder den<br />

Strom vom Kraftwerk.<br />

Dieser schöne Tauschhandel hat<br />

einen Knacks bekommen. Die<br />

Partner, die uns bisher so gut verund<br />

umsorgt haben, sprechen<br />

jetzt eine andere Sprache, in der<br />

immer häufiger Stichworte vorkommen<br />

wie Unternehmenseffizienz,<br />

Kostenkontrolle, kommerzielle<br />

Überlegungen, Erfordernisse<br />

der globalen Märkte.<br />

Was ist nur los? Es scheint, die<br />

Schraube, die ein friedliches,<br />

ausbalanciertes Miteinander in<br />

der Gesellschaft, im Handel oder<br />

wo auch immer zusammenhielt,<br />

ist überdreht worden. Sicherheit<br />

und Nutzen der Endverbraucher<br />

wurden beiseite geschoben. Ein<br />

auf Zahlen fixierter Kommerz<br />

trat an die Stelle des ehrlichen<br />

Kaufmanns. Stattdessen möchte<br />

uns Werbung eine Welt vorgaukeln<br />

– die aus Scheinwahrheiten<br />

besteht.<br />

Eine besonders interessante<br />

Variante sind „Umfragen“, die<br />

offenbar gezielt vorgenommen<br />

werden, um bestimmte Dinge<br />

zögernden Verbrauchern oder<br />

auch Wählern nahezubringen.<br />

Der neueste Gag: Eine „Umfrage“<br />

unter Pkw-Fahrern ergab<br />

angeblich, dass sie nichts gegen<br />

die Zulassung der neuen Giga-<br />

Liner (mehr als 25 m lange<br />

Lastzüge mit 8 bis 11 Achsen, 60<br />

t, 660 PS) einzuwenden hätten.<br />

Mittelstandsspediteure, Gewerkschaften<br />

und die Mehrzahl der<br />

Bundesländer sind dagegen. Es<br />

mag ja sein, dass solch Monster-<br />

Lastzug ohne Auffahrdetektor,<br />

ohne Schleuderschutz und ohne<br />

Winterreifenpflicht auf allen<br />

Achsen unversehrt ans Ziel<br />

gebracht werden kann, aber sind<br />

Pkw-Fahrer wirklich so blauäugig,<br />

dass sie Gefahren nicht<br />

erkennen? Sind sie noch nie bei<br />

Regenwetter an einem solchen<br />

rotierenden Wasserspeier vorbeigefahren?<br />

Oder wurde hier<br />

manipuliert?<br />

Das Schlimme an all diesen<br />

neuen Erkenntnissen ist die Tatsache,<br />

dass gezielt an Sicherheit,<br />

Gesundheit und Wohlergehen<br />

des normalen Bürgers mit<br />

„scheinbar“ zutreffenden Argumenten<br />

vorbei gehandelt wird.<br />

Persönliche Schäden der Einwohner<br />

oder Verbraucher werden<br />

bereits einkalkuliert.<br />

Es ist Zeit, nachzudenken. Für<br />

alle.

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