Tobias J. Knoblich: »Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt - Die Linke
Tobias J. Knoblich: »Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt - Die Linke
Tobias J. Knoblich: »Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt - Die Linke
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<strong>Tobias</strong> J. <strong>Knoblich</strong>: Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht gleich auf die Abschussliste komme,<br />
denn das ist eine regionale Glaubensfrage! Sie sind noch eigenständig. Wollen Sie auch hören, was<br />
ich dazu meine? Es ist immer ein heikler Punkt, sich mit dem Deutschen Nationaltheater in Weimar<br />
anzulegen <strong>und</strong> mit all dem, was dort an Beharrungsvermögen entfaltet worden ist, um diese Institution<br />
zu stabilisieren. Dass man in Erfurt vor zehn Jahren ein neues Theater gebaut hat, eines der<br />
modernsten, das wir in Deutschland haben, aber keine Schauspielsparte mehr drin ist, wirft natürlich<br />
Fragen auf. Auch bleibt immer wieder der kritische Kommentar, ob es sein müsse, 20 km von Weimar<br />
entfernt eine eigene Institution zu betreiben, ob das nicht nur Symbolpolitik ist. Natürlich gibt es auch<br />
in Erfurt eine gewisse Tradition, aber nicht eine solche wie in Weimar. Ich würde mir eine ehrliche,<br />
pragmatische <strong>und</strong> verantwortungsvolle Debatte über die Theater- <strong>und</strong> Orchesterstruktur in ganz<br />
Thüringen wünschen. Jeder weiß, dass wir so nicht zukunftsfähig sind. <strong>Die</strong> Kommunen können das<br />
Problem nur lösen, wenn es eine umfassende Strategie gibt, die politisch auch durchgehalten werden<br />
kann. <strong>Die</strong> ist leider nicht in Sicht. Erfurt steht natürlich zu seinem Theater, aber ich kann mir auch<br />
alternative Konstellationen vorstellen, da wir mit den Kosten kaum noch zurande kommen. Und<br />
darunter leiden alle anderen Akteure im Kulturbereich, von den Museen bis zu den freien<br />
Kulturträgern. Besonders schade ist, dass der Freistaat Thüringen sein neues Landeskulturkonzept<br />
nicht genutzt hat, das Thema offensiv anzugehen. Das wäre eine große Chance gewesen.<br />
Alexander Pinto: Sie sind in Ihrem Vortrag auf das Dreisektorenmodell Staat, Markt, Zivilgesellschaft,<br />
oder intermediären Sektor, eingegangen. Bernd Wagner hat mal analysiert, dass sich Kulturpolitik,<br />
insbesondere der Staat von einem etatistischen zu einem pluralistischen Akteur entwickelt <strong>und</strong> sich<br />
eigentlich selber zu einer intermediären Instanz entwickelt. Insofern würde sich ja theoretisch dieses<br />
Dreisektorenmodell verschieben, vom Staat bzw. der Öffentlichen Hand hin zu einem intermediären<br />
Akteur. Sehen Sie ähnliche Entwicklungen <strong>und</strong> wie wirkt sich das beispielsweise auf konzeptbasierte<br />
Kulturpolitik aus?<br />
<strong>Tobias</strong> J. <strong>Knoblich</strong>: Was Bernd Wagner gezeigt hat, ist eigentlich eine Verflüssigung, die da<br />
stattfindet. Ich glaube, das zeigen auch Begriffe wie Gewährleistungsstaat oder<br />
Gewährleistungskommune: man macht nicht mehr alles selber, sondern überträgt oder überlässt<br />
anderen bestimmte Aufgaben. Hinzu kommt, dass natürlich die Akteure selbst auch zwischen diesen<br />
Sektoren zirkulieren. Es ist ja nicht so, dass alle sich immer in einem Sektor aufhalten <strong>und</strong> dort aktiv<br />
sind, sondern da gibt es eine zunehmende Mobilität, wenn man so will, <strong>und</strong> das ist eigentlich ein<br />
wünschenswerter Prozess. Das Dreisektorenmodell ist ja ein idealtypisches, die Sektoren sind nicht<br />
abgegrenzt. Kulturpolitik ist nicht nur etwas für die Öffentliche Hand, sondern gerade im freigemeinnützigen<br />
Bereich ist unheimlich viel an Kultur gewachsen, ebenso in der Privatwirtschaft, die<br />
sogar das Hauptwachstumsfeld darstellt (Kultur- <strong>und</strong> Kreativwirtschaft). Trotzdem sehe ich die<br />
öffentliche Hand nicht nur als intermediären Akteur, es wird auch künftig darauf ankommen, zwischen<br />
Etatismus <strong>und</strong> Liberalismus Mischformen zu finden. Für die konzeptbasierte Arbeit ist dies natürlich<br />
interessant, weil es Möglichkeiten der alternativen Betreibung von Einrichtungen eröffnet. Dennoch<br />
muss man auch sehen, dass jeder Sektor seine Eigenlogik hat. Auf dem Feld der Kultur- <strong>und</strong><br />
Kreativwirtschaft <strong>und</strong> der angesprochenen Teilmärkte sind die Regionen zudem sehr unterschiedlich<br />
bestückt; ich kann keine Maßnahmen von oben <strong>und</strong> für alle generieren, sondern bin auf regionale<br />
Konzepte angewiesen.<br />
Konstanze Kriese: <strong>Die</strong> Frage schließt eigentlich unmittelbar an. Es ist ja in der europäischen <strong>und</strong><br />
dann speziell in der deutschen Kulturtradition, das kulturstaatliche Denken sehr groß, ist ein lange<br />
gewachsenes. Das wonach ich frage ist: Wenn über neue Kulturplanungs-,<br />
Kulturfinanzierungsmodelle nachgedacht wird - <strong>und</strong> wir hatten das Dreisektorenmodell im Gespräch -<br />
wird, wenn man auf den freigemeinnützigen Sektor kuckt, denn wirklich konsequent in neuen<br />
Planungsmodellen oder neuen Kulturfinanzierungsmodellen darüber nachgedacht, dass die Akteure in<br />
diesem freien Bereich, dann auch wirklich divergieren können. Denn es ist irgendwie immer dieses<br />
uralte Problem bis heute, dass eine Gruppe eine Finanzierung für ein Projekt erhalten hat, das aber<br />
eine Subventionsfinanzierung war <strong>und</strong> wenn sie dann irgendwie in einen Marktbereich diff<strong>und</strong>ieren es<br />
schnell heißt, dass sie irgendwie nicht mehr kritische Kulturleute sind, nicht mehr kreativ sind <strong>und</strong> so<br />
weiter. Sie stehen sogar eventuell bis in gesetzlichen Problematiken einer Rückzahlsituation<br />
gegenüber oder dergleichen. Das ist ein uraltes Problem, aber es wird nie angegangen. Ich habe<br />
immer das Gefühl, dass Diff<strong>und</strong>ieren funktioniert nicht. Da sage ich mir immer, kuckt man auf die alten<br />
amerikanischen Modelle, wo ja viele hingewandert sind aus Europa <strong>und</strong> bringe immer das Uraltmodell<br />
Lorey Andersen, 10 Jahre gefördert vom Council of Art, aber dann eine erfolgreiche kommerzielle<br />
Künstlerin <strong>und</strong> keiner, weil es eine andere Kulturtradition ist, regt sich dort darüber auf. Hier wird sich<br />
über so etwas aber gr<strong>und</strong>sätzlich aufgeregt <strong>und</strong> es wird diesen Akteuren abgesprochen, dass sie<br />
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