Tobias J. Knoblich: »Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt - Die Linke
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Interessenbek<strong>und</strong>ungsverfahren starten <strong>und</strong> sagen, das können andere besser als die eigenen<br />
Mitarbeiter, die es gerade tun. Dann stehen Sie sehr schnell alleine da <strong>und</strong> müssen ihr Konzept gut<br />
begründen, während die politische Ebene gern ihre Partikularinteressen zu entfalten beginnt, um aus<br />
dieser Schwäche Vorteile zu ziehen. Verbände <strong>und</strong> Fachorganisationen sind dann besonders hilfreich,<br />
wenn sie nicht nur verteidigen, sondern eben auch kritikfähig sind <strong>und</strong> Veränderung zulassen.<br />
<strong>Die</strong>ser korporatistische Rahmen, also die Verbandslandschaft, ist ganz wichtig, sie funktioniert<br />
mancherorts sehr gut. Das hat natürlich auch etwas mit der Förderkulisse zu tun. Welches Personal<br />
kann ich mir leisten? In welcher kulturpolitischen Gemengelage bringe ich mich ein? Welches sind die<br />
kulturpolitisch denkenden Köpfe? Aber Vereine, Initiativen, Verbände, also all das, was im<br />
intermediären Bereich zwischen Staat, Markt <strong>und</strong> Zivilgesellschaft passiert, ist unheimlich wichtig, um<br />
Konzepte zu transportieren, um ein Feedback zu bekommen, um auch eine Macht außerhalb von<br />
Verwaltung, außerhalb der unmittelbaren politischen Gestaltbarkeit aufzubauen <strong>und</strong> mit Leuten zu<br />
arbeiten, die letztlich nicht nur Betroffene sind, sondern eben auch ganz wichtige systembildende<br />
Elemente. Da ist man gut beraten, wenn es neben guten Konzepten auch Akteure gibt, die sich<br />
beteiligen, die ein Motor sind für eine Debatte. <strong>Die</strong>se sind vielerorts rar, besonders in Ostdeutschland.<br />
Der wissenschaftliche Anspruch ist natürlich auch ein wichtiges Element. Sie können keine guten<br />
Konzepte machen, wenn Sie niemanden haben, der es kann, wenn Sie niemanden bezahlen wollen<br />
oder können, der extern auch einmal einen anderen Blick einnimmt, der nicht der eigene ist. Ich<br />
beobachte, dass b<strong>und</strong>esweit da, wo zum Beispiel Leute wie Patrick Föhl aktiv gewesen sind,<br />
konzeptionelles Niveau entsteht. Er bringt natürlich das ganze Vergleichswissen aus anderen<br />
Regionen <strong>und</strong> Projekten mit, ob das in Dessau-Roßlau ist oder in Wittenberge. Er ist auf<br />
unterschiedlichen Ebenen unterwegs. Es gibt eine Reihe von solchen Leuten, aber es sind auch nicht<br />
viele, man kennt sie inzwischen fast alle schon. Solche Expert/innen sind wichtig, weil sie nicht nur<br />
eine Expertise mitbringen, sondern die Akteure vor Ort unterstützen, ihnen neue Perspektiven<br />
eröffnen <strong>und</strong> den Rücken stärken. Man ist am Anfang, wenn man eine neue Aufgabe beginnt, immer<br />
besonders glaubhaft, weil man noch den Nimbus des Fremden trägt. Je länger man da ist, desto mehr<br />
wird man verändert, vereinnahmt, bekommt seinen Platz im Getriebe. Man erwirbt letztlich selber den<br />
Habitus dessen, der voll dazu gehört <strong>und</strong> wird dann rasch zum Nestbeschmutzer, wenn man<br />
Änderungen anstrebt. Auch die Distanz zu den eigenen Mitarbeitern nimmt ja beständig ab, je länger<br />
man da ist, desto stärker beginnt es zu menscheln. <strong>Die</strong>se Gefahr ist immer vorhanden <strong>und</strong> auch ganz<br />
natürlich. Hinzu kommt die Unbeweglichkeit des Öffentlichen <strong>Die</strong>nstes. Ein Externer kann da viel<br />
ausrichten <strong>und</strong> ist ein Korrektiv.<br />
Ich möchte noch etwas über die Grenzen des Ganzen, was Sie heute näher verhandeln wollen,<br />
sagen. <strong>Die</strong> Möglichkeiten des konzeptionell-fachlichen Handelns <strong>und</strong> was konzeptbasierte Kulturpolitik<br />
heißt, habe ich an einigen Beispielen versucht zu verdeutlichen. <strong>Die</strong> Grenzen liegen in einem<br />
ungeheuren Traditionalismus; egal, welche politische Partei sich in der Verantwortung befindet, wer in<br />
den Institutionen wirkt, jeder hat es gerne, wenn viel von dem weitergeht, was es gibt, woran man sich<br />
gewöhnt hat. Jeder Oberbürgermeister, jeder Minister ist dankbar, wenn er keine Briefe bekommt, in<br />
denen Leute sich beschweren <strong>und</strong> protestieren, wo irgend etwas durchargumentiert werden muss,<br />
was der/die Leser/in doch wieder durch seine/ihre subjektive Brille sehen wird. Es gibt eine gewisse<br />
natürliche Reformresistenz. „Das war schon immer so“, heißt es dann. Statt eines Arguments hört man<br />
über das eigene Handeln der Leute: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Das Wissen ist<br />
verloren gegangen, warum bestimmte Dinge einmal auf bestimmte Weise etabliert wurden, der Blick<br />
für Veränderung ist trübe geworden. Es gibt einen stillschweigenden Traditionalismus oder<br />
Konservatismus, wie immer man das nennen will. Es gibt auch ein Welterbegefühl, eine<br />
Pathosneigung für die Kulissen, die wir haben. Manches können wir uns aber auch nicht aussuchen.<br />
Es gibt ein echtes Problem: Burgen, Schlösser, historische Parks <strong>und</strong> dergleichen, die kann man nicht<br />
wegtragen, auch wenn es nur ein paar Kilometer bis zur Landesgrenze sind. Hier in Berlin hat man<br />
zwar mal ein Gebäude umgesetzt, am Potsdamer Platz, aber bis über die Landesgrenze hat es auch<br />
noch keiner geschafft. Aber man wünschte sich manchmal, dass man es könnte. Burgen, ich habe<br />
auch zwei in meinem Verantwortungsbereich, die würde ich gerne nach Brandenburg geben zum<br />
Beispiel. Gute Konzepte scheitern, das will ich damit sagen, auch an objektiven Gegebenheiten, an<br />
der Verwaltung schwieriger Immobilien oder anderweitiger Aufgaben. Der Fluss der Zeit hinterlässt<br />
Sedimente. Aber manche lassen sich auch verändern.<br />
Es ist ein Problem, dieses Welterbegefühl, im Theaterbereich begegnet es uns es mit dem Slogan<br />
„Theater muss sein“, das Stadttheatersystem als Weltkulturerbe, das finde ich höchst problematisch.<br />
Dann gibt es auf der anderen Seite eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit für große<br />
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