fdw Nr. 4 Dezember 2006 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV
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freiheit<strong>der</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 4 · <strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> F 1634 F<br />
Herausgeber: <strong>Bund</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
wissenschaft<br />
Das beson<strong>der</strong>e Thema:<br />
Wertewandel – Herausfor<strong>der</strong>ung für Schule und Elternhaus, von Winfried Schlaffke Seite 25<br />
Lieber Leser Seite 2<br />
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> Seite 3<br />
Gesichter des BFW – Vorstand und Regionalbeauftragte Seite 4<br />
Peter Greisler: „Hochschulpolitik nach <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform“ Seite 9<br />
HOCHSCHULE<br />
Nordrhein-Westfalen: Neues Hochschulgesetz in Kraft<br />
Nachgefragt beim Präsidenten des Deutschen Hochschulverbandes,<br />
Professor Dr. Bernhard Kempen, und NRW-Finanzminister Dr. Helmut Linssen Seite 13<br />
Mecklenburg-Vorpommern: Hochschuldiskussion geht weiter<br />
Der weite Weg <strong>der</strong> Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Konsolidierung<br />
Von Klaus-Dieter Rosenbaum Seite 16<br />
SCHULE<br />
Bayern: Was will die Wirtschaftslobby? Seite 18<br />
Berlin: Nein zum rot-roten Projekt Einheitsschule!<br />
Einheitsschule in Berlin – ein leistungsfeindlicher und sozialschädlicher Plan<br />
Von Gerhard Schmid Seite 19<br />
Nordrhein-Westfalen: 39. Mülheimer Kongreß des Realschullehrerverbandes<br />
10 Jahre Unterrichtsfach „Praktische Philosophie“ – „Festtagung“ in Münster Seite 21<br />
Baden-Württemberg: Hermann Röhrs – Vita und Wirkung<br />
Von Kurt Otten Seite 23<br />
Gratulation: Dr. Ursula Besser wird 90 Jahre Seite 30<br />
Gedenken und Dank: Das Berliner Mauermuseum widmet Gerhard Löwenthal<br />
einen ständigen Ausstellungsraum Seite 31<br />
BÜCHERREVUE<br />
Kaufhold: Die Lehrfreiheit – ein verlorenes Grundrecht? (Kinzel)<br />
Mohler/Weissmann: Die Konservative Revolution in Deutschland<br />
1918–1932. (Dirsch)<br />
Bueb: Lob <strong>der</strong> Disziplin. (Thomalla)<br />
9.–11. Februar 2007<br />
Tagung in Gummersbach: Kurztitel „Bürgergesellschaft“ (s. Seite 3!)
fw<br />
freiheit <strong>der</strong><br />
wissenschaft<br />
Offizielles Organ des <strong>Bund</strong>es<br />
<strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong><strong>Wissenschaft</strong> e.V.<br />
Für unaufgefor<strong>der</strong>t eingesandte Manuskripte,<br />
Zeichnungen und Fotos<br />
und an<strong>der</strong>e Beiträge übernimmt <strong>der</strong><br />
Empfänger keine Haftung. Abdruck<br />
mit Quellenangabe und Belegexemplar<br />
gestattet.<br />
Die mit Namen gekennzeichneten<br />
Beiträge stellen nicht unbedingt die<br />
Ansicht von Herausgeber und Redaktion<br />
dar, son<strong>der</strong>n die persönliche<br />
Meinung des Verfassers.<br />
Zuschriften und Stellungnahmen zu<br />
Themen und Artikeln dieses Heftes<br />
sind willkommen. Wie<strong>der</strong>gabe und<br />
redaktionelle Kürzungen bleiben<br />
vorbehalten. „freiheit <strong>der</strong> wissenschaft“<br />
erscheint in herkömmlicher<br />
Rechtschreibung.<br />
Herausgeber : Vorstand des <strong>Bund</strong>es<br />
<strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> e.V.<br />
Redaktion: Dr. Winfried Holzapfel<br />
Verbandsgeschäftsstelle:<br />
Postanschrift:<br />
Charlottenstraße 65,<br />
10117 Berlin-Mitte (U-Bahnhof<br />
Stadtmitte, nahe Gendarmenmarkt)<br />
Büro: Petra Schauf<br />
Die Geschäftsstelle dient auch als<br />
Kontakt- und Informationsstelle.<br />
Für größere Veranstaltungen steht<br />
ein Hörsaal zur Verfügung.<br />
Telefon: (030) 20 45 4704<br />
Fax: (030) 20 45 4706<br />
E-Mail:<br />
bund.freiheit.wissenschaft<br />
@t-online.de<br />
Internet:<br />
http://www.bund-freiheit-<strong>der</strong>wissenschaft.de<br />
Bankverbindung:<br />
Deutsche Bank AG, Bonn<br />
(BLZ 380700 24), Kto. 0233 858<br />
Verlag, Herstellung und Anzeigen:<br />
Vereinigte Verlagsanstalten GmbH,<br />
Höherweg 278, 40231 Düsseldorf<br />
Internet: www.vva.de<br />
E-Mail: info@vva.de<br />
Anzeigenleitung: Ulrike Niggemann<br />
Anzeigenverkauf:<br />
Panagiotis Chrissovergis<br />
Tel. 02 01/87126945<br />
Fax. 02 01/87126942<br />
Anzeigentarif <strong>Nr</strong>. 12<br />
ISSB 0343-7752<br />
2<br />
Lieber Leser,<br />
entgegen <strong>der</strong> bekannten Sentenz „Not macht erfin<strong>der</strong>isch“ gehört in heutiger<br />
Zeit zu den Bedingungen freier <strong>Wissenschaft</strong> die „Notlosigkeit“.<br />
In einem notleidenden System leidet auch die wissenschaftliche Arbeit.<br />
Sie wird begrenzt in ihren Möglichkeiten. Daher rührt <strong>der</strong> ständige Ruf<br />
nach ordentlicher finanzieller Ausstattung <strong>der</strong> Hochschulen, nach Rahmenbedingungen,<br />
die gewährleisten, daß Befähigung und Leistungskraft<br />
<strong>der</strong> an <strong>Wissenschaft</strong> Beteiligten gestärkt werden.<br />
Dr. Winfried Holzapfel ist einer <strong>der</strong><br />
Vorsitzenden des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
Ein Charakteristikum von <strong>Wissenschaft</strong> ist, daß<br />
sie nicht gefällig sein darf. Im Erkenntnisdrang<br />
und bei <strong>der</strong> Problemlösung muß sie auf Wahrheit<br />
gerichtet und von Unbestechlichkeit begleitet<br />
sein. Dies ist nicht nur ein erkenntnistheoretisches<br />
Postulat, son<strong>der</strong>n auch ein ethisches<br />
Dogma. Die Voraussetzung echter Forschung ist<br />
die „anima pura“ des Forschers, die Demut vor<br />
<strong>der</strong> Sache.<br />
Hier gab und gibt es Befleckungen, Sündenfälle<br />
durch interessegeleitetes Handeln.<br />
In Abhängigkeit zu geraten o<strong>der</strong> sich zu begeben,<br />
ist eine permanente Gefährdung freier<br />
Forschung. Die Verantwortung dafür, daß diese<br />
Gefährdung durch die neuen Gesetze nicht zunimmt,<br />
trägt – wie schon jetzt – <strong>der</strong> einzelne<br />
Forscher.Nicht die Annahme eines Auftrags, nicht seine Bezahlung ist<br />
von Übel, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Verstoß gegen das Reinheitsgebot. Aber selbst Verstöße<br />
dagegen können korrigiert werden, wenn die wissenschaftliche Gemeinschaft<br />
als Ganzes intakt ist. Da wirken die Selbstreinigungskräfte<br />
von Kontrolle und Kritik.<br />
Die Menschen wollen von Natur aus wissen. Wenn die <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
ihren innersten Auftrag, das, was sie zu <strong>Wissenschaft</strong>lern macht, durch<br />
ihr berufliches Tun und Lassen bestätigen, bewahren sie die <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong>.<br />
Die Verantwortung für die Grenzen <strong>der</strong> Wirksamkeit des Staates hatte<br />
die Gemeinschaft <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler immer schon, sie muß und kann<br />
selbst die Grenzen <strong>der</strong> Wirksamkeit fremden Einflusses – <strong>der</strong> sich künftig<br />
stärker durch Aufträge aus <strong>der</strong> Wirtschaft entwickelt – bestimmen.<br />
Das Ethos des <strong>Wissenschaft</strong>lers muß sich möglicherweise neuer Verführungen<br />
erwehren. Für Profil und Prestige <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> ist entscheidend,<br />
wie es bewahrt wird und daß es sich zeigt.<br />
Durch die neuen Entwicklungen im Hochschulwesen wird die <strong>Freiheit</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> geför<strong>der</strong>t (das ist gut) und gefährdet (das ist nicht<br />
neu). Im Bewußtsein <strong>der</strong> Gefährdung selbst liegt <strong>der</strong> Ansatz, um ihr zu<br />
entgehen. Die Wirtschaft muß zum Respekt vor <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
erzogen werden. Das geschieht durch die Wahrnehmung und Erfahrung<br />
dessen, was <strong>Wissenschaft</strong> ist. Die <strong>Wissenschaft</strong> selbst hat es in<br />
<strong>der</strong> Hand, ihren freiheitlichen Charakter überzeugend zu vermitteln. Sie<br />
ist eine Macht sui generis. Sie muß es nur beweisen. Die Chancen dafür<br />
stehen beson<strong>der</strong>s gut, solange die Wirtschaft selbst <strong>Wissenschaft</strong> so<br />
schätzt und einschätzt.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Ihr Winfried Holzapfel<br />
<strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
Am 1. <strong>Dezember</strong> fand in Berlin<br />
wie alle zwei Jahre eine Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
mit <strong>der</strong> Wahl<br />
des Vorstandes und <strong>der</strong> Bestätigung<br />
<strong>der</strong> Regionalbeauftragten<br />
statt. Die Gewählten werden unten<br />
persönlich vorgestellt. Auf<br />
folgende Än<strong>der</strong>ungen sei hingewiesen:<br />
In den erweiterten Vorstand<br />
wurde Frau Dr. Brigitte<br />
Pötter neu gewählt, die den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
als langjährige Regionalbeauftragte<br />
und Sektionsvorsitzende<br />
für Berlin und Brandenburg<br />
bekannt ist. Nachfolger als<br />
Regionalbeauftragter ist Oberschulrat<br />
Gerhard Schmid. Für<br />
Hamburg stand bisher kein Regionalbeauftragter<br />
zur Verfügung.<br />
Wir konnten Staatsrat a.D.<br />
Dr. Reiner Schmitz für die Aufgabe<br />
gewinnen. Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
wurde bisher von Wiss. Oberrat<br />
Dr. Hartmut Schustereit betreut,<br />
<strong>der</strong> wegen Umzugs in ein an<strong>der</strong>es<br />
<strong>Bund</strong>esland nicht wie<strong>der</strong><br />
kandidierte. Neuer Regionalbeauftragter<br />
für Nie<strong>der</strong>sachsen ist<br />
Oberstudiendirektor Bernd Ostermeyer.<br />
Frau Professor Dr. Lilo<br />
Süllwold kandidierte nicht<br />
wie<strong>der</strong> als eine <strong>der</strong> beiden Re-<br />
gionalbeauftragten für Hessen.<br />
In diesem <strong>Bund</strong>esland wird <strong>der</strong><br />
BFW weiter von Privatdozent<br />
Dr. habil. Siegfried Uhl vertreten.<br />
Für die erfolgreiche bisherige<br />
Arbeit sei allen hier und später<br />
Genannten herzlich gedankt.<br />
Im September ist die Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
in Kraft getreten. Die<br />
<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong> haben jetzt mehr<br />
<strong>Freiheit</strong>en. Das Hochschulrahmengesetz<br />
wird abgeschafft. Die<br />
Gestaltung des Schulwesens ist<br />
ausschließlich Sache <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>.<br />
Über das Thema<br />
„Hochschulpolitik nach <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform“<br />
hielt Ministerialdirigent<br />
Peter Greisler,<br />
Leiter <strong>der</strong> Unterabteilung Hochschule<br />
im <strong>Bund</strong>esministerium<br />
für Bildung und Forschung,<br />
beim <strong>Bund</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
am Tag <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
einen interessanten<br />
Vortrag, den Sie unten lesen<br />
können (S. 9ff.).<br />
Bildungspolitik muß sich immer<br />
auf Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
einstellen. Professor<br />
Dr. Winfried Schlaffke wird<br />
2007 (voraussichtlich im März<br />
o<strong>der</strong> April) über den „Wertewandel<br />
in Schule und Arbeitswelt“<br />
sprechen; Auszüge aus seinem<br />
gerade neu erschienenen Buch<br />
sind unten abgedruckt und<br />
führen in das Thema ein (S. 25ff.).<br />
Auch 2007 soll wie<strong>der</strong> eine gemeinsame<br />
Tagung mit <strong>der</strong> Friedrich-Naumann-Stiftung<br />
stattfinden,<br />
vom 9. bis 11. Februar in<br />
<strong>der</strong> Theodor-Heuss-Akademie in<br />
Gummersbach. Das Thema heißt<br />
diesmal „Bürgergesellschaft –<br />
Möglichkeit zur Rettung unseres<br />
Gemeinwesens“. Es geht um folgende<br />
Fragestellungen: Immer<br />
öfter tauchen in <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Diskussion die Begriffe „Bürgergesellschaft“<br />
und „Zivilgesellschaft“<br />
auf. Ist aber „Bürger“<br />
noch ein klar definierter Begriff,<br />
sieht man im Bürger wie<strong>der</strong> den<br />
Werteträger und -vermittler, den<br />
Garanten für Bildung und Erziehung?<br />
Aus dem passiven Empfänger<br />
staatlicher Zuwendungen<br />
soll wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> mündige Bürger<br />
werden, <strong>der</strong> sich engagiert und<br />
ehrenamtlich für das Gemeinwesen<br />
einsetzt. Doch unter welchen<br />
Voraussetzungen kann dieses<br />
Ziel erreicht werden? Wie kann<br />
ein Klima geschaffen werden,<br />
in dem <strong>der</strong> Mut zu Risikobereitschaft<br />
und persönlicher Verantwortung<br />
wächst? Die Referenten<br />
und ihre Vortragsthemen<br />
stehen noch nicht vollständig<br />
fest; Interessenten bitten wir<br />
um eine unverbindliche Mitteilung<br />
(Telefon 030-20 45 4704,<br />
Fax 030-20 45 4706, E-Mail<br />
bund.freiheit.wissenschaft@tonline.de,<br />
auch über Website:<br />
http://www.bund-freiheit-<strong>der</strong>wissenschaft.de);<br />
sie erhalten<br />
dann rechtzeitig eine Einladung<br />
mit <strong>der</strong> Möglichkeit zur Anmeldung.<br />
Zu den 21 Unterzeichnern<br />
des Aufrufs zur Gründung des<br />
<strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
gehörte 1970 <strong>der</strong> bekannte,<br />
vor einigen Jahren verstorbene<br />
Publizist Gerhard Löwenthal.<br />
Auch Dr. Ursula Besser, „Stadtälteste“<br />
von Berlin, hat unsere<br />
Arbeit vom ersten Tag an mitgetragen.<br />
Zu beiden finden Sie aus<br />
gegebenem Anlaß Berichte (ab<br />
S. 30).<br />
Hans Joachim Geisler<br />
Wirkung<br />
Aus <strong>der</strong> Berliner Morgenpost<br />
vom 11.12.06<br />
Dank<br />
Auch an diesem Jahresende möchten wir allen danken, die uns im abgelaufenen Jahr mit dem Besuch<br />
unserer Veranstaltungen, in anregenden Gesprächen und in <strong>der</strong> Korrespondenz mit <strong>der</strong> Geschäftsstelle<br />
ihr Interesse an unserer Arbeit bekundet haben.<br />
Beson<strong>der</strong>s danken wir denjenigen, die die Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> durch ihre<br />
Spenden unterstützt haben. Ihre Spenden waren uns eine große Hilfe und sind uns weiterhin Verpflichtung.<br />
DerVorstand<br />
Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, sowie allen Mitglie<strong>der</strong>n, Freunden und För<strong>der</strong>ern<br />
des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> ein gutes neues Jahr 2007.<br />
Vorstand und Redaktion,<br />
Vereinigte Verlagsanstalten<br />
Ähnliche Nachricht mehrfach<br />
am 11.12. im Berliner Rundfunk<br />
91,4.<br />
Siehe dazu unter „Berlin“ ab<br />
S. 19.<br />
Hinweis<br />
Bei unserer Tagung im Februar <strong>2006</strong> in Gummersbach zum Thema „Ist Meinungsfreiheit<br />
möglich?“ hielt auch Professor Dr. Hartmut Kliemt , Universität Duisburg-Essen, einen Vortrag:<br />
„Empörungsorchester– Kostenasymmetrien in <strong>der</strong>Meinungsbildung, Beispiele und Theorie“.<br />
Das Manuskript wurde jetzt fertiggestellt und kann auf unserer Website (http://www.bund-freiheit<strong>der</strong>-wissenschaft.de)<br />
nachgelesen werden.<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 3
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
Dr. Hans Joachim Geisler,<br />
Vorsitzen<strong>der</strong><br />
Dernburgstr. 53, 14057 Berlin, Tel. 030-3223158,<br />
Fax über BFW-Büro, E-Mail hjgeisler@gmx.de<br />
Geb. 1934 in Dresden, verheiratet, vier erwachsene<br />
Kin<strong>der</strong>. Studium <strong>der</strong> Klassischen<br />
Philologie und Promotion an <strong>der</strong> Freien<br />
Universität Berlin, wo er bis zur Pensionierung<br />
im Jahr 2000 als Akademischer Rat<br />
Klassische Philologie lehrte. Einer <strong>der</strong> 21<br />
Unterzeichner des Aufrufs zur Gründung des<br />
BFW am 18. November 1970. Er gehörte<br />
1970 bis 2000 dem Erweiterten Vorstand des<br />
BFW an und war bis 1990 Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Notgemeinschaft für eine freie Universität,<br />
<strong>der</strong> Berliner Sektion des BFW. Seit 2000 ist<br />
er einer <strong>der</strong> drei Vorsitzenden des BFW.<br />
ProfessorDr. Dr. Kurt J. Reinschke,<br />
Vorsitzen<strong>der</strong><br />
Wachwitzer Bergstr. 32, 01326 Dresden, Tel. 03 51-2686166,<br />
E-Mail kr@erss11.et.tu-dresden.de<br />
4<br />
Im folgenden finden Sie einige<br />
Angaben über die in <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />
vom 1. <strong>Dezember</strong><br />
<strong>2006</strong> in Berlin gewählten<br />
Vorstandsmitglie<strong>der</strong> und Regionalbeauftragten.<br />
Die Mitglie<strong>der</strong><br />
des Vorstandes wurden einstimmig<br />
(bei einigen Enthaltungen)<br />
gewählt. Die Bestätigung <strong>der</strong><br />
vom Vorstand vorgeschlagenen<br />
Geb. 1940 in Zwickau/Sachsen, verheiratet,<br />
zwei erwachsene Kin<strong>der</strong>. Seit 1992 Professor<br />
für Regelungs- und Steuerungstheorie <strong>der</strong> TU<br />
Dresden, seit 1997 Direktor des gleichnamigen<br />
Instituts an <strong>der</strong> Fakultät für Elektrotechnik<br />
und Informationstechnik <strong>der</strong> TU Dresden.<br />
Seit 2003 Vorsitzen<strong>der</strong> des Landesverbandes<br />
Sachsen im Deutschen Hochschulverband.<br />
Er ist seit 1990 Mitglied des BFW, war<br />
1992 bis 2004 Mitglied des Erweiterten Vorstands<br />
und 2000 bis 2005 zugleich Regionalbeauftragter<br />
für Sachsen. Seit 2004 ist er einer<br />
<strong>der</strong> drei Vorsitzenden des BFW.<br />
ProfessorDr. Wolfgang Dreybrodt,<br />
Mitglied des Erweiterten Vorstands und Regionalbeauftragter für<br />
Bremen<br />
Bekassinenstr. 86, 28357 Bremen, Tel. 0421-27 18 79<br />
E-Mail dreybrodt@t-online.de<br />
Geb. 1939 in Annaberg/Sachsen, verheiratet,<br />
zwei erwachsene Kin<strong>der</strong>. 1969 Visiting scientist<br />
am MIT, USA. 1970 bis 1974 Max-<br />
Planck-Institut für Festkörperforschung. Seit<br />
1974 Professor für Experimentalphysik, Universität<br />
Bremen. Im Ruhestand seit 2004.<br />
Forschung auf dem Gebiet <strong>der</strong> Halbleiterphysik,<br />
<strong>der</strong> Molekularen Biophysik, <strong>der</strong> Geochemie<br />
und <strong>der</strong> Karstgeologie. Er ist seit 1976<br />
Mitglied des BFW, seit 1978 Mitglied des Erweiterten<br />
Vorstands und seit 2000 zugleich<br />
Regionalbeauftragter für Bremen. 1989 Verdienstmedaille<br />
des Deutschen <strong>Bund</strong>estages<br />
für hochschulpolitischen Einsatz in Bremen.<br />
Oberstudiendirektori. R. Dr. Winfried Holzapfel,<br />
Vorsitzen<strong>der</strong><br />
An <strong>der</strong> Ölmühle 16, 47608 Gel<strong>der</strong>n, Tel. 02831-44 16,<br />
Fax 02831-99 2972, E-Mail dr.winfried.holzapfel@t-online.de<br />
ProfessorDr. GünterPüttner ,<br />
Schatzmeister<br />
OberstudiendirektorJosef Kraus,<br />
Mitglied des Erweiterten Vorstands<br />
Geb. 1940 in Düsseldorf, verheiratet, zwei<br />
Kin<strong>der</strong>. Studium <strong>der</strong> Altphilologie und <strong>der</strong><br />
Philosophie in Köln, Münster und Freiburg.<br />
Promotion an <strong>der</strong> Universität Freiburg. Erstes<br />
Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien<br />
in Köln, Zweites Staatsexamen in Düsseldorf.<br />
Gymnasiallehrer für Lateinisch und Philosophie<br />
in Gel<strong>der</strong>n (Nie<strong>der</strong>rhein), Fachleiter<br />
für Philosophie am Staatl. Studienseminar in<br />
Kleve, seit 1989 Oberstudiendirektor (als<br />
Leiter eines Gymnasiums) in Kevelaer. Seit<br />
August 2004 pensioniert. Seit 1994 ist er einer<br />
<strong>der</strong> drei Vorsitzenden des BFW.<br />
Schwerdstr. 3, 67346 Speyer, Tel. 06232-719 97<br />
Regionalbeauftragten erfolgte<br />
ebenfalls einstimmig. Die Angabe<br />
<strong>der</strong> Adressen soll es Ihnen leichtmachen,<br />
gegebenenfalls wegen<br />
eines Anliegens mit einem verantwortlichen<br />
Mitglied des <strong>Bund</strong>es<br />
Kontakt aufzunehmen.<br />
Diese Adressen finden sich in je<strong>der</strong><br />
Ausgabe von „freiheit <strong>der</strong><br />
wissenschaft“.<br />
Geb. 1936 in Berlin. 1970 bis 1973 o. Professor<br />
für öffentliches Recht in Frankfurt<br />
am Main, 1973 bis 1980 o. Professor an <strong>der</strong><br />
Hochschule für Verwaltungswissenschaften<br />
in Speyer, 1980 bis 2002 Univ.-Professor an<br />
<strong>der</strong> Universität Tübingen, seitdem Emeritus.<br />
Er ist seit 1973 Mitglied im BFW, war<br />
1994 bis 2000 einer <strong>der</strong> drei Vorsitzenden<br />
und seit 2000 Schatzmeister.<br />
Fürstenstr. 59, 84032 Ergolding, Tel. 0871-68674,<br />
Fax 0871-630390, E-Mail josef.kraus@landshut.org<br />
Geb. 1949, Oberstudiendirektor am Maximilian-von-Montgelas-Gymnasium<br />
Vilsbiburg<br />
(Landkreis Landshut, Bayern), unterrichtet<br />
die Fächer Deutsch und Sport und<br />
ist Diplom-Psychologe. Seit 1987 ist er<br />
ehrenamtlich Präsident des Deutschen Lehrerverbandes<br />
(DL).<br />
Mitglied des Erweiterten Vorstands des<br />
BFW seit 2004.<br />
<strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
Dr. Brigitte Pötter,<br />
Mitglied des Erweiterten Vorstands<br />
Heinrich-Heine-Str. 7 b, 15831 Mahlow, Tel. 03379-20 58 65,<br />
Fax 03379-20 6126, E-Mail bpoetter@gmx.de<br />
Geb. in Aachen, verheiratet, drei Kin<strong>der</strong>.<br />
Studium <strong>der</strong> Chemie in Aachen und Heidelberg,<br />
Promotion an <strong>der</strong> Freien Universität<br />
Berlin. Mitglied im BFW seit 1991. Vorsitzende<br />
<strong>der</strong> BFW-Sektion Berlin-Brandenburg<br />
1995 bis 2002, Regionalbeauftragte<br />
für diese <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong> 2000 bis <strong>2006</strong>. Mitglied<br />
des Erweiterten Vorstands seit <strong>2006</strong>.<br />
ProfessorDr. Klaus-DieterRosenbaum,<br />
Mitglied des Erweiterten Vorstands und Regionalbeauftragter für<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Bärenfelsallee 20, Gutshaus Rustow, 17121 Loitz,<br />
Tel./Fax 03 99 98-31293, E-Mail rosen@uni-greifswald.de<br />
Geb. 1934 in Strelitz/Mecklenburg, verheiratet,<br />
zwei erwachsene Kin<strong>der</strong>. Studium <strong>der</strong><br />
Physik 1953 bis 1958 an <strong>der</strong> Universität<br />
Greifswald. Er wechselte nach <strong>der</strong> Promotion<br />
als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Medizinische<br />
Fakultät <strong>der</strong> Universität Greifswald,<br />
wurde dort 1987 zum a.o. Professor,<br />
1992 zum Universitätsprofessor für Biophysik<br />
ernannt und gehört <strong>der</strong> Universität seit seiner<br />
Emeritierung 1999 weiterhin als Mitglied<br />
an. Er ist Mitglied des Hochschulverbandes.<br />
Mitglied des Erweiterten Vorstands des BFW<br />
seit 1992, seit 2000 zugleich Regionalbeauftragter<br />
für Mecklenburg-Vorpommern.<br />
ProfessorDr. Winfried Schlaffke,<br />
Mitglied des Erweiterten Vorstands<br />
Rüdellstr. 10, 50737 Köln, Tel. 02 21-747159,<br />
Fax 02 21-7405250, E-Mail w.schlaffke@t-online.de<br />
Geb. 1939; Studium <strong>der</strong> Gemanistik, Philosophie<br />
und Pädagogik sowie Theologie in Hamburg;<br />
von 1967 bis 2001 im Institut <strong>der</strong> deutschen<br />
Wirtschaft Köln, 1976 bis 2001 Geschäftsführer<br />
und Leiter <strong>der</strong> Hauptabteilung I (Bildung<br />
und Gesellschaftswissenschaften) sowie von<br />
1995 bis 2001 stellvertreten<strong>der</strong> Direktor des Instituts<br />
<strong>der</strong> deutschen Wirtschaft Köln; seit 1986<br />
Professor für Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik<br />
im Geschwister-Scholl-Institut <strong>der</strong> Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München und seit 2000<br />
Präsident <strong>der</strong> ISM – International School of Management,<br />
Private Hoschschule, Dortmund.<br />
OberstudiendirektorWilli Eisele,<br />
Regionalbeauftragter für Bayern<br />
Kiefernweg 1, 82515 Wolfratshausen, Tel. 089-74550420,<br />
081 71-41 0923, E-Mail willi.eisele@gmx.de<br />
Geb. 1946. Er leitet das Gymnasium Fürstenried<br />
(München) und unterrichtet Geschichte,<br />
Englisch und Ethik. Willi Eisele<br />
ist Landesvorsitzen<strong>der</strong> des Bayerischen Geschichtslehrerverbandes<br />
und <strong>der</strong> Fachgruppe<br />
Geschichte/Sozialkunde und Mitglied<br />
des Bildungsbeirats im Bayerischen Philologenverband.<br />
Mitglied des BFW seit 1978,<br />
seit 2000 Regionalbeauftragter des BFW<br />
für Bayern.<br />
ProfessorDr. Sigismund Kobe,<br />
Regionalbeauftragter für Sachsen<br />
Leonhard-Frank-Str. 6, 01069 Dresden, Tel. 03 51-4 714311,<br />
E-Mail kobe@theory.phy.tu-dresden.de<br />
Geb. 1940 in Zella-Mehlis. Hier legte er<br />
1959 die Abiturprüfung ab. 1960 Studium<br />
<strong>der</strong> Kernphysik und <strong>der</strong> Physik an <strong>der</strong> TU<br />
Dresden. 1965 Diplom, anschließend Assistent.<br />
Lehrer im Hochschuldienst und Oberassistent<br />
im <strong>Wissenschaft</strong>sbereich Theoretische<br />
Physik <strong>der</strong> TU Dresden. 1971 Promotion.<br />
1988 Habilitation für Physik. Seit<br />
1992 Professor für Theorie ungeordneter<br />
Festkörper am Institut für Theoretische<br />
Physik an <strong>der</strong> Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften<br />
<strong>der</strong> TU Dresden. Seit<br />
<strong>2006</strong> emeritiert. Regionalbeauftragter des<br />
BFW für Sachsen seit 2005.<br />
ProfessorDr. Jürgen Kullmann,<br />
Regionalbeauftragter für Baden-Württemberg<br />
Panoramastr. 27, 72116 Mössingen,<br />
Tel. Universität Tübingen: 07473-5768, Fax 07473-26768,<br />
E-Mail juergen.kullmann@uni-tuebingen.de<br />
Geb. 1931 in Berlin-Spandau, verheiratet,<br />
fünf erwachsene Kin<strong>der</strong>. 1950 Studium <strong>der</strong><br />
Geologie, Biologie und Paläontologie<br />
zunächst an <strong>der</strong> neu gegründeten Freien<br />
Universität Berlin, seit 1952 in Tübingen.<br />
Seit 1971 Professor für Geologie und<br />
Paläontologie an <strong>der</strong> Universität Tübingen.<br />
Mitglied des BFW seit 1971, Mitbegrün<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> BFW-Sektion Tübingen und seit 1975<br />
ihr Vorsitzen<strong>der</strong>. Seit 2000 Regionalbeauftragter<br />
des BFW für Baden-Württemberg.<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 5
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www.inlingua.de
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
Studiendirektori. R. Norbert Schlö<strong>der</strong>,<br />
Regionalbeauftragter für Nordrhein-Westfalen<br />
Pater-Delp-Str. 11, 47877 Willich, Tel. 02154-70247,<br />
Fax 02154-8 76 84, E-Mail nschloe<strong>der</strong>@aol.com<br />
Geb. 1940 in Düsseldorf; nach dem Abitur<br />
Studium in Köln (Anglistik, Latein, Philosophie<br />
und Pädagogik); Lehrtätigkeit am<br />
St.-Bernhard-Gymnasium in Willich-<br />
Schiefbahn. Seit Oktober 1989 Mitglied des<br />
Rates <strong>der</strong> Stadt Willich; seit 1994 Vorsitzen<strong>der</strong><br />
des Schulausschusses; seit 2004<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> des Vereins Festspiele Schloß<br />
Neersen e. V. (www.festspiele-neersen.de).<br />
Mitglied im <strong>Bund</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
seit 1998. Seit 2000 ist er Regionalbeauftragter<br />
des BFW für Nordrhein-Westfalen.<br />
OberstudiendirektorBernd Ostermeyer,<br />
Regionalbeauftragter für Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
Lageweg 4, 29342 Wienhausen, Tel./Fax 051 49-8263<br />
Dienstl.: Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium, Europaschule<br />
Hannoversche Straße 53, 29221 Celle, Tel. 051 41-02 4030<br />
Fax 051 41-907768, E-Mail sl@kav-celle.de<br />
Geb. 1954, studierte Geschichte, Sport und<br />
Theologie. Seit 1978 im gymnasialen<br />
Schuldienst (Land Nie<strong>der</strong>sachsen). Veröffentlichungen<br />
und Referententätigkeit zu<br />
schul- und bildungspolitischen Fragen. Seit<br />
Mai 1990 Oberstudiendirektor des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasiums<br />
in Celle.<br />
Seit <strong>2006</strong> ist er Regionalbeauftragter des<br />
BFW für Nie<strong>der</strong>sachsen.<br />
Oberschulrat Gerhard Schmid,<br />
Regionalbeauftragter für Berlin und Brandenburg<br />
Markelstraße 53, 12163 Berlin, Tel. priv. 030-79218 93,<br />
mobil 0170-8 15 7865, dienstl. 030-9 02 98-36 22,<br />
Fax priv. 030-790162 61, E-Mail ger-schmid@web.de<br />
Geb. 1945, Oberschulrat in Berlin, als<br />
Dienststellenleiter im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg<br />
zuständig für die ca. 2500<br />
Lehrkräfte und Erzieher/innen und die 60<br />
Schulen im Bezirk von den Son<strong>der</strong>schulen<br />
bis zu den Gymnasien, Beisitzer im Vorstand<br />
<strong>der</strong> Vereinigung <strong>der</strong> Freunde <strong>der</strong> CSU<br />
in Berlin, Mitglied und Funktionsträger <strong>der</strong><br />
CSU in Augsburg, 2003 – bis zu den Wahlen<br />
<strong>2006</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> des Forums und des<br />
Fachauschusses Schulpolitik und berufliche<br />
Bildung <strong>der</strong> CDU Berlin. Seit <strong>2006</strong> Regionalbeauftragter<br />
des BFW für Berlin und<br />
Brandenburg.<br />
Privatdozent Dr. habil. Siegfried Uhl,<br />
Regionalbeauftragter für Hessen<br />
Homburger Landstraße 225/I 408, 60435 Frankfurt am Main,<br />
Tel. 06 11-58 27-110, Fax 06 11-58 27-1 09, E-Mail s.uhl@iq.hessen.de<br />
Geb. 1960 in Überlingen am Bodensee. Erziehungswissenschaftler.<br />
1987–2004 Tätigkeit<br />
an den Universitäten Konstanz, Erfurt<br />
und Münster und an <strong>der</strong> Pädagogischen<br />
Hochschule Karlsruhe, seit 2004 im hessischen<br />
Landesdienst, zur Zeit kommissarischer<br />
Leiter <strong>der</strong> Abteilung II (neu) im Institut<br />
für Qualitätsentwicklung, Wiesbaden.<br />
Regionalbeauftragter des BFW für Thüringen<br />
2000 bis 2003, für Baden-Württemberg<br />
2003 bis 2004, für Hessen seit 2004.<br />
Staatsrat a.D. Dr. ReinerSchmitz,<br />
Regionalbeauftragter für Hamburg<br />
Friedensweg 34, 22609 Hamburg, Tel. 040-8 00 22 73<br />
Fax 040-87080516, E-Mail reinerschmitzhh@yahoo.de<br />
ProfessorDr. Gerd Wechsung,<br />
Regionalbeauftragter für Thüringen<br />
Geb. 1947 in Holzbüttgen bei Neuss, verwitwet,<br />
vier erwachsene Kin<strong>der</strong>. 1972 Promotion<br />
zum Dr. phil. im Fach Philosophie<br />
in Freiburg. Nach dem Staatsexamen Unterricht<br />
in den Fächern Philosophie, Deutsch,<br />
Geschichte und Latein an Gymnasien in<br />
Hamburg. Schulleiter, danach Schulverwaltungsbeamter<br />
in Hamburg, dabei von 2002<br />
bis 2004 Leiter des Katholischen Schulamtes<br />
in Hamburg, anschließend bis Ende<br />
2005 Staatsrat in <strong>der</strong> Behörde für Bildung<br />
und Sport <strong>der</strong> Hansestadt. Seit <strong>2006</strong> ist er<br />
Regionalbeauftragter des BFW für Hamburg.<br />
Rosenweg 3, 07751 Cospeda, Tel. 03641-44 76 73<br />
Geb. 1939, verheiratet, zwei erwachsene<br />
Kin<strong>der</strong>. Studium <strong>der</strong> Mathematik in Jena,<br />
seit 1992 Professor für Theoretische Informatik<br />
an <strong>der</strong> Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena. Seit 2004 im Ruhestand. Mitglied des<br />
Erweiterten Vorstands des BFW 1994 bis<br />
<strong>2006</strong>. Seit 2000 ist er Regionalbeauftragter<br />
des BFW für Thüringen.<br />
8<br />
<strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
Den folgenden Vortrag hielt Ministerialdirigent Peter Greisler (BMBF)<br />
am 1. <strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> in Berlin auf Einladung des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong>. Der Referent stellte die aktuellen Entwicklungen in <strong>der</strong><br />
Hochschulpolitik dar. Er ging auf die große Linie <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen<br />
ebenso ein wie auf einzelne Fragen <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform und stellte<br />
sie in den Zusammenhang mit internationalen Entwicklungen und Absprachen.<br />
In <strong>der</strong> Diskussion ergaben sich auch Streitpunkte, z.B. in Fragen<br />
<strong>der</strong> Umsetzung des Bolognaprozesses, des Akkreditierungswesens<br />
und <strong>der</strong> Strukturverän<strong>der</strong>ungen an den Hochschulen (Hochschulrat).<br />
Wir drucken den Vortrag, damit auch diejenigen, die nicht teilnehmen<br />
konnten, sich einen umfassenden Überblick über den Stand <strong>der</strong> Dinge<br />
machen können.<br />
<strong>fdw</strong><br />
Peter Greisler<br />
Hochschulpolitik nach <strong>der</strong><br />
Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
I. Einleitung<br />
Kein Bereich war bei den Verhandlungen<br />
zur Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
so umstritten wie <strong>der</strong> Bildungsbereich<br />
im allgemeinen und<br />
<strong>der</strong> Hochschulbereich im beson<strong>der</strong>en.<br />
Das zeigt, wie wichtig dieser<br />
Bereich ist, aber auch, daß wir<br />
auf verschiedenen Ebenen diskutiert<br />
haben. Es geht um Hochschulpolitik,<br />
aber auch um ordnungspolitische<br />
Fragen und natürlich<br />
um Machtfragen.<br />
Ich will mich hier auf die Perspektive<br />
<strong>der</strong> Hochschulpolitik konzentrieren<br />
und komme am Schluß zu<br />
dem Ergebnis, daß wir in dem<br />
neuen Rahmen durchaus das Richtige<br />
tun können. Das Richtige zu<br />
erreichen wird nicht leichter, zum<br />
Teil zwingen uns die neuen Regeln<br />
aber auch zu neuen Wegen,<br />
die wir längst hätten einschlagen<br />
müssen.<br />
II. Strategische Ausrichtung<br />
<strong>der</strong> Hochschulpolitik<br />
Bei je<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
grundsätzlichen Entscheidungen<br />
sollten wir uns an unseren beiden<br />
zentralen strategischen Zielen für<br />
den Hochschulbereich orientieren.<br />
„Wirwollen Spitzenforschung<br />
auf Weltniveau.“<br />
Wir wollen Spitzenforschung auf<br />
Weltniveau, d. h. wir wollen langfristig<br />
und dauerhaft deutsche<br />
Universitäten in <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong><br />
TOP-Universitäten <strong>der</strong> Welt finden.<br />
„Und wir wollen exzellente<br />
Lehre.“<br />
Und wir wollen exzellente Lehre.<br />
Letzteres ist nicht nur bildungspolitisch<br />
klug, son<strong>der</strong>n auch ein arbeitsmarktpolitisches<br />
Muß.<br />
Diese beiden Ziele, zur Spitze sowohl<br />
in Forschung als auch in<br />
Lehre zu gehören, können wir im<br />
Grunde nur über eine differenzierte,<br />
profilierte, international orientierte<br />
und für Wandel und Wettbewerb<br />
offene Hochschullandschaft<br />
erreichen.<br />
III. Autonomie <strong>der</strong> Hochschulen<br />
Das Schlagwort „Autonomie“<br />
wird oft und gerne im Zusammenhang<br />
mit Hochschulen gebraucht.<br />
Wer ist schon für Bevormundung,<br />
wer ist für Abhängigkeit? Viele<br />
Beschränkungen sind schon gefallen.<br />
Viele Entscheidungen werden<br />
nicht mehr von den Ministerien,<br />
son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> Hochschule<br />
selbst getroffen. Einige Hochschulen<br />
wie die TU Darmstadt sind in<br />
<strong>der</strong> Entwicklung schon sehr weit.<br />
Nimmt man den Gedanken <strong>der</strong><br />
Autonomie ernst, muß am Ende<br />
des Prozesses die Befugnis <strong>der</strong><br />
Hochschulen stehen, über Fragen<br />
des Personals, <strong>der</strong> Organisation<br />
etc. selbst zu entscheiden. Diese<br />
neue <strong>Freiheit</strong> muß auch für die Erschließung<br />
neuer Finanzierungsquellen<br />
gelten: Die Einwerbung<br />
von Drittmitteln spielt eine immer<br />
stärkere Rolle, Sponsoring wird<br />
wichtiger, die Einführung von<br />
Studiengebühren ist in vielen<br />
<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n bereits beschlossen.<br />
Den Gedanken <strong>der</strong> Autonomie<br />
auch hier zu Ende gedacht,<br />
müssen die Hochschulen am Ende<br />
<strong>der</strong> Entwicklung grundsätzlich<br />
über das „Ob“ und die „Höhe“ von<br />
Studiengebühren selbst entscheiden<br />
können.<br />
Die Autonomie ist die zentrale<br />
Voraussetzung für die Diversifizierung<br />
<strong>der</strong> Hochschullandschaft,<br />
für die Profilbildung <strong>der</strong> Hochschulen.<br />
Nur eine durchdachte,<br />
konsequente und zum Teil für einige<br />
Fachbereiche schmerzhafte<br />
Schwerpunktsetzung erlaubt im<br />
Ergebnis Spitzenleistungen. Dies<br />
heißt aber auch, die deutsche<br />
Hochschullandschaft wird zunehmend<br />
bunter, vielfältiger, unangepaßter,<br />
vielleicht auch ein Stück<br />
unübersichtlicher.<br />
Am vorläufigen Ende des <strong>der</strong>zeit<br />
überschaubaren Wandlungsprozesses<br />
wird jedoch ein Spannungsverhältnis<br />
bestehen bleiben.<br />
Der Staat wird und kann sich nicht<br />
aus dem Hochschulbereich gänzlich<br />
zurückziehen. Warum nicht?<br />
Weil er einen Auftrag zu erfüllen<br />
hat, weil er durch die Verfassung<br />
gebunden ist.<br />
DerStaat „muß die Rahmenbedingungen<br />
für Forschung<br />
und Lehre in den Hochschulen<br />
gewährleisten.“<br />
Er muß die Rahmenbedingungen<br />
für Forschung und Lehre in den<br />
Hochschulen gewährleisten. Er<br />
muß einen gewichtigen Teil ihrer<br />
Finanzierung sicherstellen. Er<br />
muß insbeson<strong>der</strong>e gewährleisten,<br />
daß je<strong>der</strong> einzelne nach seiner Befähigung<br />
die Möglichkeit hat, eine<br />
akademische Ausbildung zu absolvieren.<br />
Letzteres zum Wohle<br />
des Ganzen, aber auch zum Wohle<br />
des einzelnen. Die Aufgabe des<br />
Staates wird sich auf die Festsetzung<br />
<strong>der</strong> Ziele beschränken, die<br />
Art und Weise wird weitgehend<br />
den Hochschulen überlassen bleiben.<br />
Die Umstellung des <strong>der</strong>zeitigen<br />
Steuerungssystems auf Zielvereinbarungen<br />
weist hier bereits<br />
deutlich den Weg. Ein gesun<strong>der</strong><br />
Wettbewerb um Ressourcen wird<br />
damit einhergehen. Die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> leistungsorientierten Mittelverteilung<br />
wird und muß steigen.<br />
Im wesentlichen war dies immer<br />
und ist es jetzt erst recht Län<strong>der</strong>sache.<br />
Der <strong>Bund</strong> wird diesen Weg zu<br />
mehr Autonomie konstruktiv begleiten<br />
und mitgestalten.<br />
Das Hochschulrahmengesetz<br />
soll zeitnah aufgehoben werden.<br />
Frau Dr. Schavan hat bereits den<br />
Auftrag erteilt, das Hochschulrahmengesetz<br />
zeitnah aufheben zu<br />
lassen. Damit trägt sie dem Umstand<br />
Rechnung, daß die Rahmengesetzgebungskompetenz<br />
des <strong>Bund</strong>es<br />
mit <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
entfallen ist. In erster Linie nimmt<br />
sie jedoch mit <strong>der</strong> Aufhebung des<br />
HRG, das immerhin seit 1976 existiert,<br />
den Ruf <strong>der</strong> Hochschulen<br />
nach mehr Autonomie ernst. Manchen<br />
Legenden, was so alles wegen<br />
des HRG nicht gehe, wird allerdings<br />
auch <strong>der</strong> Boden entzogen.<br />
Das trägt zur Klarheit <strong>der</strong> Verantwortungsstrukturen<br />
bei.<br />
Die arbeitsrechtlichen Regelungen,<br />
die sich bisher noch im HRG<br />
befinden, die sog. 12- bzw. 15-<br />
Jahres-Regelung für die Qualifizierungsphase,<br />
werden in das geplante<br />
neue <strong>Wissenschaft</strong>szeitvertragsgesetz<br />
überführt. Die Kompetenz<br />
des <strong>Bund</strong>es für das Arbeitsrecht<br />
ist von <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
unberührt geblieben. Dieses<br />
Gesetz enthält auch einen neuen<br />
Befristungstatbestand, <strong>der</strong> den<br />
Hochschulen die befristete Beschäftigung<br />
ihres wissenschaftlichen<br />
Personals auf Drittmittelbasis<br />
deutlich erleichtern wird. Auch<br />
dies ist ein aktiver Beitrag des<br />
<strong>Bund</strong>es, die Rahmenbedingungen<br />
für den Wandel mitzugestalten.<br />
Allerdings will ich auch klar sagen,<br />
daß wir hier Möglichkeiten<br />
eröffnen, von denen verantwortungsvoll<br />
Gebrauch gemacht werden<br />
muß.<br />
Mehr dauerhafte und attraktive<br />
Arbeitplätze für <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
An vielen Stellen müssen wir<br />
mehr dauerhafte und attraktive Arbeitsplätze<br />
für <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
schaffen. Befristete Arbeitsverträge<br />
sind nur befristet gut, wenn ich<br />
das hier mal so einfach auf den<br />
Punkt bringen darf. Das Gesetz<br />
wird voraussichtlich schon im<br />
Frühjahr nächsten Jahres in Kraft<br />
treten.<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 9
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
IV. Hochschulabschlüsse<br />
Der <strong>Bund</strong>esgesetzgeber hat mit<br />
<strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform die Befugnis<br />
erhalten, den Bereich <strong>der</strong><br />
Hochschulabschlüsse und Hochschulzulassung<br />
nunmehr als konkurrierende<br />
Gesetzgebung zu regeln.<br />
Der <strong>Bund</strong> wird von diesen<br />
Kompetenzen vorerst keinen Gebrauch<br />
machen. Denn es besteht<br />
<strong>der</strong>zeit kein Regelungsbedarf.<br />
Peter Greislers Vortrag ...<br />
Der <strong>Bund</strong> hatte bereits im Jahre<br />
2002 die neuen Bachelor- und Masterabschlüsse<br />
als Regelabschlüsse<br />
etabliert. Diese Vorgaben, die<br />
aus dem Bologna-Prozeß resultieren,<br />
wurden in allen Landesgesetzen<br />
umgesetzt. Die konkrete Umstellung<br />
<strong>der</strong> einzelnen Studiengänge<br />
auf das neue Abschlußsystem<br />
ist ein Prozeß in den Hochschulen,<br />
<strong>der</strong> grundsätzlich keines gesetzgeberischen<br />
Eingriffs bedarf. Dieser<br />
Prozeß wird sich auch noch über<br />
mehrere Jahre erstrecken. Mittlerweile<br />
führen bereits 45 % aller<br />
Studiengänge an deutschen Hochschulen<br />
zu den Abschlüssen Bachelor<br />
und Master; sogar 70 % aller<br />
Studiengänge bei den Fachhochschulen.<br />
Die Zahl ist seit<br />
1999 stetig angestiegen. Dies ist<br />
ermutigend. Das nationale Akkreditierungssystem,<br />
das die Erfüllung<br />
von Mindeststandards bei<br />
den neuen Studiengängen sicherstellt,<br />
ist erfolgreich etabliert. Allerdings<br />
muß die Akkreditierung<br />
weiter beschleunigt werden. Erst<br />
ein Drittel <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit angebotenen<br />
Bachelor- und Masterstudiengänge<br />
sind akkreditiert. Das Akkreditierungssystem<br />
selbst muß im<br />
Hinblick auf die europäischen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
weiterentwickelt und<br />
die Qualitätssicherung an den<br />
Hochschulen insgesamt gestärkt<br />
werden.<br />
Die Erfahrung zeigt, daß die einzelnen<br />
Fachbereiche sehr unterschiedlich<br />
und mit unterschiedlichem<br />
Tempo die Umstellung betreiben.<br />
Hier erscheint es mir weise,<br />
weniger auf Zeitvorgaben zu<br />
setzen, son<strong>der</strong>n die Umstellung<br />
durch eine fundierte fachliche<br />
Diskussion voranzutreiben. Qualität<br />
geht auch hier vor Schnelligkeit.<br />
In einer beson<strong>der</strong>en Situation befinden<br />
sich die Staatsexamensstudiengänge.<br />
Der Umstellungsprozeß auf die<br />
Bachelor-Master-Struktur ist im<br />
Bereich <strong>der</strong> Lehramtsstudiengänge<br />
voll im Gange.<br />
Die innerdeutsche Mobilität<br />
<strong>der</strong>Studierenden erhalten!<br />
Hier werden die in <strong>der</strong> Sache zuständigen<br />
Län<strong>der</strong> verstärkt darauf<br />
achten müssen, daß die innerdeutsche<br />
Mobilität <strong>der</strong> Studierenden<br />
erhalten bleibt. Erkennbaren<br />
Fehlentwicklungen muß entgegengewirkt<br />
werden.<br />
Eine interessante Diskussion entwickelt<br />
sich zur Zeit im Bereich<br />
<strong>der</strong> Rechtswissenschaften.<br />
Die Justizministerinnen und Justizminister<br />
haben auf ihrer Herbsttagung<br />
2005 eine Umstellung <strong>der</strong><br />
Rechtswissenschaften als <strong>der</strong>zeit<br />
noch nicht sinnvoll eingestuft.<br />
Gleichwohl haben sie beschlossen,<br />
sich zur Konferenz 2008 u.a.<br />
über Berufsfel<strong>der</strong>, die für eine<br />
Ausbildung nach <strong>der</strong> Bachelor-<br />
Master-Struktur relevant sein<br />
könnten, und über die Einführung<br />
<strong>der</strong> Bachelor-Master-Struktur in<br />
<strong>der</strong> Juristenausbildung an<strong>der</strong>er europäischer<br />
Staaten berichten zu<br />
lassen. Vor kurzem hat sich mit<br />
Frau Müller-Piepenkötter zum ersten<br />
Mal eine Justizministerin eines<br />
großen <strong>Bund</strong>eslandes ausdrücklich<br />
auch für eine Umstellung<br />
<strong>der</strong> Rechtswissenschaften<br />
ausgesprochen. Die Debatte müssen<br />
wir führen und zwar zusammen:<br />
<strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong>, Justizund<br />
Bildungspolitiker und mit<br />
Blick auf die in Betracht kommenden<br />
Arbeitsmärkte und die europäischen<br />
Rahmenbedingungen.<br />
V. Internationalisierung,<br />
Bologna<br />
Noch ein paar Bemerkungen zum<br />
wichtigen Komplex <strong>der</strong> Internationalisierung.<br />
Ein Beispiel für das Engagement<br />
des <strong>Bund</strong>es aus <strong>der</strong> Praxis: Die<br />
Mobilität innerhalb <strong>der</strong> neu eingeführten<br />
Studiengänge kann sich<br />
insbeson<strong>der</strong>e beim <strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong><br />
Regel dreijährigen Bachelor organisatorisch<br />
durchaus schwierig gestalten.<br />
Um hier praktikable Lösungsansätze<br />
zu erarbeiten, hat<br />
das BMBF den DAAD mit einem<br />
Projekt zur Transnationalen Mobilität<br />
in Bachelor- und Masterstudiengängen<br />
beauftragt.<br />
Mobilität ist während des Studiums<br />
ein wichtiges Thema und<br />
nach Abschluß <strong>der</strong> Ausbildung<br />
erst recht. Ein europäischer Arbeitsmarkt<br />
erfor<strong>der</strong>t als Grundlage<br />
auch einen europäischen Hochschulraum<br />
und eine europaweit<br />
verwendbare Ausbildung. Deutsche<br />
Son<strong>der</strong>wege bei Abschlüssen,<br />
beson<strong>der</strong>e Berufszulassungsregelungen,<br />
staatliche Reglementierungen<br />
für Studiengänge etc.<br />
benachteiligen im Ergebnis deutsche<br />
Studierende und Absolventen<br />
und schwächen mittelfristig die<br />
Konkurrenzfähigkeit deutscher<br />
Hochschulen. Deutschland hat im<br />
Grunde keine Alternative. Es muß<br />
sich aktiv in die Bologna-Debatten<br />
einbringen und den weiteren<br />
Prozeß mitgestalten.<br />
„DerBologna-Prozeß ... ist ungemein<br />
nützlich für Deutschland.“<br />
Der Bologna-Prozeß selbst ist ungemein<br />
nützlich für Deutschland.<br />
Er schärft wie allgemein die Debatte<br />
über die Internationalisierung<br />
von Forschung und Lehre<br />
den Blick für die Stärken und<br />
Schwächen des eigenen Systems.<br />
Uns wird ein – manchmal vielleicht<br />
sogar eher unwillkommener<br />
– Spiegel vorgehalten. Wir sollten<br />
den Blick in den Spiegel jedoch<br />
nicht scheuen. Ein Prozeß wie Bologna<br />
schafft Transparenz, transportiert<br />
Ideen, sorgt für einen Bezugsrahmen<br />
für unsere eigene nationale<br />
bildungspolitische Debatte.<br />
Und nicht zuletzt entlarvt er<br />
manche Diskussion, die in<br />
Deutschland geführt wird, als „typisch<br />
deutsch“. Diese Chance, von<br />
an<strong>der</strong>en zu lernen und unsere Erfahrungen<br />
aber auch an<strong>der</strong>en zur<br />
Verfügung zu stellen, sollten wir<br />
uns nicht entgehen lassen.<br />
Die nächste Gelegenheit hierzu<br />
wird sich auf <strong>der</strong> Bologna-Ministerkonferenz<br />
in London im Mai<br />
2007 ergeben. Deutschland wird<br />
diese Konferenz im Rahmen seiner<br />
europäischen Ratspräsidentschaft<br />
gemeinsam mit dem Gastgeberland<br />
Großbritannien veranstalten.<br />
Beide Län<strong>der</strong> haben überdies<br />
im ersten Halbjahr 2007 den<br />
Vorsitz in <strong>der</strong> Bologna-Follow up-<br />
Gruppe inne. Deutschland wird im<br />
März und April 2007 Gastgeber<br />
für zwei Sitzungen dieser Gruppe<br />
sein und damit in einer beson<strong>der</strong>en<br />
Verpflichtung für die weitere Entwicklung<br />
des europäischen Hochschulraums<br />
stehen.<br />
Die Internationalisierungsstrategien<br />
<strong>der</strong> Hochschulen und die Maßnahmen,<br />
die im Rahmen <strong>der</strong> vom<br />
BMBF initiierten „Konzertierten<br />
Aktion Internationales Marketing“<br />
durchgeführt wurden, zeigen<br />
deutliche Wirkung. Beispielsweise<br />
ist das Ziel <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esregierung,<br />
den Anteil <strong>der</strong> ausländischen<br />
Studierenden auf 10% zu erhöhen,<br />
in greifbare Nähe gerückt. Im<br />
Wintersemester 2004/2005 wurde<br />
schon ein Anteil von 9,5% erreicht.<br />
Deutschland wird attraktiver.<br />
Deshalb denke ich, sollten wir<br />
auch im Hinblick auf die <strong>der</strong>zeitige<br />
sicherheitspolitische Debatte<br />
über die Verschärfung <strong>der</strong> aufenthaltsrechtlichen<br />
Bestimmungen<br />
für ausländische Studierende<br />
praktikable Lösungen mit Weitblick<br />
finden. Ansonsten gefährden<br />
wir unsere langjährigen<br />
Bemühungen um eine Internationalisierung<br />
des Hochschulstandorts<br />
Deutschland.<br />
VI. Hochschulzulassung<br />
Die Hochschulzulassung in den<br />
bundesweit zulassungsbeschränkten<br />
Studiengängen hat <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esgesetzgeber<br />
auf Initiative <strong>der</strong><br />
<strong>Bund</strong>esregierung erst 2004 neu<br />
geregelt. Danach können 60 % aller<br />
Studienplätze nunmehr von<br />
den Hochschulen besetzt werden.<br />
Autonomie <strong>der</strong> Hochschulen<br />
wird deutlich gestärkt.<br />
Damit wird die Autonomie <strong>der</strong><br />
Hochschulen auch in diesem<br />
wichtigen Bereich deutlich ge-<br />
10<br />
<strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
stärkt. Auf Basis <strong>der</strong> HRG-Regelungen<br />
haben die Län<strong>der</strong> erst vor<br />
wenigen Monaten einen neuen<br />
Staatsvertrag über die Vergabe<br />
von Studienplätzen vereinbart.<br />
Den Hochschulen steht ein differenziertes<br />
Auswahlinstrumentarium<br />
zur Verfügung, das nun <strong>der</strong><br />
Entwicklung und Praxiserprobung<br />
bedarf: Studierfähigkeitstests,<br />
Auswahlgespräche, gewichtete<br />
Einzelnoten sind wichtige Stichworte.<br />
Hier sind die Hochschulen<br />
beson<strong>der</strong>s gefor<strong>der</strong>t, auch beispielsweise<br />
durch die Bereitstellung<br />
des erfor<strong>der</strong>lichen Personals.<br />
Nach meiner Einschätzung wird<br />
zukünftig den fachspezifischen<br />
Studierfähigkeitstests in den meisten<br />
Fachbereichen eine große Bedeutung<br />
zukommen. Eine Rückmeldung<br />
über die Eignung für den<br />
angestrebten Studiengang ist für<br />
eine Hochschule eine offensichtlich<br />
wichtige Entscheidungsgrundlage<br />
und bietet darüber hinaus<br />
für jeden Studienbewerber eine<br />
wertvolle Orientierung. Wir<br />
konnten ja schon vor einigen Jahren<br />
mit dem so genannten Mediziner-Test<br />
bundesweit wertvolle Erfahrungen<br />
mit diesem Instrument<br />
sammeln.<br />
Sinkende Studienabbrecherund<br />
Studienfachwechselquote<br />
Es ist zu erwarten, daß mit <strong>der</strong> angestrebten<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Paßgenauigkeit<br />
zwischen Studium und<br />
Fähigkeiten, Erwartungen <strong>der</strong> Studierenden<br />
auch die bisherige hohe<br />
Studienabbruchsquote und die<br />
Quote <strong>der</strong> Studienfachwechsel<br />
deutlich sinken wird. Eine zügige<br />
Entwicklung des Auswahlinstrumentariums<br />
kann daher nur begrüßt<br />
und unterstützt werden. Eine<br />
erneute Än<strong>der</strong>ung des Hochschulzulassungsrechts<br />
sollte frühestens<br />
erwogen werden, wenn ausreichende<br />
Erfahrungen mit dem neuen<br />
Zulassungsverfahren vorliegen.<br />
Mit <strong>der</strong> zunehmenden Profilierung<br />
<strong>der</strong> Hochschulen, mit <strong>der</strong> stärkeren<br />
Selektion wird auch dem<br />
Übergang von <strong>der</strong> Schule zur<br />
Hochschule eine deutlich gewichtigere<br />
Rolle als bisher zukommen.<br />
Dieser Wandel hat unmittelbare<br />
Auswirkungen auf die Schulen.<br />
Sie werden in Zukunft ihre Schülerinnen<br />
und Schüler bewußter auf<br />
eine akademische Ausbildung vorbereiten<br />
müssen. Sie müssen sie<br />
auch zielorientierter, z.B. bei <strong>der</strong><br />
Fächerwahl, beraten. Daß hier<br />
noch großer Bedarf ist, ist offenkundig.<br />
Auch <strong>der</strong> Stellenwert <strong>der</strong> Studienberatung<br />
wird sich erhöhen. Der<br />
<strong>Bund</strong> wird auch künftig an <strong>der</strong> Erstellung<br />
<strong>der</strong> Broschüre und dem<br />
Online-Angebot „Studien- und<br />
Berufswahl“ inhaltlich mitwirken,<br />
das seit nunmehr 36 Jahren das<br />
einzige staatlich autorisierte Medium<br />
in Deutschland ist, das jährlich<br />
über alle angebotenen Studiengänge<br />
informiert. Das BMBF<br />
bringt sich auch weiterhin in das<br />
erfolgreiche Netzwerk „Wege ins<br />
Studium“ ein, um die Beratung<br />
und Information <strong>der</strong> Studieninteressierten<br />
zu verbessern.<br />
ZVS zu einer Serviceeinrichtung<br />
<strong>der</strong> Hochschulen entwickeln<br />
Die gewollte Diversifizierung darf<br />
we<strong>der</strong> für die Studienbewerberinnen<br />
und -bewerber noch die Hochschulen<br />
zu einer Belastung führen.<br />
Die Län<strong>der</strong> sind <strong>der</strong>zeit dabei, die<br />
Zentralstelle für die Vergabe von<br />
Studienplätzen zu einer Serviceeinrichtung<br />
<strong>der</strong> Hochschulen weiterzuentwickeln.<br />
Die ZVS ist eine<br />
Landeseinrichtung und sie führt<br />
auch Landesrecht aus. Ziel <strong>der</strong> Reform<br />
ist es, die Hochschulen bei<br />
<strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> neuen Auswahlinstrumentarien<br />
zu unterstützen.<br />
Studierende sollen leichter<br />
die für sie geeignete Hochschule<br />
finden und die Hochschulen sollen<br />
im administrativen Bereich, z.B.<br />
bei <strong>der</strong> Bearbeitung von Mehrfachbewerbungen,<br />
entlastet werden.<br />
Relevante Hochschulinformationen,<br />
z.B. im Hinblick auf<br />
das Auswahlkriterium „Einzelnoten“,<br />
sollten den Schülerinnen und<br />
Schülern bereits beim Eintritt in<br />
die Oberstufe vorliegen, damit sie<br />
ihre Fächerwahl daran ausrichten<br />
können. Auch in diesem Servicebereich<br />
könnte die ZVS zukünftig<br />
unterstützend tätig sein. Insgesamt<br />
wird die Reform <strong>der</strong> ZVS vom<br />
<strong>Bund</strong> ausdrücklich begrüßt und in<br />
den entsprechenden Gremien unterstützt.<br />
VII. Hochschulpakt<br />
Eine Individualisierung im Zulassungssystem,<br />
eine bewußte Auswahl<br />
<strong>der</strong> Studierenden durch die<br />
Hochschulen dürfen aber nicht zu<br />
einem generellen Ausschluß <strong>der</strong><br />
Abgelehnten vom Studium führen.<br />
Je<strong>der</strong> junge Mensch soll und<br />
muß auch weiterhin seine Chance<br />
bekommen. Aufgrund <strong>der</strong> bereits<br />
jetzt schon überlasteten Kapazitäten<br />
besteht jedoch <strong>der</strong>zeit die akute<br />
Gefahr, daß in wenigen Jahren<br />
flächendeckend Zulassungsbeschränkungen<br />
eingeführt werden<br />
müssen. Hierauf hat die Präsidentin<br />
<strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz,<br />
Frau Professor Wintermantel,<br />
vor kurzem noch einmal ausdrücklich<br />
hingewiesen.<br />
... löste ein<br />
lebhaftes<br />
Echo aus<br />
Püttner<br />
(stehend) und<br />
Rosenbaum<br />
(vorne)<br />
wirtschaft eine wachsende Nachfrage<br />
nach Hochschulabsolventen<br />
auf dem Arbeitsmarkt. Daneben<br />
verlangt <strong>der</strong> internationale Wettbewerb<br />
eine weitere Profilierung<br />
unserer Hochschulen in <strong>der</strong> Forschung,<br />
die Hochschulen müssen<br />
noch stärker an Exzellenz und<br />
Sichtbarkeit gewinnen. Diese Profilierung<br />
wurde mit <strong>der</strong> Exzellenzinitiative<br />
eingeleitet.<br />
<strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong> betrachten diese<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen als große<br />
Chance für unser Land. Die prognostizierte<br />
Steigerung bei <strong>der</strong><br />
Zahl <strong>der</strong> Studienberechtigten bietet<br />
unserem Land die Möglichkeit,<br />
Die deutschen Hochschulen und<br />
mit ihnen das gesamte <strong>Wissenschaft</strong>ssystem<br />
stehen in den nächsten<br />
Jahren vor großen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Da ist zum einen die<br />
steigende Zahl von Studienberechtigten,<br />
die verursacht wird<br />
durch den Schulabschluß geburtenstarker<br />
Jahrgänge. Sie wird<br />
verstärkt durch doppelte Abiturjahrgänge.<br />
Der Höhepunkt <strong>der</strong><br />
Entwicklung ist in den Jahren<br />
2011 bis 2013 zu erwarten.<br />
Gleichzeitig entsteht aufgrund des<br />
Strukturwandels unserer Volksden<br />
akademischen Nachwuchs zu<br />
sichern und die Innovationskraft<br />
unserer Gesellschaft zu stärken.<br />
Deutschland wird durch die Stärkung<br />
<strong>der</strong> Forschung auch attraktiver<br />
für den besten internationalen<br />
Forschernachwuchs.<br />
<strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong> wollen diese<br />
Chance nutzen. Deshalb haben<br />
sich die <strong>Wissenschaft</strong>sminister<br />
von <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong>n auf Eckpunkte<br />
für einen Hochschulpakt<br />
2020 geeinigt. Diese werden den<br />
Regierungschefs von <strong>Bund</strong> und<br />
Län<strong>der</strong>n im <strong>Dezember</strong> zur Zustimmung<br />
vorgelegt.<br />
„Der Hochschulpakt beinhaltet<br />
ein verläßliches und langfristiges<br />
Engagement von <strong>Bund</strong><br />
und Län<strong>der</strong>n für ein <strong>der</strong>Nachfrage<br />
entsprechendes Studienangebot<br />
bis 2020.“<br />
Der Hochschulpakt beinhaltet ein<br />
verläßliches und langfristiges Engagement<br />
von <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong>n<br />
für ein <strong>der</strong> Nachfrage entsprechendes<br />
Studienangebot bis 2020.<br />
Ziel ist, jedem Studienberechtig-<br />
ten, <strong>der</strong> willens und fähig ist, ein<br />
Studium aufzunehmen, auch ein<br />
Studienangebot zu machen. Auf<br />
<strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> KMK-Prognose gehen<br />
wir dabei zunächst für die Jahre<br />
2007 bis 2010 von 90000 zusätzlichen<br />
Studienanfängerinnen<br />
und -anfängern gegenüber dem<br />
Basisjahr 2005 aus. Der <strong>Bund</strong> beteiligt<br />
sich an den Kosten zur Aufnahme<br />
dieser jungen Menschen<br />
mit insgesamt 565 Mio. bis<br />
2010. Daneben beinhaltet <strong>der</strong><br />
Hochschulpakt eine Programmpauschale<br />
für erfolgreiche Forschungsvorhaben,<br />
die sich im<br />
Wettbewerb um För<strong>der</strong>mittel <strong>der</strong><br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 11
Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
Grundgesetz<br />
Neufassung<br />
Artikel 91 b<br />
(1) <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong> können<br />
auf Grund von Vereinbarungen<br />
in Fällen überregionaler Bedeutung<br />
zusammenwirken bei<br />
<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von:<br />
1. Einrichtungen und Vorhaben<br />
<strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Forschung außerhalb von<br />
Hochschulen<br />
2. Vorhaben <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
und Forschung an Hochschulen.<br />
3. Forschungsbauten an Hochschulen<br />
einschließlich Großgeräten.<br />
Vereinbarungen nach Satz 1<br />
<strong>Nr</strong>. 2 bedürfen <strong>der</strong> Zustimmung<br />
aller Län<strong>der</strong>.<br />
(2) <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong> können<br />
auf Grund von Vereinbarungen<br />
zur Feststellung <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit<br />
des Bildungswesens<br />
im internationalen Vergleich<br />
und bei diesbezüglichen Berichten<br />
und Empfehlungen zusammenwirken.<br />
(3) Die Kostentragung wird in<br />
<strong>der</strong> Vereinbarung geregelt.<br />
1<br />
zu VIII.<br />
DFG durchsetzen. Mit einem solchen<br />
Einstieg in die Vollkostenfinanzierung<br />
von Forschungsprojekten<br />
wird das Ziel verfolgt, die<br />
Forschungsför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> DFG<br />
von <strong>der</strong> Ko-Finanzierung <strong>der</strong><br />
Hochschulen unabhängiger zu<br />
machen. Der <strong>Bund</strong> wird die Kosten<br />
für die Programmpauschalen<br />
bis 2010 zu 100 % übernehmen.<br />
Mit dem Hochschulpakt hat <strong>der</strong><br />
<strong>Bund</strong> eine weitere zentrale Initiative<br />
angestoßen, die absehbar auf<br />
eine ähnlich positive Resonanz<br />
wie die Exzellenzinitiative stoßen<br />
wird. Die Exzellenzinitiative wird<br />
als Anreiz für die universitäre<br />
Spitzenforschung, als Instrument<br />
zur Stärkung des Wettbewerbs und<br />
damit zur Differenzierung zwischen<br />
den Universitäten eine hohe<br />
strukturelle Wirkung entfalten.<br />
Wir verabschieden uns damit auch<br />
von <strong>der</strong> Vorstellung, daß in<br />
Deutschland alle Hochschulen in<br />
gleicher, international sichtbarer<br />
Qualität Forschung betreiben. Diese<br />
Vorstellung ist von <strong>der</strong> Realität<br />
längst überholt geworden. Die<br />
deutsche Hochschullandschaft befindet<br />
sich bereits heute in einem<br />
deutlichen Prozeß <strong>der</strong> Diversifizierung.<br />
Die Exzellenzinitiative<br />
hat eine ungeheure Dynamik in<br />
<strong>der</strong> Hochschullandschaft freigesetzt.<br />
Die beeindruckende Zahl an<br />
qualitativ höchstwertigen Anträgen<br />
hat die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong><br />
Universitäten und ihr enormes Potenzial<br />
erneut unter Beweis gestellt.<br />
Ich verspreche mir von diesem<br />
Wettbewerb erhebliche Impulse<br />
für die gesamte Hochschullandschaft.<br />
Er macht transparent,<br />
mit welchen Strategien universitäre<br />
Forschung an die Spitze geführt<br />
werden kann.<br />
An dieser Stelle muß ich – um<br />
Mißverständnisse zu vermeiden –<br />
etwas einflechten:<br />
Wir wollen Spitzenunis, die weltweit<br />
Beachtung finden, aber wir<br />
brauchen auch gute Hochschulen,<br />
die insgesamt Deutschland eine<br />
gute Ausbildung für Berufsanfänger<br />
und eine gute Weiterbildung<br />
sicherstellen. Und wir brauchen<br />
natürlich auch Universitäten, die<br />
den sogenannten Spitzenunis im<br />
Nacken sitzen.<br />
Lebendige Hochschullandschaft<br />
in ganz Deutschland<br />
pflegen.<br />
Das heißt, bei aller Konzentration<br />
müssen wir auch eine lebendige<br />
Hochschullandschaft in ganz<br />
Deutschland pflegen. Nur „wir“<br />
heißt nicht zuerst „<strong>der</strong> <strong>Bund</strong>“.<br />
Der <strong>Bund</strong> ist entschlossen, den<br />
<strong>Wissenschaft</strong>s- und Hochschulstandort<br />
Deutschland voranzubringen.<br />
Dies zeigt sich vor dem<br />
Hintergrund <strong>der</strong> beiden Initiativen<br />
„Exzellenzinitiative“ und „Hochschulpakt“<br />
auch darin, daß <strong>der</strong><br />
Etat des BMBF gegenüber dem<br />
Vorjahr trotz <strong>der</strong> immer noch angespannten<br />
Haushaltslage um<br />
deutlich über 400 Millionen Euro<br />
gestiegen ist.<br />
VIII. Neue Gemeinschaftsaufgabe<br />
Art. 91 b GG 1<br />
Rechtsgrundlage des Hochschulpakts<br />
2020 ist Art. 91b GG. Dieser<br />
wurde im Rahmen <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
neu gefaßt. Hierdurch<br />
wurde <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong>n ein<br />
Handlungsspielraum eröffnet, <strong>der</strong><br />
es ihnen erlaubt, ihre gemeinsame<br />
Verantwortung in <strong>der</strong> Praxis auch<br />
wahrzunehmen. Die neue Gemeinschaftsaufgabe<br />
zur Finanzierung<br />
von Vorhaben <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
und Forschung an Hochschulen<br />
ermöglicht auch die gemeinsame<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lehre an<br />
Hochschulen. Dies ist relevant gerade<br />
auch im Hinblick auf die steigenden<br />
Studierendenzahlen. Daher<br />
hat das Parlament im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Beschlußfassung zu dem verfassungsän<strong>der</strong>nden<br />
Gesetz den<br />
Weg für den Hochschulpakt, wie<br />
er jetzt abgeschlossen werden soll,<br />
ausdrücklich eröffnet. Damit wird<br />
<strong>der</strong> Tatsache Rechnung getragen,<br />
daß es sich um eine Aufgabe von<br />
gesamtstaatlicher Dimension handelt,<br />
<strong>der</strong>en Bewältigung eine<br />
<strong>Bund</strong>-Län<strong>der</strong>-Kooperation genauso<br />
erfor<strong>der</strong>lich macht wie eine Koordinierung<br />
<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> untereinan<strong>der</strong>.<br />
Die bisherige Gemeinschaftsaufgabe<br />
„Bildungsplanung“ wurde<br />
durch eine neue Gemeinschaftsaufgabe<br />
ersetzt (Artikel 91b<br />
Abs. 2GG). Danach können <strong>Bund</strong><br />
und Län<strong>der</strong> aufgrund von Vereinbarungen<br />
zur Feststellung <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit<br />
des Bildungswesens<br />
im internationalen Vergleich<br />
und bei diesbezüglichen Berichten<br />
und Empfehlungen zusammenarbeiten.<br />
Dies beinhaltet ein Zusammenwirken<br />
bei internationalen<br />
Vergleichsuntersuchungen, Berichten<br />
o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Abgabe von<br />
Empfehlungen. Zentrale Elemente<br />
bildungspolitischer Steuerung<br />
sind künftig also Autonomie,<br />
Wettbewerb und Monitoring. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
das Instrument <strong>der</strong><br />
Empfehlungen gibt <strong>Bund</strong> und<br />
Län<strong>der</strong>n die Möglichkeit, gemeinsame<br />
Ziele für die Weiterentwicklung<br />
des Bildungswesens festzulegen.<br />
Sie können auch bei <strong>der</strong> Umsetzung<br />
durch koordinierte Maßnahmen<br />
in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen<br />
zusammenzuwirken.<br />
Zur Umsetzung <strong>der</strong> neuen Gemeinschaftsaufgabe<br />
haben <strong>Bund</strong><br />
und Län<strong>der</strong> bereits den Entwurf<br />
eines Verwaltungsabkommens erarbeitet.<br />
Das Abkommen soll am<br />
13. <strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> durch die Regierungschefs<br />
von <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong>n<br />
unterzeichnet werden und am<br />
1. Januar 2007 in Kraft treten. Es<br />
regelt im wesentlichen die Strukturen<br />
für das künftige Zusammenwirken<br />
von <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong>n im<br />
Bereich Bildung und schafft die<br />
Voraussetzungen für eine gleichberechtigte<br />
<strong>Bund</strong>-Län<strong>der</strong>-Kooperation<br />
im Bereich <strong>der</strong> neuen Gemeinschaftsaufgabe.<br />
In Zukunft<br />
werden die Bildungsministerinnen<br />
und -minister von <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong>n<br />
in regelmäßigen Zusammenkünften<br />
„wesentliche Vorhaben“<br />
des Zusammenwirkens erörtern<br />
und beschließen.<br />
IX. Schluß<br />
Ich habe etliche Problemkreise<br />
aufgezeigt, an denen <strong>Bund</strong>, Län<strong>der</strong><br />
und Hochschulen gemeinsam<br />
ihren Gestaltungswillen in den<br />
Zeiten des Wandels zeigen können.<br />
Immense Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
Die Hochschulen stehen in <strong>der</strong> Tat<br />
vor immensen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />
<strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong> sind sich<br />
<strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Hochschulen<br />
für unser Land bewußt. Die <strong>der</strong>zeitigen<br />
gemeinsamen Anstrengungen<br />
belegen dies nachdrücklich.<br />
Übergangsprozesse zu gestalten,<br />
ist im übrigen auch nie einfach,<br />
oftmals politisch unbequem,<br />
aber stets spannend und lohnend<br />
für alle Beteiligten. Und wir müssen<br />
uns alle umstellen. Die Län<strong>der</strong><br />
haben eine größere Verantwortung,<br />
aber <strong>der</strong> <strong>Bund</strong> muß auch dazu<br />
beitragen, daß die Gesamtsicht<br />
bleibt. Wir müssen die Forschung<br />
über Hochschulen und unser <strong>Wissenschaft</strong>ssystem<br />
als Ganzes stärken,<br />
die Kommunikation über<br />
Landesgrenzen hinweg för<strong>der</strong>n<br />
und die internationale Perspektive<br />
einbringen. Mehr als bisher müssen<br />
wir auf die Macht <strong>der</strong> Argumente<br />
und ihre öffentliche Verbreitung<br />
bauen. Und <strong>Bund</strong> und<br />
Län<strong>der</strong> müssen gemeinsam Rahmenbedingungen<br />
schaffen, in denen<br />
Wettbewerb zum Gewinn für<br />
das Ganze führt. Gute Lehre, bedarfsgerechte<br />
Ausbildung, gute<br />
Forschung müssen sich für die Akteure<br />
für Ort lohnen.<br />
■<br />
Peter Greisler leitet als Ministerialdirigent<br />
die Unterabteilung<br />
Hochschule im <strong>Bund</strong>esministerium<br />
für Bildung und Forschung.<br />
12<br />
<strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Nordrhein-Westfalen<br />
Das neue Hochschulfreiheitsgesetz<br />
Das neue nordrhein-westfälische Hochschulgesetz, das sogenannte<br />
Hochschulfreiheitsgesetz, ist ab dem 1. Januar <strong>2006</strong> in Kraft.<br />
Die <strong>fdw</strong> berichtete mehrfach über seinen Inhalt und seine Entwicklung.<br />
Keine Frage, daß es „umstritten“ ist. Es fand im Parlament aber<br />
die einhellige Unterstützung <strong>der</strong> Regierungsfraktionen.<br />
Nach <strong>der</strong> Verabschiedung des Gesetzes fragten wir den Präsidenten<br />
des Deutschen Hochschulverbandes, Professor Dr. Bernhard Kempen,<br />
nach seiner Einschätzung. Über die finanzielle Unterstützung<br />
und die finanziellen Gestaltungsspielräume des Staates gab uns<br />
<strong>der</strong> Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Helmut<br />
Linssen, Auskunft.<br />
Interview mit Bernhard Kempen:<br />
<strong>fdw</strong>: Herr Professor Kempen, am<br />
25. Oktober <strong>2006</strong> hat <strong>der</strong> Düsseldorfer<br />
Landtag das Hochschulfreiheitsgesetz<br />
verabschiedet. Es wird am 1. Januar<br />
2007 in Kraft treten. Schon bei <strong>der</strong> Anhörung<br />
im August haben Sie in Ihrer<br />
Stellungnahme gesagt, das neue Gesetz<br />
sei ohne Alternative. Damit haben Sie<br />
dem Gesetzgeber ein großes Kompliment<br />
ausgesprochen. Worin gründete<br />
Ihre positive Einschätzung?<br />
Kempen: Die Hochschulen stehen vor<br />
immensen Herausfor<strong>der</strong>ungen: Prognostiziert<br />
wird ein rasanter Anstieg <strong>der</strong><br />
Studierendenzahlen, <strong>der</strong> einerseits erfreut,<br />
an<strong>der</strong>erseits aber auch Sorgen bereitet:<br />
Die Umstellung <strong>der</strong> Studienstruktur<br />
auf Bachelor und Master erfor<strong>der</strong>t<br />
zusätzliches Lehrpersonal in einer Zeit,<br />
in <strong>der</strong> es nach jahrzehntelanger Unterfinanzierung<br />
ohnehin an Lehrkapazitäten<br />
mangelt. In dieser schwierigen Ausgangslage<br />
halte ich es für richtig, die<br />
Hochschulen in die Autonomie zu entlassen,<br />
weil damit die begründete Hoffnung<br />
einhergeht, daß die Hochschulen<br />
die Herausfor<strong>der</strong>ungen, die vor ihnen<br />
liegen, besser meistern werden. Kreativität<br />
entsteht nur dort, wo <strong>Freiheit</strong> und<br />
Unabhängigkeit vorhanden sind.<br />
<strong>fdw</strong>: Nach <strong>der</strong> Verabschiedung wäre ja<br />
zu prüfen, ob die Verän<strong>der</strong>ungsvorschläge,<br />
die sowohl Sie persönlich als<br />
auch <strong>der</strong> Deutsche Hochschulverband<br />
im August gemacht haben, im endgültigen<br />
Gesetzestext berücksichtigt worden<br />
sind.<br />
„Nur ein erster wichtiger Schritt“<br />
Kempen: Der mit dem Hochschulfreiheitsgesetz<br />
verbundene Paradigmenwechsel<br />
setzt deutschlandweit Maßstäbe.<br />
Gleichwohl ist er nur ein erster<br />
wichtiger Schritt in die richtige Richtung.<br />
Mit dem Grundsatz <strong>der</strong> Autonomie<br />
unvereinbar bleibt die gesetzlich<br />
verordnete Entmachtung <strong>der</strong> akademischen<br />
Selbstverwaltungsgremien zugunsten<br />
<strong>der</strong> zentralen Leitung. Das<br />
Hochschulfreiheitsgesetz beschert den<br />
Hochschulen einen Hochschulrat, <strong>der</strong><br />
mit großer Machtfülle ausgestattet ist,<br />
nicht zuletzt bei <strong>der</strong> Wahl des Rektors<br />
o<strong>der</strong> Präsidenten. In einem wettbewerblichen<br />
Hochschulsystem sollten jedoch<br />
Entscheidung und Verantwortung dort<br />
liegen, wo die Leistung erbracht wird.<br />
Deshalb sollte <strong>der</strong> Senat auch eine Abwahlmöglichkeit<br />
des Präsidenten o<strong>der</strong><br />
des Rektors erhalten. Dem Wettbewerbsgedanken<br />
wi<strong>der</strong>spricht auch das<br />
ausnahmslos vorgesehene Diplomverbot.<br />
Schließlich hat <strong>der</strong> Deutsche Hochschulverband<br />
auf die Schaffung einer<br />
Versetzungsregelung gedrängt, die es<br />
dem Land ermöglicht, Professoren gegebenenfalls<br />
einer an<strong>der</strong>en Hochschule<br />
zuzuweisen. Lei<strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
diesen Vorschlägen nicht mehr gefolgt.<br />
An <strong>der</strong> grundsätzlich positiv zu bewertenden<br />
Ausrichtung des Gesetzes än<strong>der</strong>t<br />
dies aber nichts.<br />
<strong>fdw</strong>: In welche Richtung zielt Ihrer Meinung<br />
nach <strong>der</strong> Zusatz „<strong>Freiheit</strong>“ im<br />
Hochschulgesetz, wodurch es zum<br />
Hochschul freiheitsgesetz wird?<br />
Kempen: Der Zusatz „<strong>Freiheit</strong>“ zielt<br />
auf die Selbstbestimmung <strong>der</strong> Hochschulen,<br />
die in die Lage versetzt werden,<br />
das eigene Potential auszuschöpfen.<br />
Die Hochschulen werden mit dem<br />
Hochschulfreiheitsgesetz als Körperschaften<br />
des öffentlichen Rechts verselbständigt.<br />
Ihnen werden bislang vom<br />
Staat wahrgenommene Kompetenzen<br />
für Finanz- und Personalentscheidungen<br />
übertragen. Hochschulen in NRW<br />
unterliegen künftig nur noch <strong>der</strong><br />
Rechts- und nicht mehr <strong>der</strong> Fachaufsicht<br />
des Ministeriums, wenngleich die<br />
Übergänge zwischen beiden Bereichen<br />
zweifelsohne fließend sind. Durch das<br />
Instrument <strong>der</strong> Zielvereinbarung hat<br />
sich das Land zudem selbst die Ermächtigung<br />
gegeben, „autonome“ Entscheidungen<br />
<strong>der</strong> Hochschulen maßgeblich zu<br />
beeinflussen und sogar aufzuheben. In<br />
welchem Maße die Hochschulen dadurch<br />
in <strong>der</strong> Praxis einen Teil <strong>der</strong> gerade<br />
erst gewonnenen <strong>Freiheit</strong> wie<strong>der</strong> verlieren,<br />
bleibt abzuwarten.<br />
<strong>fdw</strong>: Was verbessert sich durch das Gesetz<br />
für die Professoren? Werden sie ihrer<br />
Berufung jetzt besser nachgehen<br />
können?<br />
Kempen: Schnellere Entscheidungen<br />
und größere Gestaltungsspielräume<br />
kommen Lehrenden und Lernenden zugute.<br />
Wie die neuen Leitungsstrukturen<br />
sich im Universitätsalltag auswirken<br />
werden, ist noch nicht abzusehen. Jede<br />
Hochschulleitung ist klug beraten, nicht<br />
zuletzt die Professoren, die die wissenschaftliche<br />
Leistung einer Universität<br />
ausmachen und prägen, in die Entscheidungsfindung<br />
einzubeziehen und <strong>der</strong><br />
Versuchung zu wi<strong>der</strong>stehen, aufgrund<br />
<strong>der</strong> Rückendeckung durch den mächtigen<br />
Hochschulrat selbstherrlich zu agieren.<br />
Nicht gegen, son<strong>der</strong>n nur mit den<br />
Professoren werden die Universitäten<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 13
im Wettbewerb bestehen und ihre Stärken<br />
entfalten können.<br />
<strong>fdw</strong>: Kritiker sehen das Gesetz als Instrument<br />
einer entschiedenen, wenn<br />
nicht sogar brutalen Ökonomisierung<br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> an, die mehr an finanzieller<br />
Effizienz als an Wahrheitssuche<br />
ausgerichtet werde, womit letztlich die<br />
<strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit unterminiert werde.<br />
Auch bestehe die Gefahr, daß finanziell<br />
ineffiziente <strong>Wissenschaft</strong>en – wie<br />
die Geistes- und Sozialwissenschaften –<br />
ins Abseits gerieten und in ihrer Existenz<br />
gefährdet seien.<br />
Kempen: Es ist <strong>der</strong>zeit nicht einzuschätzen,<br />
wie die jeweiligen Hochschulratsmitglie<strong>der</strong><br />
an den einzelnen Universitäten<br />
agieren werden. Vieles hängt in<br />
<strong>der</strong> Tat davon ab, welche Köpfe innerhalb<br />
wie außerhalb <strong>der</strong> Universität für<br />
das neue Gremium gewonnen werden<br />
können. Sind die Mitglie<strong>der</strong> klug ausgewählt<br />
und nehmen sie ihre Rolle verantwortungsvoll<br />
und umsichtig wahr, wird<br />
viel von <strong>der</strong> grundsätzlichen Kritik am<br />
Hochschulrat aufgefangen. Die Gefahr,<br />
daß sogenannte „Orchideenfächer“ zu<br />
kurz kommen o<strong>der</strong> gar wegrationalisiert<br />
werden, ist vorhanden. Kluge Hochschulen<br />
wissen aber längst, daß gerade<br />
die vermeintlichen akademischen Randgebiete<br />
das Profil einer Universität<br />
maßgeblich bestimmen.<br />
<strong>fdw</strong>: Hochschulen sollen ihr Profil ausbilden<br />
und miteinan<strong>der</strong> in Konkurrenz<br />
treten: Wie scharf darf das Profil denn<br />
sein, wenn die Universität noch Universität<br />
bleiben soll? – Die Medizinische<br />
Akademie in Düsseldorf hatte als solche<br />
in den sechziger Jahren einen exzellenten<br />
Ruf, zu einer Universität wurde sie<br />
aber erst, nachdem weitere Fakultäten<br />
hinzukamen. Das heißt doch, daß die<br />
„universitas“ sich im Ganzen und im<br />
Glanze ihrer Fakultäten zeigt.<br />
Kempen: Die Universität muß sich<br />
auch weiterhin am Gedanken <strong>der</strong> universitas<br />
litterarum orientieren. Die Vielfalt<br />
<strong>der</strong> Fächer und ihre Begegnung in<br />
Forschung, Lehre und Studium tragen<br />
wesentlich zur intellektuellen Faszination<br />
<strong>der</strong> Universität bei. Diese darf nicht<br />
durch Sparmaßnahmen gefährdet werden.<br />
Das schließt aber nicht aus, daß aus<br />
finanziellen und strukturellen Überlegungen<br />
Fächergruppen und Schwerpunkte<br />
an einzelnen Universitäten gebildet<br />
werden. Warum sollen sich einige<br />
von ihnen nicht auf ihre Kernkompetenz<br />
und ihre Stärken konzentrieren?<br />
<strong>fdw</strong>: Welche Verbesserungen enthält<br />
das neue Gesetz für die Studenten? -<br />
Normierte Studienverläufe in akkreditierten<br />
Studiengängen, ständige studienbegleitende<br />
Prüfungen – wo bleibt eigentlich<br />
für Studenten die <strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit,<br />
die sich unter an<strong>der</strong>em<br />
in <strong>der</strong> Möglichkeit ausdrückt, sich in<br />
seinem Fachgebiet zweckfrei, aus Neugier<br />
zu orientieren?<br />
Kempen: Nur eine differenzierte und<br />
strukturierte Hochschullandschaft eröffnet<br />
den Studierenden die Möglichkeit,<br />
ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes<br />
Studium auszuwählen und zu ergreifen.<br />
Universitäten bilden ihre Studierenden<br />
allerdings nicht berufsfertig, son<strong>der</strong>n<br />
berufsfähig aus. Curricula sollten daher<br />
nicht zu eng gestrickt sein. Im übrigen<br />
gilt: Die überbordende Akkreditierungsbürokratie<br />
muß zurückgeschnitten<br />
werden, wenn mit <strong>der</strong> Autonomie <strong>der</strong><br />
Hochschulen ernst gemacht werden<br />
soll. Autonomie ist nach meinem Verständnis<br />
ein Langzeitprogramm. Das<br />
Hochschulfreiheitsgesetz hat erst den<br />
Einstieg geschafft. Weitere Schritte,<br />
z.B. im Bereich Kapazitätsrecht o<strong>der</strong><br />
Liegenschaftsmanagement, müssen folgen.<br />
<strong>fdw</strong>: Welche Entwicklungen erwarten<br />
Sie in <strong>der</strong> Hochschullandschaft des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen nach Inkrafttreten<br />
des Hochschulfreiheitsgesetzes?<br />
Könnte es wirklich sein, daß –<br />
Staatssekretär Dr. Stückradt aus dem<br />
Ministerium für Innovation, <strong>Wissenschaft</strong>,<br />
Forschung und Technologie<br />
schließt das ausdrücklich nicht aus –<br />
Hochschulen Insolvenz anmelden müssen?<br />
Kempen: Die ursprünglich vorgesehene<br />
Insolvenzfähigkeit <strong>der</strong> Hochschulen<br />
ist vom Tisch. Das Hochschulsystem<br />
wird aber in Bewegung bleiben und sich<br />
stärker ausdifferenzieren. Die Hochschulen<br />
begeben sich in einen Wettbewerb<br />
um Studierende, um Reputation<br />
und um die besten Köpfe in Forschung<br />
und Lehre. Dabei wird es Sieger und<br />
Verlierer geben. Verlagerungen, Zusammenschlüsse<br />
o<strong>der</strong> gar Schließungen einzelner<br />
Fachbereiche sind zumindest<br />
langfristig nicht auszuschließen.<br />
„Zukunftspakt gibt den Hochschulen Rechts- und Planungssicherheit“<br />
Interview mit Finanzminster Dr. Helmut Linssen<br />
<strong>fdw</strong>: Herr Minister, wie kommen die<br />
Hochschulen an Geld, wenn Sie ihnen<br />
nichts mehr geben?<br />
Linssen: Wenn wir den Hochschulen<br />
nichts mehr geben würden, würden wir<br />
rd. 3,8 Mrd. Euro (inkl. Kliniken) an<br />
Haushaltsmitteln sparen. Die Fragestellung<br />
ist also so nicht richtig. Auch nach<br />
Inkrafttreten des Hochschulfreiheitsgesetzes<br />
werden die Hochschulen im bisherigen<br />
Finanzrahmen aus dem Landeshaushalt<br />
finanziert. Im Gegensatz zu<br />
früheren Jahren haben die Hochschulen<br />
zudem durch den mit ihnen abgeschlossenen<br />
Zukunftspakt Rechts- und Planungssicherheit<br />
über die ihnen vom<br />
Land zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel<br />
gewonnen.<br />
<strong>fdw</strong>: Sollen die staatlichen Mittel in absoluten<br />
Zahlen gleich bleiben o<strong>der</strong> in<br />
Prozent vom Landeshaushalt?<br />
Linssen: Durch den mit den Hochschulen<br />
abgeschlossenen Zukunftspakt ist<br />
den Hochschulen bis zum Jahr 2010 eine<br />
Finanzierung auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Zuweisungen<br />
des Jahres <strong>2006</strong> zugesichert<br />
worden. Bei den Personalausgaben nehmen<br />
sie im wesentlichen an den für alle<br />
an<strong>der</strong>en Bereiche geltenden Besoldungs-<br />
und Tarifsteigerungen teil, so<br />
daß von einer Festschreibung nicht die<br />
Rede sein kann. Kosten für notwendige<br />
Investitionen, etwa bei den Bauten für<br />
die Hochschulmedizin, können nicht<br />
festgeschrieben werden, son<strong>der</strong>n werden<br />
sich immer auch an den jährlichen<br />
Notwendigkeiten orientieren müssen.<br />
14 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Finanzminister Dr. Helmut Linssen<br />
(Foto: Landtag NRW/B. Schälte)<br />
<strong>fdw</strong>: Gibt es einen bestimmten Schlüssel<br />
für die Zuweisung an die einzelnen<br />
Hochschulen und wonach richtet er<br />
sich?<br />
Linssen: Die Hochschulen erhalten wie<br />
bisher eine Grundausstattung, die sich<br />
an ihren personellen und sächlichen<br />
Ressourcen orientiert. Der größte Teil<br />
entfällt hierbei auf die Personalkosten<br />
(rd. 70 %). Eine Spitze von 20 % <strong>der</strong><br />
Mittel erhalten sie nach Maßgabe von<br />
Zielvereinbarungen und Leistungskriterien.<br />
Eine solche Vergabepraxis wird<br />
den Anreiz für eine spezifische Profilausbildung<br />
einzelner Hochschulstandorte<br />
erhöhen und soll zudem zu einem arbeitsteiligen<br />
Schwerpunktausbau an den<br />
verschiedenen Hochschulstandorten anregen.<br />
<strong>fdw</strong>: Wie stehen Sie zu <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />
des Deutschen Hochschulverbandes,<br />
den Hochschulpakt, den Landesregierung<br />
und Hochschulen miteinan<strong>der</strong> geschlossen<br />
haben, gesetzlich festzuschreiben?<br />
Linssen: Gemeint ist hier wohl <strong>der</strong> Zukunftspakt.<br />
Eine gesetzliche Regelung<br />
ist vor dem Hintergrund des Hochschulfreiheitsgesetzes<br />
nicht erfor<strong>der</strong>lich und<br />
wäre auch nicht angezeigt. Dies um so<br />
mehr, als <strong>der</strong> Zukunftspakt durch einen<br />
entsprechenden Entschließungsantrag<br />
des Landtags parlamentarisch abgesichert<br />
ist.<br />
<strong>fdw</strong>: Bei <strong>der</strong> Anhörung im Landtag vertraten<br />
manche Kanzler die Auffassung,<br />
daß in die Finanzhoheit <strong>der</strong> Hochschulen<br />
auch die Verfügung über die Liegenschaften<br />
eingeschlossen sein müsse.<br />
Würde nicht erst das die komplette finanzielle<br />
Autonomie für die Hochschulen<br />
bedeuten und ihnen eine Gesamtbewirtschaftung<br />
ermöglichen? Warum ist<br />
das im Gesetz nicht vorgesehen?<br />
Linssen: Hier dürfte die Einschätzung<br />
an den verschiedenen Hochschulstandorten<br />
durchaus unterschiedlich sein. Es<br />
wird gewiß Hochschulen geben, die mit<br />
<strong>der</strong> Bewirtschaftung ihrer Liegenschaften<br />
überfor<strong>der</strong>t wären und auch weiterhin<br />
im Rahmen des Vermieter/Mieterverhältnisses<br />
die Dienste des Bau- und<br />
Liegenschaftsbetriebes in Anspruch<br />
nehmen wollen. An<strong>der</strong>erseits hat die<br />
Landesregierung einen Modellversuch<br />
beschlossen, in dessen Rahmen neue<br />
Liegenschaftsmodelle erprobt werden<br />
sollen. Der Versuch läuft gerade an. Ich<br />
gehe davon aus, daß nicht zuletzt von<br />
seinem Ausgang die künftige Behandlung<br />
<strong>der</strong> Hochschulliegenschaften abhängen<br />
dürfte.<br />
<strong>fdw</strong>: Was geschieht am Ende <strong>der</strong> Laufzeit<br />
des Zukunfspaktes im Jahre 2010?<br />
Unter welchen Bedingungen wird er<br />
verlängert?<br />
Linssen: Mit dem Zukunftspakt und<br />
dem Hochschulfreiheitsgesetz hat die<br />
Landesregierung den nordrhein-westfälischen<br />
Hochschulen eine für Hochschulen<br />
in Deutschland einmalige Dimension<br />
selbstverantwortlichen Handelns<br />
eröffnet. Künftige Überlegungen<br />
werden sicherlich von den Erfahrungen<br />
mit <strong>der</strong> praktischen Umsetzung des<br />
Hochschulfreiheitsgesetzes sowie von<br />
<strong>der</strong> demographischen Entwicklung etwa<br />
bei den Studienanfängerzahlen beeinflußt<br />
werden. Die Landesregierung wird<br />
dann – wie schon in <strong>der</strong> Vergangenheit –<br />
auf <strong>der</strong> Basis gesicherter Daten angemessen<br />
reagieren.<br />
<strong>fdw</strong>: Wenn die Hochschulen in einen<br />
Wettbewerb treten, kann es auch Verlierer<br />
geben. Wie verhält sich <strong>der</strong> Staat bei<br />
drohen<strong>der</strong> Insolvenz einzelner Hochschulen?<br />
Linssen: Sicher ist, daß die Hochschulen<br />
unterschiedlich vom Hochschulfreiheitsgesetz<br />
profitieren werden. In welchem<br />
Maß hängt davon ab, wie es <strong>der</strong><br />
einzelnen Hochschule gelingt, ihre Stärken<br />
zu stärken und ihre Schwächen abzubauen.<br />
Ich gehe davon aus, daß<br />
durch die bei den Hochschulen eingeführte<br />
Kosten- und Leistungsrechnung<br />
ein buchhalterisches Frühwarnsystem<br />
vorhanden ist, das das rechtzeitige und<br />
verantwortliche Reagieren auf finanzielle<br />
Engpässe ermöglicht. Die Insolvenz<br />
einer Hochschule ist im übrigen rechtlich<br />
ausgeschlossen.<br />
<strong>fdw</strong>: Seit den Hochschulen durch Gesetz<br />
ermöglicht wurde, Studienbeiträge<br />
zu erheben, haben circa 80 Prozent <strong>der</strong><br />
Hochschulen beschlossen, von diesem<br />
Recht Gebrauch zu machen. Es scheint,<br />
daß alles sozialverträglich zu regeln ist.<br />
Wie ist es aber mit dem anvisierten Ausbau<br />
des Stipendienwesens? Das bildet<br />
sich ja nicht aus eigenem Antrieb aus.<br />
Hat die Politik da Möglichkeiten, die<br />
Dinge voranzutreiben, z.B. durch Ausschreibung<br />
von staatlichen Stipendien?<br />
Linssen: Sie werden gewiß Verständnis<br />
dafür haben, daß ich mich hier nicht in<br />
die Zuständigkeit des <strong>Wissenschaft</strong>sressorts<br />
einmischen möchte. Ich darf allerdings<br />
darauf verweisen, daß die stets<br />
auch von den Hochschulen als Vorbild<br />
herangezogenen angelsächsischen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
amerikanischen Hochschulen,<br />
funktionierende hochschuleigene<br />
Stipendiensysteme entwickelt haben.<br />
Bei uns wird es sicherlich noch erheblicher<br />
Anstrengungen bedürfen. Im übrigen<br />
teile ich Ihre Auffassung, daß es uns<br />
gelungen ist, die Problematik <strong>der</strong> Studiengebühren<br />
sozialverträglich abzufe<strong>der</strong>n.<br />
■<br />
Die Fragen stellte Winfried Holzapfel.<br />
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4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 15
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Der weite Weg <strong>der</strong> Hochschulen des Landes<br />
Mecklenburg-Vorpommern zur Konsolidierung<br />
Von Klaus-Dieter Rosenbaum<br />
Rückschritt o<strong>der</strong> Fortschritt in<br />
<strong>der</strong> Hochschullandschaft ?<br />
Wir erinnern uns, wie in „freiheit <strong>der</strong><br />
wissenschaft“ <strong>Nr</strong>. 3 vom September<br />
2005 ausgeführt, daß das Kabinett zur<br />
Durchsetzung einer Strukturreform an<br />
den Universitäten und Hochschulen des<br />
Landes einschließlich des Abbaus von<br />
600 Personalstellen bis zum Jahre 2020<br />
notfalls eine Än<strong>der</strong>ung des Landeshochschulgesetzes<br />
plante, um eigenständig<br />
Studiengänge einrichten o<strong>der</strong> aufheben<br />
zu können, wenn keine Einigung mit<br />
den Hochschulen zu erreichen sei. Dazu<br />
beschloß das Kabinett die Einführung<br />
einer sogenannten Verordnungsermächtigung<br />
in das Landeshochschulgesetz.<br />
Die Hochschulen lehnten diese Gesetzesän<strong>der</strong>ung<br />
ab, weil sie die Hochschulautonomie<br />
verletzt sahen.<br />
Der Minister versuchte, unter Bezug auf<br />
„vielversprechende Vorschläge“ zu beschwichtigen,<br />
setzte aber gleichzeitig<br />
auf ein zentralistisches „Notstandsgesetz“,<br />
wie die Presse urteilte, um endlich<br />
Ergebnisse in seinem Sinne zu erzielen.<br />
Auf politischem Felde verteidigte die<br />
Linkspartei den Entwurf des neuen<br />
Hochschulgesetzes als richtig, während<br />
die CDU ihn heftig ablehnte.<br />
Universitäten Rostock und Greifswald<br />
erhalten<br />
Um die beiden Universitäten Rostock<br />
und Greifswald des Landes Mecklenburg-Vorpommern<br />
zu erhalten und einer<br />
drohenden Zusammenlegung zu einer<br />
„Universität ohne Tradition“ zu entgehen,<br />
legte <strong>der</strong> Rektor <strong>der</strong> Greifswal<strong>der</strong><br />
Universität im November 2005 eine<br />
Streichliste von 187 Personalstellen bis<br />
zum Jahre 2017 vor.<br />
Das „Zugehen“ des Rektors auf die<br />
Vorschläge <strong>der</strong> Landesregierung wurde<br />
heftig kritisiert und nur von wenigen als<br />
richtig angesehen, um dem Vorwurf einer<br />
Verweigerung zu entgehen und die<br />
Grundlage einer Diskussion zu schaffen.<br />
Als einer <strong>der</strong> heftigsten Kritiker gegen<br />
diese Art von Sparpolitik und gegen die<br />
beabsichtigte Novellierung des Landeshochschulgesetzes<br />
trat <strong>der</strong> ehemalige<br />
hochschulpolitische Sprecher <strong>der</strong> PDS-<br />
Fraktion des Landtages auf, <strong>der</strong> vormals<br />
in einem Kommentar (<strong>fdw</strong> <strong>Nr</strong>. 3 vom<br />
September 2003) den Bericht des Regionalbeauftragten<br />
heftig kritisierte,<br />
weil dieser schon die damalige Novellierung<br />
mit <strong>der</strong> Einführung von Zielvereinbarungen<br />
als unzureichend zur Erlangung<br />
einer Hochschulautonomie ansah<br />
und in den Zielvereinbarungen<br />
„Diktate“ vermutete.<br />
Wenn jetzt schon ein Mitglied <strong>der</strong> PDS<br />
die Novellierung als Beseitigung <strong>der</strong><br />
Ansätze zur Hochschulautonomie ansah,<br />
wird man unschwer die Absicht <strong>der</strong><br />
rot-roten Koalitionäre erkennen, diese<br />
Novellierung des Landeshochschulgesetzes<br />
zur Restauration einer Administrationsnovelle<br />
zu nutzen.<br />
Aus dieser Sicht wird die universitätseigene<br />
Streichliste verständlicher.<br />
Der Greifswal<strong>der</strong> Rektor versuchte offenbar<br />
den Absichten <strong>der</strong> Regierung zu<br />
begegnen, indem er seine eigenen Vorstellungen<br />
formulierte und sie so begründete:<br />
Ohne Verän<strong>der</strong>ung keine Zukunft.<br />
Turbulente Debatten im Landtag<br />
Währenddessen spielten sich im Landtag<br />
turbulente Debatten ab.<br />
Die erste Lesung endete im Oktober<br />
2005 ohne Ergebnis, und <strong>der</strong> Entwurf<br />
wurde in den Bildungsausschuß verwiesen.<br />
Im <strong>Dezember</strong> fand die öffentliche Anhörung<br />
statt. Die Sachverständigen<br />
lehnten die Än<strong>der</strong>ungen nahezu einstimmig<br />
ab.<br />
Die zusammengefaßte Beurteilung<br />
könnte mit den Worten des damaligen<br />
Rostocker Rektors: „Wir bekommen gemeinsam<br />
eine Lösung an<strong>der</strong>er Art hin“<br />
und „die angestrebten Umstrukturierungen<br />
sind Einsparungen. Dafür ist die<br />
Professor Dr. Klaus-Dieter Rosenbaum<br />
Gesetzesän<strong>der</strong>ung nicht notwendig“ beschrieben<br />
werden.<br />
Die Universität Rostock legte als Ergebnis<br />
einer Klausurtagung ihre<br />
Streichliste vor. Sie beinhaltete die Reduzierung<br />
von 116 Stellen bis zum Jahre<br />
2017, obwohl die Schweriner Regierung<br />
den Fortfall von 298 Stellen eingefor<strong>der</strong>t<br />
hatte.<br />
Die Regierung reagierte zurückhaltend<br />
und wohl wissend, daß die Universität<br />
Rostock schon hierdurch vor tiefgreifenden<br />
Strukturverän<strong>der</strong>ungen stehen<br />
würde und die Fakultäten heftig protestierten.<br />
In einem Interview mit <strong>der</strong> Ostseezeitung<br />
äußerte sich <strong>der</strong> Greifswal<strong>der</strong> Rektor<br />
dahingehend, daß er mit dem Rostocker<br />
Rektor gemeinsam an einem<br />
Konzept arbeite, wie die vom Kabinett<br />
beschlossenen Kürzungen so umgesetzt<br />
werden könnten, daß trotzdem Forschung<br />
und Lehre von hoher Qualität<br />
möglich seien. Man gehe aber bei diesen<br />
Planungen nicht von den ministeriellen<br />
Zahlen aus.<br />
Gesetzesän<strong>der</strong>ung<br />
im Januar <strong>2006</strong><br />
Im Januar <strong>2006</strong> wurde die Gesetzesän<strong>der</strong>ung<br />
in zweiter Lesung im Landtag<br />
mit den Stimmen <strong>der</strong> Koalition gegen<br />
die <strong>der</strong> CDU beschlossen. Dabei wurde<br />
16 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
die Verordnungsermächtigung aber gestrichen<br />
und <strong>der</strong> Einfluß des Landtags<br />
somit gestärkt.<br />
Danach sollten Regierung, Landtag und<br />
Hochschulen zunächst grobe Entwicklungspläne<br />
für die Universitäten und<br />
Hochschulen festlegen und daraus Eckwerte<br />
fertigen, die zu konkreten Zielvereinbarungen<br />
führen.<br />
Nachdem im Kabinett dann die „langfristige<br />
strukturelle Hochschulkonzeption“<br />
ohne „Gegenstimmen“ angenommen war<br />
und die Zukunftsverträge, auch Zielvereinbarungen<br />
genannt, bis zum 30. April<br />
mit den Hochschulen abgeschlossen sein<br />
sollten, lud <strong>der</strong> Minister die Rektoren<br />
zum 27. April ins Schweriner Schloß zur<br />
feierlichen Unterzeichnung ein.<br />
Fünf <strong>der</strong> Rektoren hatten zugesagt, allein<br />
<strong>der</strong> Rostocker Rektor teilte mit, daß<br />
er nicht anwesend sein würde.<br />
Damit hatte im Gegensatz zu <strong>der</strong> Greifswal<strong>der</strong><br />
Universität und den Fachhochschulen<br />
Wismar, Stralsund, Neubrandenburg<br />
und <strong>der</strong> Hochschule für Musik<br />
und Theater die Rostocker Universität<br />
keine Zielvereinbarungen bis 2010 sowie<br />
keine Eckdaten für die langfristige<br />
Entwicklung bis 2020 mit dem Bildungsministerium.<br />
Aus dem Bildungsministerium verlautete,<br />
sollte eine Zielvereinbarung bis zum<br />
30. April nicht mehr möglich werden,<br />
würde das Ministerium laut §15 des am<br />
25. Januar <strong>2006</strong> novellierten Landeshochschulgesetzes<br />
eine Zielvorgabe erlassen.<br />
Dem müßte <strong>der</strong> Landtag noch zustimmen.<br />
Zielvorgaben und ein Schleier des<br />
Schweigens<br />
Nach diesen Zielvorgaben sollen künftig<br />
verbleiben:<br />
– an <strong>der</strong> Universität Rostock die<br />
Schwerpunkte: Lehrerbildung, Demographischer<br />
Wandel, Wirtschaft, Kultur<br />
und Technik, Regenerative Medizin,<br />
Lebenswissenschaften und Biosystemtechnik,<br />
Optical and Material<br />
Science, Nachhaltige Entwicklung<br />
ländlicher Räume, Maritime Systeme<br />
und Prozesse sowie die Rechtswissenschaften,<br />
während Betriebswirtschaften,<br />
Maschinenbau und Schiffstechnik,<br />
Informatik und Elektrotechnik sowie<br />
die Medizinische Fakultät gekürzt<br />
werden würden;<br />
– an <strong>der</strong> Universität Greifswald die<br />
Fächerstrukturen in den vier Schwerpunkten:<br />
Lebenswissenschaften, Physik<br />
und Geowissenschaften, Kulturelle<br />
Interaktion mit Schwerpunkt Nordund<br />
Ost-Europa sowie Staat und Wirtschaft,<br />
während die Universität die<br />
Studiengänge Altertumswissenschaften,<br />
Romanistik, Erziehungswissenschaften<br />
und lehramtsbezogene Masterstudiengänge<br />
aufhebt;<br />
– an <strong>der</strong> Fachhochschule Wismar die<br />
Schwerpunkte: Elektrotechnik, Multimedia,<br />
Bauen und Gestaltung, Seefahrt<br />
und maritime Sicherheit, Maschinenbau,<br />
Verfahrens- und Umwelttechnik<br />
sowie Kunststofftechnik;<br />
– an <strong>der</strong> Fachhochschule Neubrandenburg<br />
die Schwerpunkte: Natur, Umwelt,<br />
Geodäsie, Landwirtschaft und<br />
Ernährung, Soziale Arbeit, Bildung<br />
und Erziehung, Nachhaltiger Strukturwandel<br />
und Umbau von ländlichen<br />
Regionen, Gesundheit, Pflege, Prävention<br />
und Gesundheitsmanagement;<br />
– und an <strong>der</strong> Fachhochschule Stralsund<br />
die Schwerpunkte: Betriebswissenschaften,<br />
Informatik in Medizin,<br />
Technik und Wirtschaft, Tourismus/<br />
Internationales Management, Wirtschaftsingenieurwesen,<br />
Maschinenbau,<br />
Elektrotechnik und Informationstechnologie.<br />
Mit <strong>der</strong> Fachhochschule Wismar vereinbarte<br />
die Regierung den Modellversuch:<br />
„Autonome Hochschule Wismar 2020“,<br />
<strong>der</strong> die Eigenfinanzierung von Personalstellen<br />
beinhaltet.<br />
Danach legte sich über die Hochschullandschaft<br />
ein Schleier des Schweigens,<br />
<strong>der</strong> neben Unverständnis und Gegenstimmungen<br />
zur Hochschulpolitik auch in <strong>der</strong><br />
Sommerpause und den Feierlichkeiten<br />
zum Universitätsjubiläum <strong>der</strong> Greifswal<strong>der</strong><br />
Universität seine Ursachen hatte.<br />
Die Konsolidierungsbemühungen <strong>der</strong><br />
Landes-Universitäten – <strong>der</strong> „richtige“<br />
Weg deutscher Hochschulen zwischen<br />
<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n und Europa?<br />
Die Universität Greifswald führte am 17.<br />
Oktober <strong>2006</strong> den Festakt zum 550. Jahrestag<br />
<strong>der</strong> Universitätsgründung in Anwesenheit<br />
des <strong>Bund</strong>espräsidenten und <strong>der</strong><br />
schwedischen Königin Sylvia am Gründungsort<br />
im Dom zu St. Nikolai durch.<br />
Die Universität war als pommersche Landesuniversität<br />
nach dem 30-jährigen<br />
Krieg zeitweilig in schwedischer Hoheit.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>-Jahres-Feierlichkeiten<br />
<strong>der</strong> Universität fand am 4.<br />
und 5. Mai zu Ehren <strong>der</strong> traditionsreichen<br />
Universität die Jahresversammlung<br />
<strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz (HRK)<br />
in Greifswald statt unter dem Motto:<br />
„Die deutschen Hochschulen zwischen<br />
<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n und Europa“.<br />
Die HRK-Präsidentin, Frau Professor<br />
Margret Wintermantel, erklärte dazu:<br />
„Das Treffen bietet den Rahmen, das<br />
Spannungsfeld zwischen dem Bemühen<br />
um die Schaffung eines gemeinsamen<br />
europäischen Hochschul- und Forschungsraums<br />
und einer stärkeren Dezentralisierung<br />
<strong>der</strong> Hochschulpolitik in<br />
Deutschland zu beleuchten“ und weiter:<br />
„Mitten auf ihrem Weg nach Europa müssen<br />
die deutschen Hochschulen gegen<br />
neue Hürden im eigenen Land kämpfen.“<br />
Sie verwies auf die Lehre und Forschung<br />
als gesamtgesellschaftliche Aufgabe<br />
und weiter auf die gemeinsame<br />
För<strong>der</strong>ung von <strong>Bund</strong> und Län<strong>der</strong>n bei<br />
Son<strong>der</strong>programmen sowie auf einheitliche<br />
Hochschulabschlüsse, Studienfinanzierung<br />
und Zulassungsverfahren<br />
sowie einen bundesweiten <strong>Wissenschaft</strong>starifvertrag.<br />
Ein weiterer Hinweis betraf die Verlautbarung<br />
einer Einigung über die Notwendigkeit<br />
eines Hochschulpaktes, aber<br />
auch auf die Begrenztheit <strong>der</strong> Finanzierung<br />
durch die Län<strong>der</strong>.<br />
In diesem Zusammenhang kritisierten<br />
die Präsidentin und gleichzeitige saarländische<br />
Universitäts-Präsidentin sowie<br />
<strong>der</strong> Greifswal<strong>der</strong> Rektor Professor<br />
Rainer Westermann gemeinsam die Fö<strong>der</strong>alismusreform,<br />
daß diese die Hochschulen<br />
in wirtschaftlich schwachen<br />
<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n benachteilige.<br />
Zur Eröffnung <strong>der</strong> Jahresversammlung<br />
im Greifswal<strong>der</strong> Dom hielt Professor<br />
Fotis C. Kafatos, <strong>der</strong> Vorsitzende des<br />
<strong>Wissenschaft</strong>lichen Rates des Europäischen<br />
Forschungsrats, den Festvortrag.<br />
Dabei wurde <strong>der</strong> von Hochschulen und<br />
<strong>Wissenschaft</strong> erstmals ausgelobte Ars<br />
legendi-Preis für exzellente Hochschullehre<br />
verliehen.<br />
Die nachfolgenden Vorträge versuchten<br />
über eine Analyse <strong>der</strong> nationalen und<br />
europäischen Gegebenheiten in den<br />
technischen <strong>Wissenschaft</strong>en, den Naturwissenschaften<br />
und den Geisteswissenschaften<br />
sowie in Kultur und Administration<br />
offene Fragen zu diskutieren und<br />
Antworten zur Vernetzung zu geben.<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 17
Die Europäische Union setzt große Erwartungen<br />
in die <strong>Wissenschaft</strong>en, um<br />
Europa zum wettbewerbsfähigen Raum<br />
zu machen.<br />
Die nationalen Regierungen sind aufgerufen,<br />
den Anteil <strong>der</strong> Ausgaben für <strong>Wissenschaft</strong><br />
und Forschung auf drei Prozent<br />
zu steigern. Neue Konzepte und Institutionen<br />
wie das European Research<br />
Council o<strong>der</strong> das European Institute of<br />
Technology (EIT) werden entwickelt,<br />
um die Leistungsfähigkeit im Bereich<br />
von <strong>Wissenschaft</strong> und Forschung zu<br />
bündeln und zu steigern.<br />
Der Greifswal<strong>der</strong> Rektor verwies auf<br />
die Gefahren für die Hochschulen in<br />
den ärmeren <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n:<br />
„Groß-Universitäten werden sich auf<br />
Kosten des breiten universitären Mittelstandes<br />
aufrüsten“. Die Ernst-Moritz-<br />
Arndt-Universität als wohl kleinste<br />
Voll-Uni Deutschlands habe ihren<br />
Strukturwandel aktiv und offensiv angegangen.<br />
„Wir müssen uns von Studiengängen<br />
trennen und konzentrieren,<br />
holen Leistungsträger nach Greifswald<br />
und för<strong>der</strong>n die internationale Zusammenarbeit.“<br />
Schlußbemerkungen<br />
Dieser Bericht stützt sich sowohl auf<br />
Pressemitteilungen als auch auf eigene<br />
Kenntnisse.<br />
Eine Stellungnahme des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> sollte zu einem späteren<br />
Zeitpunkt erfolgen, da in <strong>der</strong> neuen SPD-<br />
CDU-Koalitionsregierung in Mecklenburg-<br />
Vorpommern das Bildungsministerium<br />
CDU geleitet wird und die Auswirkungen<br />
wie die <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
einschließlich <strong>der</strong> Einflußnahme des<br />
<strong>Bund</strong>es auch über den Europäischen Rat<br />
noch nicht abschätzbar sind.<br />
Professor Dr. Klaus-Dieter Rosenbaum<br />
ist Regionalbeauftragter des <strong>Bund</strong>es<br />
<strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> für Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Korrespondenzadresse s.S. 5<br />
■<br />
Bayern<br />
Wirtschaftslobby: zweifelhafte Loyalität zum Gymnasium<br />
Von Willi Eisele<br />
Einer <strong>der</strong> Grundpfeiler des Gymnasiums<br />
ist <strong>der</strong> wissenschaftspropädeutisch<br />
angelegte Unterricht in klar umrissenen<br />
Fächern. Erste Belege, daß die Wirtschaftslobby<br />
genau hier den Hebel ansetzt,<br />
kennen wir seit <strong>der</strong> Einführung<br />
von „Natur&Technik“, dem bisher je<strong>der</strong><br />
Definitionsversuch als „Fach“ fern ist.<br />
Wer sich für das Gymnasium als<br />
Schulart ernsthaft einsetzt, darf bezweifeln,<br />
daß in solchen „Mischfächern“<br />
gymnasiale Bildungsprinzipien umgesetzt<br />
werden können.<br />
Ein jüngster Beleg für die zweifelhafte<br />
Loyalität zum Gymnasium ist auch in<br />
Positionen zu erkennen, die <strong>der</strong> stellvertretende<br />
Abteilungsleiter für Bildung<br />
bei <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esvereinigung <strong>der</strong> Arbeitgeberverbände<br />
(Köln), Dr. Christoph Anz,<br />
vor, auf und nach dem Historikertag im<br />
Hinblick auf die Qualitätssicherung von<br />
Bildung mit Zielrichtung auf das Fach<br />
Geschichte vertreten hat.<br />
Auf unsere Nachfrage zum Fach Geschichte<br />
ging uns eine Antwort zu, die<br />
im Auszug zitiert werden soll: „Ein eindeutiges<br />
Bekenntnis zum Fach Geschichte<br />
als ,Leitfach <strong>der</strong> Geisteswissenschaften‘<br />
(so von uns nicht erfragt,<br />
BGLV) werden Sie von mir nicht bekommen.<br />
Ich bin überzeugt davon, daß<br />
das, was Sie (BGLV) inhaltlich vermittelt<br />
wissen wollen, auch in an<strong>der</strong>en Zusammenhängen<br />
unterrichtet werden<br />
kann. Ob ein solcher Unterricht dann als<br />
,Geschichtsunterricht‘ o<strong>der</strong> ,Gemeinschaftskunde‘<br />
o<strong>der</strong> ,Philosophie‘ o<strong>der</strong><br />
was auch immer bezeichnet wird, ist<br />
letztlich unerheblich, eben weil es um<br />
die Inhalte geht“.<br />
Diese Aussage und die naßforsche Art,<br />
wie die Wirtschaftslobby hier gegen (!)<br />
das Fach Geschichte auftritt und die Unbekümmertheit,<br />
wie hier mit wesentlichen<br />
Bildungsinhalten umgesprungen<br />
wird, muß alle Fächer und damit auch<br />
die Berufsvertretung <strong>der</strong> Gymnasiallehrer<br />
in Alarmzustand versetzen. Es ist zu<br />
vermuten, daß es genau diese Lobby ist,<br />
die einerseits bundesweit verbindliche<br />
„Bildungsstandards“ von <strong>der</strong> KMK for<strong>der</strong>t,<br />
aber gleichzeitig toleriert, daß bestimmte<br />
Fächer davon ausgeschlossen<br />
bleiben – genau jene, die nach Vorentscheidungen<br />
einzelner Kultusministerien<br />
bereits nur noch in „Fachverbünden“,<br />
„Mischfächern“ o<strong>der</strong> „Integrationsfächern“<br />
an Sekundarschulen, Regelo<strong>der</strong><br />
Mittelschulen sowie dem Etikettenschwindel<br />
– zur Vermeidung des abgegriffenen<br />
Reizwortes Integrierte Gesamtschule<br />
aus den 70-er Jahren – nun<br />
als „Schule für alle“ (Gemeinschaftsschule)<br />
angeboten werden.<br />
Lobbyisten im Bildungsbereich, <strong>der</strong>en<br />
Ideologie „integrative“ (Gesamt-) Schulsysteme<br />
einfor<strong>der</strong>t, betreiben hier das<br />
Geschäft <strong>der</strong> Wirtschaftslobby und umgekehrt.<br />
Wie sehr unser Fach Geschichte<br />
den Ideologen ein Dorn im Auge ist,<br />
kann <strong>der</strong> Bayerische Geschichtslehrerverband<br />
e.V. auch für Tendenzen in<br />
Bayern seit 1996/98 belegen, wo auch<br />
auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> politischen Entscheidungen<br />
die Loyalität zur geschichtlichen<br />
Bildung in einem eigenständigen<br />
Fach zunehmend zweifelhaft ist. Verfassungsloyalität<br />
<strong>der</strong> politisch Verantwortlichen<br />
in Bayern ist angesagt. Angemahnt<br />
wurde sie in bezug auf das Fach<br />
Geschichte bereits eindrucksvoll im<br />
Prinzregententheater anläßlich des<br />
Bayerischen Verfassungstages 2005.<br />
Das diesjährige 60. Jubiläum <strong>der</strong> Verfassung<br />
des Freistaates Bayern steht unmittelbar<br />
bevor – eine passende Gelegenheit,<br />
dem Fach Geschichte an den<br />
Schulen in Bayern eine Schlüsselrolle in<br />
seinen Inhalten für eine vertiefte Allgemeinbildung<br />
zuzuweisen.<br />
Oberstudiendirektor Willi Eisele ist<br />
Landesvorsitzen<strong>der</strong> des Bayerischen<br />
Geschichtslehrerverbandes e.V.<br />
Willi Eisele ist auch Regionalbeauftragter<br />
des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
für Bayern. Korrespondenzadresse s. S. 5.<br />
■<br />
18 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Berlin<br />
Nein zum rot-roten Projekt Einheitsschule!<br />
Einheitsschule in Berlin – ein leistungsfeindlicher und sozialschädlicher Plan<br />
Von Gerhard Schmid<br />
Gerhard Schmid<br />
Die sechsjährige Grundschule<br />
in Berlin ist erfolglos<br />
Berlin hat mit <strong>der</strong> sechsjährigen Grundschule<br />
bereits eine Art Einheitsschule,<br />
die sich als nicht beson<strong>der</strong>s leistungsfähig<br />
erwiesen hat. So werden z.B.<br />
Haupt- und Gesamtschüler nicht erst an<br />
ihren Schularten zu Problemschülern,<br />
son<strong>der</strong>n kommen als solche aus <strong>der</strong><br />
Grundschule an die Haupt- und Gesamtschulen.<br />
Die jüngsten Gewaltvorfälle<br />
auch an Grundschulen belegen dies.<br />
Die Vergleichsarbeiten in <strong>der</strong> Jahrgangsstufe<br />
4 in Deutsch und Mathematik in<br />
den letzten Jahren zeigen die geringe<br />
Leistungsfähigkeit an den Grundschulen<br />
– in Berlin nehmen die Schüler nur einen<br />
hinteren Platz unter den beteiligten sieben<br />
<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n ein. Dabei vergleicht<br />
sich Berlin hier nur mit den PISA-Verlierern<br />
Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Nordrhein-Westfalen,<br />
Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.<br />
Viele bildungswillige Eltern und leistungsfähige<br />
und -willige Kin<strong>der</strong> stimmen<br />
daher mit den Füßen ab und wechseln<br />
in die wenigen Gymnasien mit<br />
5. Klassen und in die eine Gesamtschule,<br />
die bereits ab <strong>der</strong> 5. Klasse besucht werden<br />
kann, o<strong>der</strong> gehen zu den Privatschulen.<br />
Diese in weiten Teilen erfolglose sechsjährige<br />
Grundschule als Einheits- o<strong>der</strong><br />
Gemeinschaftsschule auf acht o<strong>der</strong> gar<br />
auf zehn Schuljahre zu erweitern und die<br />
Schularten Gymnasium, Realschule,<br />
Hauptschule und Gesamtschule aufzuheben<br />
o<strong>der</strong> richtiger, eine undifferenzierte<br />
Gesamtschule als einzige Schulart<br />
einzurichten, wird die Bildungsmisere in<br />
Berlin nur verlängern und vertiefen. Ein<br />
dann sich anschließen<strong>der</strong> zweijähriger<br />
Bildungsgang bis zum Abitur wird nicht<br />
zur notwendigen Studierfähigkeit <strong>der</strong><br />
Schüler führen, son<strong>der</strong>n bestenfalls nur<br />
Mittelmaß för<strong>der</strong>n.<br />
Das geglie<strong>der</strong>te Schulwesen<br />
ist in Deutschland und international<br />
erfolgreich<br />
Dagegen hat sich in Deutschland das geglie<strong>der</strong>te<br />
Schulwesen vor allem auch in<br />
den Ergebnissen bei PISA 2003 als erfolgreich<br />
erwiesen, beson<strong>der</strong>s, wenn es<br />
wie in Bayern und in an<strong>der</strong>en <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n,<br />
mit einem sechsjährigen Bildungsgang<br />
in <strong>der</strong> Realschule und einem<br />
acht- o<strong>der</strong> neunjährigen Bildungsgang<br />
im Gymnasium nach <strong>der</strong> 4. Klasse <strong>der</strong><br />
Grundschule verbunden ist.<br />
Dies bringt deutliche Vorteile vor allem<br />
für leistungsfähige Schüler, ist also Begabtenför<strong>der</strong>ung<br />
– und diese leistungsfähigen<br />
Schüler brauchen wir vor allem<br />
auch zur Entwicklung <strong>der</strong> Wirtschaft,<br />
auch und gerade in Berlin.<br />
Interessant sind hierzu auch Meinungsumfragen:<br />
So berichtet <strong>der</strong> Tagesspiegel vom<br />
7. April <strong>2006</strong>: „Die von Fachleuten und<br />
Lehrern gefor<strong>der</strong>te Auflösung <strong>der</strong><br />
Hauptschulen hat keinen Rückhalt in <strong>der</strong><br />
Bevölkerung. Nach dem Deutschlandtrend<br />
im Auftrag von ARD und Tagesspiegel<br />
halten nur 27 % <strong>der</strong> Befragten<br />
die Abschaffung dieser Schulform für<br />
den richtigen Weg, Probleme wie Gewalt<br />
und mangelnde Integration von Zuwan<strong>der</strong>ern<br />
zu lösen …In den Anhängerschaften<br />
aller Parteien sind nur Min<strong>der</strong>heiten<br />
für das Ende <strong>der</strong> Hauptschule ...“.<br />
Vom Gymnasium in Deutschland<br />
lernen, heißt weltweit siegen<br />
lernen<br />
Das PISA-Ergebnis 2003 hat noch weitere<br />
wichtige Facetten z.B. bei <strong>der</strong> mathematischen<br />
Kompetenz <strong>der</strong> 15jährigen<br />
Schüler:<br />
Kaum ein Land hat sich zwischen 2000<br />
und 2003 wesentlich verbessert: Finnland<br />
von 536 auf 544 Leistungspunkte, Japan<br />
sank von 557 auf 534, Australien von 533<br />
auf 524, Kanada stagnierte bei 533 zu<br />
532.<br />
Deutschland steigerte sich immerhin von<br />
490 auf 503. Welche Gründe hatte dies<br />
aber? Es waren vor allem die guten Ergebnisse<br />
<strong>der</strong> Schüler am erfolgreichen Gymnasium.<br />
Erreichten im Jahre 2000 die<br />
Gymnasien in Deutschland 555 Leistungspunkte,<br />
so waren es 2003 bereits<br />
606. Dies ist eine signifikante Steigerung<br />
um 51 Punkte, was mehr als ein Schuljahr<br />
entspricht, d. h. in Deutschland haben die<br />
Schüler in ihren Leistungen am Gymnasium<br />
in drei Jahren im Vergleich zur Vorgängergruppe<br />
ein Schuljahr besser abgeschnitten.<br />
Eine grandiose Leistung des Gymnasiums<br />
in Deutschland!<br />
Würde die Diskussion auch international<br />
von Vertretern <strong>der</strong> OECD in Paris, wie<br />
von ihrem grünen Koordinator Schleicher,<br />
nicht so ideologisch geführt, würde<br />
dieses Ergebnis weltweit zu Debatten<br />
führen, wie diesem großen Erfolg des<br />
deutschen Gymnasiums nachgeeifert werden<br />
könnte.<br />
Und so eine Schulart soll durch eine zehnjährige<br />
Einheits- o<strong>der</strong> Gemeinschaftsschule<br />
aufgehoben werden! Verantwortungsloser<br />
kann sich Bildungspolitik in<br />
Deutschland nicht mehr zeigen!<br />
Die Gesamtschule ist sozialschädlich<br />
Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung<br />
in Berlin hat bereits 1996 eine<br />
kurzzeitig viel beachtete, aber dann rasch<br />
in <strong>der</strong> Versenkung verschwundene Längsschnittstudie<br />
veröffentlicht („Bildungsverläufe<br />
und psychosoziale Entwicklung<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 19
im Jugendalter – BIJU –“). Hier wurden an<br />
den Schularten in Nordrhein-Westfalen und<br />
Berlin (veröffentlicht wurden aber nur die<br />
Ergebnisse aus Nordrhein-Westfalen) die<br />
soziale Motivation von Schülern untersucht<br />
– soziale Integration und soziale Kompetenz<br />
ist für ideologische Befürworter <strong>der</strong> Gesamtschule<br />
das große Plus für die Schulart.<br />
Aber das Gegenteil ist am Beispiel <strong>der</strong><br />
Hilfsbereitschaft gezeigt <strong>der</strong> Fall.<br />
Hilfsbereitschaft gilt als eine <strong>der</strong> zentralen<br />
Tugenden unserer christlich geprägten<br />
Kultur. In <strong>der</strong> pädagogischen und psychologischen<br />
Forschung werden generell drei<br />
Motive unterschieden, warum Personen<br />
helfen o<strong>der</strong> nicht helfen:<br />
a) das egoistische Motiv, b) das altruistische<br />
Motiv, c) das Konformitätsmotiv.<br />
Im ersten Fall hilft man, weil man sich als<br />
Folge seines eigenen Hilfeverhaltens Vorteile<br />
(z.B. Belohnungen) erhofft. Im zweiten<br />
Fall hilft man einer Person, weil man<br />
für sie das Beste will. Im letzten Fall wird<br />
geholfen, „weil es sich so gehört“ – man<br />
folgt also <strong>der</strong> sozialen Norm und dem sozialen<br />
Druck.<br />
Nun zum Ergebnis:<br />
Nach <strong>der</strong> Entwicklung über drei Jahre<br />
zeigten sich am Ende <strong>der</strong> 10. Klasse die<br />
günstigsten Entwicklungsverläufe für die<br />
Real- und Gymnasialschüler mit steigendem<br />
Altruismusmotiv bei gleichzeitig sinkendem<br />
Egoismus- und Konformitätsmotiv.<br />
Hauptschüler weisen nur eine leichte<br />
Zunahme des Altruismusmotivs bei<br />
gleichzeitig ansteigendem Konformitätsmotiv<br />
auf. Schließlich zeigen sich auf <strong>der</strong><br />
Gesamtschule, die schon eine Art Gemeinschaftsschule<br />
ist, insgesamt die<br />
ungünstigsten Verläufe: Hier läßt sich ein<br />
deutlicher Anstieg des Egoismus- bei simultanem<br />
Absinken des Altruismusmotivs<br />
feststellen.<br />
PISA-Ergebnis international<br />
Das internationale PISA-Ergebnis zeigt<br />
sich bunt gemischt: Län<strong>der</strong> mit langer gemeinsamer<br />
Schulzeit schlossen schlecht ab<br />
(z.B. USA und Dänemark) und auch gut<br />
(Finnland). Län<strong>der</strong> mit stark geglie<strong>der</strong>tem<br />
Schulsystem schlossen ebenfalls schlecht<br />
ab (z.B. Griechenland) und auch gut (z.B.<br />
Nie<strong>der</strong>lande, Frankreich, Belgien).<br />
Einheitsschule und Hauptstadt<br />
Der Schritt zu einer Einheits- o<strong>der</strong> Gemeinschaftsschule<br />
ist auch gegen Berlin<br />
als Hauptstadt gerichtet.<br />
Eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung<br />
in <strong>der</strong> Stadt setzt Investoren und vor allem<br />
leistungsfähige Arbeitskräfte voraus. Über<br />
90% <strong>der</strong> Schüler in Deutschland besuchen<br />
Schulen des geglie<strong>der</strong>ten Systems –<br />
die leistungs- und anstrengungsbereiten<br />
Schüler vor allem die Gymnasien. Die Abschaffung<br />
von Gymnasien und Realschulen<br />
in Berlin wird die leistungsfähigen<br />
Paare und junge Menschen abschrecken.<br />
Die Wirtschaft und die sozialen Bedingungen<br />
in <strong>der</strong> Hauptstadt werden dadurch<br />
eher geschwächt als gestärkt.<br />
Zusammenfassung<br />
Das heißt: Für das gute Ergebnis ist in<br />
Finnland nicht ursächlich das Einheitsschulsystem<br />
verantwortlich, für das<br />
durchschnittliche in Deutschland nicht ursächlich<br />
das geglie<strong>der</strong>te Schulwesen.<br />
Die Unterrichtsqualität ist entscheidend<br />
und nicht die Schulstruktur, und die Übereinstimmung<br />
von Elternhaus und Schule<br />
bezüglich Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft.<br />
Eine grundlegende Verbesserung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
des Berliner Schulwesens werden<br />
wir nur erreichen bei hoher Wertschätzung<br />
<strong>der</strong> Bildung in <strong>der</strong> Gesellschaft und bei den<br />
Eltern, durch Wertschätzung <strong>der</strong> Schule und<br />
<strong>der</strong> Lehrer, mit gutem Unterricht, hoher<br />
Motivation <strong>der</strong> Lehrkräfte und einem ausgeprägten<br />
Leistungs- und Bildungswillen<br />
bei den Schülern.<br />
Berlin hat hier noch einen weiten Weg vor<br />
sich. Einheits- o<strong>der</strong> Gemeinschaftsschulen<br />
führen in eine Sackgasse. Auch die<br />
Zusammenfassung von Haupt-, Real- und<br />
Gesamtschulen zu einer einheitlichen<br />
Oberschule mit Beibehaltung des Gymnasiums<br />
wäre die Rückkehr in das 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
mit einer Volksschule für das gemeine<br />
Volk, und das Gymnasium für die<br />
höheren Schichten. Die begabungsgerechte<br />
För<strong>der</strong>ung aller Schüler in allen<br />
Schularten des geglie<strong>der</strong>ten Schulsystems<br />
ist dagegen angesagt.<br />
Oberschulrat Gerhard Schmid ist Regionalbeauftragter<br />
des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong> für Berlin und Brandenburg.<br />
Korrespondenzadresse s. S. 8<br />
■<br />
Im Anschluß an die Mitglie<strong>der</strong>versammlung vom 1. <strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> formulierte <strong>der</strong> <strong>Bund</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong> eine Presseerklärung zur Schulsituation in Berlin sowie zum Ergebnis <strong>der</strong> Neuwahlen. Wir<br />
drucken zu Ihrer Kenntnis einen Auszug daraus ab.<br />
Pressemitteilung, 5. 12. <strong>2006</strong><br />
<strong>Bund</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>: Kulturkampf im Schulwesen droht<br />
Die Mitglie<strong>der</strong>versammlung des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> am 1. <strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> in Berlin stand unter dem Eindruck,<br />
daß <strong>der</strong> rot-rote Senat in Berlin gegen das bei PISA erfolgreiche geglie<strong>der</strong>te Schulwesen, und auch gegen das<br />
Gymnasium, eine Einheits- o<strong>der</strong> Gemeinschaftsschule durchsetzen will. Nur die <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>, in denen es neben dem<br />
Gymnasium, <strong>der</strong> Realschule und <strong>der</strong> Hauptschule die Gesamtschule gibt, müssen als PISA-Verlierer bezeichnet werden.<br />
So auch Rheinland-Pfalz, aus dem <strong>der</strong> neue Senator für Bildung, <strong>Wissenschaft</strong> und Forschung in Berlin, <strong>der</strong> Medizinprofessor<br />
Jürgen Zöllner, kommt. In Hamburg gibt es darüber hinaus Tendenzen für ein zweigliedriges Schulwesen, wie es in<br />
Deutschland im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t herrschte.<br />
Der BFW rechnet bei Abschaffung <strong>der</strong> Gymnasien mit einer weiteren deutlichen Verschlechterung in <strong>der</strong> Studierfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Absolventen <strong>der</strong> 12. Klassen einer Einheitsschule.<br />
Gegen diesen Kulturkampf in Deutschland setzt <strong>der</strong> BFW mit seiner Neuwahl ein Zeichen:<br />
Zu den Neuwahlen erfahren Sie alles im Bericht „Aus <strong>der</strong> Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>“ (ab S. 3 ).<br />
20 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Nordrhein-Westfalen<br />
Realschulen mit 11. Schuljahr?<br />
Beim 39. Mülheimer Kongreß, <strong>der</strong> Jahrestagung des Realschullehrerverbandes NRW,<br />
die am 9. und 10. November <strong>2006</strong> stattfand, schlug <strong>der</strong> Landesvorsitzende<br />
Ulrich Brambach überraschend ein 11. Schuljahr für Realschulen vor. Damit sollten<br />
die schulischen Voraussetzungen für die Erlangung <strong>der</strong> Fachhochschulreife erfüllt<br />
werden können.<br />
Wir baten Ulrich Brambach seinen<br />
Vorschlag näher zu erläutern.<br />
Ulrich Brambach:<br />
„Um möglichst viel Durchlässigkeit<br />
zu gewährleisten, ist das<br />
dreigliedrige Schulsystem formal<br />
betrachtet so aufgebaut, daß Schülerinnen<br />
und Schüler zum Ende<br />
des Bildungsgangs je nach Leistungsvermögen<br />
noch ein weiteres<br />
Schuljahr besuchen können. So<br />
gibt es an <strong>der</strong> Hauptschule, die mit<br />
Ausnahme in Nordrhein-Westfalen<br />
in <strong>der</strong> Regel nach <strong>der</strong> 9. Klasse<br />
mit dem Hauptschulabschluß endet,<br />
die Möglichkeit, ein 10.<br />
Schuljahr anzuhängen, um die<br />
Fachoberschulreife zu erwerben.<br />
Gleichsam muß es auch an den<br />
Realschulen die Möglichkeit geben,<br />
in einem weiteren Schuljahr<br />
für die leistungsstärkeren Schülerinnen<br />
und Schüler die Fachhochschulreife<br />
zu erwerben. Diese<br />
Möglichkeit gewinnt bei zurückgehenden<br />
Schülerzahlen beson<strong>der</strong>s<br />
im ländlichen Raum an Bedeutung.<br />
So können Kommunen, die nur eine<br />
Realschule vorhalten, den Schülerinnen<br />
und Schülern, die einen<br />
längeren Weg zum nächsten Gymnasium<br />
haben, wohnortnah das<br />
Erreichen <strong>der</strong> Fachhochschulreife<br />
anbieten. Auch die allgemeine<br />
Hochschulreife kann ja zukünftig<br />
sowohl nach 12 Schuljahren (Gymnasium)<br />
wie auch nach 13 Jahren<br />
(Gesamtschule und Berufskolleg)<br />
erreicht werden.<br />
Schulversuche diesbezüglich werden<br />
bereits in Bayern und Baden-<br />
Württemberg erfolgreich durchgeführt<br />
und sollten auch in Nordrhein-Westfalen<br />
initiiert werden.<br />
Im Sinne eines schnellen und<br />
erfolgreichen Lernens und auch<br />
Die „Bläserklasse“ heizte dem Auditorium kräftig ein. Bei <strong>der</strong> Bläserklasse handelt es sich um<br />
die Klasse 6b <strong>der</strong> Walter-Ba<strong>der</strong>-Realschule in Xanten unter Leitung von Stephanie Bauer.<br />
Ulrich Brambach bei seiner Eröffnungsrede<br />
Fotos: M. Berretz<br />
einer gezielten För<strong>der</strong>ung sind die<br />
Schulversuche unter bestimmten<br />
Bedingungen aus meiner Sicht erfolgversprechend.“<br />
Der 39. Mülheimer Kongreß hatte<br />
als Tagungsthema: „Verän<strong>der</strong>ung<br />
von Schule durch die Mediengesellschaft“.<br />
Den Eröffnungsvortrag<br />
hielt Professor Dr. Merten von<br />
<strong>der</strong> Universität Münster. Im Verlauf<br />
<strong>der</strong> Tagung wurde das Thema<br />
an den beiden Kongreßtagen ausführlich<br />
in Arbeitsgruppen behandelt.<br />
Nach <strong>der</strong> Begrüßung durch<br />
die Oberbürgermeisterin von Mülheim,<br />
Dagmar Mühlenfeld, und<br />
einem Geleitwort von Schulministerin<br />
Barbara Sommer bildete <strong>der</strong><br />
Auftritt einer sogenannten Bläserklasse<br />
ein anschauliches und unüberhörbares<br />
Beispiel für den guten<br />
Geist von Schule. 31 Schülerinnen<br />
und Schüler füllten die Bühne, um<br />
die Zuhörer für das Tagungsthema<br />
durch das Medium Musik so recht<br />
in Stimmung zu bringen, was überzeugend<br />
gelang.<br />
Ho.<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 21
Erfolgsgeschichte soll weitergehen<br />
10 Jahre Unterrichtsfach „Praktische Philosophie“<br />
in Nordrhein-Westfalen<br />
(Münster, 18. November <strong>2006</strong> – <strong>fdw</strong> ) Anläßlich des „Jubiläums“ veranstaltete <strong>der</strong> Landesverband NRW<br />
des Fachverbandes Philosophie in <strong>der</strong> Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster eine „Festtagung“.<br />
Mit diesem ungewöhnlichen Begriff sollte wohl signalisiert werden, daß es zwar Anlaß zu Genugtuung<br />
und Freude darüber gebe, daß sich das Fach an den Schulen des Landes etabliert hat, daß aber doch noch<br />
eine Menge zu tun bleibt – sowohl hinsichtlich des Lehrplans als auch hinsichtlich einer ausreichenden<br />
Zahl an Lehrkräften – um zu einer <strong>der</strong> Bedeutung und dem Auftrag des Faches angemessenen Wirksamkeit<br />
zu kommen.<br />
Die Aula <strong>der</strong> Westfälischen Wilhelms-<br />
Universität im Schloß war ein würdiger<br />
Ort für eine Feierstunde zum 10jährigen<br />
Bestehen des Faches „Praktische Philosophie“<br />
in NRW.<br />
In ihrer Begrüßung wies die stellvertretende<br />
Rektorin Marianne Ravenstein<br />
auf die Bedeutung <strong>der</strong> Universität Münster<br />
beim Prozeß <strong>der</strong> „Implementierung“<br />
des Faches an den nordrheinwestfälischen<br />
Schulen hin: In Münster<br />
wurden mehr als 100 Lehrkräfte, die mit<br />
an<strong>der</strong>en Fächern schon im Schuldienst<br />
waren, für den Unterricht im Fach „Praktische<br />
Philosophie“ nachqualifiziert. In<br />
<strong>der</strong> Verantwortung von Professor Dr.<br />
Volker Steenblock und Dr. Klaus Blesenkemper<br />
habe die Arbeitsstelle <strong>der</strong> Universität<br />
effiziente Arbeit geleistet. Neben<br />
„Praktischer Philosophie“ sei im gleichen<br />
Zeitraum nur noch das Fach „Informatik“<br />
als neues Fach in das Unterrichtsangebt<br />
<strong>der</strong> Schulen in NRWeingeführt worden.<br />
In seinem kurzen Rückblick gab <strong>der</strong><br />
Landesvorsitzende des Fachverbandes<br />
Philosophie, Studiendirektor Klaus Draken,<br />
die Entwicklung des Faches in seinen<br />
Grundzügen wie<strong>der</strong>. Er nannte einige<br />
Protagonisten <strong>der</strong> ersten Stunde und<br />
betonte die Wichtigkeit <strong>der</strong> sicheren<br />
Versorgung mit Lehrkräften, die nach<br />
einem Curriculum arbeiteten, das seine<br />
fachliche und seine didaktische Tauglichkeit<br />
von kompetenter Seite, nämlich<br />
den Professoren Birnbacher (Düsseldorf)<br />
und Martens (Hamburg) bestätigt<br />
bekommen habe.<br />
Auf regionaler Ebene hätten Mo<strong>der</strong>atoren<br />
gute Fortbildungsarbeit geleistet. An<br />
den Universitäten hätten zweijährige<br />
Studienkurse zu Staatsexamensabschlüssen<br />
geführt.<br />
1<br />
Artikel 7 <strong>der</strong> Landesverfassung<br />
von Nordrhein-Westfalen<br />
(1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor<br />
<strong>der</strong> Würde des Menschen und Bereitschaft<br />
zum sozialen Handeln zu<br />
wecken, ist vornehmstes Ziel <strong>der</strong> Erziehung.<br />
(2) Die Jugend soll erzogen werden im<br />
Geiste <strong>der</strong> Menschlichkeit, <strong>der</strong> Demokratie<br />
und <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, zur Duldsamkeit<br />
und zur Achtung vor <strong>der</strong> Überzeugung<br />
des an<strong>der</strong>en, zur Verantwortung<br />
für Tiere und die Erhaltung <strong>der</strong> natürlichen<br />
Lebensgrundlagen, in Liebe zu<br />
Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft<br />
und Friedensgesinnung.<br />
Artikel 7 <strong>der</strong> Landesverfassung ist bewußt als<br />
§2(2) in das neue Schulgesetz des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden.<br />
Engagement für werteorientierte Erziehung: Professor Dr. Heinz-Werner Poelchau, Prorektorin<br />
<strong>der</strong> WWU, Dr. Marianne Ravenstein, Staatssekretär im Ministerium für Schule und Weiterbildung,<br />
Dr. Günter Winands. Im Hintergrund <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esvorsitzende des Fachverbandes Philosophie,<br />
Studiendirektor Dr. Bernd Rolf.<br />
„Gesellschaft <strong>der</strong> Bindungslosen“<br />
Staatssekretär Günter Winands aus<br />
dem Ministerium für Schule und Weiterbildung<br />
schritt das weithin unsicher<br />
gewordene Feld <strong>der</strong> Lebensumstände<br />
heutiger Heranwachsen<strong>der</strong> ab. Er<br />
sprach von einer „Gesellschaft <strong>der</strong> Bindungslosen“.<br />
„Familien mit Verwahrlosungstendenzen“<br />
machten Wertevermittlung<br />
in <strong>der</strong> Schule beson<strong>der</strong>s nötig.<br />
Wertevermittlung sei „integraler Bestandteil“<br />
<strong>der</strong> Erziehungsarbeit. Ihr<br />
Fundament habe sie im Artikel 7 <strong>der</strong><br />
Landesverfassung von NRW, <strong>der</strong> deshalb<br />
auch bewußt in das neue Schulgesetz<br />
aufgenommen worden sei, wie<br />
Winands unterstrich 1 .<br />
Ausgerichtet an zwei Leitsätzen Pestalozzis:<br />
„Erziehung ist Vorbild und Liebe“<br />
und : „Erziehung kann nur leisten,<br />
wer Kin<strong>der</strong> liebt“, for<strong>der</strong>te er, Werte<br />
22 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
müßten vorgelebt werden. Jedoch sei<br />
„wertschätzendes Verhalten im Unterricht“<br />
nicht nur Sache <strong>der</strong> Lehrer, son<strong>der</strong>n<br />
auch <strong>der</strong> Schüler.<br />
Etwa 60 000 Schülerinnen und Schüler<br />
wählen jährlich das Fach „Praktische<br />
Philosophie“, das es in allen weiterführenden<br />
Schulen des Landes NRW in<br />
den Klassen 9 und 10 gibt, sofern eine<br />
ausreichende Nachfrage da ist und<br />
Fachlehrkräfte zur Verfügung stehen.<br />
Das Curriculum „Praktische Philosophie“<br />
ist schulformübergreifend angelegt.<br />
Wenn man auch die Werteerziehung als<br />
Erziehungsprinzip in jedem Unterricht<br />
realisiert sehen sollte, so ist neben Religion<br />
„Praktische Philosophie“ das Fach,<br />
in dem Wertefragen explizit zum<br />
„Stoff“ gehören. Es ist verpflichtend für<br />
Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> Jahr-<br />
gangsstufen 9 und 10, die nicht am Religionsunterricht<br />
teilnehmen.<br />
Eckpunkte künftiger Entwicklung<br />
Konkrete Fragestellungen <strong>der</strong> „Praktischen<br />
Philosophie“ als Unterrichtsfach<br />
beschäftigten dann Arbeitskreise am<br />
Nachmittag, die im einzelnen folgende<br />
Themen hatten: „Elemente praktischen<br />
Philosophierens im Grundschulunterricht“,<br />
„Perspektiven Praktischen Philosophierens<br />
in Haupt-, Real- und Gesamtschulen“<br />
und „Von ,Praktischer<br />
Philosophie‘, zu ,Philosophie‘, in <strong>der</strong><br />
Sekundarstufe II“.<br />
Im Arbeitskreis „Praktische Philosophie<br />
– Entwicklungen in <strong>der</strong> Schullandschaft“<br />
wurden eher Problemfel<strong>der</strong> umrissen<br />
als Eckpunkte einer profilierten<br />
Entwicklung festgelegt. Es zeigte sich<br />
erhebliche Unsicherheit in Fragen einer<br />
„Verzahnung“ <strong>der</strong> Didaktiken von Philosophie<br />
in Schule und Hochschule unter<br />
den Bedingungen neuer umstrittener<br />
Formen <strong>der</strong> Lehrerausbildung im Schatten<br />
des Bolognaprozesses.<br />
Die Versammlung nutzte die Gelegenheit,<br />
um Professor Dr. Heinz-Werner<br />
Poelchau vom Ministerium für Schule<br />
und Weiterbildung für sein inzwischen<br />
über ein Jahrzehnt langes Engagement<br />
für die „Implementierung“ des Faches<br />
„Praktische Philosophie“ zu danken.<br />
Poelchau selbst hatte zuvor die Erfolgsgeschichte<br />
in einem Vortrag mit dem Titel<br />
„Praktische Philosophie – Herkunft<br />
und Zukunft“ mit Reminiszenzen aus<br />
den vergangenen Jahren und statistischen<br />
Erhebungen bis hin zur Gegenwart<br />
anschaulich belegt.<br />
■<br />
Winfried Holzapel<br />
Baden-Württemberg<br />
Anläßlich des neunzigsten Geburtstags des Pädagogen Hermann Röhrs sandte uns<br />
Professor Dr. Kurt Otten die folgende Würdigung.<br />
Hermann Röhrs – ein Pädagoge <strong>der</strong> ersten Stunde<br />
Hermann Röhrs wurde als junger Volksschullehrer<br />
1940 eingezogen, war in<br />
Russland als Infanterist vom ersten Tag<br />
an <strong>der</strong> Front, fünfmal verwundet, aus<br />
Riga (1944) im Lazarettschiff evakuiert,<br />
in Hamburg zusammengeflickt und erlebte<br />
dort als Leutnant und Adjutant<br />
eines Schwerverwundetenregiments den<br />
Einmarsch <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong>. Zugleich arbeitete<br />
er an seiner Dissertation. Hermann<br />
Röhrs hat über alle Stationen seines Lebens<br />
von <strong>der</strong> frühen Jugend an in seinen<br />
Erinnerungen und Erfahrungen – Perspektiven<br />
für die Zukunft (Gesammelte<br />
Schriften Band 11, Weinheim 1997) über<br />
das Wachsen seiner Überzeugungen in einer<br />
Aufrichtigkeit Rechenschaft abgelegt,<br />
wie sie nur Hochbegabten gegeben ist. In<br />
gleicher Absicht hat er ebenfalls in Band<br />
11 die Erinnerungen seiner geliebten Frau<br />
Liselotte und ihrer deutsch-jüdischen Familie<br />
beschrieben. Liselotte Röhrs verstarb<br />
am 2. Oktober 1993.<br />
In Hamburg geboren, teilweise auf dem<br />
großelterlichen Hof in <strong>der</strong> Lüneburger<br />
Heide aufgewachsen, verbrachte er seine<br />
Jugend mit vielen Spielkameraden in<br />
einer Natur zwischen Kanälen und<br />
Schrebergärten, die heute selten geworden<br />
ist. In Wan<strong>der</strong>- und Sportvereinen<br />
erlebte er Freundschaft und Bewährung,<br />
aber auch mit seinen Eltern die schweren<br />
Belastungen <strong>der</strong> ersten Deutschen<br />
Republik unter dem Versailler Diktat,<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und <strong>der</strong> Bedrohung<br />
<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Er brach eine kaufmännische<br />
Lehre ab und bestand als Schüler<br />
eines Abendgymnasiums nach nur zwei<br />
Jahren das Abitur, als ihn dort zum ersten<br />
Mal die Freude am Wissen erfaßte<br />
und er aufgrund seiner Arbeit zur Eigenverantwortung<br />
erwachte. Beim sportlichen<br />
Wettkampf lernte er im „fair play“<br />
den Gegner als Teil <strong>der</strong> eigenen Selbstbewährung<br />
zu achten – im Gegensatz<br />
zum vormilitärischen Drill, den er ebenso<br />
haßte wie den Kommando-Ton.<br />
Zukünftige Studenten mußten einen<br />
„freiwilligen" Arbeitsdienst ableisten –<br />
die Sicherung des Nordseevorlandes<br />
durch Dämme und Verbauungen. Das<br />
Studium <strong>der</strong> Pädagogik, Germanistik<br />
und Philosophie finanzierte er durch<br />
Privatunterricht und Darlehen des Studentenwerks.<br />
Er suchte sich Wilhelm<br />
Flitner als Lehrer aus, weil dieser die<br />
Geschichte und die Gegenwart seines<br />
Faches als humanistische Aufgabe <strong>der</strong><br />
Bildung und Erziehung verstand und<br />
nicht als „nationalpolitische Aufgabe<br />
<strong>der</strong> Erziehung“. Seine Staatsexamensarbeit<br />
bestand aus Vorstudien zu einer<br />
späteren Dissertation „Das Problem einer<br />
Erziehungsphilosophie und das Verhältnis<br />
zu den pädagogischen und philosophischen<br />
Strömungen <strong>der</strong> Gegenwart<br />
(1945)“. Seine Habilitation (1951) galt<br />
dem Lebenswerk Aloys Fischers, eines<br />
bedeutenden, aber nahezu in Vergessenheit<br />
geratenen Münchener Pädagogen,<br />
<strong>der</strong> zwangsemeritiert wurde, weil er<br />
sich weigerte, sich von seiner jüdischen<br />
Gattin scheiden zu lassen. Fischer erlag<br />
einer Herzkrankheit, seine Gattin kam<br />
in Theresienstadt um, sein Sohn fiel<br />
noch am Westwall. Es sind die menschlichen<br />
Dinge im Leben eines Gelehrten,<br />
die den Leser anrühren, die aber oft<br />
nicht von den wissenschaftlichen Leistungen<br />
zu trennen sind (Die R.N.Z. berichtete<br />
ausführlicher 5./6. Jan. 2004).<br />
Fischers Werk ist eine heute fast vergessene<br />
prophetische Arbeit „Über die notwendige<br />
Neuorientierung <strong>der</strong> Pädagogik<br />
im Zeitalter <strong>der</strong> Industrie und Technik“.<br />
Von <strong>der</strong> „Hooverspeisung“ zur<br />
„Reformpädagogik“<br />
Röhrs war nach seiner Genesung und<br />
dem Kriegsende sofort wie<strong>der</strong> aktiv<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 23
eim Wie<strong>der</strong>aufbau des Bildungswesens<br />
in Hamburg. Er lehrte als Volksschullehrer<br />
in einer halbzerstörten<br />
Schule mit Schichtunterricht und Hooverspeisung<br />
und verstand letztere als einen<br />
Akt demokratischer Selbstvergewisserung<br />
für Schüler und Lehrer. Einige<br />
seiner damaligen Schüler haben ihm<br />
noch zu seinem 80. Geburtstag in Jahrestreffen<br />
die Treue gehalten.<br />
1957 erhielt er einen Ruf an die Wirtschaftshochschule<br />
Mannheim, 1958<br />
folgte er dem Ruf nach Heidelberg und<br />
organisierte dort das Erziehungswissenschaftliche<br />
Seminar und die Forschungsstelle<br />
für vergleichende Pädagogik<br />
im umfassenden Sinn seines <strong>Wissenschaft</strong>sverständnisses.<br />
Sie hat seitdem<br />
viele ausländische Studenten und<br />
<strong>Wissenschaft</strong>ler angezogen und kooperiert<br />
mit Instituten weltweit. Seit 1965<br />
ist er Honorarprofessor in Mannheim.<br />
Einen Ruf nach Köln lehnte er 1966 ab.<br />
Friedenserziehung und Friedenspolitik<br />
Seine kritischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />
mit <strong>der</strong> „re-education“, noch in Hamburg<br />
begonnen, verdienen im Zusammenhang<br />
mit seinen Arbeiten zur Friedenserziehung<br />
und Friedenspolitik gelesen<br />
zu werden, denn sie sind heute fast<br />
so aktuell wie damals. Die allgemeine<br />
Erziehung wurde wie heute vernachlässigt<br />
unter den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Sachfächer, <strong>der</strong>en soziale, moralische<br />
und geistige Grundlagen allerdings<br />
ohne eine umfassende Friedenserziehung<br />
nur „unvollkommen gesichert“<br />
werden können. Das ist ein charakteristisches<br />
„un<strong>der</strong>statement“ des Hanseaten.<br />
Hier sieht Röhrs, <strong>der</strong> beim Aufbau <strong>der</strong><br />
Lehrerbildung in Hamburg ebenso wie in<br />
Heidelberg mitgearbeitet hat, jedenfalls<br />
eine <strong>der</strong> wichtigsten zukünftigen Aufgaben<br />
<strong>der</strong> internationalen Erziehung. In <strong>der</strong><br />
Ausbildung <strong>der</strong> Lehrer klafft an dieser<br />
Stelle auf allen Stufen eine entscheidende<br />
Lücke. In diesem Sinn hat Röhrs die<br />
soziale Empirie, Soziologie und Anthropologie<br />
immer als notwendige Ergänzungen<br />
<strong>der</strong> pädagogischen Forschung gesehen.<br />
Auf vielen internationalen Kongressen<br />
und Auslandsreisen in den USA,<br />
nach Afrika, Afghanistan, China, Japan,<br />
Israel, Zypern und in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>der</strong> Unesco hat er über seine Erfahrungen<br />
vor allen Dingen mit Blick auf<br />
die Lehrerausbildung und die soziale Lage<br />
<strong>der</strong> Bildung detailliert berichtet.<br />
Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht<br />
ferner die „Reformpädagogik“, die sich<br />
in vielen Län<strong>der</strong>n, vor allem in England<br />
und den USA, aber auch in Europa<br />
gleichzeitig und mit ähnlichen Zielen<br />
entwickelt hat, wobei auch Deutschland<br />
wichtige Beiträge vor allem im 19. und<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>t leistete. „Reformpädagogik.<br />
Ursprung und Verlauf“<br />
(Weinheim 1998) ist ins Englische, Japanische<br />
und Neugriechische übersetzt.<br />
Die Bände über „Allgemeine Erziehungswissenschaft“<br />
(G. S. Band 1),<br />
„Bildungsgeschichte und Bildungsphilosophie“<br />
(G. S. Band 13) gelten inzwischen<br />
als Grundlagen seines Fachs. Zu<br />
den wichtigsten historischen Arbeiten<br />
zählen Studien zur Wirkung <strong>der</strong> deutschen<br />
Bildung auf die USA und umgekehrt<br />
sowie die Arbeiten zu Comenius,<br />
Kurt Hahn und Martin Buber, vor allem<br />
aber die Monographie „Jean-Jacques<br />
Rousseau. Vision und Wirklichkeit“<br />
(Köln, Weimar, Wien 1993, G. S. Band<br />
13, Weinheim 1999) sollten gleichfalls<br />
hervorgehoben werden. Rousseau ist in<br />
den Wi<strong>der</strong>sprüchen <strong>der</strong> Geschichte als<br />
Philosoph und Pädagoge vor allem über<br />
die Reformerziehung (Progressive Education)<br />
längst zur zentralen, wenn auch<br />
umstrittenen Gestalt in <strong>der</strong> Bildungsgeschichte<br />
unserer Zeit geworden. Er spiegelt<br />
die Zerrissenheit des mo<strong>der</strong>nen<br />
Menschen und versucht zugleich, aus<br />
seinen negativen Erfahrungen in <strong>der</strong><br />
Gesellschaft heraus, neue Grundlagen<br />
einer menschenwürdigen Erziehung für<br />
die Zukunft zu gewinnen, die in <strong>der</strong> Interpretation<br />
von Hermann Röhrs darüber<br />
hinaus zur Einheit eines persönlichen<br />
Lebensgefühls zu führen vermögen.<br />
Es ist eine kühne und bedeutende<br />
Studie, die trotz ihres Erfolges und ihrer<br />
Aktualität in <strong>der</strong> offiziellen Bildungspolitik<br />
zu wenig beachtet wird.<br />
Die Gründung <strong>der</strong> „Gesamtschule<br />
als Friedensschule“ in<br />
Heidelberg<br />
Hermann Röhrs’ stiller Stolz gilt <strong>der</strong><br />
„Internationalen Gesamtschule Heidelberg<br />
als Friedensschule", die er als Verantwortlicher<br />
im Planungsausschuß<br />
mitbegründet hat (1974). Sie hat 2001<br />
ihr 25jähriges Jubiläum gefeiert und ist<br />
als Unesco-Projektschule anerkannt. Sie<br />
umfaßt die Schulformen von <strong>der</strong> Grundschule<br />
bis zur gymnasialen Oberstufe<br />
und ist eine <strong>der</strong> wenigen Gesamtschulen,<br />
die in Baden-Württemberg nicht<br />
nur erfolgreich überlebten, son<strong>der</strong>n zu<br />
einem Renommierfall für das Land geworden<br />
sind. Ihre Schüler stammen aus<br />
50 Nationen und erlernen Deutsch in gemischten<br />
Vorbildungsklassen in einer<br />
Atmosphäre von Freundschaft, gegenseitiger<br />
Hilfsbereitschaft zusammen mit<br />
Frühunterricht in englischer Sprache. Es<br />
hat als umkämpftes Wagnis begonnen<br />
und sich überzeugend durchgesetzt. Das<br />
angestrebte Ziel <strong>der</strong> Internationalität ist<br />
eine harte Prüfung sowohl für die Friedenserziehung<br />
wie die Verständigung<br />
insgesamt. Sie funktioniert, weil sie in<br />
aller Offenheit sich den Problemen aller<br />
Beteiligten stellt und die Lösungen im<br />
Unterricht gemeinschaftlich erarbeitet.<br />
Die Eltern werden dabei in einem höheren<br />
Maße als üblich über die Schule in<br />
die Lebenswelt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> miteinbezogen.<br />
Die verschiedenen nationalen Lebensweisen<br />
sind wie ihre hiesigen Probleme<br />
lebendige Teile des Unterrichts.<br />
Der Englischunterricht dient dabei als<br />
gemeinsamer neutraler Boden. Das Eintauchen<br />
in die erlebte Kommunikation<br />
geschieht wie selbstverständlich auf <strong>der</strong><br />
spielerischen Basis gemeinsamer Projekte<br />
und in <strong>der</strong> sprachlichen Reflexion<br />
von Sprüchen, Bil<strong>der</strong>n und Lie<strong>der</strong>n. Die<br />
Schule verfügt über gut ausgestattete<br />
Werkräume. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt<br />
aller Beteiligten und beteiligt<br />
sich an sozialen Einrichtungen <strong>der</strong><br />
Gemeinde. Sie verfügt inzwischen dank<br />
ihrer Lehrer über eine Tradition eingespielter<br />
Erfahrungsweisen, über Rituale<br />
gemeinsamer Erlebnisse, Feiern <strong>der</strong> Besinnung<br />
in „meditativen Haltepunkten“,<br />
auf die großer Wert gelegt wird.<br />
Solches galt früher als elitäres Erbe bedeuten<strong>der</strong><br />
privater Heimschulen. Sie haben<br />
sich hier als reformpädagogische<br />
Elemente zu Lebensformen verfestigt. In<br />
unserer PISA-gebeutelten Nation ist eine<br />
solche Schule durch ihren Bildungswert<br />
und persönliche Hingabe ein Lichtblick<br />
und eine Hoffnung für die Zukunft.<br />
Hermann Röhrs hat viele Ehrungen, national<br />
und vor allem auch übernational,<br />
erhalten. Seine Lehren sind in seinem<br />
Heimatland dennoch verhältnismäßig<br />
wenig in die Bildungspraxis <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
umgesetzt worden, die ihrer<br />
dringend bedürfte. Es gibt hier noch sehr<br />
viel zu entdecken und zu tun. In diesem<br />
Sinne gelten die Wünsche seiner Gratulanten<br />
nicht nur dem Lebensabend eines<br />
großen Gelehrten, son<strong>der</strong>n auch den<br />
Hoffnungen auf die Reformen <strong>der</strong> geistigen<br />
Bildung, denen er sein Leben gewidmet<br />
hat.<br />
■<br />
Professor Dr. Kurt Otten, Heidelberg<br />
24 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Wertewandel – Herausfor<strong>der</strong>ung für<br />
Schule und Elternhaus<br />
Von Winfried Schlaffke<br />
Überblick<br />
I. DerWeg in die Wertekrise<br />
1. Verän<strong>der</strong>ungsdynamik und<br />
Strukturwandel<br />
2. Werteverschiebung und<br />
Wertepluralismus<br />
3. Verweigerung und lautlose<br />
Revolution<br />
4. Ratlosigkeit und<br />
Anstandsdebatten<br />
II. Die Rolle <strong>der</strong>Eltern bei <strong>der</strong>Bewältigung<br />
<strong>der</strong>Wertekrise (S. 26)<br />
1. Emanzipationspolitik gestern und<br />
Familienpolitik heute<br />
2. Erziehungskrise und<br />
Elternversagen<br />
3. Verhaltensregeln und Kopfnoten<br />
4. Gemeinsame Lehrer- und<br />
Elternleistungen<br />
5. Leistungsdruck und<br />
Leistungsfreude<br />
III.Die Rolle <strong>der</strong>Lehrerbei <strong>der</strong>Bewältigung<br />
<strong>der</strong>Wertekrise (S. 28)<br />
1. Autoritätsverluste und ein verheerendes<br />
Lehrerbild<br />
2. Bessere Schulausstattung und<br />
besser qualifizierte Lehrer<br />
3. Lehren und Erziehen als<br />
Dienst am Schüler<br />
4. Lehren und Erziehen als<br />
Dienst an <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
5. Erziehungsziele und<br />
verpflichtende Richtlinien<br />
6. Schulqualität und<br />
Begabungsför<strong>der</strong>ung<br />
IV. Die Verantwortung von Schülern,<br />
Eltern und Lehrern für Schulqualität<br />
(S. 29)<br />
1. Schülerengagement und<br />
Schülerleistung<br />
2. Schule und Elternhaus als Partner<br />
I. Der Weg in die Wertekrise<br />
1. Verän<strong>der</strong>ungsdynamik und<br />
Strukturwandel<br />
Seit biblischen Zeiten gilt <strong>der</strong> Grundauftrag<br />
an die Menschen, Erkenntniszugewinn<br />
zu schaffen, menschliches Zusammenleben<br />
auf eine höhere sittliche<br />
Stufe zu stellen, Gutes zu Besserem<br />
weiterzuentwickeln, Menschenrechte zu<br />
etablieren, Werte, Normen und Tugenden<br />
zu vermitteln. Doch in den letzten<br />
Jahrzehnten sind Umbrüche und Entwicklungssprünge<br />
in einem Ausmaß<br />
entstanden, das es so niemals zuvor in<br />
<strong>der</strong> Menschheitsgeschichte gab. Zu nennen<br />
sind<br />
– <strong>der</strong> einschneidende (welt-)politische<br />
Wandel (Fall <strong>der</strong> Sowjetunion, deutsche<br />
Einheit, Wachsen <strong>der</strong> EU, terroristische<br />
Bedrohungen);<br />
– die technologischen Entwicklungssprünge<br />
(Mikroelektronik, Digitalisierung,<br />
I- und K-Technik, Mikrosystemtechnik,<br />
Bio- und Gentechnik,<br />
Bionik, Laser, neue Werkstoffe, Umwelttechnik,<br />
Hochgeschwindigkeitsverkehr);<br />
– die wirtschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
(Globalisierung, Tertiarisierung,<br />
Ökologisierung);<br />
– die einschneidenden Verän<strong>der</strong>ungen<br />
auf Arbeitsmärkten und Arbeitsplätzen<br />
(Auswan<strong>der</strong>ung von Arbeitsplätzen<br />
ins nahe und ferne Ausland,<br />
verän<strong>der</strong>te Betriebsorganisation, Enttaylorisierung);<br />
– die globalen ökologischen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
(Klimaverschiebungen, zunehmende<br />
Verknappung von gesundem<br />
Boden, reiner Luft und Trinkwasser).<br />
Die Wucht <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen hat nicht<br />
nur politische Umwälzungen und einschneidenden<br />
Wandel in <strong>der</strong> Wirtschafts-<br />
und Arbeitswelt herbeigeführt,<br />
son<strong>der</strong>n hat auch Verschiebungen in den<br />
Werthaltungen, Lebensformen, Lebensauffassungen<br />
und Zielsetzungen weiter<br />
Kreise <strong>der</strong> Gesellschaft verursacht.<br />
Der Strukturwandel ist zu einem <strong>der</strong>art<br />
charakteristischen Kennzeichen unserer<br />
Zeit geworden, daß <strong>Wissenschaft</strong> und<br />
Medien immer wie<strong>der</strong> von Wendezeiten<br />
und Paradigmenwechseln gesprochen<br />
und diese in ihrer Verän<strong>der</strong>ungsdynamik<br />
als bisher einmalig eingestuft haben.<br />
Professor Dr. Winfried Schlaffke<br />
2. Werteverschiebungen und<br />
Wertepluralismus<br />
Blickt man zurück, scheint in <strong>der</strong> Tat<br />
das Leben in den vorindustriellen Gesellschaften<br />
sehr kontinuierlich, fast<br />
statisch in überschaubaren und festen<br />
Bahnen verlaufen zu sein.<br />
Der junge Mensch wuchs in einem Personenkreis<br />
auf, in dem immer nur wenige<br />
Menschen in persönlichem Austausch<br />
standen. Die enge Verbindung,<br />
die früher zwischen Schülern, Eltern<br />
und Lehrern an zahlenmäßig begrenzten<br />
Schulen bestand, ließen den Jugendlichen<br />
die Schule fast wie eine Verlängerung<br />
des Elternhauses, den Lehrer als<br />
Person erleben. Die gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse waren einfach und überschaubar,<br />
man wuchs wie von selbst in<br />
sie hinein. Das vorindustrielle Wirtschafts-<br />
und Sozialsystem war dadurch<br />
charakterisiert, daß die einzelnen Strukturen<br />
gleichblieben, es waren fast unverän<strong>der</strong>liche<br />
Situationen. Man ergriff<br />
den Beruf des Vaters, man wechselte<br />
kaum den Wohnsitz.<br />
Dennoch gab es im Laufe <strong>der</strong> Geschichte<br />
nicht nur ein Nacheinan<strong>der</strong> verschiedener<br />
Wertvorstellungen, son<strong>der</strong>n auch<br />
in früheren Zeiten ist das Nebeneinan<strong>der</strong><br />
konkurrieren<strong>der</strong> Wertvorstellungen<br />
zu beobachten. Kriege, soziale Konflikte,<br />
technische Innovationen o<strong>der</strong> auch<br />
nur <strong>der</strong> Wechsel <strong>der</strong> Generationen haben<br />
vielmals zu Wertverschiebungen,<br />
Wertverän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Wertverlusten<br />
geführt.<br />
Wilhelm Flitner hat eine Geschichte <strong>der</strong><br />
abendländischen Lebensformen (München,<br />
1967) geschrieben und Normen<br />
und Leitbil<strong>der</strong> in ihrem Wandel nachgezeichnet<br />
vom griechischen Philosophie-<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 25
en über altgermanische Tradition und<br />
mittelalterliche Ritterlichkeit bis hin<br />
zum Calvinismus, Humanismus und <strong>der</strong><br />
deutschen Klassik. Sein Fazit lautet, daß<br />
<strong>der</strong> industriellen Gesellschaft nur noch<br />
<strong>der</strong> Pluralismus bleibt: „Der Bankrott<br />
aller idealistischen Ziele und die Einsicht<br />
in die unterbewußten Strebungen,<br />
in die Lebens- und Prestigegier des<br />
Menschen, ist den lebenden Geschlechtern<br />
so allgemein zuteil geworden, daß<br />
je<strong>der</strong> sittliche Appell wie ein Hohn<br />
wirkt. Die Relativierung <strong>der</strong> alt anerkannten<br />
Autoritäten hat sich im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
in aller Schärfe vollzogen. Die<br />
ethische Welt muss uns als ‚pluralistisch‘<br />
gelten; jede Gruppe orientiert<br />
sich in <strong>der</strong> Stille an Maßstäben, die sie<br />
sich kaum selbst zu verdeutlichen, an<strong>der</strong>en<br />
auch nicht zuzumuten wagt ...“<br />
Flitner konstatiert in seinem resignativen<br />
Fazit einen schleichend destruktiven<br />
Wertepluralismus, obwohl zuvor<br />
Romano Guardini in seinem vielfach<br />
aufgelegten Werk „Tugenden“ (München,<br />
1963) aus seiner Sicht nochmals<br />
unumstößliche Werte – wie beispielsweise<br />
Treue, Ehrfurcht, Höflichkeit,<br />
Dankbarkeit, aber auch Wahrhaftigkeit<br />
und Gerechtigkeit – beschworen hatte,<br />
um so Lehrenden und Lernenden „das<br />
Gute“ begreiflich zu machen, „dessen<br />
Verwirklichung den Menschen recht eigentlich<br />
zum Menschen macht“.<br />
3. Verweigerung und lautlose<br />
Revolution<br />
Doch mit den Ideen und dem wachsenden<br />
Einfluß <strong>der</strong> Frankfurter Schule (vor<br />
allem Horkheimer, Adorno, Marcuse)<br />
fand Wertewandel in den sechziger und<br />
siebziger Jahren des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
nicht nur seine Erklärung und Begründung,<br />
son<strong>der</strong>n Wertekritik und aktiver<br />
Kampf gegen sogenannte bürgerliche<br />
„Sekundärtugenden“ (Treue, Ordnung,<br />
Pünktlichkeit und Ehrlichkeit,<br />
Tüchtigkeit, Fleiß und Leistungswille)<br />
wurden zu einem progressiv emanzipatorisch<br />
empfundenen Programm.<br />
Was Alexan<strong>der</strong> Mitscherlich in seinem<br />
Werk „Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft“<br />
(München, 1963) prognostiziert<br />
hatte, nämlich „ein unaufhaltsames<br />
Zerbröckeln <strong>der</strong> Hierarchie <strong>der</strong> Vaterrollen“,<br />
wurde in den siebziger und achtziger<br />
Jahren des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
durch zahllose empirische Untersuchungen<br />
belegt. Vor allem das Plädoyer Herbert<br />
Marcuses und seiner zahllosen Mitstreiter<br />
hatte deutliche Wirkung gezeigt,<br />
sich durch die „große Verweigerung“<br />
von <strong>der</strong> „repressiven Leistungsgesellschaft“<br />
zu befreien und so auch die Vorherrschaft<br />
<strong>der</strong> „intoleranten“, „triebfeindlichen“<br />
und „autoritären“ bürgerlichen<br />
Familie zu beenden.<br />
Elisabeth Noelle-Neumanns empirische<br />
Befunde, die sie 1975 unter <strong>der</strong> Fragestellung<br />
„Werden wir alle Proletarier?“<br />
vorgelegt hatte, sorgten zunächst<br />
noch für erregte Diskussionen in <strong>der</strong><br />
Gesellschaft über das Ausmaß des inzwischen<br />
eingetretenen Werteverlustes.<br />
Doch die zunächst wenig beachtete<br />
„lautlose Revolution“ gewann rasch an<br />
Ausdehnung und Wirkung durch zwei<br />
sich wechselseitig stärkenden politischen<br />
Strömungen: Zum einen sorgte –<br />
im Gefolge des Club of Rome Bestellers<br />
„Die Grenzen des Wachstums“ – eine<br />
Jahr für Jahr ausufern<strong>der</strong>e Katastrophenliteratur<br />
für Weltuntergangsängste,<br />
weil sie den Ruin des „Raumschiffes Erde“<br />
durch Leistungswahn, grenzenloses<br />
Wirtschaftswachstum und immer unkontrollierbarer<br />
werdende Technik in<br />
endlosen Varianten beschwor. Zum an<strong>der</strong>en<br />
erzielten die kämpferisch antikapitalistischen,<br />
technik- und wirtschaftsfeindlichen<br />
Programme <strong>der</strong> Grünen viel<br />
Beifall. Gerade junge Leute ließen sich<br />
von ihrem Kampf gegen überkommene<br />
Strukturen und Institutionen, gegen Autoritäten<br />
und bürgerliche Wertvorstellungen<br />
begeistern und feierten das sich<br />
Verweigern als progressiven Akt <strong>der</strong><br />
Emanzipation.<br />
Die „Null Bock“- und „No Future“-Generation<br />
gefiel sich in Selbstmitleid und<br />
zur Schau getragener Fin de Siècle-<br />
Stimmung: „Gestern standen wir noch<br />
am Rande des Abgrunds, heute sind wir<br />
schon einen Schritt weiter.“<br />
4. Ratlosigkeit und<br />
Anstandsdebatten<br />
So wun<strong>der</strong>t es nicht, daß Studentenuntersuchungen<br />
(Höhler, 1981; Glotz und<br />
Malanowski, 1982) zu dem Ergebnis<br />
kamen, daß die angehenden Akademiker<br />
– von seltenen Ausnahmen abgesehen<br />
– Pflicht- und Zielbewußtsein, Leistungs-<br />
und Verantwortungsbereitschaft<br />
nicht als schätzenswerte Eigenschaften,<br />
son<strong>der</strong>n eher als Unwerte ansahen.<br />
Es gehört heute zur Political Correctness,<br />
die 1968 begonnene Kulturrevolution<br />
als eine Befreiungsbewegung einzustufen,<br />
die vom Muß und den einengenden<br />
Regeln des Spießbürgertums befreite,<br />
die borniertes autoritäres Verhalten und<br />
den dazugehörigen Untertanengeist<br />
bloß stellte und <strong>der</strong> Lächerlichkeit preisgab,<br />
die neue Lebens- und Arbeitsformen<br />
propagierte und die vor allem progressive<br />
emanzipatorische Bildungskonzepte<br />
entwickelte und ausprobierte.<br />
Ebenso korrekt ist aber auch die Feststellung,<br />
daß die antiautoritären Erziehungsprogramme<br />
und -ideen eine erschreckend<br />
große Zahl verunsicherter<br />
und überfor<strong>der</strong>ter Lehrer, ratloser Eltern<br />
und desinteressierter Schüler beför<strong>der</strong>t<br />
haben. Mit dem Verlust von allgemein<br />
anerkannten Werten und von Autorität<br />
wuchsen Orientierungslosigkeit, Gleichgültigkeit<br />
und Leistungsverfall.<br />
Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten<br />
zu einem Land geworden, das sich<br />
in internationalen Vergleichen mit einem<br />
unteren Mittelmaß zufrieden gibt<br />
und das – statt die Ethik des Leistens<br />
und <strong>der</strong> Eigenverantwortung zu för<strong>der</strong>n<br />
– eine Ethik <strong>der</strong> Risikovermeidung, <strong>der</strong><br />
Bequemlichkeit und des Verteilens vorzieht.<br />
Weil <strong>der</strong> Staat nicht einen jeden<br />
nach seinen Wünschen versorgen kann,<br />
greifen viele – ohne jedes schlechte Gewissen<br />
– zur Selbstbedienung: Die Kleinen<br />
üben sich im Schuleschwänzen,<br />
Schwarzfahren o<strong>der</strong> Ladendiebstahl,<br />
die Großen im Blaumachen, in <strong>der</strong><br />
Schwarzarbeit o<strong>der</strong> im Steuerhinterziehen.<br />
Nehmen und Schnorren erscheint<br />
vielen seliger als das Schaffen und Geben.<br />
Rat- und hilflose Politiker versuchen<br />
es neuerdings mit Appellen an den<br />
Anstand <strong>der</strong> Bürger. Doch die Anstands-<br />
Debatte kann nicht fruchten, wenn die<br />
Wertewelt aus den Fugen geraten ist.<br />
II. Die Rolle <strong>der</strong> Eltern bei <strong>der</strong><br />
Bewältigung <strong>der</strong> Wertekrise<br />
1. Emanzipationspolitik gestern und<br />
Familienpolitik heute<br />
Wenn es um Bildung, Erziehung und<br />
Wertevermittlung geht, tragen die Eltern<br />
– vom Babyalter bis zur Volljährigkeit<br />
ihrer Kin<strong>der</strong> – die Hauptverantwortung.<br />
Es wird in den heutigen Diskussionen<br />
über Problemkin<strong>der</strong> gerne übersehen,<br />
daß in den meisten Elternhäusern<br />
mit Liebe, Hingabe und auch mit bestem<br />
Erfolg für eine humane Zukunft<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> gesorgt wird. Dies gelingt<br />
weitestgehend in bewun<strong>der</strong>nswerter<br />
Weise – trotz <strong>der</strong> Berufstätigkeit o<strong>der</strong><br />
trotz <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit bei<strong>der</strong> Elternteile.<br />
Die Medien jedoch richten ihren Focus<br />
– oftmals allzu unausgewogen – auf<br />
26 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Fälle des Versagens und auf Missstände.<br />
Die Fülle <strong>der</strong> Negativberichte führt dazu,<br />
daß Eltern allzu pauschal in eine<br />
Sündenbockrolle <strong>der</strong> Gesellschaft gezwungen<br />
werden, denen man als anonyme<br />
Masse gerne Schuldzuweisungen<br />
aufbürdet.<br />
Auch wenn das veröffentlichte Elternbild<br />
negativer gezeichnet wird, als es in<br />
Wirklichkeit ist, fällt doch eine verbreitete<br />
Unsicherheit im Elternverhalten<br />
auf. Für viele Fragen fehlen zuverlässige<br />
Antworten: Wie sieht ein zeitgemäßer<br />
Erziehungsauftrag in einer Gesellschaft<br />
aus, in <strong>der</strong> Selbstverwirklichung<br />
noch immer als Lebensziel und<br />
Sinngeber fungiert? Kann eine Frau, die<br />
nach gesellschaftlicher Akzeptanz strebt,<br />
sich voll auf die Kin<strong>der</strong>erziehung konzentrieren<br />
und auf den Beruf verzichten?<br />
Die Gesellschaftspolitik am Ende des<br />
vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts hat ihre Spuren<br />
hinterlassen: Die antiautoritäre Emanzipationspädagogik<br />
<strong>der</strong> siebziger Jahre<br />
hatte nur Hohn und Spott für nichtberufstätige<br />
Mütter übrig. Kin<strong>der</strong>, Küche, Kirche<br />
o<strong>der</strong> Selbstausbeutung im Mief <strong>der</strong><br />
Bürgerlichkeit hießen die beliebten<br />
Chiffren, mit denen verantwortungsvolle<br />
„Ganztagsmütter“ <strong>der</strong> Lächerlichkeit<br />
preisgegeben o<strong>der</strong> gar in die Nähe von<br />
Mutterkreuz und Faschismus gerückt<br />
wurden. Antiautoritäre Erziehung galt<br />
als Leitbild und wurde als Verzicht auf<br />
Normen, Werte, Zielvorgaben und<br />
Pflichten verstanden. Also ließen verunsicherte<br />
Eltern ihre Kin<strong>der</strong> gewähren<br />
und redeten sich ein, beson<strong>der</strong>s tolerant<br />
und großzügig zu sein.<br />
In den achtziger Jahren überboten sich<br />
progressiv und emanzipatorisch ausgelegte<br />
Parteiprogramme und Medienberichte<br />
darin, die Kleinfamilie mit Trauschein<br />
als Fossil einer unaufgeklärten<br />
Bürgerlichkeit darzustellen. Das Singledasein<br />
o<strong>der</strong> Wohngemeinschaften mit<br />
und ohne Kin<strong>der</strong> schienen wahres Lebensglück<br />
in Selbstbestimmung und<br />
Unabhängigkeit zu bieten. Gegenwärtig<br />
haben Politik und Staat Familienpolitik<br />
als zentrales zukunftsweisendes Thema<br />
wie<strong>der</strong> entdeckt. Doch selbst die umfassendsten<br />
sozialen Leistungen des Staates<br />
können nicht leisten, was Eltern leisten<br />
sollten: Fürsorge und tägliches Vorbild.<br />
2. Erziehungskrise und<br />
Elternversagen<br />
Doch immer wie<strong>der</strong> erschrecken jene<br />
spektakulären Berichte, die abartiges<br />
Verhalten, Gewaltanwendung o<strong>der</strong> totale<br />
Gleichgültigkeit von Müttern und<br />
Vätern vermelden. Allgemeines Elternversagen<br />
gilt heute als zentrale Ursache<br />
für die Erziehungskrise in unserer<br />
Zeit. Isolierte und einsame, gelangweilte<br />
und desinteressierte, unkonzentrierte<br />
und hypernervöse, sprach- und<br />
verhaltensgestörte, konsum- und medienbesessene,<br />
überfressene und magersüchtige,<br />
aufsässige und gewalttätige<br />
Kin<strong>der</strong> werden auf das Schuldkonto<br />
<strong>der</strong> Eltern gebucht. Und in <strong>der</strong> Tat muß<br />
sich bei vielen Müttern und Vätern im<br />
Erziehungsverhalten und in <strong>der</strong> Werteorientierung<br />
etwas än<strong>der</strong>n: Wenn<br />
Tausende junger Menschen ihre gültigen<br />
Ausbildungsverträge nicht einhalten,<br />
wenn Hun<strong>der</strong>ttausende nicht nur<br />
Unterricht schwänzen, son<strong>der</strong>n überhaupt<br />
nicht zur Schule gehen, wenn es<br />
zum Jugendimage gehört, für Designerklamotten<br />
o<strong>der</strong> Handykonsum die<br />
Zeit zu verjobben und Schulaufgaben<br />
zu vernachlässigen, dann tragen auch<br />
die Eltern für das Fehlverhalten eine<br />
Mitverantwortung.<br />
Kein einziges Elternteil darf als Erzieher<br />
abdanken, denn Eltern sind nicht<br />
nur Erziehungsberechtigte, son<strong>der</strong>n<br />
auch Erziehungsverpflichtete. Sie können<br />
sich daher von den immer erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Motivations- und Erziehungsaufgaben<br />
nicht freikaufen – nicht mit<br />
Geld für Nachhilfelehrer o<strong>der</strong> für Auslandsreisen<br />
– son<strong>der</strong>n müssen sich täglich<br />
selber kümmern.<br />
3. Verhaltensregeln und Kopfnoten<br />
Da Eltern heute vielfach total verunsichert<br />
sind, wie sie abstrakte Normen<br />
und Wertsetzungen in <strong>der</strong> Praxis umsetzen<br />
sollen und können, haben Lehrervereinigungen<br />
Minimalanfor<strong>der</strong>ungen<br />
an das Elternverhalten – einen kleinen<br />
Katechismus täglicher Erziehung –<br />
aufgestellt. Die Verhaltensregeln lassen<br />
sich in folgenden sieben Geboten<br />
zusammenfassen:<br />
1. Laß deine Kin<strong>der</strong> nicht ohne<br />
Frühstück zur Schule gehen!<br />
2. Wache darüber, wie deine Kin<strong>der</strong><br />
ihre Schularbeiten erledigen!<br />
3. Schicke deine Kin<strong>der</strong> ausgeschlafen<br />
in die Schule!<br />
4. Sorge für gesunde Ernährung,<br />
Sport, Spiel und kulturelle Betätigung!<br />
5. Verhin<strong>der</strong>e das Schuleschwänzen<br />
und das exzessive Jobben!<br />
6. Sprich und lies mit deinen Kin<strong>der</strong>n,<br />
damit sie sich ordentlich artikulieren<br />
können!<br />
7. Besuche die Elternversammlungen!<br />
Viele <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong> wollen die Wirksamkeit<br />
solcher Verhaltensregeln durch<br />
die Wie<strong>der</strong>einführung <strong>der</strong> früher verfemten<br />
„Kopfnoten“ – Ordnung, Fleiß<br />
und Pünktlichkeit, Mitarbeit und Betragen<br />
– unterstützen, um so auch wie<strong>der</strong><br />
die Zusammenarbeit von Lehrern und<br />
Eltern in Erziehungsfragen zu beför<strong>der</strong>n.<br />
Die möglichst umfassende Umsetzung<br />
dieser Zielsetzung könnte in <strong>der</strong><br />
Tat die Bedeutung und den Wert des Erziehungsauftrages<br />
unterstreichen.<br />
4. Gemeinsame Lehrer- und<br />
Elternleistungen<br />
Die kontinuierliche Zusammenarbeit<br />
zwischen Lehrern und den Müttern und<br />
Vätern muß deutlich verstärkt werden.<br />
Schulklima und Schulqualität muss auch<br />
von den Eltern mitgestaltet werden.<br />
Eltern müssen viel häufiger, als es bisher<br />
geschieht, über Leistungsziele des<br />
Schuljahrs und über den Leistungsstand<br />
ihrer Kin<strong>der</strong> informiert werden, damit<br />
sie an <strong>der</strong> Zielerreichung mitwirken<br />
können und sich auch mitverantwortlich<br />
fühlen. Das Schulzeugnis ist immer das<br />
Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen,<br />
denn Zensuren beinhalten nicht nur ein<br />
Urteil über Schüler, son<strong>der</strong>n auch über<br />
Lehrer- und Elternleistungen.<br />
Wenn Lehrer und Eltern sich wechselseitig<br />
in ihren Erziehungs- und Bildungsaufgaben<br />
unterstützen und bestärken,<br />
wenn sie sich über Leistungsziele<br />
und Qualitätsniveaus einigen und diese<br />
sogar zu übertreffen versuchen, wenn<br />
sie den Kin<strong>der</strong>n gemeinsam begreiflich<br />
machen, daß ihr erfolgreich absolvierter<br />
Schulabschluß <strong>der</strong> Fahrschein in eine<br />
gute Zukunft ist, dann kann sich eine<br />
neue Lernkultur entfalten, in <strong>der</strong> die deprimierenden<br />
PISA-Befunde <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
angehören.<br />
5. Leistungsdruck und<br />
Leistungsfreude<br />
Die PISA-Leistungsvergleiche haben<br />
gezeigt: Ohne eine deutliche Anhebung<br />
des Qualitätsniveaus in den Schulen<br />
verliert die Jugend Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Zukunftschancen. Elternbefragungen<br />
haben jedoch ergeben, daß sie<br />
alles vermeiden möchten, was ihr Kind<br />
zusätzlich belasten könnte – frühe Einschulung,<br />
mehr und intensiverer Unterricht,<br />
höhere Leistungen und schärfere<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 27
Kontrollen. Für sie bedeuten Wettbewerb<br />
und klare Zielvorgaben einen Leistungsdruck,<br />
<strong>der</strong> ihren Kin<strong>der</strong>n die Unbeschwertheit<br />
raubt. Aber – bei allem<br />
Verständnis für das Streben von Eltern,<br />
ihren Kin<strong>der</strong>n Anstrengungen zu ersparen<br />
– Aufgaben zu stellen und das Erreichen<br />
gesetzter Ziele zu überprüfen und<br />
zu würdigen, gehört dennoch zweifellos<br />
zur Erziehungsaufgabe. Und nichts motiviert<br />
Menschen besser und dauerhafter<br />
als die Freude und das Glücksgefühl,<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen erfolgreich gemeistert<br />
zu haben.<br />
III. Die Rolle <strong>der</strong> Lehrer bei <strong>der</strong><br />
Bewältigung <strong>der</strong> Wertekrise<br />
1. Autoritätsverluste und<br />
verheerendes Lehrerbild<br />
Lehrer sind die Dreh- und Angelpunkte<br />
für eine gute und erfolgreiche Schule.<br />
Die Lehrer brauchten die volle Unterstützung<br />
von Staat und Gesellschaft,<br />
aber vor allem von den Eltern. Doch das<br />
Gegenteil ist vielmals <strong>der</strong> Fall: Lehrer<br />
werden allzu oft mit den vorhandenen<br />
Problemen, Mißständen und Unzulänglichkeiten<br />
allein gelassen.<br />
Nach den wie<strong>der</strong>holten internationalen<br />
Schul-Leistungsvergleichen, <strong>der</strong>en Ergebnisse<br />
einen gesamtgesellschaftlichen<br />
PISA-Schock hervorriefen, obwohl<br />
schon seit Jahrzehnten <strong>der</strong> Verfall<br />
von Arbeitsmoral, Engagement und Niveau<br />
empirisch belegt war, ging es allenthalben<br />
auf die Suche nach Schuldigen.<br />
Vor allem den Lehrern wurde totales<br />
Versagen angelastet. Zum einen<br />
wurden Gleichheitsutopien und Machbarkeitseuphorie,<br />
eine Pädagogik des<br />
Spaßes und <strong>der</strong> Beliebigkeit, die Vergabe<br />
von Discountnoten und <strong>der</strong> Verzicht<br />
auf Sanktionen als Verursacher <strong>der</strong> Bildungsmisere<br />
angesehen, zum an<strong>der</strong>en<br />
galten auch die Verbreitung von Perspektivlosigkeit<br />
und Untergangsalarmismus<br />
als Gründe für die Motivationsund<br />
Niveauverluste.<br />
Als Folge <strong>der</strong> PISA-Studien sah das von<br />
den Medien verbreitete Lehrerbild verheerend<br />
aus: Der deutsche Lehrer gilt<br />
als überaltert und oftmals krank, faul<br />
und lustlos, resigniert und ausgebrannt,<br />
pädagogisch unfähig und lebensfern<br />
und zudem – im Vergleich zu den europäischen<br />
Kollegen – mit geringer Wochenstundenzahl<br />
belastet und dabei<br />
hochbezahlt. Der dramatische Autoritäts-<br />
und Prestigeverlust macht die<br />
Lehrer zu großen Verlierern, wenn es<br />
um das Ansehen ihres Berufes in <strong>der</strong><br />
Gesellschaft geht. Dabei kann kein<br />
Zweifel darüber bestehen, dass in unseren<br />
Schulen anspruchsvolle Zielvorstellungen,<br />
ein Klima <strong>der</strong> Leistungsfreude<br />
und ein hohes Niveau nur mit<br />
den Lehrern – und nicht gegen sie – erreicht<br />
werden kann. Denn ohne pädagogisch<br />
und fachlich hochqualifizierte<br />
Lehrer kann es keinen effizienten Unterricht<br />
geben. Und ohne eine hohe<br />
Lehrleistung ist Schulqualität nicht erreichbar.<br />
2. Bessere Schulausstattung und<br />
besserqualifizierte Lehrer<br />
Um die vorhandenen Mängel in den<br />
Schulen wirksam zu beseitigen, muß einerseits<br />
die Schulausstattung (Gebäude,<br />
Räume, Labore, Computer) verbessert<br />
werden, an<strong>der</strong>erseits werden viel mehr<br />
(vor allem pädagogisch) besser qualifizierte<br />
Lehrer gebraucht, die einen motivierenden,<br />
von Methodenvielfalt geprägten,<br />
niveauvollen Unterricht abhalten.<br />
Nicht die Schulform ist von entscheiden<strong>der</strong><br />
Bedeutung, auch nicht die<br />
Großzügigkeit <strong>der</strong> Gebäude und <strong>der</strong><br />
Räume o<strong>der</strong> die Höhe <strong>der</strong> Lehrervergütung<br />
und eine niedrige Pflichtstundenzahl,<br />
son<strong>der</strong>n die Qualität des Unterrichts.<br />
Die großen Autoritätsverluste <strong>der</strong> Lehrerschaft<br />
können nur von ihr selbst mit<br />
Einsatzwillen und Kompetenz wie<strong>der</strong>gewonnen<br />
werden. Nur mit Leistungsfreude<br />
in einer allgemeinen Kultur <strong>der</strong><br />
Anstrengung können die Lehrer ihrer<br />
Vorbildrolle in <strong>der</strong> Gesellschaft gerecht<br />
werden. Nur so können sie das Streben<br />
nach „Excellence“ zu einem Leitbild<br />
machen, das dann auch von <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
anerkannt wird.<br />
3. Lehren und Erziehen als<br />
Dienst am Schüler<br />
Lehren und Erziehen beför<strong>der</strong>n gemeinsam<br />
den Bildungsprozeß und sind ein<br />
Dienst an jedem einzelnen Schüler. Der<br />
Lehrer muß dazu befähigen, daß ein je<strong>der</strong><br />
sich selbst und seinen Standort in<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft findet, seine Persönlichkeit<br />
behauptet, aber auch seinen Teil<br />
zur gesellschaftlichen Entwicklung<br />
beiträgt. Bildung muß dem einzelnen<br />
nicht nur Mut und Kraft geben, aufgetretenen<br />
Wandel anzunehmen und zu<br />
bewältigen, son<strong>der</strong>n muß ihn aktiv, initiativ<br />
und kreativ werden lassen, selber<br />
Wandel zu gestalten.<br />
Somit gehört zu den Bildungszielen<br />
nicht nur die Fähigkeit zu Wissensanwendung<br />
und -umsetzung, son<strong>der</strong>n<br />
auch die För<strong>der</strong>ung von Werthaltungen<br />
und Handlungsnormen. Das Bildungsziel<br />
muß sein, Wissen so zu vermitteln,<br />
daß es mit Gewissen und mit<br />
Handlungskompetenz genutzt werden<br />
kann.<br />
4. Lehren und Erziehen als Dienst<br />
an <strong>der</strong>Gesellschaft<br />
Lehren und Erziehen sind ein Dienst an<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft, denn es müssen Wege<br />
gewiesen werden, Demokratie und<br />
<strong>Freiheit</strong> hochzuschätzen und zu nutzen,<br />
Gewalt und Diskriminierungen zu<br />
verachten, Moral und Anstand, Solidarität<br />
und Subsidiarität zu pflegen.<br />
Lehren und Erziehen müssen zugleich<br />
dafür Sorge tragen, den fortdauernden<br />
wirtschaftlich technischen und gesellschaftlichen<br />
sozialen Wandel mitgestalten<br />
zu können. Wissen und Können,<br />
Fertigkeiten und Fähigkeiten, Wertbewußtsein<br />
und Handlungskraft müssen<br />
so entwickelt werden, daß ein je<strong>der</strong> einen<br />
Platz im beruflichen und gesellschaftlichen<br />
Leben ausfüllen kann.<br />
Schulbildung muß das tragfähige Fundament<br />
bieten, mit Neugier auf Neues<br />
und mit einer lebenslangen Lernbereitschaft<br />
zuwachsendes Wissen aufnehmen,<br />
einordnen und bewerten und vom<br />
bloßen Vorurteil zum begründeten eigenen<br />
Urteil kommen zu können.<br />
5. Erziehungsziele und<br />
verpflichtende Richtlinien<br />
Lehrer, die sich in unserer Zeit des<br />
Wertepluralismus und <strong>der</strong> Orientierungsschwäche<br />
unsicher darüber sind,<br />
welche Normen, Werte und Erziehungsziele<br />
sie ansteuern sollen, finden<br />
gültige und verpflichtende Richtlinien<br />
in den Län<strong>der</strong>verfassungen, die dort<br />
zum Wohle <strong>der</strong> Gesellschaft und <strong>der</strong><br />
Heranwachsenden formuliert sind,<br />
zum Beispiel:<br />
– Achtung vor <strong>der</strong> Würde des<br />
Menschen<br />
– Anerkennung ethischer Normen<br />
– Entwicklung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />
sowie von Leistungsbereitschaft<br />
und sozialer Gesinnung<br />
– Aufgeschlossenheit für alles<br />
Wahre, Gute und Schöne<br />
– Entwicklung von politischem<br />
Verantwortungsbewußtsein<br />
– Erziehung zur Verantwortung<br />
für Natur und Umwelt<br />
28 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
– Erziehung zur Nächstenliebe,<br />
Menschlichkeit, Demokratie,<br />
<strong>Freiheit</strong> und Toleranz<br />
– Heranbildung <strong>der</strong> beruflichen<br />
Tüchtigkeit<br />
– Liebe zu Volk und Heimat<br />
– Heranbildung des Verständnisses<br />
für an<strong>der</strong>e Kulturen<br />
– Eintreten für die Gleichheit und<br />
das Lebensrecht aller Menschen.<br />
6. Schulqualität und<br />
Begabungsför<strong>der</strong>ung<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Aufgabe von Schule<br />
und Elternhaus ist es, die im jungen<br />
Menschen angelegten Interessen und<br />
Begabungen bestmöglich zu entfalten.<br />
Begabtenför<strong>der</strong>ung ist wirksamer<br />
Treibstoff zur Verbesserung <strong>der</strong> Schulqualität.<br />
„Die Flut hebt, die Ebbe senkt<br />
alle Schiffe“, sagen Psychologen und<br />
Pädagogen und meinen damit, daß<br />
durch die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s<br />
Leistungsstarken das Niveau ganz generell<br />
angehoben werden kann,<br />
während Mittelmaß im Unterricht zu<br />
allgemeiner Leistungsschwäche führt.<br />
Der Hochbegabte reüssiert nicht von<br />
selbst, we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Schule noch im Beruf.<br />
Nachdem <strong>der</strong> Begriff Elite über Jahrzehnte<br />
als Unwort in <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong><br />
Educational Correctness galt und Eliteför<strong>der</strong>ung<br />
als ein schon beinahe faschistoides,<br />
Chancengleichheit verhin<strong>der</strong>ndes<br />
Verhalten diskreditiert wurde, hat<br />
sich neuerdings die Einsicht durchgesetzt,<br />
daß es ein Gebot <strong>der</strong> Humanität,<br />
<strong>der</strong> pädagogischen Vernunft und <strong>der</strong><br />
gesellschaftlichen Notwendigkeit ist,<br />
allgemeine und auch spezielle Hochbegabungen<br />
nicht brach liegen und verkümmern<br />
zu lassen. Es gibt einen neuen<br />
Konsens: Das Persönlichkeitsrecht<br />
auf bestmögliche Entfaltung angelegter<br />
Begabung ist zu respektieren, und<br />
zum Wohl von Gesellschaft und Wirtschaft<br />
sind Leistungs- und Verantwortungseliten<br />
zu för<strong>der</strong>n.<br />
Für die Schwachen gilt dieselbe Feststellung:<br />
Sie haben ein Anrecht auf<br />
bestmögliche Entwicklung aller Kräfte.<br />
Die För<strong>der</strong>ung sollte früh gezielt<br />
und paßgenau erfolgen. Zahllose Modellversuche<br />
haben bewiesen, daß auch<br />
Leistungsgemin<strong>der</strong>te erstaunliche Ergebnisse<br />
erzielen und ihren Platz in<br />
Wirtschaft und Gesellschaft finden<br />
können.<br />
IV.Die Verantwortung von<br />
Schülern, Eltern und Lehrern<br />
für Schulqualität<br />
1. Schülerengagement und<br />
Schülerleistung<br />
Der dramatische Rückgang <strong>der</strong> Schulabgängerzahlen<br />
– aus den bekannten demographischen<br />
Gründen – wird sich<br />
wegen des damit verbundenen mangels<br />
an Fachkräftenachwuchs zu einem zentralen<br />
Problem deutscher Unternehmen<br />
entwickeln. Um so wichtiger ist es, die<br />
Schüler schon jetzt in den Prozeß <strong>der</strong><br />
Schul- und Qualitätsentwicklung mit<br />
einzubeziehen.<br />
Wenn Schüler erleben und erfahren, wie<br />
sie selbst mit ihren Interessen, ihren Begabungen<br />
und mit ihrem Leistungsvermögen<br />
Schulqualität mitgestalten und<br />
heben können, fühlen sie sich nicht länger<br />
als passive Lehrobjekte, son<strong>der</strong>n begreifen<br />
sich als aktive und initiative<br />
Mitgestalter.<br />
Schüler müssen begreifen und erfahren,<br />
daß sie nur dann eine Gesellschaft mitgestalten<br />
und an<strong>der</strong>en helfen können,<br />
wenn sie sich selber helfen können.<br />
Dafür ist ein solides Bildungsfundament<br />
die beste Basis.<br />
Ein Schulabgänger, <strong>der</strong> in Beruf und<br />
Gesellschaft eine gestaltende Rolle<br />
spielen will, sollte mit folgendem Rüstzeug<br />
ausgestattet sein:<br />
1. Erkann lesen.<br />
Er kann den Sinn von Texten erfassen<br />
und ihn korrekt wie<strong>der</strong>geben. Er<br />
kann Wichtiges von Unwichtigem<br />
unterscheiden. Er kann Informationen<br />
in größere Zusammenhänge einordnen,<br />
kann sie gewichten und bewerten.<br />
2. Erkann schreiben.<br />
Er beherrscht seine Muttersprache<br />
mündlich und schriftlich und kann<br />
sich klar und folgerichtig ausdrücken.<br />
Er verwendet vollständige<br />
Sätze, die grammatikalisch und orthographisch<br />
korrekt nie<strong>der</strong>geschrieben<br />
werden. Er ist in <strong>der</strong> Lage,<br />
auch ein komplexes Thema abzuhandeln,<br />
von verschiedenen Seiten<br />
zu beleuchten und eigene Urteile zu<br />
fällen, die gut begründet sind.<br />
3. Erkann rechnen.<br />
Er hat ein Verständnis für Zahlen<br />
und Größenordnungen, beherrscht<br />
Grundrechenarten, Bruchrechnen,<br />
Prozentrechnen und Dreisatz. Er<br />
kann logische Ordnungen und Beweise<br />
nachvollziehen, hat (zum Beispiel<br />
bei Textaufgaben) Problemlösungskompetenz<br />
und kann sie auch<br />
auf verwandte Aufgaben übertragen.<br />
Er hat Transferfähigkeit.<br />
4. Erkann sich in einer<br />
Fremdsprache ausdrücken.<br />
Er ist mündlich und schriftlich des<br />
Englischen so weit mächtig, daß er<br />
in Wort und Schrift die Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> weltweiten Vernetzung nutzen<br />
und sich mit Partnern „verhandlungsfähig“<br />
unterhalten kann.<br />
5. Erkann arbeiten.<br />
Er weiß, was er will, ist selbstständig,<br />
ziel- und leistungsbewußt. Er<br />
schreibt Erfolge und Mißerfolge<br />
sich selbst – nicht etwa den an<strong>der</strong>en<br />
– zu.<br />
6. Erkann mit Mitmenschen<br />
umgehen.<br />
Er ist hilfsbereit, verläßlich und höflich.<br />
Er besitzt Urteilsvermögen und<br />
Kritikfähigkeit sich selbst und an<strong>der</strong>en<br />
gegenüber.<br />
Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Gründlichkeit,<br />
Pünktlichkeit und Selbstdisziplin<br />
sind für ihn keine Fossilien<br />
aus verstaubten Tugendkatalogen,<br />
son<strong>der</strong>n gelebte Wirklichkeit, denn<br />
er hat erkannt, daß Kommunikation<br />
und Teamarbeit, kurz: soziales Zusammenleben<br />
nicht ohne verläßliche<br />
Ordnungsprinzipien möglich sind.<br />
Er besitzt Sozialkompetenz und<br />
Schlüsselqualifikationen. Er hat<br />
auch die Fähigkeit, mit Menschen<br />
an<strong>der</strong>er Alters-, Bildungsstufen und<br />
Weltanschauungen umgehen zu<br />
können. Er ist tolerant, offen und<br />
auslän<strong>der</strong>freundlich, ohne sich<br />
selbst zu verleugnen.<br />
7. Erdenkt an sich und an<strong>der</strong>e.<br />
Er ist bestrebt, sein Leistungspotential<br />
und seine Persönlichkeit zu entfalten<br />
und seine Fähigkeiten nach<br />
Kräften in Beruf und Gesellschaft<br />
einzubringen. Er erwartet dafür Anerkennung,<br />
angemessenen Lohn und<br />
angemessene Stellung.<br />
Er weiß dennoch sehr wohl, seine<br />
Kräfte in den Dienst <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
zu stellen, in <strong>der</strong> er lebt und<br />
die er braucht. Sein Emanzipationsstreben<br />
und das Ausleben seiner Persönlichkeit<br />
wird niemals „a“sozial.<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 29
Eigennutz und Gemeinwohl sind für<br />
ihn keine Gegensätze, son<strong>der</strong>n eine<br />
selbstverständliche Synthese.<br />
2. Schule und Elternhaus als<br />
Partner<br />
Lehrer und ihr Unterricht, Eltern und ihre<br />
Erziehungsarbeit stehen heute in <strong>der</strong><br />
vor<strong>der</strong>sten Kritiklinie, wenn es um Bildung<br />
und Bildungserfolg geht. Daß diese<br />
Gruppierungen beson<strong>der</strong>s angegriffen<br />
werden, unterstreicht ihre Schlüsselrolle<br />
und ihre große Bedeutung und<br />
beweist zugleich, daß ein vor wenigen<br />
Jahren noch undenkbarer Richtungswandel<br />
stattgefunden hat. Nicht Staatsallmacht<br />
ist <strong>der</strong> Heilsbringer, son<strong>der</strong>n<br />
Subsidiarität. Die kleinen Einheiten <strong>der</strong><br />
Gesellschaft – die Familie und die<br />
Schule – werden als die relevanten Motoren<br />
für eine erfolgreiche Zukunftsgestaltung<br />
angesehen. Die Persönlichkeit<br />
und die Hingabe des Lehrers, <strong>der</strong> Mutter<br />
und des Vaters sind wie<strong>der</strong> gefragt.<br />
Die Problemlösungen können auch<br />
nicht durch ein Nebeneinan<strong>der</strong> o<strong>der</strong> gar<br />
ein kämpferisches Gegeneinan<strong>der</strong> von<br />
Elternhaus und Schule gewonnen werden,<br />
son<strong>der</strong>n Kooperation in Partnerschaft<br />
bringt die synergetische Kraft,<br />
die gebraucht wird, um wie<strong>der</strong> eine<br />
Kultur- und Bildungsnation zu werden.<br />
In einer wechselseitigen Anerkennung<br />
<strong>der</strong> Bedeutung dieser Schlüsselgruppen<br />
für die Problemlösung liegt auch die<br />
große Chance, Autorität und Ansehen<br />
von Eltern und Lehrern in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
zu stärken und so die anstehenden<br />
Aufgaben besser erfüllen zu können.<br />
Negatives Verhalten ist nicht unter<br />
den Teppich <strong>der</strong> Gleichgültigkeit zu fegen,<br />
son<strong>der</strong>n ist deutlich zu kritisieren<br />
und auch mit Sanktionen zu belegen.<br />
Aber dieses Land ist trotz aller offensichtlichen<br />
Schwachstellen, Mängel<br />
und Probleme keine Wüste voller Not,<br />
Elend und Leere, son<strong>der</strong>n es gibt eine<br />
Riesenfülle großartiger Beispiel für erfolgreiches<br />
Erziehen, Lehren und Lernen.<br />
Diese Positivbeispiele müßten solange<br />
in <strong>der</strong> ganzen Gesellschaft anerkannt<br />
und verbreitet werden, bis das<br />
heute noch Exzeptionelle zur Selbstverständlichkeit<br />
geworden ist. ■<br />
Aus: Winfried Schlaffke. Wertewandel<br />
in Schule und Arbeitswelt, in: Memoranden-Forum,<br />
Bonner Impulse für<br />
Gesellschaft und Wirtschaft, Mainz,<br />
<strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> (Logophon Verlag),<br />
ISBN 3-936172-04-8.<br />
Winfried Schlaffke ist Mitglied des Erweiterten<br />
Vorstands des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>.<br />
Korrespondenzadresse s. S. 5<br />
Gratulation<br />
Dr. Ursula Besser 90 Jahre<br />
Dr. Ursula Besser hatte seit 1970 in<br />
<strong>der</strong> Berliner Hochschulpolitik und <strong>der</strong><br />
Arbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>,<br />
vor allem seiner damaligen<br />
Berliner Sektion, <strong>der</strong> Notgemeinschaft<br />
für eine freie Universität, einen<br />
zentralen Platz. Für die CDU vertrat<br />
sie – als Mitglied des Abgeordnetenhauses<br />
seit 1967 und vor allem als<br />
Vorsitzende des <strong>Wissenschaft</strong>sausschusses<br />
bis 1985 – kenntnisreich und<br />
entschlossen die Hochschulpolitik in<br />
Berlin gerade in den Jahren <strong>der</strong> Studentenrevolte<br />
und des durch neue<br />
Hochschulgesetze herbeigeführten<br />
Umbruchs in den Berliner Hochschulen.<br />
Wenige an<strong>der</strong>e kannten auch die<br />
inneren Vorgänge in den Berliner<br />
Hochschulen so genau wie sie, die<br />
lange Jahre den Kuratorien <strong>der</strong> Technischen<br />
Universität, <strong>der</strong> Freien Universität<br />
und <strong>der</strong> Technischen Fachhochschule<br />
Berlin angehörte. Sie ist<br />
Ehrensenatorin <strong>der</strong> Technischen Universität<br />
und <strong>der</strong> Technischen Fachhochschule.<br />
1982 bewirkte sie die<br />
Übersiedlung <strong>der</strong> Europäischen Wirtschaftshochschule<br />
e.V. nach Berlin.<br />
Ursula Bessers Lebenslauf ist <strong>der</strong> einer<br />
konservativen Frau von 1917. In diesem<br />
Jahr wurde sie in Berlin geboren und<br />
legte hier 1936 das Abitur ab. Sie hat<br />
zwei Kin<strong>der</strong>. Nach dem Tod ihres Ehemannes<br />
studierte sie 1943 bis 1949 in<br />
Berlin, mit Unterbrechungen durch die<br />
Kriegereignisse, zunächst Auslandswissenschaften,<br />
seit 1945 Germanistik und<br />
Romanistik, und promovierte zum Dr.<br />
phil. Dann war sie als Übersetzerin, Privatlehrerin<br />
und Publizistin tätig. Schon<br />
1945 trat sie <strong>der</strong> CDU bei, in <strong>der</strong> sie alle<br />
Stationen vom Ortsverband bis zum<br />
Kreisvorsitz in Berlin-Schöneberg<br />
durchlief. 1962 wurde sie hier Bezirksverordnete.<br />
Zunächst lag <strong>der</strong> Schwerpunkt<br />
ihrer Arbeit auf <strong>der</strong> Kommunalund<br />
Schulpolitik (u.a. Vorstandsmitglied<br />
<strong>der</strong> Kommunalpolitischen Vereinigung<br />
Berlin, Schriftführerin des Landesausschusses<br />
für Schulwesen), bevor<br />
die Hochschulpolitik ins Zentrum ihrer<br />
Arbeit trat. Hinzu kamen internationale<br />
Aktivitäten: sie war Schatzmeisterin des<br />
„Politischen Klubs“, <strong>der</strong> sich im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Helsinki-Konferenz<br />
zum Ziel setzte, das Gespräch zwischen<br />
Dr. Ursula Besser<br />
Ost und West zu för<strong>der</strong>n. Schließlich<br />
muß Ursula Bessers Engagement in<br />
<strong>der</strong> Evangelischen Kirche erwähnt<br />
werden. Sie gehörte <strong>der</strong> Synode von<br />
Berlin-Brandenburg an und war Mitglied<br />
im Leitungskreis <strong>der</strong> Evangelischen<br />
Sammlung konservativer Christen.<br />
Sie ist Stadtälteste von Berlin.<br />
Am 5. Januar 2007 wollen wir in Berlin<br />
ihren 90. Geburtstag feiern.<br />
Hans Joachim Geisler<br />
30 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Jürgen Aretz hielt Gedenkrede<br />
Gerhard-Löwenthal-Raum im Mauermuseum<br />
(Berlin, 2. <strong>Dezember</strong> <strong>2006</strong> – <strong>fdw</strong>) Anläßlich <strong>der</strong> Ausstellungseröffnung würdigte Jürgen Aretz, Staatssekretär<br />
im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, Mitverfasser des 1997 erschienen<br />
Buches „Die vergessenen Opfer <strong>der</strong> DDR“, die Verdienste des ehemaligen ZDF-Journalisten.<br />
Beson<strong>der</strong>e Erwähnung fanden seine konkreten Hilfen für die bedrängten Menschen in Mitteldeutschland<br />
während <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> SED-Diktatur.<br />
Im Jahre 1977 wurde Gerhard Löwenthal<br />
für die Sendung „Hilferufe von drüben“<br />
mit <strong>der</strong> „Goldenen Kamera“ ausgezeichnet,<br />
die von <strong>der</strong> Programmzeitschrift<br />
HÖRZU ins Leben gerufen worden<br />
war, um herausragende Fernsehleistungen<br />
eines jeden Jahres zu würdigen.<br />
Diese Auszeichnung glänzt nun als Erinnerungsstück<br />
auf einem Sockel im<br />
Mittelpunkt des neuen Raumes im Mauermuseum.<br />
Er dokumentiert Szenen aus<br />
Gerhard Löwenthals Leben und ruft insbeson<strong>der</strong>e<br />
auch die „Hilferufe von drüben“<br />
in lebendige und bedrückende Erinnerung.<br />
Weitere private Erinnerungsstücke, die<br />
die ebenfalls anwesende Witwe Gerhard<br />
Löwenthals gesammelt hat, finden sich<br />
in <strong>der</strong> Ausstellung.<br />
Nach einer Begrüßung durch Alexandra<br />
Hildebrandt, die Betreiberin des Museums,<br />
und einer Einleitung von<br />
Löwenthals Sohn Thomas Löwenthal<br />
erinnerte Jürgen Aretz in eindringlichen<br />
Worten an den Menschen und Kämpfer<br />
Gerhard Löwenthal. Jenseits aller politischen<br />
Korrektheit habe er die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit dem Zeitgeist nicht gescheut.<br />
Selbst den Bedrohungen des<br />
Jürgen Aretz bei seiner Ansprache<br />
Gerhard Löwenthal im ZDF-Magazin – So sahen ihn Millionen Menschen<br />
NS-Staates entkommen, habe er neues<br />
Unrecht am Menschen angeprangert.<br />
Aber: „Folgenloses bürgerliches Lamentieren“<br />
kam für ihn nicht in Frage.<br />
Beim Thema Menschenrechte war er<br />
kompromißlos und schroff. Löwenthal<br />
war ein „jüdischer Deutscher“, ein<br />
„glühen<strong>der</strong> Patriot“ und ein „bekennen<strong>der</strong><br />
Europäer“. Er habe Tausenden<br />
von Menschen mittelbar geholfen und<br />
das Bewußtsein auf Einheit wachgehalten.<br />
Löwenthal habe tätige Hilfe geleistet.<br />
Mit Verweis auf Löwenthals Stasi-Akten<br />
zeigte <strong>der</strong> Redner auf den Charakter<br />
des DDR-Regimes, das allen<br />
Nostalgietendenzen zum Trotz nicht<br />
nur eine „kuschelige, altmodische Bevormundungsdiktatur“<br />
gewesen sei.<br />
Neben Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Familien<br />
Löwenthal und Schenk ( Co-Mo<strong>der</strong>ator<br />
beim ZDF-Magazin) waren auch Menschen<br />
bei <strong>der</strong> Ausstellungseröffnung,<br />
die sich in den Menschenrechtsvereinigungen,<br />
denen auch Gerhard Löwenthal<br />
angehörte bzw. als Präsident vorstand,<br />
engagiert hatten o<strong>der</strong> denen von<br />
ihnen geholfen worden war. Ihre immer<br />
noch emotionale Anspannung<br />
machte sich in zustimmenden Zwischenrufen<br />
Luft.<br />
Einleitend hatte Thomas Löwenthal<br />
gesagt, es sei für die Familie damals<br />
nicht immer angenehm gewesen, im<br />
Rampenlicht zu stehen. Umso richtiger<br />
ist es – darf man feststellen –, daß Gerhard<br />
Löwenthals Wirken jetzt durch<br />
diese Ausstellung wie<strong>der</strong> ins Rampenlicht<br />
gerückt wird.<br />
Gerhard Löwenthal war Mitglied des<br />
<strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>. Am<br />
18. November 1970 gehörte er zu den<br />
Mitunterzeichnern des Gründungsaufrufs.<br />
■<br />
Winfried Holzapfel<br />
Nachbemerkung:<br />
Gerhard Löwenthals Lebenserinnerungen<br />
„Ich bin geblieben“ sind in <strong>der</strong><br />
Edition JF <strong>2006</strong> in Neuauflage erschienen.<br />
Zitat: „Gerhard Löwenthal<br />
schil<strong>der</strong>t hier aus seiner Sicht sein<br />
Überleben <strong>der</strong> NS-Diktatur in<br />
Deutschland und seinen jahrzehntelangen<br />
publizistischen Kampf für die Opfer<br />
kommunistischer Unterdrückung<br />
und gegen die Verharmlosung <strong>der</strong> kommunistischen<br />
Diktatur.“<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 31
B c h e r revue<br />
Ann-Katrin Kaufhold:<br />
Die Lehrfreiheit – ein verlorenes<br />
Grundrecht? Zu Eigenständigkeit<br />
und Gehalt<br />
<strong>der</strong>Gewährleistung freier<br />
Lehre in Art. 5 Abs. 3 GG<br />
(Schriften zum Öffentlichen<br />
Recht, 1021)<br />
Berlin: Duncker& Humblot <strong>2006</strong>,<br />
360 S., ISBN 3-428-11942-8<br />
Euro 74,–<br />
Die Autorin <strong>der</strong> vorliegenden Freiburger<br />
Dissertation vertritt die Auffassung,<br />
daß im Bereich <strong>der</strong> Rechtswissenschaft<br />
und Rechtsprechung die Lehrfreiheit<br />
aus dem Blick verloren worden sei.<br />
Zwar finde sich die Lehrfreiheit im Zusammenhang<br />
mit Erörterungen <strong>der</strong> Forschungs-<br />
und <strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit,<br />
doch friste die Lehrfreiheit selbst ein eigentümliches<br />
Schattendasein, dessen<br />
Berechtigung geprüft werden soll. Dabei<br />
zeigt sich nach Auffassung <strong>der</strong> Autorin,<br />
daß die Rede von einem „Grundrecht<br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit“ nicht<br />
sinnvoll ist. Die Lehrfreiheit erweise<br />
sich als eigenständiges Grundrecht, das<br />
dementsprechend einer eigenen Grundrechtsdogmatik<br />
bedürfe. Die Arbeit<br />
glie<strong>der</strong>t sich in zwei komplementäre<br />
Teile. Im ersten geht es um den von <strong>der</strong><br />
Autorin behaupteten „Abschied von <strong>der</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit“, im zweiten um<br />
die „Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> Lehrfreiheit“.<br />
Ein historischer Abriß legt die<br />
Vermutung nahe, daß die einseitige Fokussierung<br />
auf die Forschungsfreiheit<br />
zu Lasten <strong>der</strong> Lehrfreiheit gehen könnte.<br />
Jedenfalls sieht die Autorin ihre<br />
Skepsis bestätigt, „daß Lehr- und Forschungsfreiheit<br />
mit einem einheitlichen<br />
Grundrecht und einer einheitlichen<br />
Dogmatik <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit zugleich<br />
und gleichermaßen gewährleistet<br />
werden können“ (S. 99).<br />
Lehrfreiheit als Grundrecht<br />
Der zweite Teil unternimmt die anspruchsvolle<br />
Aufgabe, die Lehrfreiheit<br />
als eigenständiges Grundrecht neben<br />
<strong>der</strong> Forschungsfreiheit zu entfalten und<br />
dabei auch zu klären, für wen sie von<br />
welchem Wert ist und welche Konfliktpotentiale<br />
mit ihr verbunden sind. ‚Eigenständig‘<br />
meint hier, daß dieses<br />
Grundrecht sich in irgendeiner Form<br />
von <strong>der</strong> Garantie freier Lehre unterscheidet,<br />
die als Element <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit<br />
anzusehen ist. Die Autorin<br />
kommt zu dem Ergebnis, daß die<br />
„strukturellen Unterschiede <strong>der</strong> Normbereiche<br />
von Lehr- und Forschungsfreiheit“<br />
dazu führen müßten, die Lehrfreiheit<br />
als selbständiges Grundrecht neben<br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit zu qualifizieren.<br />
Die Lehrfreiheit, so ihre Behauptung,<br />
stehe heute nicht mehr im Dienst<br />
von <strong>Wissenschaft</strong> und <strong>der</strong>en Fortschritt<br />
an Erkenntnis. Dies werde vielmehr<br />
durch den Forschungsdiskurs geleistet.<br />
Die Funktion <strong>der</strong> Lehrfreiheit<br />
Die Funktion <strong>der</strong> Lehrfreiheit bestehe<br />
demgegenüber in <strong>der</strong> „Gewährleistung<br />
eines freiheitlichen Bildungs- und Ausbildungssystems“.<br />
Ein eigenständiges<br />
Grundrecht <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit<br />
sieht die Autorin als nicht mehr gegeben<br />
an, da <strong>der</strong> Lehrfreiheit die Forschungsfreiheit<br />
zur Seite trete. Die Lehrfreiheit<br />
aber genieße auch <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> selbst<br />
nicht forscht und institutionell nicht eingebunden<br />
sei, aber doch wissenschaftliches<br />
Wissen vermittle. Tragend für die<br />
These <strong>der</strong> Autorin ist die Beobachtung,<br />
daß Lehre nicht länger in den Erkenntnisprozeß<br />
eingebunden sei (was allerdings<br />
problematisch ist und dem Selbstverständnis<br />
vieler <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
kaum gerecht werden dürfte). Der geringe<br />
Wert <strong>der</strong> Lehre für den Erkenntnisfortschritt<br />
wird damit begründet, die<br />
Forschungsergebnisse würden nicht<br />
mehr in <strong>der</strong> Lehre, son<strong>der</strong>n in an an<strong>der</strong>e<br />
Forscher gerichteten Publikationen veröffentlicht<br />
– auch dies eine dichotomische<br />
Unterscheidung, die sicher nicht<br />
durchgängig haltbar ist.<br />
Lehrfreiheit als Sachbereichsgarantie<br />
Die Lehrfreiheit wird als Sachbereichsgarantie<br />
verstanden, <strong>der</strong> eine Gewährleistungspflicht<br />
des Staates entspricht,<br />
<strong>der</strong> die bildende Lehre umfassend mit<br />
den nötigen Mitteln auszustatten habe.<br />
Ein potentielles Konfliktfeld sieht die<br />
Autorin darin, daß heute zwar nicht<br />
mehr <strong>der</strong> Staat bestimmte wissenschaftliche<br />
Positionen vorschreibe, wohl aber<br />
könne im Zuge des Privatisierungstrends<br />
im Hochschulbereich „eine Einschränkung<br />
nicht nur <strong>der</strong> thematischen<br />
und methodischen, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> inhaltlichen<br />
<strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Lehrenden durch<br />
die privaten Financiers“ einhergehen.<br />
Hier wäre <strong>der</strong> Staat zum Eingreifen verpflichtet.<br />
Weitere Konflikte könnten mit<br />
den Einschränkungen <strong>der</strong> Lehrfreiheit<br />
auftreten, die durch die Schaffung eines<br />
sogenannten europäischen Hochschulraums<br />
verbunden sind, u.a. durch Akkreditierungsverfahren<br />
und an<strong>der</strong>e Lehrevaluationen.<br />
Die Autorin sieht in <strong>der</strong><br />
von ihr begründeten eigenständigen<br />
Stellung <strong>der</strong> Lehrfreiheit als Grundrecht<br />
eine Einschränkung <strong>der</strong> Möglichkeit des<br />
Staates, „die <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Lehre im Zuge<br />
<strong>der</strong> Hochschulreformprozesse mittels<br />
einer Vielzahl von Regelungen, die als<br />
einzelne zulässig sein mögen, im Wege<br />
<strong>der</strong> Summation gleichsam unbegrenzt<br />
einzuschränken“.<br />
Die Autorin hat eine lehrreiche, spannende<br />
Arbeit geschrieben, die eine Fülle<br />
lesenswerter Überlegungen und scharfsinniger<br />
Distinktionen enthält. Gerade<br />
angesichts <strong>der</strong> vielfältigen Lehraufgaben,<br />
die vielen Dozenten an Hochschulen<br />
auch ohne Forschungsauftrag obliegen,<br />
also gerade angesichts des häufig<br />
starken Übergewichts <strong>der</strong> Lehre über<br />
die bloße Möglichkeit <strong>der</strong> Forschung<br />
lohnt es sich, Kaufholds Arbeit sehr<br />
ernst zu nehmen und die praktischen<br />
Konsequenzen ihrer Grundrechtsauslegung<br />
genau zu bedenken. Dabei ist indes<br />
auch stets zu bedenken, ob und in<br />
welcher Weise es grundsätzlich statthaft<br />
sein kann, grundgesetzliche Regelungen<br />
im Sinne einer gewandelten Wirklichkeit<br />
abzuän<strong>der</strong>n. Gehört die Idee <strong>der</strong><br />
Einheit von Forschung und Lehre wirklich<br />
endgültig zum alten Eisen? Zumindest<br />
aber sollte die vorliegende Arbeit<br />
dazu beitragen, <strong>der</strong> Lehrfreiheit das ihr<br />
gebührende (auch rechtswissenschaftliche)<br />
Interesse zukommen zu lassen.<br />
Till Kinzel<br />
Armin Mohler,<br />
Karlheinz Weissmann:<br />
Die Konservative Revolution<br />
in Deutschland 1918–1932.<br />
Ein Handbuch<br />
6., vollst. überarb. u. erw. Auflage,<br />
Graz: Stocker2005, 643 Seiten,<br />
ISBN 3902475021<br />
Euro 49,90<br />
Zählt man die durchaus wenigen Klassiker<br />
<strong>der</strong> deutschen Geschichtsschreibung<br />
nach 1945 auf, so darf <strong>der</strong> „Mohler“<br />
32 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
nicht fehlen. Seit einem runden halben<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t liegt mit dem Standardwerk<br />
„Die Konservative Revolution in<br />
Deutschland 1918–1932“ ein auf dem<br />
deutschen Buchmarkt beinahe einzigartiges<br />
Handbuch vor. Der Grund dafür<br />
ist wohl weniger in <strong>der</strong> gleichwohl profunden<br />
Darstellung des historiographischen<br />
Gegenstandes durch den gebürtigen<br />
Schweizer Politologen zu suchen<br />
als in <strong>der</strong> literarischen Fundgrube im<br />
zweiten Teil <strong>der</strong> in jedwe<strong>der</strong> Hinsicht<br />
grundlegenden Studie. Der Interessent<br />
findet dort eine große Fülle an<br />
Personen, Büchern (zeitgenössischen<br />
wie gegenwärtigen), Organisationen,<br />
Ideen, Strömungen usw. des ungemein<br />
reichen ideengeschichtlichen bzw. allgemeinhistorischen<br />
Phänomens versammelt.<br />
Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> biobibliograhische<br />
Teil des im wahrsten Sinn des<br />
Wortes bahnbrechenden Werkes macht<br />
die Abhandlung – beson<strong>der</strong>s nach <strong>der</strong>en<br />
Überarbeitung – zu einem auch in<br />
Zukunft kaum auszuschöpfenden Arbeitsmittel.<br />
Auch Mohler wußte, daß ein Handbuch<br />
immer auf dem neuesten Stand<br />
<strong>der</strong> Forschung sein muß. Deshalb legte<br />
er vor seinem Tod 2003 die notwendigen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen in die Hände von<br />
Karlheinz Weissmann, einem <strong>der</strong> bekanntesten<br />
Historiker <strong>der</strong> mittleren Generation,<br />
von dem er annehmen durfte,<br />
daß jener sich mit dem Gegenstand seiner<br />
Arbeiten hinreichend identifizieren<br />
konnte. Weissmann hat es geschafft,<br />
die komplexe Glie<strong>der</strong>ung des von<br />
Mohler mehrfach überarbeiteten Klassikers,<br />
insbeson<strong>der</strong>e im Handbuchteil,<br />
im wesentlichen beizubehalten und den<br />
bewährten Duktus mit neuerer und<br />
neuester Literatur anzureichern. So<br />
vereinigt <strong>der</strong> überarbeitete Band alte<br />
wie neue Gedankengänge.<br />
Epochenspezifische Erscheinung<br />
Obwohl die Konservative Revolution<br />
eine epochenspezifische Erscheinung<br />
war, die nur im Europa (vor allem im<br />
Deutschland) <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit<br />
stärkere Verbreitung finden konnte,<br />
läßt sie Vorläufer erkennen. Weissmann<br />
arbeitet zwei frühe Strömungen<br />
des Konservatismus heraus: Die eine<br />
Richtung wollte die societas christiana<br />
gegen intellektuelle Neuerer und gegen<br />
rationalistische Tendenzen des Absolutismus<br />
verteidigen, die an<strong>der</strong>e wirkte<br />
aufklärungskritisch mit Mitteln <strong>der</strong><br />
Aufklärung, stellte sich also auf den<br />
Boden jener Strömung, die sie bekämpfen<br />
wollte. Wichtiger jedoch für die<br />
Entwicklung des „deutschen Son<strong>der</strong>bewußtseins“<br />
im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t waren<br />
die „Vorboten“ <strong>der</strong> „kulturrevolutionären<br />
Epoche“, für die Namen wie<br />
Lagarde, Wagner o<strong>der</strong> Treitschke stehen.<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Stellung nimmt<br />
Nietzsche ein. Einflußreiche Phänomene<br />
um die Jahrhun<strong>der</strong>twende, etwa Lebensreform,<br />
Jugendbewegung o<strong>der</strong> diverse<br />
völkische wie nationalistische<br />
Bewegungen, konnten sich auf die genannten<br />
Vordenker berufen.<br />
Erst die Umwälzungen im Vorfeld<br />
(„Ideen von 1914“!), während und nach<br />
dem Ersten Weltkrieg bewirkten die<br />
Voraussetzungen für die „verkehrte<br />
Welt“ nach 1918: Für die Neu- o<strong>der</strong><br />
Jungkonservativen, die alles an<strong>der</strong>e als<br />
Reaktionäre waren, mußten erst jene<br />
Verhältnisse geschaffen werden, die zu<br />
erhalten lohnte. Auf diese Weise entstand<br />
<strong>der</strong> Wurzelboden für jenes kaum<br />
übersehbare Gedankengebäude, dessen<br />
Paradoxien bereits Zeitgenossen wie<br />
Thomas Mann o<strong>der</strong> Hugo von Hoffmannsthal<br />
mit <strong>der</strong> Bezeichnung „Konservative<br />
Revolution“ ausdrückten. Es<br />
behielt auch nach 1945 seine Faszination,<br />
gerade deshalb, weil spätere Zeiten<br />
keine Anknüpfungsmöglichkeiten mehr<br />
hatten.<br />
Bandbreite <strong>der</strong> Konservativen<br />
Revolution<br />
Welche Bandbreite die Konservative<br />
Revolution umfaßte, belegt die bunte,<br />
schier unabsehbare Schar ihrer Vertreter.<br />
Bis heute ist in vielen Fällen die<br />
Frage kaum zu klären: Wer gehörte zu<br />
ihr und wer nicht? Ernst Niekisch, Nationalist<br />
wie Bolschewist, sah das Heil<br />
Deutschlands in Moskau. Er wirkte<br />
nach 1945 zeitweise in <strong>der</strong> SED. Ein<br />
an<strong>der</strong>er, einflußreicherer Teil <strong>der</strong> Protagonisten<br />
<strong>der</strong> Konservativen Revolution<br />
optierte nach 1933 für die neuen<br />
Machthaber. Exemplarisch stehen dafür<br />
Intellektuelle wie Ernst Krieck o<strong>der</strong> Alfred<br />
Bäumler. Die meisten Angehörigen<br />
dieser Richtung verblieben indes –<br />
trotz aller generationellen und biographischen<br />
Affinitäten – in kritischer Distanz<br />
zum Nationalsozialismus. Ernst<br />
Jünger steht stellvertretend für viele an<strong>der</strong>e.<br />
Manche fanden sogar den Weg in<br />
den aktiven Wi<strong>der</strong>stand. Franz von Papens<br />
Redenschreiber Edgar Jung war<br />
eines <strong>der</strong> frühen Opfer aus den Reihen<br />
<strong>der</strong> Jungkonservativen.<br />
Eine ausführlichere Besprechung für<br />
sich allein verdienten die umfangreichen<br />
bibliographischen Passagen <strong>der</strong><br />
Abhandlung. Der erste Teil dieser Abschnitte<br />
präsentiert die „Literatur über<br />
die Konservative Revolution“. Die eher<br />
harmlos klingende Überschrift umfaßt<br />
detaillierte Angaben über Darstellungen<br />
zu zahlreichen Themen im Umfeld<br />
<strong>der</strong> Strömung (Imperialismus, Kolonialismus,<br />
„Ideen von 1914“, Massenpolitik,<br />
Lebensreform etc.), aber auch Hinweise<br />
auf ihre europäische Bedeutung<br />
und führende Vertreter (Spengler,<br />
Mann, Schmitt, Blüher, die Gebrü<strong>der</strong><br />
Jünger). Jungkonservatives und nationalrevolutionäres<br />
Gedankengut sowie<br />
<strong>der</strong>en Protagonisten werden genau beschrieben.<br />
Ausführliche Berücksichtigung<br />
findet die bündische Bewegung.<br />
Unübersehbare „Eigenliteratur“<br />
Der zweite Teil <strong>der</strong> Bibliographie beschäftigt<br />
sich mit <strong>der</strong> unübersehbaren<br />
„Eigenliteratur <strong>der</strong> Konservativen Revolution“.<br />
Sammelwerke, Buchreihen,<br />
Zeitschriften und an<strong>der</strong>e Periodica werden<br />
mit großer Sorgfalt vorgestellt,<br />
weiterhin die „Philosophen im Umkreis“,<br />
die ein breites Spektrum einschließen,<br />
das von Max Scheler bis<br />
Erwin Liek reicht. Gleiches gilt für die<br />
„Dichter im Umkreis“ sowie die „herausragenden<br />
kategoriensprengenden<br />
Autoren“. Die Fülle an – heute meist<br />
vergessenen – völkischen, jungkonservativen<br />
und bündischen Autoren sowie<br />
die Überläufer zum Nationalsozialismus<br />
vermitteln einen Eindruck von <strong>der</strong><br />
Komplexität <strong>der</strong> deutschen „Weltalternative“<br />
(Armin Mohler). Es ist nachvollziehbar,<br />
wenn gelegentlich nur<br />
Auswahlbibliographien vorgelegt werden<br />
konnten.<br />
Mit Recht weist Weissmann jedwede<br />
Verbindung des großen ideengeschichtlichen<br />
Komplexes <strong>der</strong> Konservativen<br />
Revolution mit <strong>der</strong> Tagespolitik als eine<br />
Methode zur Desavouierung des politischen<br />
Gegners zurück – ein Vorgehen,<br />
wie es in einseitigen Publikationen<br />
Armin Pfahl-Traugbers o<strong>der</strong> Friedbert<br />
Pflügers beobachtet werden kann. Unbestritten<br />
ist jedoch auch: Die Kritik an<br />
fehlerhaften Mechanismen und Strukturen<br />
demokratischer Systeme schafft<br />
immer wie<strong>der</strong> einen Bedarf an geistesgeschichtlichen<br />
Wi<strong>der</strong>lagern und Alternativen,<br />
zu denen auch jene Strömung<br />
gehört, <strong>der</strong>en epochale Relevanz über<br />
70 Jahre zurückliegt.<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 33
Der Erfolg des nunmehr neu bearbeiteten<br />
Standardwerks ist mit Händen zu<br />
greifen und bedarf kaum eines Hinweises.<br />
Am besten zeigt sich seine Bedeutung<br />
für die Forschung, wenn man es<br />
mit Studien über den „Neuen Nationalismus“<br />
(Stefan Breuer) <strong>der</strong> letzten Jahre<br />
vergleicht. Sie fallen gegenüber dem<br />
„Mohler“ in deutlicher Weise ab.<br />
Felix Dirsch<br />
Bernhard Bueb<br />
Lob <strong>der</strong>Disziplin. Eine<br />
Streitschrift<br />
Berlin: List <strong>2006</strong>, 6. Auflage <strong>2006</strong>,<br />
174 S., ISBN 3-471-79542-1<br />
Euro 18,00<br />
„Der Bildungsnotstand in Deutschland<br />
ist die Folge eines Erziehungsnotstandes.“<br />
(S. 13) Statt von kompetenten Erziehern<br />
sind Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />
von „ungewollt aggressiv präsenten Erziehern“<br />
umgeben: von Fernsehen und<br />
Konsum sowie Mittelmäßigkeit<br />
(vgl. S. 13). Die Konsequenz: Das Leben<br />
eines großen Teils <strong>der</strong> heranwachsenden<br />
Jugend ist geprägt durch<br />
„(m)angelnde Anstrengungsbereitschaft,<br />
Spaßhaltung, Selbstmitleid und eine<br />
unstillbare Konsumgier“ (S. 66). – Das<br />
ist die Diagnose, die Bernhard Bueb,<br />
bis zum Jahr 2005 Leiter <strong>der</strong> Internatsschule<br />
Schloß Salem, im vorliegenden<br />
Buch gibt. Und die Therapie?<br />
Das rechte Maß<br />
Sie ist ebenso einfach wie traditionell:<br />
die Rückbesinnung auf „das rechte<br />
Maß“ (S. 12), „die Dialektik von Disziplin<br />
und Liebe zu einem Kind“ (S. 64).<br />
Von diesem Impetus ist das gesamte<br />
Buch durchzogen. Schon die Metaphern,<br />
die Bueb verwendet, weisen auf<br />
die Suche nach dem rechten Verhältnis<br />
hin: Ist <strong>der</strong> Erzieher eher <strong>der</strong> Töpfer,<br />
<strong>der</strong> den jungen Menschen formt, o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Gärtner, <strong>der</strong> ihn wachsen läßt?<br />
(Vgl. S. 15 f.) Wohin neigt sich das<br />
Schiff <strong>der</strong> Erziehung auf seiner Fahrt?<br />
Für Bueb keine Frage: Er favorisiert<br />
den Erzieher im Sinne des Töpfers,<br />
freilich nicht in autoritärem Sinne verstanden<br />
(vgl. S. 16). Ebenso entschieden<br />
plädiert er in seiner „Streitschrift“<br />
– so <strong>der</strong> Untertitel – dafür, daß sich das<br />
Schiff <strong>der</strong> Erziehung zur Seite von Gerechtigkeit,<br />
Disziplin, Kontrolle und<br />
Konsequenz neigt (vgl. S. 32).<br />
Ein Plädoyerfür Disziplin<br />
Man mache es sich mit Kritik nicht zu<br />
leicht! Das Plädoyer für Disziplin ist<br />
durchaus nicht einseitig zu verstehen:<br />
Disziplin – gewiß! Aber nicht, ohne<br />
darauf hinzuweisen, daß Rezepte, schematische<br />
Lösungen „<strong>der</strong> Feind aller<br />
Pädagogik“ sind (vgl. S. 19). Konsequenz<br />
– sie ist ebenso zu bejahen. Doch<br />
es soll eine solche „mit Augenmaß“<br />
sein, die nicht darin besteht, „ein Verhaltensschema<br />
um seiner selbst willen<br />
einzuüben“ (S. 27) Und bei alledem<br />
darf nach Bueb eines nicht fehlen: Humor<br />
als „Merkmal <strong>der</strong> Güte“ (S. 30).<br />
Bei seinen Überlegungen greift <strong>der</strong> Autor<br />
auf seine langjährigen Erfahrungen<br />
als Internatsleiter zurück, die sich in einigen<br />
Beispielen wi<strong>der</strong>spiegeln und<br />
dem Buch seinen Praxisbezug geben.<br />
Bueb gesteht ein, daß auch er pädagogischen<br />
Irrtümern unterlegen ist; so im<br />
Hinblick auf die „scheinbare Gewährung<br />
von Selbstbestimmung“, um<br />
Jugendliche zu verantwortlichem Handeln<br />
zu erziehen (vgl. S. 35).<br />
Wesentliche Gedankengänge<br />
Dem Buch merkt man an, daß <strong>der</strong> Verfasser<br />
mit Leib und Seele Pädagoge ist.<br />
So finden sich bemerkenswerte Gedankengänge:<br />
wenn Bueb an das „Glück<br />
<strong>der</strong> Anstrengung“ erinnert (vgl. S. 41),<br />
das <strong>der</strong> Erfolg als Frucht dieses Glücks<br />
voraussetzt, o<strong>der</strong> wenn er davon<br />
spricht, die Macht <strong>der</strong> Eltern wandle<br />
sich durch Liebe in Autorität (vgl. S.<br />
48). Zu Recht weist Bueb darauf hin,<br />
<strong>der</strong> Lehrer könne erst dann Unterordnung<br />
und Gehorsam for<strong>der</strong>n, wenn er<br />
„durch Kompetenz, Ausstrahlung und<br />
moralische Integrität“ seine Autorität<br />
begründe (vgl. S. 56).<br />
Ebenso lesenswert sind die Passagen,<br />
in denen Bueb den <strong>Freiheit</strong>sbegriff bestimmt<br />
und das Verständnis von <strong>Freiheit</strong><br />
als Unabhängigkeit zu transzendieren<br />
sucht: „Frei darf sich (...) ein<br />
Mensch erst nennen, wenn er auf das<br />
Wozu eine Antwort geben kann.“ (S. 34)<br />
Hierzu ist letztlich vonnöten, „den<br />
Glauben an die Umsetzbarkeit <strong>der</strong> Werte<br />
in Tugenden bei jungen Menschen zu<br />
stärken“ (S. 24). In dieser Weise werden<br />
Lehrer zu den „wichtigsten Personen,<br />
um junge Menschen auf dem Weg<br />
zu sich selbst zu begleiten“ (S. 159). Ihre<br />
Aufgabe bestehe darin, „die Kin<strong>der</strong><br />
(scil. zu; K. T.) entdecken, die nicht an<br />
sich selbst glauben und <strong>der</strong>en Begabungen<br />
verborgen bleiben“ (S. 141).<br />
Ein immer wie<strong>der</strong> auftauchen<strong>der</strong> Abgrenzungspol<br />
ist für den Autor das Jahr<br />
1968 (vgl. S. 53; 60; 80). – Warum?<br />
Weil diese Zeit durch ein Paradigma<br />
von Erziehung geprägt ist, das dem<br />
Buebschen Denken diametral entgegensteht.<br />
Man wandte sich gegen Autorität,<br />
Gehorsam, Unterordnung und<br />
Disziplin (dazu: S. 53); man demokratisierte<br />
Erziehung „bis in die letzten<br />
Winkel <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>zimmer“ (S. 80).<br />
Die auch heute noch anhaltende Folge:<br />
Damit überfor<strong>der</strong>n wir unsere Kin<strong>der</strong><br />
(vgl. S. 90).<br />
Und die Verwirklichung?<br />
Wie aber läßt sich das bisher Dargestellte<br />
verwirklichen? Wie kann das<br />
rechte Maß erlangt werden, wenn doch<br />
Jugendliche „in einer jugendfeindlichen<br />
Umwelt“ aufwachsen, gekennzeichnet<br />
durch Fernsehen, Konsum,<br />
Herrschaft des Geldes, möglicherweise<br />
Alkohol und Drogen (vgl. 137 f.)? Wie<br />
lassen sich die Erziehungsziele, die<br />
Bueb nennt, <strong>der</strong> Wirklichkeit nahebringen,<br />
wenn doch Kin<strong>der</strong> in dieser Gesellschaft<br />
leben und dadurch den erwähnten<br />
Gefahren ausgesetzt sind?<br />
Und wie kann das nicht nur in Einzelfällen<br />
geschehen, wenn optimale Bedingungen<br />
vorliegen, son<strong>der</strong>n auch<br />
dann, wenn man von Problemkonstellationen<br />
sprechen kann: im Falle von<br />
ungeordneten Familien, die Kin<strong>der</strong>n<br />
keinerlei Regelmäßigkeit bieten (vgl.<br />
S. 98), im Falle von berufstätigen Frauen,<br />
die ihren Beruf mit Kin<strong>der</strong>n ausüben<br />
wollen (vgl. S. 140)?<br />
Buebs Antwort: durch Gemeinschaftserziehung<br />
in einer für alle Kin<strong>der</strong><br />
verpflichtenden Ganztagsschule<br />
(vgl. S. 99; 141 f.). Dies sieht Bueb als<br />
„den einzigen Ausweg aus dem Erziehungsnotstand,<br />
<strong>der</strong> aus dem Zerfall <strong>der</strong><br />
Familien resultiert“ (S. 144), wenngleich<br />
er konzediert, daß die Familie<br />
„das beste Umfeld zum Aufwachsen<br />
von Kin<strong>der</strong>n“ ist (vgl. S. 143). Meines<br />
Erachtens trifft Bueb mit diesem Vorschlag<br />
durchaus die gesellschaftliche<br />
Realität, indem er <strong>der</strong> Situation von<br />
Restfamilien zu entsprechen sucht<br />
(vgl. S. 138). Dennoch erscheint es<br />
problematisch, diesen Weg <strong>der</strong> Ganztagsschule<br />
für alle als verpflichtend zu<br />
erklären (vgl. S. 142). Denn warum<br />
sollte Erziehung nicht dann in <strong>der</strong> Familie<br />
stattfinden können, wenn die Bedingungen<br />
dazu gegeben sind?<br />
34 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>
Der Schutzraum des Kollektivs als<br />
Voraussetzung?<br />
Die soeben vorgestellte Lösung hängt<br />
gewiß mit den Erfahrungen zusammen,<br />
die Bueb als Leiter eines Internats<br />
mit dieser Gemeinschaftsform gemacht<br />
hat. Und in seinen Überlegungen<br />
finden sich immer wie<strong>der</strong> Erfahrungen<br />
mit einzelnen Schülern, um<br />
seine Argumentation zu stützen.<br />
Freilich ist dabei zu bedenken, daß<br />
diese Erfahrungen vor allem für einen<br />
geschützten Raum wie ein Internat<br />
Geltung haben. Dies setzt aber gewisse<br />
finanzielle Möglichkeiten <strong>der</strong> Eltern<br />
voraus; so wäre es einem Durchschnittsschüler<br />
wohl kaum möglich,<br />
wegen fehlen<strong>der</strong> Bereitschaft, sich anzustrengen,<br />
o<strong>der</strong> eines Alkoholproblems<br />
in ein britisches Internat zu<br />
wechseln, weil dort eine beson<strong>der</strong>e<br />
Strenge herrscht (vgl. S. 69 f.). Der<br />
Schutzraum des Kollektivs, <strong>der</strong> bei so<br />
mancher pädagogischer Maßnahme,<br />
von <strong>der</strong> Bueb berichtet, nicht unwesentlich<br />
war (vgl. S. 120 f.: „Identität<br />
als Salemer“; „Esprit de Corps“), ist<br />
wohl in erster Linie in einem Internat<br />
erfahrbar. Ob dies in gleicher Weise<br />
für eine Ganztagsschule Geltung hätte,<br />
ist zumindest fraglich, weil hier die<br />
Schüler am Ende des Tages wie<strong>der</strong> in<br />
ihre Familien und ihre jeweilige gesellschaftliche<br />
Umwelt zurückkehren.<br />
Nun mag man sagen, daß Bueb sich<br />
mit seiner Streitschrift, was sein Plädoyer<br />
für Disziplin betrifft, an die Tradition<br />
hält. Gewiß, aber möglicherweise<br />
ist dieses traditionelle Erziehungskonzept<br />
zunehmend in den Hintergrund<br />
getreten. Buebs nicht geringes<br />
Verdienst ist es, den Leser wie<strong>der</strong><br />
daran erinnert zu haben.<br />
Klaus Thomalla<br />
Soeben erschienen:<br />
Ulrich Sprenger<br />
Der unkontrollierte Verfall des deutschen<br />
Schulwesens<br />
Eine aus <strong>der</strong> Praxis kommentierte wissenschaftliche Dokumentation zu <strong>der</strong><br />
zurückhaltenden Informationspolitik des Max-Planck-Institutes für Bildungsforschung<br />
(MPIB) und zu den bildungspolitischen Folgen dieser Zurückhaltung.<br />
Wichtige Ergebnisse des MPIB-Projektes „Schulleistung“ (1968–1970) Über<br />
die Rahmenbedingungen von Leistung in <strong>der</strong> Schule wurden zu spät (1986,<br />
1991 und 2002) o<strong>der</strong> noch nie veröffentlicht.<br />
Wichtige Ergebnisse des MPIB-Projektes „Hauptschule/Gesamtschule“<br />
(1980) wurden viel zu spät (1997) und auch dann nur in Teilen veröffentlicht.<br />
Die MPIB-Studie „Der vorzeitige Abgang vom Gymnasium" (1995; 166 Seiten)<br />
wurde nicht in Buchform, son<strong>der</strong>n – verspätet – nur im Internet veröffentlicht.<br />
Ergebnisse des MPIB-Projektes „Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklung<br />
im Jugendalter (BIJU)“ (1991–2001) wurden nur zum Teil, aber ohne<br />
Breitenwirkung, o<strong>der</strong> noch gar nicht veröffentlicht.<br />
Kontrollen haben stattgefunden, sehr genaue Kontrollen sogar. Aber ihre Ergebnisse<br />
sind vom MPIB nicht o<strong>der</strong> nur zum Teil und dann erst mit großer<br />
Verspätung bekanntgemacht worden, doch dann nicht mit einer dem Aufwand<br />
und <strong>der</strong> Bedeutung entsprechenden, breitenwirksamen Allgemeinverständlichkeit.<br />
Stattdessen wurden sie als „versteckte Botschaften“ in <strong>der</strong> Fachliteratur<br />
deponiert, wo sie unbeachtet und ohne Wirkung blieben.<br />
Deutschland hatte im Jahre 1968 ein funktionierendes, reformoffenes Schulwesen.<br />
Es nicht schon in den späten 70er Jahren mit den starken Argumenten<br />
aus dem MPIB-Projekt „Schulleistung“ (1968–1970) gegen die Neuerungswut<br />
fachfrem<strong>der</strong> Ideologen in Schutz genommen zu haben, ist ein Vorwurf,<br />
<strong>der</strong> dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung nicht erspart werden<br />
darf. Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung ist gegründet worden<br />
wegen des Versprechens, für Theorie und Praxis des Unterrichtens „eine empirisch<br />
abgesicherte Basis“ zu schaffen.<br />
Weil dieses Versprechen nicht streng eingehalten worden ist, kam es in manchen<br />
<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n zu einem deutlich erkennbaren Verfall des Schulwesens.<br />
ISBN 3-921052-98X<br />
Herausgegeben vom Arbeitskreis Gesamtschule e.V. im Verlag <strong>der</strong> Winkelmann<br />
Buchhandels-GmbH, 45657 Recklinghausen – <strong>2006</strong><br />
Text: Rückseite <strong>der</strong> Dokumentation<br />
Zeitnahe Informationen auf unserer Website:<br />
http://www.bund-freiheit-<strong>der</strong>-wissenschaft.de<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 35
<strong>Bund</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
Aufgabe des Vereins, Satzung<br />
Der <strong>Bund</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> setzt sich<br />
für die <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> und die Leistungsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Hochschulen und Schulen<br />
ein.<br />
Er wurde am 19. November 1970 in Bad<br />
Godesberg gegründet und ist eine überparteiliche<br />
Vereinigung zur Verteidigung <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> von Forschung,<br />
Lehre und Studium. Auf <strong>der</strong> Grundlage<br />
<strong>der</strong> freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung<br />
<strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland und im Bewußtsein<br />
<strong>der</strong> gesellschaftlichen Verantwortung <strong>der</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong> setzt sich <strong>der</strong> Verein unter Ausschluß<br />
von parteipolitischen Bindungen zur Aufgabe:<br />
1. die <strong>Freiheit</strong> von Forschung, Lehre und Studium<br />
zu wahren und zu för<strong>der</strong>n,<br />
2. sich je<strong>der</strong> Unterwerfung unter die Machtansprüche<br />
einzelner Gruppen o<strong>der</strong><br />
Interessen zu wi<strong>der</strong>setzen,<br />
3. auf eine Politik zu drängen, die eine stetige<br />
Verbreiterung <strong>der</strong> Bildungschancen mit<strong>der</strong>Erhöhung<br />
<strong>der</strong> Leistungsmaßstäbe verbindet.<br />
Der Satzungszweck wird verwirklicht insbeson<strong>der</strong>e<br />
durch die Durchführung wissenschaftlicher<br />
Veranstaltungen und Forschungsvorhaben, Publikationen<br />
und Informationen <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
über die Situation von Hochschule, Schule und<br />
<strong>Wissenschaft</strong> (§ 2 <strong>der</strong> Satzung).<br />
Die vollständige Satzung kann in <strong>der</strong> Geschäftsstelle<br />
angefor<strong>der</strong>t werden.<br />
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des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> ist <strong>der</strong><br />
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Freistellungsbescheid des Finanzamts für Körperschaften<br />
I von Berlin, St<strong>Nr</strong> 27/661/54861, vom 26.<br />
6. 2003 für die Jahre 2000, 2001 und 2002 nach §<br />
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von <strong>der</strong> Körperschaftssteuer befreit, weil er ausschließlich<br />
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