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fdw Nr. 4 Dezember 2006 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

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müßten vorgelebt werden. Jedoch sei<br />

„wertschätzendes Verhalten im Unterricht“<br />

nicht nur Sache <strong>der</strong> Lehrer, son<strong>der</strong>n<br />

auch <strong>der</strong> Schüler.<br />

Etwa 60 000 Schülerinnen und Schüler<br />

wählen jährlich das Fach „Praktische<br />

Philosophie“, das es in allen weiterführenden<br />

Schulen des Landes NRW in<br />

den Klassen 9 und 10 gibt, sofern eine<br />

ausreichende Nachfrage da ist und<br />

Fachlehrkräfte zur Verfügung stehen.<br />

Das Curriculum „Praktische Philosophie“<br />

ist schulformübergreifend angelegt.<br />

Wenn man auch die Werteerziehung als<br />

Erziehungsprinzip in jedem Unterricht<br />

realisiert sehen sollte, so ist neben Religion<br />

„Praktische Philosophie“ das Fach,<br />

in dem Wertefragen explizit zum<br />

„Stoff“ gehören. Es ist verpflichtend für<br />

Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> Jahr-<br />

gangsstufen 9 und 10, die nicht am Religionsunterricht<br />

teilnehmen.<br />

Eckpunkte künftiger Entwicklung<br />

Konkrete Fragestellungen <strong>der</strong> „Praktischen<br />

Philosophie“ als Unterrichtsfach<br />

beschäftigten dann Arbeitskreise am<br />

Nachmittag, die im einzelnen folgende<br />

Themen hatten: „Elemente praktischen<br />

Philosophierens im Grundschulunterricht“,<br />

„Perspektiven Praktischen Philosophierens<br />

in Haupt-, Real- und Gesamtschulen“<br />

und „Von ,Praktischer<br />

Philosophie‘, zu ,Philosophie‘, in <strong>der</strong><br />

Sekundarstufe II“.<br />

Im Arbeitskreis „Praktische Philosophie<br />

– Entwicklungen in <strong>der</strong> Schullandschaft“<br />

wurden eher Problemfel<strong>der</strong> umrissen<br />

als Eckpunkte einer profilierten<br />

Entwicklung festgelegt. Es zeigte sich<br />

erhebliche Unsicherheit in Fragen einer<br />

„Verzahnung“ <strong>der</strong> Didaktiken von Philosophie<br />

in Schule und Hochschule unter<br />

den Bedingungen neuer umstrittener<br />

Formen <strong>der</strong> Lehrerausbildung im Schatten<br />

des Bolognaprozesses.<br />

Die Versammlung nutzte die Gelegenheit,<br />

um Professor Dr. Heinz-Werner<br />

Poelchau vom Ministerium für Schule<br />

und Weiterbildung für sein inzwischen<br />

über ein Jahrzehnt langes Engagement<br />

für die „Implementierung“ des Faches<br />

„Praktische Philosophie“ zu danken.<br />

Poelchau selbst hatte zuvor die Erfolgsgeschichte<br />

in einem Vortrag mit dem Titel<br />

„Praktische Philosophie – Herkunft<br />

und Zukunft“ mit Reminiszenzen aus<br />

den vergangenen Jahren und statistischen<br />

Erhebungen bis hin zur Gegenwart<br />

anschaulich belegt.<br />

■<br />

Winfried Holzapel<br />

Baden-Württemberg<br />

Anläßlich des neunzigsten Geburtstags des Pädagogen Hermann Röhrs sandte uns<br />

Professor Dr. Kurt Otten die folgende Würdigung.<br />

Hermann Röhrs – ein Pädagoge <strong>der</strong> ersten Stunde<br />

Hermann Röhrs wurde als junger Volksschullehrer<br />

1940 eingezogen, war in<br />

Russland als Infanterist vom ersten Tag<br />

an <strong>der</strong> Front, fünfmal verwundet, aus<br />

Riga (1944) im Lazarettschiff evakuiert,<br />

in Hamburg zusammengeflickt und erlebte<br />

dort als Leutnant und Adjutant<br />

eines Schwerverwundetenregiments den<br />

Einmarsch <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong>. Zugleich arbeitete<br />

er an seiner Dissertation. Hermann<br />

Röhrs hat über alle Stationen seines Lebens<br />

von <strong>der</strong> frühen Jugend an in seinen<br />

Erinnerungen und Erfahrungen – Perspektiven<br />

für die Zukunft (Gesammelte<br />

Schriften Band 11, Weinheim 1997) über<br />

das Wachsen seiner Überzeugungen in einer<br />

Aufrichtigkeit Rechenschaft abgelegt,<br />

wie sie nur Hochbegabten gegeben ist. In<br />

gleicher Absicht hat er ebenfalls in Band<br />

11 die Erinnerungen seiner geliebten Frau<br />

Liselotte und ihrer deutsch-jüdischen Familie<br />

beschrieben. Liselotte Röhrs verstarb<br />

am 2. Oktober 1993.<br />

In Hamburg geboren, teilweise auf dem<br />

großelterlichen Hof in <strong>der</strong> Lüneburger<br />

Heide aufgewachsen, verbrachte er seine<br />

Jugend mit vielen Spielkameraden in<br />

einer Natur zwischen Kanälen und<br />

Schrebergärten, die heute selten geworden<br />

ist. In Wan<strong>der</strong>- und Sportvereinen<br />

erlebte er Freundschaft und Bewährung,<br />

aber auch mit seinen Eltern die schweren<br />

Belastungen <strong>der</strong> ersten Deutschen<br />

Republik unter dem Versailler Diktat,<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und <strong>der</strong> Bedrohung<br />

<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Er brach eine kaufmännische<br />

Lehre ab und bestand als Schüler<br />

eines Abendgymnasiums nach nur zwei<br />

Jahren das Abitur, als ihn dort zum ersten<br />

Mal die Freude am Wissen erfaßte<br />

und er aufgrund seiner Arbeit zur Eigenverantwortung<br />

erwachte. Beim sportlichen<br />

Wettkampf lernte er im „fair play“<br />

den Gegner als Teil <strong>der</strong> eigenen Selbstbewährung<br />

zu achten – im Gegensatz<br />

zum vormilitärischen Drill, den er ebenso<br />

haßte wie den Kommando-Ton.<br />

Zukünftige Studenten mußten einen<br />

„freiwilligen" Arbeitsdienst ableisten –<br />

die Sicherung des Nordseevorlandes<br />

durch Dämme und Verbauungen. Das<br />

Studium <strong>der</strong> Pädagogik, Germanistik<br />

und Philosophie finanzierte er durch<br />

Privatunterricht und Darlehen des Studentenwerks.<br />

Er suchte sich Wilhelm<br />

Flitner als Lehrer aus, weil dieser die<br />

Geschichte und die Gegenwart seines<br />

Faches als humanistische Aufgabe <strong>der</strong><br />

Bildung und Erziehung verstand und<br />

nicht als „nationalpolitische Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Erziehung“. Seine Staatsexamensarbeit<br />

bestand aus Vorstudien zu einer<br />

späteren Dissertation „Das Problem einer<br />

Erziehungsphilosophie und das Verhältnis<br />

zu den pädagogischen und philosophischen<br />

Strömungen <strong>der</strong> Gegenwart<br />

(1945)“. Seine Habilitation (1951) galt<br />

dem Lebenswerk Aloys Fischers, eines<br />

bedeutenden, aber nahezu in Vergessenheit<br />

geratenen Münchener Pädagogen,<br />

<strong>der</strong> zwangsemeritiert wurde, weil er<br />

sich weigerte, sich von seiner jüdischen<br />

Gattin scheiden zu lassen. Fischer erlag<br />

einer Herzkrankheit, seine Gattin kam<br />

in Theresienstadt um, sein Sohn fiel<br />

noch am Westwall. Es sind die menschlichen<br />

Dinge im Leben eines Gelehrten,<br />

die den Leser anrühren, die aber oft<br />

nicht von den wissenschaftlichen Leistungen<br />

zu trennen sind (Die R.N.Z. berichtete<br />

ausführlicher 5./6. Jan. 2004).<br />

Fischers Werk ist eine heute fast vergessene<br />

prophetische Arbeit „Über die notwendige<br />

Neuorientierung <strong>der</strong> Pädagogik<br />

im Zeitalter <strong>der</strong> Industrie und Technik“.<br />

Von <strong>der</strong> „Hooverspeisung“ zur<br />

„Reformpädagogik“<br />

Röhrs war nach seiner Genesung und<br />

dem Kriegsende sofort wie<strong>der</strong> aktiv<br />

4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 23

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