fdw Nr. 4 Dezember 2006 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV
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Die Europäische Union setzt große Erwartungen<br />
in die <strong>Wissenschaft</strong>en, um<br />
Europa zum wettbewerbsfähigen Raum<br />
zu machen.<br />
Die nationalen Regierungen sind aufgerufen,<br />
den Anteil <strong>der</strong> Ausgaben für <strong>Wissenschaft</strong><br />
und Forschung auf drei Prozent<br />
zu steigern. Neue Konzepte und Institutionen<br />
wie das European Research<br />
Council o<strong>der</strong> das European Institute of<br />
Technology (EIT) werden entwickelt,<br />
um die Leistungsfähigkeit im Bereich<br />
von <strong>Wissenschaft</strong> und Forschung zu<br />
bündeln und zu steigern.<br />
Der Greifswal<strong>der</strong> Rektor verwies auf<br />
die Gefahren für die Hochschulen in<br />
den ärmeren <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n:<br />
„Groß-Universitäten werden sich auf<br />
Kosten des breiten universitären Mittelstandes<br />
aufrüsten“. Die Ernst-Moritz-<br />
Arndt-Universität als wohl kleinste<br />
Voll-Uni Deutschlands habe ihren<br />
Strukturwandel aktiv und offensiv angegangen.<br />
„Wir müssen uns von Studiengängen<br />
trennen und konzentrieren,<br />
holen Leistungsträger nach Greifswald<br />
und för<strong>der</strong>n die internationale Zusammenarbeit.“<br />
Schlußbemerkungen<br />
Dieser Bericht stützt sich sowohl auf<br />
Pressemitteilungen als auch auf eigene<br />
Kenntnisse.<br />
Eine Stellungnahme des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> sollte zu einem späteren<br />
Zeitpunkt erfolgen, da in <strong>der</strong> neuen SPD-<br />
CDU-Koalitionsregierung in Mecklenburg-<br />
Vorpommern das Bildungsministerium<br />
CDU geleitet wird und die Auswirkungen<br />
wie die <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismusreform<br />
einschließlich <strong>der</strong> Einflußnahme des<br />
<strong>Bund</strong>es auch über den Europäischen Rat<br />
noch nicht abschätzbar sind.<br />
Professor Dr. Klaus-Dieter Rosenbaum<br />
ist Regionalbeauftragter des <strong>Bund</strong>es<br />
<strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> für Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Korrespondenzadresse s.S. 5<br />
■<br />
Bayern<br />
Wirtschaftslobby: zweifelhafte Loyalität zum Gymnasium<br />
Von Willi Eisele<br />
Einer <strong>der</strong> Grundpfeiler des Gymnasiums<br />
ist <strong>der</strong> wissenschaftspropädeutisch<br />
angelegte Unterricht in klar umrissenen<br />
Fächern. Erste Belege, daß die Wirtschaftslobby<br />
genau hier den Hebel ansetzt,<br />
kennen wir seit <strong>der</strong> Einführung<br />
von „Natur&Technik“, dem bisher je<strong>der</strong><br />
Definitionsversuch als „Fach“ fern ist.<br />
Wer sich für das Gymnasium als<br />
Schulart ernsthaft einsetzt, darf bezweifeln,<br />
daß in solchen „Mischfächern“<br />
gymnasiale Bildungsprinzipien umgesetzt<br />
werden können.<br />
Ein jüngster Beleg für die zweifelhafte<br />
Loyalität zum Gymnasium ist auch in<br />
Positionen zu erkennen, die <strong>der</strong> stellvertretende<br />
Abteilungsleiter für Bildung<br />
bei <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esvereinigung <strong>der</strong> Arbeitgeberverbände<br />
(Köln), Dr. Christoph Anz,<br />
vor, auf und nach dem Historikertag im<br />
Hinblick auf die Qualitätssicherung von<br />
Bildung mit Zielrichtung auf das Fach<br />
Geschichte vertreten hat.<br />
Auf unsere Nachfrage zum Fach Geschichte<br />
ging uns eine Antwort zu, die<br />
im Auszug zitiert werden soll: „Ein eindeutiges<br />
Bekenntnis zum Fach Geschichte<br />
als ,Leitfach <strong>der</strong> Geisteswissenschaften‘<br />
(so von uns nicht erfragt,<br />
BGLV) werden Sie von mir nicht bekommen.<br />
Ich bin überzeugt davon, daß<br />
das, was Sie (BGLV) inhaltlich vermittelt<br />
wissen wollen, auch in an<strong>der</strong>en Zusammenhängen<br />
unterrichtet werden<br />
kann. Ob ein solcher Unterricht dann als<br />
,Geschichtsunterricht‘ o<strong>der</strong> ,Gemeinschaftskunde‘<br />
o<strong>der</strong> ,Philosophie‘ o<strong>der</strong><br />
was auch immer bezeichnet wird, ist<br />
letztlich unerheblich, eben weil es um<br />
die Inhalte geht“.<br />
Diese Aussage und die naßforsche Art,<br />
wie die Wirtschaftslobby hier gegen (!)<br />
das Fach Geschichte auftritt und die Unbekümmertheit,<br />
wie hier mit wesentlichen<br />
Bildungsinhalten umgesprungen<br />
wird, muß alle Fächer und damit auch<br />
die Berufsvertretung <strong>der</strong> Gymnasiallehrer<br />
in Alarmzustand versetzen. Es ist zu<br />
vermuten, daß es genau diese Lobby ist,<br />
die einerseits bundesweit verbindliche<br />
„Bildungsstandards“ von <strong>der</strong> KMK for<strong>der</strong>t,<br />
aber gleichzeitig toleriert, daß bestimmte<br />
Fächer davon ausgeschlossen<br />
bleiben – genau jene, die nach Vorentscheidungen<br />
einzelner Kultusministerien<br />
bereits nur noch in „Fachverbünden“,<br />
„Mischfächern“ o<strong>der</strong> „Integrationsfächern“<br />
an Sekundarschulen, Regelo<strong>der</strong><br />
Mittelschulen sowie dem Etikettenschwindel<br />
– zur Vermeidung des abgegriffenen<br />
Reizwortes Integrierte Gesamtschule<br />
aus den 70-er Jahren – nun<br />
als „Schule für alle“ (Gemeinschaftsschule)<br />
angeboten werden.<br />
Lobbyisten im Bildungsbereich, <strong>der</strong>en<br />
Ideologie „integrative“ (Gesamt-) Schulsysteme<br />
einfor<strong>der</strong>t, betreiben hier das<br />
Geschäft <strong>der</strong> Wirtschaftslobby und umgekehrt.<br />
Wie sehr unser Fach Geschichte<br />
den Ideologen ein Dorn im Auge ist,<br />
kann <strong>der</strong> Bayerische Geschichtslehrerverband<br />
e.V. auch für Tendenzen in<br />
Bayern seit 1996/98 belegen, wo auch<br />
auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> politischen Entscheidungen<br />
die Loyalität zur geschichtlichen<br />
Bildung in einem eigenständigen<br />
Fach zunehmend zweifelhaft ist. Verfassungsloyalität<br />
<strong>der</strong> politisch Verantwortlichen<br />
in Bayern ist angesagt. Angemahnt<br />
wurde sie in bezug auf das Fach<br />
Geschichte bereits eindrucksvoll im<br />
Prinzregententheater anläßlich des<br />
Bayerischen Verfassungstages 2005.<br />
Das diesjährige 60. Jubiläum <strong>der</strong> Verfassung<br />
des Freistaates Bayern steht unmittelbar<br />
bevor – eine passende Gelegenheit,<br />
dem Fach Geschichte an den<br />
Schulen in Bayern eine Schlüsselrolle in<br />
seinen Inhalten für eine vertiefte Allgemeinbildung<br />
zuzuweisen.<br />
Oberstudiendirektor Willi Eisele ist<br />
Landesvorsitzen<strong>der</strong> des Bayerischen<br />
Geschichtslehrerverbandes e.V.<br />
Willi Eisele ist auch Regionalbeauftragter<br />
des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
für Bayern. Korrespondenzadresse s. S. 5.<br />
■<br />
18 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>