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fdw Nr. 4 Dezember 2006 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

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Fälle des Versagens und auf Missstände.<br />

Die Fülle <strong>der</strong> Negativberichte führt dazu,<br />

daß Eltern allzu pauschal in eine<br />

Sündenbockrolle <strong>der</strong> Gesellschaft gezwungen<br />

werden, denen man als anonyme<br />

Masse gerne Schuldzuweisungen<br />

aufbürdet.<br />

Auch wenn das veröffentlichte Elternbild<br />

negativer gezeichnet wird, als es in<br />

Wirklichkeit ist, fällt doch eine verbreitete<br />

Unsicherheit im Elternverhalten<br />

auf. Für viele Fragen fehlen zuverlässige<br />

Antworten: Wie sieht ein zeitgemäßer<br />

Erziehungsauftrag in einer Gesellschaft<br />

aus, in <strong>der</strong> Selbstverwirklichung<br />

noch immer als Lebensziel und<br />

Sinngeber fungiert? Kann eine Frau, die<br />

nach gesellschaftlicher Akzeptanz strebt,<br />

sich voll auf die Kin<strong>der</strong>erziehung konzentrieren<br />

und auf den Beruf verzichten?<br />

Die Gesellschaftspolitik am Ende des<br />

vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts hat ihre Spuren<br />

hinterlassen: Die antiautoritäre Emanzipationspädagogik<br />

<strong>der</strong> siebziger Jahre<br />

hatte nur Hohn und Spott für nichtberufstätige<br />

Mütter übrig. Kin<strong>der</strong>, Küche, Kirche<br />

o<strong>der</strong> Selbstausbeutung im Mief <strong>der</strong><br />

Bürgerlichkeit hießen die beliebten<br />

Chiffren, mit denen verantwortungsvolle<br />

„Ganztagsmütter“ <strong>der</strong> Lächerlichkeit<br />

preisgegeben o<strong>der</strong> gar in die Nähe von<br />

Mutterkreuz und Faschismus gerückt<br />

wurden. Antiautoritäre Erziehung galt<br />

als Leitbild und wurde als Verzicht auf<br />

Normen, Werte, Zielvorgaben und<br />

Pflichten verstanden. Also ließen verunsicherte<br />

Eltern ihre Kin<strong>der</strong> gewähren<br />

und redeten sich ein, beson<strong>der</strong>s tolerant<br />

und großzügig zu sein.<br />

In den achtziger Jahren überboten sich<br />

progressiv und emanzipatorisch ausgelegte<br />

Parteiprogramme und Medienberichte<br />

darin, die Kleinfamilie mit Trauschein<br />

als Fossil einer unaufgeklärten<br />

Bürgerlichkeit darzustellen. Das Singledasein<br />

o<strong>der</strong> Wohngemeinschaften mit<br />

und ohne Kin<strong>der</strong> schienen wahres Lebensglück<br />

in Selbstbestimmung und<br />

Unabhängigkeit zu bieten. Gegenwärtig<br />

haben Politik und Staat Familienpolitik<br />

als zentrales zukunftsweisendes Thema<br />

wie<strong>der</strong> entdeckt. Doch selbst die umfassendsten<br />

sozialen Leistungen des Staates<br />

können nicht leisten, was Eltern leisten<br />

sollten: Fürsorge und tägliches Vorbild.<br />

2. Erziehungskrise und<br />

Elternversagen<br />

Doch immer wie<strong>der</strong> erschrecken jene<br />

spektakulären Berichte, die abartiges<br />

Verhalten, Gewaltanwendung o<strong>der</strong> totale<br />

Gleichgültigkeit von Müttern und<br />

Vätern vermelden. Allgemeines Elternversagen<br />

gilt heute als zentrale Ursache<br />

für die Erziehungskrise in unserer<br />

Zeit. Isolierte und einsame, gelangweilte<br />

und desinteressierte, unkonzentrierte<br />

und hypernervöse, sprach- und<br />

verhaltensgestörte, konsum- und medienbesessene,<br />

überfressene und magersüchtige,<br />

aufsässige und gewalttätige<br />

Kin<strong>der</strong> werden auf das Schuldkonto<br />

<strong>der</strong> Eltern gebucht. Und in <strong>der</strong> Tat muß<br />

sich bei vielen Müttern und Vätern im<br />

Erziehungsverhalten und in <strong>der</strong> Werteorientierung<br />

etwas än<strong>der</strong>n: Wenn<br />

Tausende junger Menschen ihre gültigen<br />

Ausbildungsverträge nicht einhalten,<br />

wenn Hun<strong>der</strong>ttausende nicht nur<br />

Unterricht schwänzen, son<strong>der</strong>n überhaupt<br />

nicht zur Schule gehen, wenn es<br />

zum Jugendimage gehört, für Designerklamotten<br />

o<strong>der</strong> Handykonsum die<br />

Zeit zu verjobben und Schulaufgaben<br />

zu vernachlässigen, dann tragen auch<br />

die Eltern für das Fehlverhalten eine<br />

Mitverantwortung.<br />

Kein einziges Elternteil darf als Erzieher<br />

abdanken, denn Eltern sind nicht<br />

nur Erziehungsberechtigte, son<strong>der</strong>n<br />

auch Erziehungsverpflichtete. Sie können<br />

sich daher von den immer erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Motivations- und Erziehungsaufgaben<br />

nicht freikaufen – nicht mit<br />

Geld für Nachhilfelehrer o<strong>der</strong> für Auslandsreisen<br />

– son<strong>der</strong>n müssen sich täglich<br />

selber kümmern.<br />

3. Verhaltensregeln und Kopfnoten<br />

Da Eltern heute vielfach total verunsichert<br />

sind, wie sie abstrakte Normen<br />

und Wertsetzungen in <strong>der</strong> Praxis umsetzen<br />

sollen und können, haben Lehrervereinigungen<br />

Minimalanfor<strong>der</strong>ungen<br />

an das Elternverhalten – einen kleinen<br />

Katechismus täglicher Erziehung –<br />

aufgestellt. Die Verhaltensregeln lassen<br />

sich in folgenden sieben Geboten<br />

zusammenfassen:<br />

1. Laß deine Kin<strong>der</strong> nicht ohne<br />

Frühstück zur Schule gehen!<br />

2. Wache darüber, wie deine Kin<strong>der</strong><br />

ihre Schularbeiten erledigen!<br />

3. Schicke deine Kin<strong>der</strong> ausgeschlafen<br />

in die Schule!<br />

4. Sorge für gesunde Ernährung,<br />

Sport, Spiel und kulturelle Betätigung!<br />

5. Verhin<strong>der</strong>e das Schuleschwänzen<br />

und das exzessive Jobben!<br />

6. Sprich und lies mit deinen Kin<strong>der</strong>n,<br />

damit sie sich ordentlich artikulieren<br />

können!<br />

7. Besuche die Elternversammlungen!<br />

Viele <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong> wollen die Wirksamkeit<br />

solcher Verhaltensregeln durch<br />

die Wie<strong>der</strong>einführung <strong>der</strong> früher verfemten<br />

„Kopfnoten“ – Ordnung, Fleiß<br />

und Pünktlichkeit, Mitarbeit und Betragen<br />

– unterstützen, um so auch wie<strong>der</strong><br />

die Zusammenarbeit von Lehrern und<br />

Eltern in Erziehungsfragen zu beför<strong>der</strong>n.<br />

Die möglichst umfassende Umsetzung<br />

dieser Zielsetzung könnte in <strong>der</strong><br />

Tat die Bedeutung und den Wert des Erziehungsauftrages<br />

unterstreichen.<br />

4. Gemeinsame Lehrer- und<br />

Elternleistungen<br />

Die kontinuierliche Zusammenarbeit<br />

zwischen Lehrern und den Müttern und<br />

Vätern muß deutlich verstärkt werden.<br />

Schulklima und Schulqualität muss auch<br />

von den Eltern mitgestaltet werden.<br />

Eltern müssen viel häufiger, als es bisher<br />

geschieht, über Leistungsziele des<br />

Schuljahrs und über den Leistungsstand<br />

ihrer Kin<strong>der</strong> informiert werden, damit<br />

sie an <strong>der</strong> Zielerreichung mitwirken<br />

können und sich auch mitverantwortlich<br />

fühlen. Das Schulzeugnis ist immer das<br />

Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen,<br />

denn Zensuren beinhalten nicht nur ein<br />

Urteil über Schüler, son<strong>der</strong>n auch über<br />

Lehrer- und Elternleistungen.<br />

Wenn Lehrer und Eltern sich wechselseitig<br />

in ihren Erziehungs- und Bildungsaufgaben<br />

unterstützen und bestärken,<br />

wenn sie sich über Leistungsziele<br />

und Qualitätsniveaus einigen und diese<br />

sogar zu übertreffen versuchen, wenn<br />

sie den Kin<strong>der</strong>n gemeinsam begreiflich<br />

machen, daß ihr erfolgreich absolvierter<br />

Schulabschluß <strong>der</strong> Fahrschein in eine<br />

gute Zukunft ist, dann kann sich eine<br />

neue Lernkultur entfalten, in <strong>der</strong> die deprimierenden<br />

PISA-Befunde <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

angehören.<br />

5. Leistungsdruck und<br />

Leistungsfreude<br />

Die PISA-Leistungsvergleiche haben<br />

gezeigt: Ohne eine deutliche Anhebung<br />

des Qualitätsniveaus in den Schulen<br />

verliert die Jugend Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Zukunftschancen. Elternbefragungen<br />

haben jedoch ergeben, daß sie<br />

alles vermeiden möchten, was ihr Kind<br />

zusätzlich belasten könnte – frühe Einschulung,<br />

mehr und intensiverer Unterricht,<br />

höhere Leistungen und schärfere<br />

4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 27

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