fdw Nr. 4 Dezember 2006 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV
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Nordrhein-Westfalen<br />
Das neue Hochschulfreiheitsgesetz<br />
Das neue nordrhein-westfälische Hochschulgesetz, das sogenannte<br />
Hochschulfreiheitsgesetz, ist ab dem 1. Januar <strong>2006</strong> in Kraft.<br />
Die <strong>fdw</strong> berichtete mehrfach über seinen Inhalt und seine Entwicklung.<br />
Keine Frage, daß es „umstritten“ ist. Es fand im Parlament aber<br />
die einhellige Unterstützung <strong>der</strong> Regierungsfraktionen.<br />
Nach <strong>der</strong> Verabschiedung des Gesetzes fragten wir den Präsidenten<br />
des Deutschen Hochschulverbandes, Professor Dr. Bernhard Kempen,<br />
nach seiner Einschätzung. Über die finanzielle Unterstützung<br />
und die finanziellen Gestaltungsspielräume des Staates gab uns<br />
<strong>der</strong> Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Helmut<br />
Linssen, Auskunft.<br />
Interview mit Bernhard Kempen:<br />
<strong>fdw</strong>: Herr Professor Kempen, am<br />
25. Oktober <strong>2006</strong> hat <strong>der</strong> Düsseldorfer<br />
Landtag das Hochschulfreiheitsgesetz<br />
verabschiedet. Es wird am 1. Januar<br />
2007 in Kraft treten. Schon bei <strong>der</strong> Anhörung<br />
im August haben Sie in Ihrer<br />
Stellungnahme gesagt, das neue Gesetz<br />
sei ohne Alternative. Damit haben Sie<br />
dem Gesetzgeber ein großes Kompliment<br />
ausgesprochen. Worin gründete<br />
Ihre positive Einschätzung?<br />
Kempen: Die Hochschulen stehen vor<br />
immensen Herausfor<strong>der</strong>ungen: Prognostiziert<br />
wird ein rasanter Anstieg <strong>der</strong><br />
Studierendenzahlen, <strong>der</strong> einerseits erfreut,<br />
an<strong>der</strong>erseits aber auch Sorgen bereitet:<br />
Die Umstellung <strong>der</strong> Studienstruktur<br />
auf Bachelor und Master erfor<strong>der</strong>t<br />
zusätzliches Lehrpersonal in einer Zeit,<br />
in <strong>der</strong> es nach jahrzehntelanger Unterfinanzierung<br />
ohnehin an Lehrkapazitäten<br />
mangelt. In dieser schwierigen Ausgangslage<br />
halte ich es für richtig, die<br />
Hochschulen in die Autonomie zu entlassen,<br />
weil damit die begründete Hoffnung<br />
einhergeht, daß die Hochschulen<br />
die Herausfor<strong>der</strong>ungen, die vor ihnen<br />
liegen, besser meistern werden. Kreativität<br />
entsteht nur dort, wo <strong>Freiheit</strong> und<br />
Unabhängigkeit vorhanden sind.<br />
<strong>fdw</strong>: Nach <strong>der</strong> Verabschiedung wäre ja<br />
zu prüfen, ob die Verän<strong>der</strong>ungsvorschläge,<br />
die sowohl Sie persönlich als<br />
auch <strong>der</strong> Deutsche Hochschulverband<br />
im August gemacht haben, im endgültigen<br />
Gesetzestext berücksichtigt worden<br />
sind.<br />
„Nur ein erster wichtiger Schritt“<br />
Kempen: Der mit dem Hochschulfreiheitsgesetz<br />
verbundene Paradigmenwechsel<br />
setzt deutschlandweit Maßstäbe.<br />
Gleichwohl ist er nur ein erster<br />
wichtiger Schritt in die richtige Richtung.<br />
Mit dem Grundsatz <strong>der</strong> Autonomie<br />
unvereinbar bleibt die gesetzlich<br />
verordnete Entmachtung <strong>der</strong> akademischen<br />
Selbstverwaltungsgremien zugunsten<br />
<strong>der</strong> zentralen Leitung. Das<br />
Hochschulfreiheitsgesetz beschert den<br />
Hochschulen einen Hochschulrat, <strong>der</strong><br />
mit großer Machtfülle ausgestattet ist,<br />
nicht zuletzt bei <strong>der</strong> Wahl des Rektors<br />
o<strong>der</strong> Präsidenten. In einem wettbewerblichen<br />
Hochschulsystem sollten jedoch<br />
Entscheidung und Verantwortung dort<br />
liegen, wo die Leistung erbracht wird.<br />
Deshalb sollte <strong>der</strong> Senat auch eine Abwahlmöglichkeit<br />
des Präsidenten o<strong>der</strong><br />
des Rektors erhalten. Dem Wettbewerbsgedanken<br />
wi<strong>der</strong>spricht auch das<br />
ausnahmslos vorgesehene Diplomverbot.<br />
Schließlich hat <strong>der</strong> Deutsche Hochschulverband<br />
auf die Schaffung einer<br />
Versetzungsregelung gedrängt, die es<br />
dem Land ermöglicht, Professoren gegebenenfalls<br />
einer an<strong>der</strong>en Hochschule<br />
zuzuweisen. Lei<strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
diesen Vorschlägen nicht mehr gefolgt.<br />
An <strong>der</strong> grundsätzlich positiv zu bewertenden<br />
Ausrichtung des Gesetzes än<strong>der</strong>t<br />
dies aber nichts.<br />
<strong>fdw</strong>: In welche Richtung zielt Ihrer Meinung<br />
nach <strong>der</strong> Zusatz „<strong>Freiheit</strong>“ im<br />
Hochschulgesetz, wodurch es zum<br />
Hochschul freiheitsgesetz wird?<br />
Kempen: Der Zusatz „<strong>Freiheit</strong>“ zielt<br />
auf die Selbstbestimmung <strong>der</strong> Hochschulen,<br />
die in die Lage versetzt werden,<br />
das eigene Potential auszuschöpfen.<br />
Die Hochschulen werden mit dem<br />
Hochschulfreiheitsgesetz als Körperschaften<br />
des öffentlichen Rechts verselbständigt.<br />
Ihnen werden bislang vom<br />
Staat wahrgenommene Kompetenzen<br />
für Finanz- und Personalentscheidungen<br />
übertragen. Hochschulen in NRW<br />
unterliegen künftig nur noch <strong>der</strong><br />
Rechts- und nicht mehr <strong>der</strong> Fachaufsicht<br />
des Ministeriums, wenngleich die<br />
Übergänge zwischen beiden Bereichen<br />
zweifelsohne fließend sind. Durch das<br />
Instrument <strong>der</strong> Zielvereinbarung hat<br />
sich das Land zudem selbst die Ermächtigung<br />
gegeben, „autonome“ Entscheidungen<br />
<strong>der</strong> Hochschulen maßgeblich zu<br />
beeinflussen und sogar aufzuheben. In<br />
welchem Maße die Hochschulen dadurch<br />
in <strong>der</strong> Praxis einen Teil <strong>der</strong> gerade<br />
erst gewonnenen <strong>Freiheit</strong> wie<strong>der</strong> verlieren,<br />
bleibt abzuwarten.<br />
<strong>fdw</strong>: Was verbessert sich durch das Gesetz<br />
für die Professoren? Werden sie ihrer<br />
Berufung jetzt besser nachgehen<br />
können?<br />
Kempen: Schnellere Entscheidungen<br />
und größere Gestaltungsspielräume<br />
kommen Lehrenden und Lernenden zugute.<br />
Wie die neuen Leitungsstrukturen<br />
sich im Universitätsalltag auswirken<br />
werden, ist noch nicht abzusehen. Jede<br />
Hochschulleitung ist klug beraten, nicht<br />
zuletzt die Professoren, die die wissenschaftliche<br />
Leistung einer Universität<br />
ausmachen und prägen, in die Entscheidungsfindung<br />
einzubeziehen und <strong>der</strong><br />
Versuchung zu wi<strong>der</strong>stehen, aufgrund<br />
<strong>der</strong> Rückendeckung durch den mächtigen<br />
Hochschulrat selbstherrlich zu agieren.<br />
Nicht gegen, son<strong>der</strong>n nur mit den<br />
Professoren werden die Universitäten<br />
4/<strong>2006</strong> <strong>fdw</strong> 13