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fdw Nr. 4 Dezember 2006 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

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im Wettbewerb bestehen und ihre Stärken<br />

entfalten können.<br />

<strong>fdw</strong>: Kritiker sehen das Gesetz als Instrument<br />

einer entschiedenen, wenn<br />

nicht sogar brutalen Ökonomisierung<br />

<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> an, die mehr an finanzieller<br />

Effizienz als an Wahrheitssuche<br />

ausgerichtet werde, womit letztlich die<br />

<strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit unterminiert werde.<br />

Auch bestehe die Gefahr, daß finanziell<br />

ineffiziente <strong>Wissenschaft</strong>en – wie<br />

die Geistes- und Sozialwissenschaften –<br />

ins Abseits gerieten und in ihrer Existenz<br />

gefährdet seien.<br />

Kempen: Es ist <strong>der</strong>zeit nicht einzuschätzen,<br />

wie die jeweiligen Hochschulratsmitglie<strong>der</strong><br />

an den einzelnen Universitäten<br />

agieren werden. Vieles hängt in<br />

<strong>der</strong> Tat davon ab, welche Köpfe innerhalb<br />

wie außerhalb <strong>der</strong> Universität für<br />

das neue Gremium gewonnen werden<br />

können. Sind die Mitglie<strong>der</strong> klug ausgewählt<br />

und nehmen sie ihre Rolle verantwortungsvoll<br />

und umsichtig wahr, wird<br />

viel von <strong>der</strong> grundsätzlichen Kritik am<br />

Hochschulrat aufgefangen. Die Gefahr,<br />

daß sogenannte „Orchideenfächer“ zu<br />

kurz kommen o<strong>der</strong> gar wegrationalisiert<br />

werden, ist vorhanden. Kluge Hochschulen<br />

wissen aber längst, daß gerade<br />

die vermeintlichen akademischen Randgebiete<br />

das Profil einer Universität<br />

maßgeblich bestimmen.<br />

<strong>fdw</strong>: Hochschulen sollen ihr Profil ausbilden<br />

und miteinan<strong>der</strong> in Konkurrenz<br />

treten: Wie scharf darf das Profil denn<br />

sein, wenn die Universität noch Universität<br />

bleiben soll? – Die Medizinische<br />

Akademie in Düsseldorf hatte als solche<br />

in den sechziger Jahren einen exzellenten<br />

Ruf, zu einer Universität wurde sie<br />

aber erst, nachdem weitere Fakultäten<br />

hinzukamen. Das heißt doch, daß die<br />

„universitas“ sich im Ganzen und im<br />

Glanze ihrer Fakultäten zeigt.<br />

Kempen: Die Universität muß sich<br />

auch weiterhin am Gedanken <strong>der</strong> universitas<br />

litterarum orientieren. Die Vielfalt<br />

<strong>der</strong> Fächer und ihre Begegnung in<br />

Forschung, Lehre und Studium tragen<br />

wesentlich zur intellektuellen Faszination<br />

<strong>der</strong> Universität bei. Diese darf nicht<br />

durch Sparmaßnahmen gefährdet werden.<br />

Das schließt aber nicht aus, daß aus<br />

finanziellen und strukturellen Überlegungen<br />

Fächergruppen und Schwerpunkte<br />

an einzelnen Universitäten gebildet<br />

werden. Warum sollen sich einige<br />

von ihnen nicht auf ihre Kernkompetenz<br />

und ihre Stärken konzentrieren?<br />

<strong>fdw</strong>: Welche Verbesserungen enthält<br />

das neue Gesetz für die Studenten? -<br />

Normierte Studienverläufe in akkreditierten<br />

Studiengängen, ständige studienbegleitende<br />

Prüfungen – wo bleibt eigentlich<br />

für Studenten die <strong>Wissenschaft</strong>sfreiheit,<br />

die sich unter an<strong>der</strong>em<br />

in <strong>der</strong> Möglichkeit ausdrückt, sich in<br />

seinem Fachgebiet zweckfrei, aus Neugier<br />

zu orientieren?<br />

Kempen: Nur eine differenzierte und<br />

strukturierte Hochschullandschaft eröffnet<br />

den Studierenden die Möglichkeit,<br />

ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes<br />

Studium auszuwählen und zu ergreifen.<br />

Universitäten bilden ihre Studierenden<br />

allerdings nicht berufsfertig, son<strong>der</strong>n<br />

berufsfähig aus. Curricula sollten daher<br />

nicht zu eng gestrickt sein. Im übrigen<br />

gilt: Die überbordende Akkreditierungsbürokratie<br />

muß zurückgeschnitten<br />

werden, wenn mit <strong>der</strong> Autonomie <strong>der</strong><br />

Hochschulen ernst gemacht werden<br />

soll. Autonomie ist nach meinem Verständnis<br />

ein Langzeitprogramm. Das<br />

Hochschulfreiheitsgesetz hat erst den<br />

Einstieg geschafft. Weitere Schritte,<br />

z.B. im Bereich Kapazitätsrecht o<strong>der</strong><br />

Liegenschaftsmanagement, müssen folgen.<br />

<strong>fdw</strong>: Welche Entwicklungen erwarten<br />

Sie in <strong>der</strong> Hochschullandschaft des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen nach Inkrafttreten<br />

des Hochschulfreiheitsgesetzes?<br />

Könnte es wirklich sein, daß –<br />

Staatssekretär Dr. Stückradt aus dem<br />

Ministerium für Innovation, <strong>Wissenschaft</strong>,<br />

Forschung und Technologie<br />

schließt das ausdrücklich nicht aus –<br />

Hochschulen Insolvenz anmelden müssen?<br />

Kempen: Die ursprünglich vorgesehene<br />

Insolvenzfähigkeit <strong>der</strong> Hochschulen<br />

ist vom Tisch. Das Hochschulsystem<br />

wird aber in Bewegung bleiben und sich<br />

stärker ausdifferenzieren. Die Hochschulen<br />

begeben sich in einen Wettbewerb<br />

um Studierende, um Reputation<br />

und um die besten Köpfe in Forschung<br />

und Lehre. Dabei wird es Sieger und<br />

Verlierer geben. Verlagerungen, Zusammenschlüsse<br />

o<strong>der</strong> gar Schließungen einzelner<br />

Fachbereiche sind zumindest<br />

langfristig nicht auszuschließen.<br />

„Zukunftspakt gibt den Hochschulen Rechts- und Planungssicherheit“<br />

Interview mit Finanzminster Dr. Helmut Linssen<br />

<strong>fdw</strong>: Herr Minister, wie kommen die<br />

Hochschulen an Geld, wenn Sie ihnen<br />

nichts mehr geben?<br />

Linssen: Wenn wir den Hochschulen<br />

nichts mehr geben würden, würden wir<br />

rd. 3,8 Mrd. Euro (inkl. Kliniken) an<br />

Haushaltsmitteln sparen. Die Fragestellung<br />

ist also so nicht richtig. Auch nach<br />

Inkrafttreten des Hochschulfreiheitsgesetzes<br />

werden die Hochschulen im bisherigen<br />

Finanzrahmen aus dem Landeshaushalt<br />

finanziert. Im Gegensatz zu<br />

früheren Jahren haben die Hochschulen<br />

zudem durch den mit ihnen abgeschlossenen<br />

Zukunftspakt Rechts- und Planungssicherheit<br />

über die ihnen vom<br />

Land zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel<br />

gewonnen.<br />

<strong>fdw</strong>: Sollen die staatlichen Mittel in absoluten<br />

Zahlen gleich bleiben o<strong>der</strong> in<br />

Prozent vom Landeshaushalt?<br />

Linssen: Durch den mit den Hochschulen<br />

abgeschlossenen Zukunftspakt ist<br />

den Hochschulen bis zum Jahr 2010 eine<br />

Finanzierung auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Zuweisungen<br />

des Jahres <strong>2006</strong> zugesichert<br />

worden. Bei den Personalausgaben nehmen<br />

sie im wesentlichen an den für alle<br />

an<strong>der</strong>en Bereiche geltenden Besoldungs-<br />

und Tarifsteigerungen teil, so<br />

daß von einer Festschreibung nicht die<br />

Rede sein kann. Kosten für notwendige<br />

Investitionen, etwa bei den Bauten für<br />

die Hochschulmedizin, können nicht<br />

festgeschrieben werden, son<strong>der</strong>n werden<br />

sich immer auch an den jährlichen<br />

Notwendigkeiten orientieren müssen.<br />

14 <strong>fdw</strong> 4/<strong>2006</strong>

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