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6. Religiosität und Spiritualität als Thema von Psychotherapie und Beratung<br />
Die persönliche Glaubenseinstellung eines Klienten oder Patienten wird in der<br />
deutschsprachigen Psychotherapie bis heute vernachlässigt. Kaum wird diese im<br />
Erstgespräch erhoben und in den jeweiligen Lehrbüchern wird sie ignoriert. Auch<br />
seitens des Klienten gibt es die Meinung, dass für religiöse Fragen eher der<br />
Seels<strong>org</strong>er zuständig wäre. Zu diesem geht man aber nicht, weil der Bezug nicht da<br />
ist und das Vertrauen fehlt. Wohin also mit diesen Bedürfnis?<br />
Bei mir meldete sich im Jahre 2010 ein Herr F. zu einem Erstgespräch. Er habe von<br />
mir über Bekannte gehört und erfahren, dass ich Religionslehrer sei. Auf meine<br />
Frage, ob dies denn wichtig wäre antwortete er, wahrscheinlich nicht und irgendwie<br />
schon. Unser Gespräch schrieb ich nach der Stunde aus dem Gedächtnis nieder. Ich<br />
meine, dass die folgende Gesprächssequenz vieles von den angeführten Problemen<br />
wiedergibt:<br />
T.:<br />
F.:<br />
T.:<br />
F.:<br />
T.:<br />
F.:<br />
T.:<br />
F.:<br />
Was bedeutet das, mein Beruf ist wichtig und nicht wichtig? Wollen Sie mit mir<br />
über Religion sprechen?<br />
Nein, eigentlich nicht. Über Religion will ich nicht sprechen, ich habe ganz<br />
andere Probleme. Aber das sie auch Religionslehrer sind, war mir wichtig. Ich<br />
denke mir, wenn ich doch irgendwann einmal über meinen Glauben reden<br />
möchte, das mit ihnen kann.<br />
Sprechen sie gerne über Religion oder Glaube?<br />
Ja privat schon, aber noch nie mit einem Therapeuten. Ich bin nämlich<br />
therapieerfahren.<br />
Ich war schon zweimal in Therapie, aber dort habe ich niemals über diesen<br />
Teil von mir gesprochen.<br />
Und warum?<br />
Ich weiß nicht, da war immer so eine Scheu. Ich hatte das Gefühl, das gehört<br />
nicht hierher, der Therapeut kann damit sicher nichts anfangen, ich möchte ihn<br />
damit verschonen.<br />
Wie ist es dann mit mir?<br />
Ich kenne sie ja nicht, aber ich weiß schon einmal, dass sie sich beruflich mit<br />
Gott und den Glauben beschäftigen und außerdem meine ich, dass wir, wenn<br />
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