Magazin herunterladen - Gothaer Versicherungen
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„Unsere Ängste sollten<br />
nicht das letzte Wort haben“<br />
Der Medizin-Ethiker Professor Dr. Urban Wiesing über den richtigen Umgang<br />
mit dem Thema Organspende und Transplantationen als Lebensretter.<br />
Prof. Dr. Urban<br />
Wiesing, 54,<br />
leitet an der Uni<br />
Tübingen das<br />
Institut für Ethik<br />
und Geschichte<br />
der Medizin.<br />
<strong>Gothaer</strong> <strong>Magazin</strong>: Sollte man aus ethischen Gründen<br />
seine Organe nach dem Tod spenden?<br />
Professor Dr. Urban Wiesing: Es gibt sehr starke<br />
Argumente dafür. Als Organspender habe ich keinerlei<br />
Nachteile davon, denn ein Organ wird mir<br />
nur entnommen, wenn mein Hirntod zweifelsfrei<br />
feststeht. Auf der anderen Seite hat eine andere<br />
Person sehr große Vorteile: Eine Transplantation<br />
kann ein Leben retten oder erheblich mehr Lebensqualität<br />
ermöglichen. Die Kosten-Nutzen-Relation<br />
ist folglich sehr eindeutig: Ohne Schaden kann ein<br />
sehr großer Nutzen erzielt werden. Und das sogar,<br />
ohne dass ich mir überlegen muss, wie selbstlos<br />
ich eigentlich bin. Denn diese Frage nach der posthumen<br />
Organspende beantwortet sich ohne Altruismus:<br />
Ich trage keinen Schaden davon.<br />
GM: Verstehen Sie denn die irrationalen Ängste<br />
vieler, die mit dieser Frage verbunden sind?<br />
Hirntod feststellen können. Und es ist klar, dass<br />
einem Hirntoten keinerlei Schaden mehr zugefügt<br />
werden kann. Denn dieser Mensch ist nie wieder in<br />
der Lage, mit sich selbst oder zu seiner Umwelt ein<br />
Verhältnis zu entwickeln. Sein Gehirn ist vollständig<br />
und irreversibel tot. Er kann niemals mehr kommunizieren<br />
und wird weder positive noch negative<br />
Gefühle aufbauen. So gesehen sind die Grenzen für<br />
mich in Ordnung.<br />
GM: Es gibt Kritiker, die sagen, auch nach einer<br />
Transplantation könne man längst nicht ein normales<br />
Leben führen. Wird den Todkranken zu viel<br />
versprochen und wäre es dann nicht ethischer,<br />
diese Patienten in Würde sterben zu lassen?<br />
Wiesing: Die Frage lautet doch nicht, ob diese<br />
Patienten ein normales Leben führen können. Die<br />
Frage lautet, wie wäre ihr Leben ohne eine Transplantation?<br />
Und da ist der Nutzen doch eindeutig.<br />
Zum Beispiel lässt es sich mit einer neuen Niere<br />
wesentlich besser leben. Und in vielen Fällen ist<br />
eine Transplantation lebensrettend.<br />
GM: Problematisch ist es immer, wenn wirtschaftliche<br />
Interessen mit Menschenleben verknüpft<br />
sind. Im Organspendenskandal dieses Sommers<br />
hat sich gezeigt, dass Menschen aus der Not<br />
anderer Profit schlagen wollen. Für Sie ein Gegenargument?<br />
Service-Postkarten am<br />
Ende des <strong>Magazin</strong>s:<br />
Machen Sie mit<br />
– werden Sie<br />
Organspender!<br />
Die <strong>Gothaer</strong> als großer<br />
Gesundheitsdienstleister<br />
engagiert sich<br />
bereits seit langem im<br />
Bereich Organspende.<br />
Machen auch Sie mit,<br />
denn Ihre Organe können<br />
Leben retten.<br />
Die <strong>Gothaer</strong> macht es<br />
leicht, dabei zu sein. Sie<br />
können kostenlos einen<br />
Organspendeausweis<br />
bestellen. Kreuzen Sie<br />
einfach auf der Postkarte<br />
am Ende des <strong>Magazin</strong>s<br />
das entsprechende<br />
Kästchen an.<br />
Wiesing: Ich verstehe die Ängste, denn es geht um<br />
den Tod, die Zeit nach dem Tod und um mein Verhältnis<br />
zum Tod. Ich akzeptiere, dass es schwer ist,<br />
sich damit zu konfrontieren. Aber unsere Ängste<br />
sollten nicht das letzte Wort haben. Denn die Frage<br />
nach der Organspende lässt sich mit einem einfachen<br />
Kalkül und der Kosten-Nutzen-Rechnung klar<br />
beantworten.<br />
GM: Im Zentrum der Diskussion steht auch die<br />
Frage nach dem Hirntod. Sind aus Ihrer Sicht die<br />
medizinischen Grenzen richtig gesetzt?<br />
Wiesing: Ich persönlich vertraue dem heutigen<br />
Stand der Technik und den Mechanismen, die den<br />
Wiesing: Nein. In Deutschland ist der Organhandel<br />
klar untersagt. Dass Kliniken, die Transplantationen<br />
durchführen, für ihre medizinische Leistung<br />
auch bezahlt werden, ist selbstverständlich. Aber<br />
die Ökonomie muss der Medizin dienen und nicht<br />
umgekehrt! Dieser Skandal ist leider nicht geeignet,<br />
das Vertrauen zu erhöhen, und deshalb ist es höchst<br />
bedauerlich, dass es dazu gekommen ist. Und<br />
wir müssen nun schleunigst aufklären, ob es sich<br />
um Einzelfälle handelt oder um Systemfehler, die<br />
wir dann entsprechend korrigieren müssen. Doch<br />
auch der Skandal ist für mich kein Grund, kein Spender<br />
zu sein, sondern bedeutet nur, dass wir untersuchen<br />
und korrigierende Schritte durchführen<br />
müssen.<br />
Fotos: Corbis, <strong>Gothaer</strong>, Fotolia<br />
03/12 magazin 17