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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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356 Elke Fröhlich<br />

vor allem die der völkischen Kulturpessimisten aufsaugenden Kunst- und Kulturauffassung<br />

bestand aus zwei Theoremen: Kampf als absolutes Grundprinzip allen<br />

kulturellen Lebens und Indienstnahme auch der Kunst und Kultur <strong>für</strong> das primäre<br />

völkisch-rassische Lebensziel. Für die Kultur im allgemeinen und <strong>für</strong> die Kunst<br />

im besonderen sollte dies ,Umbruch und Erneuerung' bedeuten, was sich aber<br />

konkret vor allem im Kampf gegen die ,jüdisch-liberalistischen Kulturzerstörer der<br />

Novemberzeit' äußerte. Eine folgenschwere rassentheoretische Erkenntnis Hitlers<br />

war, die Arier als Kulturbegründer und die Juden als Kulturzerstörer anzusehen 43 .<br />

Die <strong>für</strong> Hitlers Kulturtheorie typische Dreiteilung trifft auch auf seine sechs Kulturreden<br />

zu. Hitler interpretierte stets das gegenwärtige Kulturleben negativ als Dekadenzerscheinung<br />

und Krise. Den Kulturverfall führte er auf das Interesse jüdischliberaler<br />

Kritikerkreise zurück, durch „wütendes Literatengebell" gegen den „soliden<br />

Durchschnitt" 44 die Künstler zur Originalität um jeden Preis zu verführen,<br />

auch um den Preis des Rückschritts in die Primitivität und den der Entfremdung<br />

vom Volk. Im zweiten Teil seiner programmatischen Kulturreden versuchte Hitler<br />

zu beweisen, daß die Kulturkrise einzig und allein durch Rassenkampf zu überwinden<br />

sei. Wie auf politischer Ebene so wurde auch auf kultureller die Dynamik<br />

der Bewegung auf die Diffamierung und Vernichtung einer machtlosen und deshalb<br />

ungefährlichen Minderheit konzentriert. „Ewige Auslesegesetze" 45 nach den<br />

Wertungskategorien des Blutes und der Rasse wurden zu den tragenden Grundpfeilern<br />

nationalsozialistischer Kulturpolitik. „Weltanschauliche Erneuerung und<br />

damit rassische Klärung" 46 würden, so hoffte Hitler, in einer Art ,Selbstreinigungsprozeß'<br />

ganz von selbst zu einem neuen Lebens-, Kultur- und Kunststil führen.<br />

Seine Reden schlossen immer mit utopischen Visionen von der Identifikation des<br />

Künstlers mit der Volksgemeinschaft. In der wiederanzustrebenden Verbindung<br />

von Kunst und Volk unter Ausstoßung der rassisch fremden Elemente sah er das<br />

Rezept zur Überwindung des Kulturverfalls aus der Retorte. Die neue Kunst war<br />

unter Leugnung alles Häßlichen und Schwachen auf die Darstellung des Gesunden,<br />

Starken und Heroischen verpflichtet und hatte die schon früh offiziell proklamierte<br />

Aufgabe, die Macht des Staates zu dokumentieren 47 .<br />

Ihre Überraschung erlebten die Nationalsozialisten allerdings, als ihre Kunsttheorie<br />

in die Praxis umgesetzt wurde. Nach wenigen Ansätzen, traditionelle Formen<br />

mit neuen nationalsozialistischen Inhalten zu füllen, man denke an die Modellveranstaltungen<br />

der NS-Kulturgemeinde im sogenannten Kunstwinter 1934/35<br />

oder das Thing-Theater 48 , mußte sich auch der kulturgläubigste Nationalsozialist<br />

43<br />

Adolf Hitler, Mein Kampf, München 1933, S. 318 ff.<br />

44<br />

Rede Hitlers v. 8. 9. 37, zit. im Völkischen Beobachter (künftig VB) v. 9. 9. 37.<br />

45<br />

Rede Hitlers v. 1. 9. 33, zit. VB v. 3. 9. 33.<br />

46<br />

Ebenda.<br />

47<br />

Rede Hitlers v. 1929, IfZ-Archiv, Fa 88, Fasz. 54.<br />

48<br />

S. Hildegard Brenner, Die Kunstpolitik der Nationalsozialisten, Hamburg 1963, S. 88-<br />

106.

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