26.10.2012 Aufrufe

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

372 Elke Fröhlich<br />

Generell wurden die Journalisten angehalten, den Kampf gegen das Judentum<br />

auch auf den Kulturseiten auszutragen. Jede Meldung mußte daraufhin geprüft<br />

werden, ob nicht ein „Zungenschlag in der bekannten Richtung" 132 angebracht<br />

werden konnte, andernfalls sollte nach der Devise: „Meldungen, die nicht von<br />

vornherein eine antisemitische Möglichkeit bieten, sind zu einer solchen antisemitischen<br />

Propagandaaktion zu machen" 133 , verfahren werden. Grundsätzliche<br />

Forderungen dieser Art waren allerdings kein Hindernis <strong>für</strong> einen befristeten<br />

opportunistischen Ausflug. Die verbreitete Ansicht von einer Judenpolitik jenseits<br />

aller Zweckmäßigkeitsüberlegungen findet in diesem Teilbereich nationalsozialistischer<br />

Kulturpolitik keine Bestätigung. Man nützte die olympische Stunde und<br />

servierte der Weltöffentlichkeit einen florierenden jüdischen Kulturbetrieb unter<br />

wohlwollender deutscher Obhut. Zuständig <strong>für</strong> diese delikate Propaganda, die<br />

Toleranz gegenüber den Juden demonstrieren sollte, war Reichskulturwalter Hinkel,<br />

beauftragt mit der Betreuung des jüdischen Kulturlebens 134 . Die 1933 gegründeten<br />

jüdischen Kulturbünde arbeiteten prinzipiell unter Ausschluß der Öffentlichkeit,<br />

in der deutschen Presse durften sie nicht erwähnt werden. Im Olympia-Jahr<br />

1936, d.h. zu einer Zeit, als sich Hinkel größerer Aufmerksamkeit des Auslandes<br />

sicher sein konnte, beklagte er sich, die Presse würde zu wenig darüber berichten,<br />

„daß in Berlin ein eigenes Theater <strong>für</strong> den Jüdischen Kulturbund zur Verfügung<br />

stehe, das in einer einzigen Spielzeit über eine halbe Million Besucher gehabt habe;<br />

man möge mitteilen, daß in Berlin oft Konzerte, die gut besucht seien, gegeben<br />

würden und daß der Kulturbund auch im Reiche durch Wanderorchester, die ein<br />

außerordentliches Niveau hätten, <strong>für</strong> künstlerische Darbietungen Sorge trage. Daneben<br />

würden Kleinkunstbühnen unterhalten und örtlich in verschiedenen großen<br />

Städten des Reiches selbständige Maßnahmen durchgeführt. Im allgemeinen könnte<br />

man mit 40 bis 50 Veranstaltungen des Kulturbundes je Woche im Reichsgebiet<br />

rechnen. Der Bund umfasse etwa 148000 Mitglieder." 135<br />

Der Reichskommissar machte sogar das Angebot, daß zehn Schriftleiter ausnahmsweise<br />

die Vorstellungen der Bühne des Jüdischen Kulturbundes besuchen könnten<br />

136 . Anschließend hätten sie Gelegenheit, sich zwanglos mit der Reichsleitung<br />

des Kulturbundes zu unterhalten, „um zu hören wie diese Stellen die Beeinflussung<br />

der Arbeit des Kulturbundes durch die Behörden beurteilen" 137 . Daß die<br />

132<br />

AdKP v. 1. 12. 38.<br />

133<br />

Vertrauliche Informationen (<strong>für</strong> Zeitschriften), 1940-44, o. Daten, IfZ-Archiv, Da<br />

69.05.<br />

134<br />

Vgl. Willi A. Boelcke, a.a.O., S. 85-88. Nach Boelcke hatte sich Hinkel seine ersten<br />

Sporen schon als preußischer Staatskommissar verdient mit der zufriedenstellenden Erledigung<br />

seines Auftrages, das gesamte Kulturleben zu entjuden.<br />

135<br />

AdKP v. 13. 8. 36.<br />

136 AdKP v. 20. 8. 36.<br />

137 AdKP v. 10. 9. 36.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!