Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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370 Elke Fröhlich<br />
kriterien um Wilhelm Furtwängler und Thomas Mann - einmal mit und einmal<br />
ohne Erfolg - sind bekannt. Eine einzige Unterredung Goebbels' mit Ernst Wiechert<br />
bewirkte, daß die erst vierzehn Tage alte Anweisung, den ehemaligen KZ-<br />
Häftling wegen schwerer Angriffe auf den Staat nicht mehr zu besprechen und aus<br />
der Kammer auszuschließen, zurückgezogen wurde 119 . Für Goebbels' mehr oder<br />
weniger geschicktes Taktieren, wenn es galt, die Beliebtheit eines an sich abzulehnenden<br />
Künstlers nationalsozialistisher Propaganda dienstbar zu machen, findet<br />
sich in den Kulturpolitischen Pressekonferenzen eine Reihe von Beispielen. Mit<br />
einer glatten Nachrichtenfälschung nahm man den Angriffen auf die Ausländerin<br />
Lilian Harvey die Spitze. Eins ihrer Interviews mit antideutscher Tendenz wurde<br />
einfach als erwiesene Fälschung hingestellt und ihr Geburtsort Hornsey bei London<br />
kurzerhand nach Magdeburg verlegt 120 . Als die Filmschauspielerin nach Kriegsausbruch<br />
wegen ihrer englischen Staatsbürgerschaft nicht mehr gehalten werden<br />
konnte und Deutschland verlassen mußte, durfte über ihre Ausbürgerung, solange<br />
ihre Filme liefen, also bis März 1943, nicht berichtet werden 121 . Walter Gropius,<br />
den die Nationalsozialisten wie die gesamte Bauhaus-Architektur ablehnten, bekam<br />
von der Harvard-Universität einen Lehrstuhl angeboten, ein auch sein deutsches<br />
Vaterland ehrender Antrag. Nun waren die Nationalsozialisten gern bereit zu übersehen,<br />
daß Gropius sich schon seit 1935 im Ausland befand — aus dem er übrigens<br />
auch nie wieder zurückkehrte — und erließen folgende Sprachregelung:<br />
„An sich sei es ja zu begrüßen, daß ein Deutscher - und Gropius sei noch Staatsangehöriger<br />
— einen solchen Ruf bekomme; dieser Eindruck soll nicht durch ablehnende<br />
Kommentare zerstört werden." 122<br />
Ausländische Schriftsteller, die nationalsozialistischen Vorstellungen nahekamen,<br />
wurden vor allem nach Kriegsausbruch immer rarer, so daß man bereit war, die<br />
wenigen auch mit Konzessionen zu halten. Die Äußerungen von Sigrid Undset<br />
ließen die Nationalsozialisten z. B. wiederholt an ein Verbot ihrer zweiundzwanzig<br />
auf dem deutschen Büchermarkt erschienenen Bücher denken. Da die Nobelpreisträgerin<br />
aber einen Beitrag an das WHW gestiftet hatte, drückten sie ein Auge zu<br />
und setzten den Beschluß aus, ein Kompromiß, den sie bald bereuen sollten. Die<br />
norwegische Schriftstellerin forderte ihre Landsleute auf, alle Deutschen mit der<br />
Hundepeitsche aus Norwegen zu vertreiben. Das Verbot ihres Gesamtwerkes wurde<br />
sofort nachgeholt, allerdings nicht per Gesetz, um der Welt nicht das Verbot über<br />
den Reichsanzeiger bekanntgeben zu müssen. Verbot und Verhalten der Dichterin<br />
mußte die Presse selbstverständlich verschweigen 123 . Rücksichten gegenüber dem<br />
119 AdKP v. 1. 9. 38 u. 15. 9. 38.<br />
120 AdKP v. 13. 8. 36 u. Anw. 1434 v. 5. 7. 35, BA, ZSg 101/6.<br />
121 AdKP v. 9. 2. 42.<br />
122 AdKP v. 7. 1. 37.<br />
123 AdKP v. 26. 4. 40.