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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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358 Elke Fröhlich<br />

war Goethe Mord an Schiller vorgeworfen, Mozart flugs als Freimaurer entlarvt<br />

und Wagner wegen seiner vielen jüdischen Interpreten abgelehnt worden, als der<br />

Propagandaminister die Zeit <strong>für</strong> gekommen hielt, Einhalt zu gebieten:<br />

„Von jetzt ab stehen die großen Deutschen . . . unter dem besonderen Schutz des<br />

Staates. Wer sich an ihnen vergreift, dem wird vor Augen geführt werden, mit<br />

welcher Schärfe der neue Staat zu strafen weiß." Denn „die Neuzeit seit 1933 hat<br />

diesen großen Werken tatsächlich in der Kunst nichts Vergleichbares an die Seite<br />

zu setzen" 63 .<br />

Dieses Eingeständnis, das so gar nicht den ehrgeizigen nationalsozialistischen Erwartungen<br />

entsprechen wollte, klang schon in einer Rede Goebbels' vom Sommer<br />

1935 an. In ihr vertrat er die Auffassung, es wäre besser, „zeitweilig das gute und<br />

anerkannte Alte zu pflegen, als sich dem schlechten Neuen zu widmen, nur weil<br />

das Neue neu" 54 war. Rückgriff auf altbewährte, allseits hochgeachtete Kulturgrößen<br />

war eine der Zauberformeln zur Ablenkung vom eigenen kulturellen<br />

Dilemma. Solange sich Goebbels mit Spatzen zufrieden geben mußte, weil die<br />

Tauben ins Ausland geflogen waren — um in einem von Goebbels auf die Künstler<br />

gemünzten Bild zu bleiben -, mußte er sich mit der Verwaltung künstlerischer<br />

Mediokrität bescheiden und seine Hoffnungen auf ein vielleicht noch in der Hitler-<br />

Jugend marschierendes Genie setzen 55 . Selten wartete eine auf kulturellem Gebiet<br />

so ambitionierte Staatsführung mit so kläglichen Resultaten auf. Benn gab dem<br />

Propagandaminister, dem „Tankwart <strong>für</strong> Lebensinhalt" wie er ihn mit dem Haß<br />

eines tief Enttäuschten nannte, den Grund an <strong>für</strong> das eklatante Scheitern nationalsozialistischer<br />

Kunstbemühungen: „Nur plattdrücken, das ist noch keine Formgebung."<br />

56 Goebbels wußte auch nur allzu gut, wie Stephan bezeugt, daß der<br />

Künstler ein gewisses Maß an innerer Freiheit benötigt, um kreativ sein zu können,<br />

und daß ständiges Hineinreden von Parteikommissionen und Berufsinstitutionen<br />

jede künstlerische Initiative erstickt. Die ursprünglich hochgespannten Erneuerungsabsichten<br />

erfuhren durch ihre Konfrontation mit der Wirklichkeit eine Reduzierung.<br />

Praktiziert wurde, was die Umstände erlaubten: die Pflege des allgemein<br />

Anerkannten guter deutscher Tradition. Resignierend schrieb Goebbels: „Der<br />

nationalsozialistische Staat hat dem Ehrgeiz entsagt, selbst Kunst machen zu wollen.<br />

Er hat sich in weiser Beschränkung damit begnügt, die Kunst zu fördern und see-<br />

53 Die Erklärung, die in der Pressekonferenz v. 17. 10. 36 angegeben wurde, nahmen die<br />

Journalisten mit „großem Jubel u. ehrlichen Herzens" zur Kenntnis. AdP v. 17. 10. 36, BA,<br />

ZSg 101/8.<br />

54 Rede Goebbels' v. 17. 6. 35, zit. Heiber, a.a.O., S. 222, s. a. Rede Hitlers v. 7. 9. 37,<br />

zit. VB v. 8. 9. 37: „Wir können kulturell gar nichts Besseres tun, als all das ehr<strong>für</strong>chtig zu<br />

pflegen, was große Meister der Vergangenheit uns hinterlassen haben."<br />

55 Rosenberg sah viel später als Goebbels ein, daß ein nationalsozialistisches Epos immer<br />

noch fehlte, s. Das polit. Tagebuch Alfred Rosenbergs, hrsg. v. Hans-Günther Seraphim,<br />

München 1964, 7. 2. 40, S. 122.<br />

56 Gottfried Benn, Kunst u. Drittes Reich, geschrieben zw. 23. 10. u. 3. 11. 41, in: Gesammelte<br />

Werke, hrsg. v. Dieter Wellershoff, Wiesbaden 1968, Bd. 3, S. 880.

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