Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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392 Hans-Jürgen Lutzhöft<br />
Wied fügte etwas pathetisch hinzu:<br />
„ich glaube, (daß) der Ernst der vom Außenminister geführten Sprache und der<br />
darin zum Ausdruck gekommene aufrichtige gute Wille unsere volle Beachtung<br />
und Würdigung verdient." 53<br />
Vermutlich hat der deutsche Gesandte diese beschwörenden Worte auch deshalb<br />
gewählt, weil er seinerseits ein schlechtes Gewissen hatte. Der Prinz zu Wied und<br />
der deutsche Militärattache in Stockholm, Generalmajor Bruno von Uthmann,<br />
haben nämlich die Versuche der Schweden, die Verstöße gegen die deutsche Hauptforderung<br />
vom 9. April zu bagatellisieren, von Anfang an unterstützt 54 . Über die<br />
Mitteilung Günthers vom Vormittag des 9. April, daß in Schweden bereits seit<br />
einiger Zeit Maßnahmen zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft im Gange<br />
seien, hat Wied mit dem untertreibenden Zusatz berichtet, daß es sich lediglich<br />
um eine Verstärkung des Eskortewesens innerhalb der schwedischen Dreimeilenzone<br />
handle 55 . Günthers nochmaligen Hinweis (vom Nachmittag des 9. April) auf<br />
laufende schwedische Verteidigungsmaßnahmen 56 hat er in seinen Rapporten<br />
unterschlagen. In den folgenden Wochen hielten Wied und Uthmann sich an die<br />
schwedische Sprachregelung: Verstärkung der Neutralitätswacht, aber keine Mobilisierung<br />
57 . Andererseits bemühten sie sich, die deutschen Zweifel an Schwedens<br />
Willen und Befähigung zu einer Verteidigung gegen einen Angriff der Alliierten<br />
zu zerstreuen 58 .<br />
Wied gewann in der Unterredung mit Günther am 15. April zudem den Eindruck,<br />
daß der schwedische Außenminister wegen der Behinderung der Ausreise<br />
schwedischer Staatsangehöriger aus Deutschland „einigermaßen beunruhigt" sei.<br />
Dieser Sorge war Günther bald enthoben. Auf eine Anfrage Görings hin erklärten<br />
sich am 15. April Abwehr und SS/Polizei bereit, den in Deutschland befindlichen<br />
schwedischen Staatsangehörigen die Ausreise nach Schweden zu gestatten. Am<br />
16. April stimmte auch der Reichsaußenminister zu 59 . Die Versuche, den wahren<br />
Charakter der schwedischen „Bereitschaftsmaßnahmen" zu verschleiern, hatten<br />
dagegen keinen dauernden Erfolg. Anfang Juni gelangte aus Oslo die Meldung<br />
nach Berlin, Schweden sei völlig mobilisiert 60 . Gegen diesen Tatbestand zu protestieren,<br />
schien dem Staatssekretär von Weizsäcker jetzt nicht mehr geraten. Er<br />
53<br />
Telegr. Wied an AA v. 16. IV. 40: N.f. I, Nr. 175, S. 237f. = ADAP IX, Nr. 126,<br />
S. 148.<br />
54<br />
Über die Haltung Uthmanns während des Norwegenfeldzuges vgl. Henry Kellgren in:<br />
Förbindelserna mellan chefen för lantförsvarets kommandoexpedition och tyske militärattachén<br />
i Stockholm 1939-1945, Stockh. 1946, S. 9 (danach Hubatsch, a.a.O., S. 148 f.).<br />
55<br />
Vgl. die in Anm. 17 genannten Dokumente.<br />
56<br />
P. M. Günther v. 9. IV. 40: Trfr. I, Nr. 3, S. 4.<br />
57<br />
Telegr. Wied an AA v. 12. IV. 40 (Nr. 445): AA, St.S. Skandinavien I; Telegr. Uthmann-Wied<br />
an AA. v. 22. IV. 40 (Nr. 554): AA, St.S. Skandinavien II.<br />
58<br />
Telegr. Uthmann-Wied an AA v. 17. IV. 40 (Nr. 498 und 502) und 18. IV. 40 (Nr. 511):<br />
AA, St.S. Skandinavien I.<br />
59<br />
Notiz Luther (AA) v. 16. IV. 40: AA, St.S. Skandinavien I.<br />
60<br />
Telegr. Woermann an Diplogerma Stockh. v. 2. VI. 40 (Nr. 650): AA, St.S. Schweden I.