ezensionen - Rainer Hampp Verlag
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Oswald Neuberger<br />
Was ist denn da so komisch? Der Witz in der Firma<br />
Beltz, Weinheim und Basel 1988, 428 S., DM 25.-<br />
Deskriptoren: Arbeit, Berufsleben, Freizeit, Hierarchie, Kommunikation,<br />
Interaktion, Macht, Mitarbeiter, Moral, Motivation, Qualifikation,<br />
Symbol, Vorgesetzter<br />
Der Kern der Antwort Oswald Neubergers auf die Frage, was denn da an den<br />
Witzen in der Firma so komisch ist, lautet: In Witzen wird Unvereinbares<br />
vereinigt (Dialektik von Witzen), das mit einem selbst zu tun hat (Ich-<br />
Beteiligung) und typische Probleme, Ärgernisse und Spannungen bearbeitet,<br />
die ansonsten verleugnet werden (Symbolisierung in Witzen). Dieser Teil<br />
der Antwort macht zumindest weit über die Hälfte der Antwort aus, und er<br />
enthält den für Personalfachleute in der Praxis und in der Wissenschaft<br />
ergiebigsten und interessantesten Teil der rund 400 Seiten<br />
(einschließlich 400 Witzbeispielen) umfassenden Ausführungen.<br />
Eine Grundannahme des Autors lautet: "Witze sind verkleidete Enthüllungen<br />
von Problemen, die im Arbeitsalltag zwar erlitten, aber selten offen zur<br />
Sprache gebracht werden. Witze, die in einer Firma erzählt werden,<br />
gewähren demnach einen Blick hinter die Fassaden, die in Betrieben<br />
errichtet und gepflegt werden. Dies macht das vorliegende Buch so<br />
spannend. Die Erwartung von Spannung, Spaß und ernsthafter Analyse, die<br />
Thema und Autor des Buches versprechen, wird nicht enttäuscht.<br />
In dem umfangreichen Teil über die Symbolisierung in Witzen werden die<br />
zehn Hauptthemenbereiche von Firmenwitzen und die in Witzen<br />
symbolisierten Lebensthemen wie Existenzbedrohung, Vereinzelung oder<br />
Besitz-Leistung-Zwang mit Hilfe der von Neuberger bevorzugten (neo-<br />
)psychoanalytischen Denkrichtung jeweils zunächst systematisch erläutert.<br />
Dann werden typische betriebliche Situationen genannt, in denen sich die<br />
jeweilige Thematik niederschlägt. Und schließlich wird an Witzbeispielen<br />
gezeigt, daß das Lustige an diesen Witzen insbesondere auf die<br />
symbolische Bewältigung der themenspezifischen Angst zurückzuführen ist.<br />
Auch wenn der Untertitel des Buches "Der Witz in der Firma" lautet, sind<br />
spezielle Firmenwitze unter den 400 Witzbeispielen selten. Fast immer<br />
handelt es sich bei den aus vielen Quellen gesammelten Witzen um die<br />
Ausfüllung von Witzschablonen, von denen viele einen hohen<br />
Bekanntheitsgrad haben. Von Bedeutung ist allerdings, welche Schablonen,<br />
welche Themen, welche Beteiligten mit den Witzen auftauchen. Sie geben<br />
die mit diesem Buch in Aussicht gestellten Hinweise auf Grundprobleme von<br />
Unternehmungen, die bisher wenig beachtet wurden. Die Art der<br />
Materialsammlung, die auf alle irgendwie zugänglichen Witze zu den Themen<br />
Arbeitswelt und Betrieb gerichtet war, läßt allerdings nur Feststellungen<br />
über Betriebe im allgemeinen und die dort typischerweise versteckten<br />
Probleme zu. Was dabei zum Vorschein kommt, ist die Beachtung wert.<br />
Ein kleiner Eindruck von diesen Ergebnissen soll im folgenden vermittelt<br />
werden. Die Auswertung einer Stichprobe von 500 Unternehmenswitzen<br />
förderte die folgenden zehn häufigsten Themen zutage: 1. Macht und<br />
Abhängigkeit, Hierarchie, 2. Ausreden, Lügen, Bluff, Fassade, 3.<br />
Unterwürfigkeit, Kriechen und Zivilcourage, 4. Motivation und Faulheit,<br />
Drückebergerei, 5. Geld, Einkommen, Gewinn, 6. Sexuelle Beziehungen und<br />
Anspielungen, 7. Qualifikation, Fähigkeiten, 8. Arbeit und Privatleben,<br />
9. Moral, Doppelmoral und unethisches Verhalten, 10. Formalisierung und<br />
Pedanterie. Fünf dieser Themenbereiche (1, 2, 3, 7 und 10) hängen direkt<br />
oder indirekt mit der in großen arbeitsteiligen Organisationen<br />
unvermeidlichen Hierarchie, der Über- und Unterordnung zusammen. Dabei
ist der Chef - so Neuberger - Symbol für die Allgegenwart hiearchischer<br />
Ordnung, die sich auch in Regeln und Sachzwängen versteckt und die in<br />
Witzen angreifbar gemacht wird. Drei Beispiele können einige, freilich<br />
keineswegs alle Schattierungen dieses Problemtyps veranschaulichen:<br />
Beispiel 1: Der Fabrikbesitzer zum Azubi: "Wieviele arbeiten hier?" -<br />
"Mit dem Meister 16!" - "Also ohne Meister 15?" - "Nein, ohne Meister<br />
arbeitet hier niemand!"<br />
Beispiel 2: "Was ist der Unterschied zwischen Managern und Autoreifen? "<br />
- "Autoreifen brauchen ein Mindestprofil!"<br />
Beispiel 3: "Um dem Unternehmenschef zum Geburtstag zu gratulieren, kommt<br />
der Betriebsratsvorsitzende mit einem Strauß Blumen. Im Vorzimmer nimmt<br />
er das Einwickelpapier ab und legt es beiseitige. Erschrocken ruft die<br />
Sekretärin: `Um Gottes willen, lassen Sie hier kein Papier liegen: der<br />
Chef unterschreibt alles!`"<br />
Die Dominanz des Themas Hierarchie bzw. des Themas Höhergestellte und<br />
Unterstellte belegt auch die Auswertung der von Neuberger verwendeten<br />
Witz-Stichprobe hinsichtlich der sozialen Typisierungen in<br />
Unternehmenswitzen.<br />
In über der Hälfte der Witze kommen Höhergestellte (Vorgesetzte,<br />
Personalchef, Meister, Vorstand, Unternehmer), in knapp der Hälfte<br />
Unterstellte, nur in 5% sonstige betriebsbezogene Personen (Bewerber,<br />
Betriebsrat, Unternehmensberater) und in rund 16% sonstige, nicht<br />
betriebsbezogene Personen (z.B. Ehefrauen, Ärzte, Psychologen) vor.<br />
Neubergers Analyse lenkt auf weitere Themen Aufmerksamkeit, die in den<br />
Lehrbüchern der Organisationspsychologie oder der<br />
Personalwirtschaftslehre bisher nur verschämt oder gar nicht auftauchen:<br />
auf Themen wie Moral, Doppelmoral und unethisches Verhalten, Arbeit und<br />
Privatleben, Imponiergehabe und Angst, Rivalität und Neid, Vergeudung,<br />
Vertuschung und Sexualität. Das Buch vermittelt einen anschaulichen<br />
Einblick in diese Problemfelder im Hintergrund des offiziellen<br />
Unternehmensdaseins und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem<br />
Betrieb. Es regt an, solche Themen wie Macht und Abhängigkeit, Fassade<br />
und Realität, Sexualität, Moral und Ethik mehr zu beachten als bisher.<br />
Aber auch bei vertrauteren Themen werden durch die Analyse Neubergers zum<br />
Teil neue Perspektiven sichtbar: bei Themen wie Motivation,<br />
Drückebergerei, Geld und Einkommen, Qualifikationen und Fähigkeiten,<br />
Arbeit und Priovatleben, Bürokratie.<br />
Diese Analyse ist in der Tradition Sigmund Freuds und seiner Nachfolger<br />
geschrieben. Das erste Viertel der rund 400 Seiten ist unter der<br />
Überschrift "Aha-Effekt" der Witz-Technik gewidmet. Hier wird an<br />
Beispielen aus der Arbeitswelt die Technik der Erzeugung von Widerspruch<br />
dargestellt, die in der Pointe aufgelöst wird und zur "Aha"-Reaktion<br />
führt. Gleichzeitig werden verschiedene Witz-Typen vorgestellt.<br />
Drei Viertel der Analyse widmen sich dem Thema im engeren Sinne, dem Witz<br />
in der Firma, wenn danach gefragt wird, warum Witze lustig sind (Haha-<br />
Effekt) und diese Frage an Witzbeispielen aus der Arbeitswelt, von denen<br />
eine kleine Auswahl schon dargestellt wurde, diskutiert wird. Dieser<br />
Kernbereich der Untersuchung wird in vier größere Abschnitte zerlegt:<br />
Dialektik von Witzen, Ich-Beteiligung in Witzen, Symbolisierung in Witzen<br />
sowie Witzeerzählen als soziale Handlung. Über diese Dimension der<br />
Untersuchung wird als zweite Analysedimension die Unterscheidung der<br />
Funktionen kognitiv, affektiv und sozial gelegt. Damit gelingt es dem
Autor, Ordnung zu schaffen in einer verwirrenden Vielfalt der<br />
Denkansätze; er weist aber selbst auf die Gefahr einer pedantischen<br />
Überordnung hin. Da die reichlichen Witzbeispiele phasenweise viel<br />
Aufmerksamkeit beim Leser absorbieren, ist es in der Tat stellenweise<br />
schwierig, das Analysekonzept insgesamt im Visier zu behalten. Dennoch<br />
liest sich der Text leicht, da der Autor ein Merkmal von Witzen bei der<br />
Analyse nicht überstrapaziert hat: die Vieldeutigkeit. Die Kommentare in<br />
den einzelnen Beispielen sind knapp, Langeweile kommt deshalb nicht auf.<br />
Es lohnt sich für den Personalpraktiker und den Personalforscher, der<br />
Anregungen für neue Fragen und Probleme sucht, dieses Buch zu lesen.<br />
Paderborn, 25.7.89<br />
Wolfgang Weber<br />
Gerhard Rübling<br />
Verfahren und Funktionen der Leistungsbeurteilung in Unternehmen<br />
Hartung-Gorre, Konstanz 1988, 360 S., DM 68.-<br />
Deskriptoren: Arbeitsleistung, Beurteilung, Beurteilungsgespräch,<br />
Beurteilungsverfahren, Empirische Untersuchung, Entlohung, Führung,<br />
Gespräch, Herrschaft, Leistungslohn, Verhalten<br />
Der Autor selbst stellt die im nachfolgenden rezensierte Schrift durch<br />
folgendes Zitat in einen Gesamtzusammenhang: "Vor der Klärung der Frage,<br />
was als Leistung im Unternehmen wie beurteilt wird und welche Konsequenzen<br />
daraus resultieren, werden Hinweise auf die soziale Relevanz von<br />
Leistung und die Gültigkeit des Leistungsprinzips im Unternehmen<br />
erwartet. Eine solche Untersuchung beinhaltet die Chance, die Zweifel an<br />
der Wirksamkeit des Leistungsprinzips zu zerstreuen ... Es kann sich aber<br />
auch zeigen, daß die Verteilung von Lebenschancen weit weniger<br />
leistungsgerecht erfolgen kann, wie gemeinhin angenommen ..." (S. 7) Im<br />
letzteren Fall könnte die "Entlarvung der Leistungsidee" dazu beitragen<br />
"ein kleines Stück den Weg in eine gerechtere Gesellschaft ebenen [zu]<br />
helfen." (S. 7)<br />
Um sich mit diesem eher soziologischen Problem auseinanderzusetzen und<br />
letztendlich einen solchen Beitrag zu leisten, untersucht Gerhard Rübling<br />
theoretisch wie empirisch, welche manifesten (= geäußerten) Funktionen<br />
Leistungsbeurteilungen im Hinblick auf die Praktizierung des Leistungsprinzips<br />
und in Betrieben zukommen sowie ob diese erfüllt werden<br />
(können). Überlegungen zu latenten (= nicht geäußerten) Funktionen<br />
ergänzen die Diskussion.<br />
Die etwas undeutlich formulierten Zielsetzungen der Arbeit bestehen in<br />
der:<br />
- Auseinandersetzung mit der Leistung als Beurteilungsgegenstand,<br />
- Diskussion der Bedeutung der Leistungsbeurteilung im Hinblick auf<br />
die Funktionen des Leistungsprinzips,<br />
- Beschreibung der vielfältigen Möglichkeiten formalisierter Leistungsbeurteilung(sverfahr)en,<br />
- Diskussion der Funktionen der Leistungsbeurteilung,<br />
- Durchführung einer empirischen Studie,<br />
- Analyse der Probleme der Leistungsbeurteilung und deren Funktionserfüllung<br />
sowie der Erarbeitung von Erklärungsansätzen für das Versagen<br />
der Leistungsbeurteilungsverfahren und<br />
- Erarbeitung einer Beurteilungsalternative.<br />
Die Problembearbeitung ist der Aufzählung entsprechend ähnlich gegliedert.<br />
Eine Zielgruppe wird nicht explizit genannt. Aus dem Vorwort und
dem Anhang ist jedoch zu entnehmen, daß Gerhard Rübling (Dipl. Verw.<br />
Wiss.) im Auftrage eines Unternehmens ein Beurteilungsverfahren für<br />
Angestellte entwickeln sollte. Er hat dies als Anlaß genommen, sich umfassender<br />
mit der Problematik zu beschäftigen, und eine Dissertation<br />
anzufertigen, die schließlich an der Universität Konstanz angenommen<br />
wurde. Insofern ist wahrscheinlich sowohl der Forscher als auch der Wirtschaftspraktiker<br />
angesprochen.<br />
Im nachfolgenden wird auf die Bearbeitung einzelner Zielsetzungen durch<br />
Gerhard Rübling näher eingegangen.<br />
- Die Auseinandersetzung mit dem Leistungsbegriff - oder besser gesagt:<br />
verschiedenen Leistungsbegriffen - und dem zugrundeliegenden Leistungsprinzip<br />
ist in dem vorliegenden Umfang ungewöhnlich für eine Arbeit<br />
zu Leistungsbeurteilungen und allein von daher schon positiv anzumerken<br />
sowie lesenswert. Den wissenschaftlich Interessierten befriedigt sie<br />
dennoch nicht. Es fehlt an einer systematisch geführten, einigermaßen<br />
vollständigen Diskussion. Hinzu kommt, daß der Leistungsbegriff der Betriebswirtschaftslehre<br />
verkürzt (= falsch) wiedergegeben ist und der der<br />
Arbeit zugrundegelegte psychologische Leistungsbegriff von HECKHAUSEN<br />
nicht ausreichend begründet und nicht präzis zusammengefaßt ist: Ob<br />
gerade dieser Begriff wirklich so sinnvoll ist, darüber ließe sich zudem<br />
streiten - erst recht nach Lektüre mancher Textpassage. Zudem lassen sich<br />
Schwächen bereits in diesen Teilen der Arbeit bezüglich der<br />
Literaturkenntnis des Autors konstatieren. Wesentliche Quellen werden<br />
nicht angeführt.<br />
- Die nachfolgende, übliche Auseinandersetzung mit dem Begriff, den<br />
Systematisierungsmöglichkeiten und den Verfahren der Leistungsbeurteilung<br />
kann für den wenig bewanderten Leser erste inhaltliche Informationen<br />
vermitteln. Leider lassen sich auch hier Mängel festzustellen; Mängel,<br />
die sich im Fehlen der Darstellung verhaltensorientierter Verfahren (z.B.<br />
BARS, BOS) und in der Ignoranz der kognitiven Wende in der amerikanischen<br />
Forschung sowie insgesamt in einem fast völligem Fehlen grundlegender<br />
amerikanischer Quellen wiederspiegeln. Selbst wenn man sich lediglich mit<br />
in den deutschsprachigen Ländern praktizierten Verfahren auseinandersetzen<br />
will (as der Autor im übrigen nicht äußert), dann darf in einer<br />
Qualifizierungsarbeit die kurze Darstellung der wichtigen, amerikanischen<br />
Forschungsergebnisse (wohlgemerkt ab 1963 mit dem Erscheinen des<br />
Aufsatzes von SMITH/KENDALL) nicht fehlen. Das lapidare Argument, das<br />
Gerhard Rübling zur Nichtbehandlung einiger Verhaltensbeurteilungen<br />
anführt (Solche Verfahren verlangen vom Vorgesetzten nur ein Beobachten<br />
und kein Beurteilen!), ist zwar bedenkenswert und in anderem Zusammenhang<br />
von Belang, überzeugt aber hier wenig. Außerdem wird es vom Autor selbst<br />
nicht weiter berücksichtigt. Verfahren mit Leistungsstandards und im<br />
Rahmen des Management-by-Objectives verlangen i.d.R. auch kein Beurteilen,<br />
werden aber dargestellt.<br />
- Sehr ausführlich wird auf mögliche Funktionen der Leistungsbeurteilung<br />
(Leistungsentlohnung, Personalförderung und -entwicklung,<br />
Personaleinsatz, Überprüfung personeller Maßnahmen, Personalführung)<br />
eingegangen. Diese Funktionen werden in diverse weitere Facetten<br />
aufgesplittet und diskutiert. Insgesamt verdeutlicht Gerhard Rübling<br />
dadurch die von der Praxis angestrebte Vielfältigkeit der<br />
Leistungsbeurteilung ("eierlegendes Wollmilchschwein" (NEUBERGER)).<br />
Zurecht stellt der Autor in diesem Zusammenhang bereits vorher fest:<br />
"Allein schon diese Vielfalt der zu erfüllenden Funktionen der<br />
Leistungsbeurteilung läßt Zweifel aufkommen." (S. 4)
- Der empirische Teil der Untersuchung beschränkt sich auf einen engen<br />
geographischen Raum (Baden-Württemberg). Schriftlich erhoben und ausgewertet<br />
wurden im ersten Teil der Studie schließlich 40 Unternehmen. In<br />
Einzelinterviews wurden Zuständige aus 32 Firmen näher befragt. Repräsentative<br />
Ergebnisse waren durch nicht angestrebt. Die Ergebnisse<br />
werden mit einem auf GAUGLER U.A. basierenden Beschreibungsrahmen auf 3<br />
Dimensionen abgebildet: vorprozessuale Grundlagen, methodische Grundlagen,<br />
Grundlagen des Anwendungsprozesses. Die sehr umfangreichen,<br />
tabellarisch dargestellten Angaben beziehen sich dadurch nicht alleine<br />
auf die im Mittelpunkt der Diskussion stehenden Funktionen bzw. die<br />
Funktionserfüllung der jeweils angewendeten Verfahren, sondern geben<br />
Auskunft über das gesamte Umfeld. Die wichtigsten Ergebnisse werden<br />
verbal dargestellt. Die Studie ergab u.a., daß von den befragten<br />
Unternehmen fast ausschließlich analytische Verfahren angewendet werden,<br />
oft ohne Differenzierung von Verfahren für Angestellte und Arbeiter. Die<br />
weitere Arbeit und die Funktionsüberprüfung beschäftigt sich daher nur<br />
noch mit solchen Verfahren.<br />
- Insbesondere die Diskussion der Experteninterviews verdeutlicht das<br />
Versagen der analytischen Leistungsbeurteilungen hinsichtlich der Erfüllung<br />
der jeweils von den Unternehmen angestrebten o.g. manifesten<br />
Funktionen. Gerhard Rübling führt in seinem lesenswertesten Kapitel dies<br />
auf v.a. drei Problemdimensionen zurück: "Objektivität", "Multifunktionalität"<br />
und "Wachstumsidee" der Leistungsbeurteilung. Er begründet<br />
umfassend und leicht nachvollziehbar, warum allein schon die Idee der<br />
praktizierten analytischen Verfahren nicht zu verwirklichen und zum<br />
Scheitern verurteilt ist.<br />
- Als Alternativkonzept wird das Mitarbeitergespräch als bewußtes Hin<br />
zur unvermeidlichen Subjektivität und Funktionsbegrenzung der Beurteilung<br />
empfohlen. Wenn dies auch eine prinzipiell begrüßenswerte Alternative<br />
ist, so fehlt doch v.a. eine ausreichende Diskussion dessen, was ein<br />
Mitarbeitergespräch ausmacht, wie es zu gestalten ist, welche<br />
Situationsbedingungen herrschen sollten und welche Funktionen es erfüllen<br />
kann. Auch in diesem Teil der Arbeit macht sich wieder das Manko der<br />
fehlenden Literaturkenntnis und -auseinandersetzung bemerkbar.<br />
Eine informative Zusammenfassung der gesamten Arbeit schließt den Text<br />
ab.<br />
Die Leistungsbeurteilung hat nach Auffassung von Gerhard Rübling eine<br />
prinzipiell ideologische Grundlage. Von daher erklärt der Autor ihre Präsenz<br />
in Unternehmen, trotz vielerorts konstatierter und in der Arbeit<br />
erhobenen Mängel bezüglich der Erfüllung manifester Funktionen. Doch<br />
nicht diese postulierten Funktionen werden mit ihr zu erfüllen gesucht.<br />
Es sind mehr die latenten, systemstabilisierenden oder - im Sinne des Autors<br />
besser ausgedrückt - fiktionserhaltenden Funktionen: Nach außen hin<br />
soll das Leistungsprinzip (Leistung ist das Verteilungskriterium!)<br />
postuliert werden, auch wenn es nur in Ausnahmefällen tatsächlich<br />
praktiziert wird. Nach begründeter Auffassung des Autors trägt die Leistungsbeurteilung<br />
in der Realität zur Aufrechterhaltung der Fiktion des<br />
Leistungsprinzips bzw. der Leistungsgesellschaft und damit zur<br />
Herrschaftsstabilisierung bei. Die manifesten Funktionen dagegen vermag<br />
sie und kann sie auch nicht erfüllen. Die Diskussion dieser von Gerhard<br />
Rübling thematisierten Zusammenhänge sollte nach meiner Ansicht gefördert<br />
zu werden.<br />
Insgesamt handelt es sich um eine relativ gut lesbare Arbeit. Dem kritischen,<br />
vielleicht schon mit der praktizierten Leistungsbeurteilung<br />
unzufriedenen Wirtschaftspraktiker kann die Lektüre empfohlen werden.
Siegen, im August 1989 Fred Becker
Bernd Schumacher<br />
Führen durch Beurteilen<br />
Langen-Müller/Herbig, München 1985, 341 S., DM 128.-<br />
Deskriptoren: Arbeitsleistung, Beurteilung, Beurteilungsbogen,<br />
Beurteilungsfehler, Beurteilugnsgespräch, Beurteilungsprozeß,<br />
Beurteilugnsverfahren, Führung, Führungsverhalten,<br />
Personalinformationssystem<br />
Es erweist sich fast immer wieder als diffizil, sich aus der Sicht eines<br />
mit der Problematik der Mitarbeiterbeurteilung beschäftigten Forschers<br />
sich zu Publikationen von Wirtschaftspraktikern zur Thematik zu äußern.<br />
Wissenschaftliche Erkenntnisse und Ansprüche sowie praktisch angewendete<br />
Verfahren und Erwägungen klaffen meist weit auseinander. Dies wird auch<br />
bei der Rezension der zu besprechenden Schrift wieder deutlich. Aber<br />
vielleicht hat der Autor (z. Zt. des Erscheinen des Buches Leiter<br />
Personalwirtschaft eines großen bayerischen Automobilherstellers) ja<br />
recht, wenn er zu solcher, quasi zwangsläufig entstehenden Kritik bemerkt:<br />
"Die mancherorts zu hörende Kritik an Mitarbeiterbeurteilungen erscheint<br />
überzogen und undifferenziert ... Mir scheint, daß die Kritik an<br />
bestehenden und bewährten Lösungen vielfach von der Sehnsucht nach einer<br />
vollkommenen, d.h. heilen Welt mitgetragen ist." (S. 9f. bzw. 47f.) !?<br />
Zielgruppe sind vermutlich diejenigen Wirtschaftspraktiker, die sich um<br />
die Einführung einer Mitarbeiterbeurteilung in ihrem Betrieb bzw. um die<br />
Veränderung/-besserung einer bereits praktizierten Mitarbeiterbeurteilung<br />
Gedanken machen. Auf die Zielsetzung des Buches wird an keiner Stelle<br />
eingegangen. Ziel soll wahrscheinlich sein, wesentliche Gründe, Inhalte,<br />
Verfahren, Implementierungsvorgehen sowie Möglichkeiten und Grenzen von<br />
Mitarbeiterbeurteilung den Lesern praxisnah zu vermitteln.<br />
Der Text gliedert sich in 16 Kapitel:<br />
1. Warum und wann wird beurteilt? (S. 11-29)<br />
2. Das Beurteilungswesen als Teil der Führungskonzeption (S. 31-45)<br />
3. Kritik zum betrieblichen Beurteilungswesen (S. 47-73)<br />
4. Welche Beurteilungsverfahren kennen wir? (S. 75-80)<br />
5. Welche Mitarbeiterbeurteilungen kennen wir? (S. 81-88)<br />
6. Wie werden Mitarbeiter-Beurteilungssysteme erarbeitet? (S. 89-129)<br />
7. Welche Hilfsmittel sind für die Mitarbeiterbeurteilung erforderlich<br />
(S. 131-164)<br />
8. Wie ist bei der Einführung eines betrieblichen Beurteilungssystems<br />
vorzugehen? (S. 155-178)<br />
9. Welche Mitarbeiterbeurteilungen werden im Betrieb praktiziert? (S.<br />
179-181)<br />
10. Wie ist der Vorgang der Mitarbeiterbeurteilung? (S. 183-197)<br />
11. Was will das Beurteilungsgespräch und wie wird es durchgeführt? (S.<br />
199-214)<br />
12. Wie können Fehler beim Beurteilen vermieden werden? (S. 215-219)<br />
13. Was bewirken Beurteilungen? (S. 221-244)<br />
14. Die Mitarbeiterbeurteilung im Personalinformationssystem (S. 245-<br />
247)<br />
15. Rechtliche Anmerkungen zur Mitarbeiterbeurteilung (S. 249-250)<br />
16. Anhang: Beurteilungsformulare (S. 251-340)<br />
Die Schrift hat einen Umfang von 341 Seiten. Sie ist mit einer Fülle von<br />
Abbildungen bzw. Dokumenten zur Mitarbeiterbeurteilung gespickt (Umfang<br />
ca. 200 Seiten).<br />
An der Schrift ließe sich eine Vielzahl von negative Kritikpunkten begründen.<br />
Diese Kritik wird im folgenden bezüglich inhaltlicher Aspekte,
der wahrscheinlichen Zielgruppe und formaler Aspekte - notgedrungen<br />
beispielhaft - geäußert:<br />
- Die Aufzählung inhaltlicher Kritikpunkte bezieht sich hier lediglich<br />
auf vom Rezensenten als besonders wichtig erachtete Aspekte: Das<br />
wichtigste Gütekriterium der Beurteilung ("Validität") wird trotz Darstellung<br />
Kriterien anderer noch nicht einmal genannt! Ein empirischer<br />
Überblick über die Art der verwendeten Verfahren fehlt.<br />
Verhaltensorientierte Beurteilungsverfahren (insbesondere BARS) werden<br />
kaum erwähnt! Der Beurteilungsrhythmus ist informationslos angerissen<br />
worden!<br />
Zwei Aspekte sollen hier noch hervorgehoben werden.<br />
Zum einen wird vom Autor implizit die Fehleinschätzung vermittelt,<br />
als ob es vornehmlich die Beurteiler sind, die, durch ihre Subjektivität<br />
bzw. nicht vorhandenen Beurteilungsqualifikationen, Beurteilungsergebnisse<br />
verfälschen. Dabei sind in diesem Zusammenhang in erster Linie die<br />
angewendeten Verfahren und die Multifunktionalität der Verfahren zu<br />
nennen.<br />
Zum anderen sind vom Autor manche Aussagen sehr simpel und darüber<br />
hinaus unzutreffend formuliert. Dies zeigt folgendes Beispiel:<br />
Zwangsverteilungsverfahren nach der Normalverteilung sind seit langem als<br />
Verfälschungsmechanismen von Beurteilungsergebnissen bekannt. Sie geben<br />
allenfalls zufällig Informationen bspw. über die gezeigte Leistung eines<br />
Mitarbeiters oder für ein Förderungsgespräch. Der Autor empfiehlt nun -<br />
trotz Kenntnis dieser Tatsache - die Anwendung dieser Normverteilung. Er<br />
fügt zwar eine 1½-zeilige Kritik an. Diese bezieht sich aber nur auf<br />
einen Teilaspekt der Problematik, verharmlost damit und gibt dem<br />
Wirtschaftspraktiker keinerlei Anhaltspunkte zur Problemhandhabung. Dieser<br />
gerade angesprochene Aspekt wäre sicherlich eine läßliche<br />
Unzulänglichkeit, wenn sich ein ähnliches Vorgehen nicht ständig<br />
wiederholen würde.<br />
- Neben diesem unkritischen Formulieren fällt v.a. auf, daß viele<br />
Aspekte des die Praktiker als Zielgruppe interessierenden Beurteilungswesens<br />
(sowohl der Gestaltungsbreite als auch der Gestaltungsprobleme)<br />
nicht dargestellt sind und hilfreiche Aussagen für die Implementierung<br />
in die Wirtschaftspraxis unterbleiben. Die interessante<br />
Dokumentation vielfältiger, praktisch angewandter Formulare (weniger<br />
Firmen) (lt. <strong>Verlag</strong>: "beeindruckende Besipiele aus namhaften<br />
Unternehmen") gibt hier allenfalls indirekt Anregungen. Eine direkte<br />
Übernahme - wie vom <strong>Verlag</strong> vorgeschlagen - wäre das unzweckmässigste was<br />
eine Firma tun könnte. Die Schrift hat insofern nur informativen<br />
Charakter. Sie ist - bei kritischer Distanz zu vielen Aussagen - für die<br />
Zielgruppe durchaus nützlich.<br />
- Zu bemerken ist zu den formalen Aspekten noch, daß bei dem "stolzen<br />
Preis" (Formulierung des <strong>Verlag</strong>es) von DM 128,-- zu erwarten gewesen<br />
wäre, daß der <strong>Verlag</strong> ein einwandfrei editiertes Buch vorlegt. Dies ist<br />
nicht der Fall. Weder ist es ausreichend korrekturgelesen noch<br />
lesefreundlich aufbereitet worden.<br />
Siegen, August 1989<br />
Fred Becker
Michael Schaufelberger<br />
Die Planung des Ausbildungsbedarfs. Ermittlung des quantitativen<br />
Auszubildendenbedarfs von Geschäftsbanken<br />
Forschungsstelle für Betriebswirtschaft und Sozialpraxis, Mannheim 1989,<br />
298 S., DM 34.-<br />
Deskriptoren: Arbeitsmarkt, Ausbildung, Bank, Qualifikation,<br />
Personalbedarf, Personalplanung<br />
Schaufelberger beschäftigt sich im Rahmen seiner Dissertation mit der<br />
Analyse des quantitativen Ausbildungsbedarfs. Dabei geht er von einer<br />
bedarfsorientierten Ausbildungspolitik der Erstausbildung aus. Er grenzt<br />
damit seine Problemstellung von einer nicht bedarfsorientierten<br />
Ausbildung (z.B. Ausbildung aus gesellschaftpolitischer Sicht) ab.<br />
Seine Zielsetzung ist, ein Erklärungsmodell zu entwickeln, daß<br />
Rückschlüsse auf die Determinanten des quantitativen Ausbildungsbedarfs<br />
zuläßt. Neben der Identifizierung der Determinanten sollen auch Aussagen<br />
über Einflußrichtung und -stärke erfolgen. Ferner will Schaufelberger ein<br />
Planungsmodell entwickeln, mit dessen Hilfe die Ausbildungsbedarfsplanung<br />
von Geschäftsbanken erfolgen kann.<br />
In einem einführenden Kapitel grenzt er das Untersuchungsfeld ab. Im<br />
zweiten Kapitel diskutiert er theoretische Grundlagen zur Analyse des<br />
quantitativen Ausbildungsbedarfs. Zu ihnen gehören sowohl<br />
investitionstheoretische Überlegungen als auch Ansätze der Humankapitaltheorie<br />
und des Human Resource Accounting. Ferner reflektiert er<br />
Ablaufphasen der Ausbildungsbedarfsplanung und Möglichkeiten der<br />
Berechnung des qualitativen Ausbildungsbedarfs. Im dritten Kapitel<br />
untersucht er Determinanten des quantitativen Ausbildungsbedarfs. Dazu<br />
führt er sowohl Literaturrecherchen als auch Analysen von<br />
Personalberichten von Geschäftsbanken und empirischer Untersuchungen<br />
durch. Die Analysen ergeben unternehmensinterne Determinanten wie<br />
Wachstum, Organisationsstruktur, technische und Produktinnovationen sowie<br />
Personalentwicklungen aufgrund von Fluktuation, Pensionierung und<br />
innerbetrieblicher Personalbewegungen. An unternehmensexternen<br />
Determinanten benennt er die gesamtwirtschaftliche Lage, die<br />
Arbeitsmarktlage, Wettbewerbssituation und (gesetzliche)<br />
Rahmenbedingungen. Im vierten Kapitel diskutiert er die<br />
Ausbildungsbedarfsermittlung als Prognoseproblem, die<br />
Personalbedarfsplanung aus Praxissicht und die Anwendbarkeit verschiedener<br />
Personalplanungsmethoden. Aufgrund dieser Analysen kommt er zu<br />
einem Planungskonzept.<br />
Mißt man Schaufelberger an seinen beiden Zielsetzungen, so hat er<br />
wissenschaftlich begründet ein Erklärungsmodell der<br />
Ausbildungsbedarfsplanung entwickelt. Es enthält die relevanten<br />
Determinanten. Sein Planungsmodell hingegen bleibt in der Beschreibung<br />
unterschiedlicher Planungsmethoden und der Empfehlung zur Kombination der<br />
Vorteile einzelner Methoden stecken. Als Anwender seines Planungskonzepts<br />
bin ich als Kundiger der in der Literatur beschriebenen Planungsmethoden<br />
nicht klüger geworden. Ich vermisse ein stringentes Planungskonzept, daß<br />
in sich logisch schlüssig und praxisrelevant ist. Planung ist für mich<br />
die gedankliche Antizipation von Sollzuständen. Sie beinhaltet<br />
Zukunftsbezogenheit, Prozeßcharakter, Systematik, Zielorientierung,<br />
Informationsabhängigkeit und Gestaltungscharakter. Planung kann somit<br />
"verstanden werden als ein willensbildender, informationsverarbeitender<br />
und prinzipiell systematischer Entscheidungsprozeß mit dem Ziel,<br />
zukünftige Entscheidungs- und Handlungsspielräume problemorientiert<br />
einzugrenzen und zu strukturieren" (Wimmer 1985, 8). In diesem
definierten Sinne ist Schaufelbergers Planungskonzept noch nicht ausgereift.<br />
Dennoch ist das Buch für Personalplaner lesenswert, weil es den<br />
Diskussionsstand über Personalplanung und die Verknüpfung zur<br />
Ausbildungsplanung als Teil der Personalplanung wiedergibt.<br />
Literatur:<br />
Peter Wimmer, Personalplanung, Stuttgart 1985<br />
Mannheim, September 1989<br />
Hans-Jürgen Kurtz<br />
Wil Martens<br />
Entwurf einer Kommunikationstheorie der Unternehmung. Akzeptanz, Geld und<br />
Macht in Wirtschaftsorganisationen<br />
Campus <strong>Verlag</strong>, Frankfurt 1989, 200 S., DM<br />
Deskriptoren: Akzeptanz, Arbeiter, Arbeitsbeziehungen, Autonomie,<br />
Entscheidung, Führung, Gesellschaft, Handlung, Individuum, Industrielle<br />
Beziehungen, Kommunikation, Macht, Management, Organisation<br />
Martens befaßt sich in seiner Dissertation mit einem Versuch, eine auf<br />
kommunikationstheoretische Basis gestellte, kritische Theorie<br />
kapitalistischer Unternehmungen zu formulieren. Die innere Organisation<br />
wird als ein Zusammenhang von koordinierten Kommmunikationen, als<br />
kommunikatives System, interpretiert. Die als Kommunikation begriffene<br />
Integration von Entscheidungen und Handlungen ist seines Erachtens die<br />
Problematik von Organisationen.<br />
Ausgangspunkt seiner Untersuchungen ist die marxistisch inspirierte<br />
Kritik der kapitalistischen Unternehmung, die nicht<br />
kommunikationstheoretisch fundiert ist. Als wichtige theoretische Mittel<br />
zur systematischen Interpretation der in der marxistischen Tradition<br />
erarbeiteten empirischen Ergebnisse werden vor allem<br />
Kommunikationsaspekte der Theorien von Habermas und Luhmann verwendet.<br />
Im ersten Kapitel beschäftigt sich Martens mit den Erkenntnisobjekten<br />
Organisation, Wirtschaft und Individuum und deren nicht ausreichend<br />
berücksichtigten Zusammenhängen. Er kritisiert die<br />
Organisationswissenschaftler, die "als Folge einer ungenügend<br />
durchdachten und ausgearbeiteten Gesellschaftstheorie kaum zur Bestimmung<br />
des besonderen gesellschaftlichen Charakters der angetroffenen<br />
Organisationsformen" (S. 14) gelangen. Deshalb entscheidet er sich,<br />
Organisation und Wirtschaft sowie Organisationstheorie und<br />
Gesellschaftstheorie zu verbinden. Er hinterfragt Effizienzdifferenzen<br />
verschiedener Organisationsformen. Zusätzlich zu den Systemreferenzen<br />
Organisation und Wirtschaft setzt er den Referenzpunkt Individuum.<br />
Unternehmerische Prozesse haben eine entscheidende Bedeutung für<br />
Individuen, ihre Bedürfnisse und Entscheidungsmöglichkeiten.<br />
Im zweiten Kapitel greift er Grundfragen der marxistischen Theorie der<br />
Unternehmung auf. Dazu zählen die kapitalistischen<br />
Produktionsverhältnisse wie Herrschaft und Fremdbestimmung, Eigentum an<br />
Produktionsmitteln und ausbeutung, Verkauf der Ware Arbeitskraft, Gefährdung<br />
von Gesellschaft und Person. Er setzt sich kritisch auseinander,<br />
prüft die Theorie hinsichtlich ihrer Prämissenstruktur und deren<br />
Begründung. Er kommt zum Schluß, daß "die Grundbestimmungen einer<br />
marxistischen Theorie der Unternehmung nicht mehr plausibel sind" (S.
24). "Die bisher in ihrer widersprüchlichen theoretischen Verwendung<br />
dargestellten Begriffspaare: Autonomie-Subsumtion, Individuum-<br />
Gesellschaft und Subjekt-Objekt" haben zwar den Gang der Diskussionen<br />
bestimmt, aber zu einem "theoretisch genommen wenig erregenden Charakter<br />
dieser Diskussionen"(S. 57) geführt. Auf der Ebene der mehr konkreten<br />
Analysen von Kapitalkreislauf und innerer Organisation der Unternehmung<br />
werden im Marxismus die kommunikativen Vorgänge durch arbeitstheoretische<br />
Interpretationen usurpiert und verborgen.<br />
Im dritten Kapitel setzt er sich insbesondere mit der Labour Process<br />
Theory von Braverman und deren weiterführenden Labour Process Debate<br />
auseinander. Während Braverman die Beherrschung des Arbeitsprozesses und<br />
der Arbeit durch die Manager untersucht - Kontrollerwerb der Manager -,<br />
zeigt die Labour Process Debate mehr Aufmerksamkeit für Macht, Kontrolle<br />
und Beherrschung. Martens analysiert die Implikationen der Behauptungen,<br />
den Theorieaufbau von Braverman, arbeitet insbesondere Zusammenhänge<br />
zwischen Zwang und Akzeptanz, Subjekt und Objekt und Management und<br />
Arbeiter heraus. Seine kritische Auseinandersetzung führt zum Schluß, daß<br />
"eine neue, plausible, bestandsfähige, marxistisch inspirierte Theorie<br />
der Unternehmung zu finden"(S. 117), sich nicht bestätigt hat.<br />
Im vierten Kapitel entwickelt Martens Elemente einer<br />
Kommunikationstheorie der Unternehmung. Er beschränkt sich auf die<br />
Problembereiche Organisation und Kommunikation, Spezifität der<br />
wirtschaftlichen Organisation und normativer Gehalt einer Kommunikationstheorie<br />
der Unternehmung. In der organisationalen Kommunikation<br />
uunterscheidet er fünf Momente: Informationsselektion, adressatengerechte<br />
Mitteilung, Verstehen der Information durch den Adressaten, Annahme durch<br />
den Adressaten und organisationale Akzeptanz. Mithilfe der fünf<br />
Kommunikationsmomente problematisiert Martens Kommunikationsprozesse in<br />
Wirtschaftsorganisationen, arbeitet funktionalistische und strukturale<br />
Aspekte heraus, durchdringt Akzeptanz und Macht, reflektiert<br />
Semantikkomplexe vor dem Hintergrund von Effektivität und Effizienz von<br />
Wirtschaftsorganisationen, beleuchtet Interessensgegensätze und<br />
schlußendlich den normativen Gehalt einer Kommunikationstheorie der<br />
Unternehmung. Er schlußfolgert:<br />
(1) Eine Identität von Individuum und Organisation ist unrealisierbar.<br />
(2) Die Ansprüche von Organisation und Wirtschaft beschränken die<br />
möglichen normativen Ansprüche des Individuums.<br />
(3) Autonomie und Systemcharakter von Wirtschaft und Organisation<br />
werden als "Errungenschaften" anerkannt und Geld und Macht als wichtige<br />
Mechanismen zur Erfüllung der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft<br />
betrachtet.<br />
(4) Es gibt autonome und einzigartige Individuen, die ihre<br />
Bewußtseinsprozesse - allerdings mit gesellschaftlichen Mitteln - selbst<br />
produzieren.<br />
(5) So wie die Wirtschaft und Organisation als autonome und<br />
geschlossene Systeme miteinander verschränkt sind, sind auch Individuum<br />
und Gesellschaft als autonome und geschlossene Systeme miteinander<br />
verschränkt. In dieser Verschränkung restringieren und ermöglichen sie<br />
sich wechselseitig.<br />
Martens Versuch einer Kommunikationstheorie der Unternehmung ist unter<br />
mehreren Aspekten zu würdigen:<br />
(1) Er versucht unter Zugrundelegung der Theorie des kommunikativen<br />
Handelns von Habermas und der Theorie autopoietischer sozialer Systeme<br />
von Luhmann die marxistischen Theorien aus der Sackgasse zu führen. Dabei
öffnet er marxistischen Sichtweisen differenziert einen<br />
erfolgversprechenden Weg der Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus.<br />
(2) Die Kritik an kapitalistischen Wirtschaftstheorien, ihnen fehle die<br />
historisch-gesellschaftliche Dimension, trifft zu.<br />
(3) Mit de Kommmunikationstheorie der Unternehmung versucht Martens<br />
zwar kommunikationsmechanismen von Wirtschaftsorganisationen zu erklären,<br />
indem er Akzeptanz, Geld und Macht als bedeutsame herausarbeitet. Er<br />
taucht jedoch nicht ausreichend in die (psychologische) Frage nach<br />
Motiven der Organisationsmitglieder ein und vernachlässigt<br />
sozialpsychologische Aspekte (Einstellungen, Selbstaufmerksamkeit,<br />
Aktivierungsprozesse, kollektives Handeln), Aspekte die die Arbeits- und<br />
Organisationspsychologie (siehe z.B. Greif, 1983) heranzieht.<br />
(4) Martens definiert Macht - ein zentrales Element der<br />
Kommunikationstheorie - als "diejenige Form der Akzeptanzproduktion, die<br />
mit drohenden Sanktionen operiert". Er beschreibt, daß Manager und<br />
Vorgesetzte über Annahme, Entlassung, Entlohnung und Beförderung der<br />
Untergebenen befinden, also Abhängigkeit aufgrund von Machtungleichheit<br />
besteht. Er analysiert jedoch weder die Quellen der Macht (siehe z.B.<br />
French/Raven) noch die "Gegenmacht" kollektiven Handelns: die<br />
Gewerkschaften. Zudem berücksichtigt er nicht Ergebnisse aus der<br />
Involvement-Forschung (siehe z.B. Conrad).<br />
Martens Versuch einer Kommunikationstheorie der Unternehmung ist gerade<br />
für einen nicht marxistisch orientierten Rezipienten spannend zu lesen,<br />
gibt er doch Impulse, "Wirklichkeiten" anders zu sehen und das eigene<br />
Wahrnehmungsspektrum zu erweitern.<br />
Literatur:<br />
Greif, Siegfried, Konzepte der Organisationspsychologie. Eine Einführung<br />
in grundlegende theoretische Ansätze, Bern: Huber 1983<br />
French/Raven in: Goodstein, Leonhard, Getting your way: a training<br />
activity in understanding power and influence, in: Group and Organization<br />
Studies. The International Journal for Group Facilitators, Vol. 6,No.3,<br />
San Diego, USA 1981<br />
Conrad, Peter, Involvement-Forschung. Motivation und Identifikation in<br />
der verhaltenswissenschaftlichen Organisationstheorie,Berlin: De Gruyter<br />
1988<br />
Mannheim, im September 1989 Hans-Jürgen Kurtz<br />
Ulrich A. Wever*<br />
Unternehmenskultur in der Praxis. Erfahrungen eines Insiders bei zwei<br />
Spitzenunternehmen<br />
Campus, Frankfurt-New York 1989, 215 S., DM 38.-<br />
Deskriptoren: Arbeitseinstellung, Arbeitsplatzsicherheit, Fallstudie,<br />
Führung, Gesellschaft, Information, Kommunikation, Komplexität, Kultur,<br />
Management, Mitarbeiter, Symbol, Unternehmenskultur, Verhalten, Werte,<br />
Wertewandel<br />
Unternehmenskultur ist en vogue! Dies zeigt die zunehmende Zahl von<br />
Veröffentlichungen. Dabei besitzen auch praktische Darstellungen ihre<br />
Berechtigung. Gerade aber letzter Punkt wird bis jetzt fast<br />
ausschließlich in der US-amerikanischen Managementliteratur verfolgt.<br />
Deshalb muß man besonders gespannt sein, wenn sich ein gewiefter
Praktiker mit jahrelanger (Kultur-)Erfahrung zu einer Publikation zur<br />
Unternehmenskultur zu Wort meldet und dabei Einblick in seine Erfahrungen<br />
verspricht. Ulrich A. Wever war jahrelang Managementtrainer bei IBM in<br />
den USA und Deutschland und ist derzeit bei der Hypo-Bank in München<br />
Direktor für "Kommunikation und Unternehmenskultur".<br />
In Kapitel 1 beschreibt Wever die Gründe, sich mit Unternehmenskultur<br />
auseinanderzusetzen: Hier spricht er Aspekte wie die Entfremdung von der<br />
Arbeit, den gemeinsamen Markt nach 1992, die gesellschaftliche<br />
Verantwortung der Unternehmen sowie den gesellschaftlichen Wertewandel<br />
an. Kapitel 2 versucht Unternehmenskultur greifbar zu machen: Wever<br />
konstatiert, daß der Mensch im Mittelpunkt jeglichen unternehmerischen<br />
Handelns stehen muß. Deshalb spielen Symbole, Legenden, Rituale oder<br />
Helden als Audruck einer lebenden Kultur eine wichtige Rolle. Kapitel 3<br />
beschreibt Unternehmenskultur als Subkultur der Nationalkultur. Dabei<br />
wird der Einfluß nationalkultureller Werte auf die Organisation untersucht.<br />
Wever wiederholt hier die häufig geführte Diskussion zu den<br />
Unterschieden in der Nationalkultur und den Managementtechniken in den<br />
USA, Japan und der Bundesrepublik Deutschland, die er mit markanten<br />
Beispielen belegt.<br />
Kapitel 4, der umfangreichste Teil des Buches, widmet sich den<br />
Möglichkeiten der Weiterentwicklung und Veränderung der<br />
Unternehmenskultur. Dabei sieht Wever in der Bestimmung der Ist-Kultur<br />
die grundlegende Basis, aber auch die größten Schwierigkeiten. Vertiefend<br />
geht er auf Mitarbeiter-Meinungs-Umfragen ein, die nach Wever ein klares<br />
und objektives Bild der Kulturoberfläche (!) bieten. Auch die<br />
systematische Kulturanalyse durch externe Berater sieht er in manchen<br />
Situationen als unumgänglich an.<br />
Nach der kurzen und wenig operablen Passage über die Festlegung einer<br />
Soll-Kultur geht Wever auf einzelne Veränderungsmaßnahmen ein: Eine<br />
Änderung von Regeln und Richtlinien, Einstellung neuer Mitarbeiter,<br />
Neuorientierung der Mitarbeiter sowie Kommunikations- und<br />
Informationsverhalten spielen eine gewichtige Rolle. Wie dies aber<br />
konkret zu realisieren ist, verrät er leider nicht. Er beschränkt sich<br />
lediglich auf den Hinweis, daß die Unternehmensspitze eine wesentliche<br />
Rolle bei Kulturprägung und -veränderung spielt.<br />
Neben inhaltlichen Aspekten interessiert gerade bei einer derartigen<br />
Publikation die methodische Meta-Ebene: Ist es einem Kulturinsider<br />
überhaupt möglich, die Kultur des eigenen Unternehmens zu beschreiben?<br />
Dies scheint die Position des Autors zu sein. Doch dann schreibt Wever<br />
auf Seite 123 (richtigerweise): "Natürlich meint jeder Spitzenmanager,<br />
daß er die Kultur seines Unternehmens recht gut kenne. Tatsächlich trifft<br />
aber dieses selbstgemachte Bild in den wenigsten Fällen zu. Seine<br />
Eindrücke sind viel zu sporadisch und selektiv, als daraus richtige<br />
Schlußfolgerungen zu ziehen wären". Dies ist nicht nur Wevers Meinung,<br />
sondern auch breiter Konsens unter den Kulturforschern. Somit befindet<br />
sich Wever mit seinem Buch in einem Dilemma. Denn genau das, was der<br />
Buchtitel suggeriert, ist nicht möglich.<br />
Dies beweist auch die Aussage Wevers, daß kaum Unterschiede bei IBM im<br />
Vergleich Deutschland und USA festzustellen sind. Mag dies für<br />
Managementsysteme und andere Artefakte noch gelten, für die Grundannahmen<br />
und Werte ist dies allerdings unzutreffend, wie auch die Untersuchungen<br />
von Hofstede plakativ vor Augen führen.<br />
Wendet man sich dem Inhalt zu, so löst sich dieses Dilemma auf: Wever<br />
erlaubt keinen tiefen Einblick in die Kultur von IBM oder der Hypo-Bank.
In seinen allgemeinen Abhandlungen baut er lediglich skizzenhafte<br />
Beschreibungen der Oberflächenmerkmale der Kultur ein, und das, obwohl<br />
Wever das 3-Ebenen-Modell von Schein mit Grundannahmen, Werten und Artefakten<br />
zur Erklärung der Kultur heranzieht. Wever dagegen bewegt sich<br />
ausschließlich auf der Artefakte-Ebene; diese wirkt aber am wenigsten<br />
verhaltenssteuernd und läßt die geringsten Rückschlüsse auf die Kultur<br />
zu.<br />
Wissenschaftler sind nicht die Zielgruppe des Buches: Die Abhandlungen<br />
erschließen keine neuen Aspekte. Der Leser stolpert zudem immer wieder<br />
über Textpassagen, deren Inhalt auch in anderen Quellen ähnlich<br />
nachlesbar ist. Auf dezidierte Literaturhinweise wird verzichtet. Der<br />
Praktiker hingegen wird seine Freude daran finden: Wever bedient sich<br />
eines netten Erzählstils in Wir-Form, welcher das Buch auch für den<br />
gestreßten Manager leicht und schnell lesbar macht. Dies führt zu einem<br />
Aha-Erlebnis und zieht zufriedenes Kopfnicken nach sich. Auf lange Sicht<br />
birgt diese "Komplexitätsreduktion" im Bereich der Unternehmenskultur und<br />
deren "Bestätigung" durch derartige Publikationen allerdings große<br />
Risiken. Auch wenn dies zunächst als der leichtere Weg erscheint.<br />
Saarbrücken, 21.8.1989 Wolfgang Hofbauer<br />
Ulrich A. Wever<br />
Unternehmenskultur in der Praxis<br />
Der Untertitel lautet "Erfahrungen eines Insiders bei zwei<br />
Spitzenunternehmen". Der Autor erörtert das Thema "Unternehmenskultur"<br />
anhand seiner Erfahrungen sowohl bei IBM als auch bei der Bayerischen<br />
Hypotheken- und Wechselbank. Herr Wever stellte sich bei beiden Firmen<br />
immer wieder neuen Herausforderungen. So arbeitete er bei IBM als<br />
Personalleiter und als Trainer bis hinauf zum Top-Management. Bei der<br />
Hypo leitete er anschließend das Bildungswesen und seit März 1989 die neu<br />
geschaffene Stelle für Unternehmenskommunikation.<br />
Aus diesen Angaben wird deutlich, wie praxisnah das Buch sein muß. Es ist<br />
ein Vergnügen, die Ausführungen von Wever zu lesen. Er schreibt lebendig,<br />
humorvoll und auflockernd. Seine Formulierungen sind stets prägnant.<br />
Trotz der vielen Beispiele ist der Text systematisch aufgebaut und auf<br />
das Wesentliche konzentriert.<br />
Vordergründig - so Wever - ist die Ursache für die zunehmende<br />
Beschäftigung mit der Unternehmenskultur der sich verschärfende<br />
Wettbewerb und die zunehmende internationale Öffnung der Märkte. In<br />
Wirklichkeit aber befindet sich unsere Gesellschaft und damit auch die<br />
Wirtschaft in einer starken Umbruchphase. In diesem Zusammenhang weist<br />
Wever auf die zahlreichen Umweltkatastrophen allein seit Sommer 1988 hin.<br />
Durch das Fehlverhalten der Verantwortlichen ist es besonders bei der<br />
jungen Generation zu einem rapiden Vertrauensschwund gekommen. Eine Folge<br />
ist das fehlende Verständnis für elementare wirtschaftliche<br />
Zusammenhänge. Die Unzufriedenheit vieler Menschen überall in der Welt<br />
sieht Wever als Ausgangspunkt für einen neuen, anders als bisher<br />
verstandenen Fortschritt.<br />
Die neue Sicht der Wirklichkeit besteht im ganzheitlichen, dem<br />
"vernetzten" Denken, das sich gewissenhaft mit unerwünschten Neben- und<br />
Folgeerscheinungen menschlichen Handelns befaßt.
Eine zusätzliche Herausforderung stellt der europäische Binnenmarkt dar.<br />
Er verlangt neue Strategien; denn die Komplexität der Zusammenhänge und<br />
die Verflechtungen nehmen zu.<br />
Führungskräfte müssen zunehmend gesellschaftspolitische Verantwortung<br />
übernehmen, zumal früher stabilisierende Kräfte wie die Kirchen in ihren<br />
Auswirkungen stark abgenommen haben.<br />
An die Stelle der Kriegsgeneration ist eine neue Generation getreten mit<br />
hervorragender Ausbildung und beachtlichem intellektuellem Niveau. Der<br />
Autor verdeutlicht den Wertewandel und das damit verbundene neue<br />
Verhältnis der Menschen zur Autorität und zum Unternehmen, dem er<br />
angehört.<br />
Betriebliche Loyalität steht in umittelbarem Zusammenhang mit dem<br />
Vertrauensverhältnis zur Unternehmensführung. Deshalb schon muß diese<br />
sich ernsthaft mit der Unternehmenskultur befassen.<br />
Zu Recht definiert der Autor erst jetzt den Begriff der<br />
Unternehmenskultur. An Beispielen bei Hewlett-Packard, Nixdorf, IBM zeigt<br />
er auf, wie diese konkret aussehen sollte. Zwar verwenden viele<br />
Unternehmen griffige Formulierungen, aber es mangelt leider an der<br />
Vertiefung der einzelnen Normen. Schlagwörter wie Arbeitsethik, Skepsis<br />
gegenüber der Bürokratie, sozialer Nutzen der Arbeit müssen mit mehr<br />
Inhalt gefüllt werden. Gemeinsam ist jeder Form der<br />
Unternehmensphilosophie, daß der Mensch im Mittelpunkt steht.<br />
Wever verdeutlicht, wie unterschiedlich die Symptome sind, an denen man<br />
die jeweilige Unternehmenskultur erkennen kann. Beispiele: die Art der<br />
Kommunikation, den Briefstil, der Umgang mit Kritik, das Verhalten<br />
gegenüber der Außenwelt.<br />
Der Autor warnt vor der verfehlten Vorgehensweise, Unternehmenskultur<br />
durch Systeme prägen zu können.<br />
Er verdeutlicht, welchen starken Einfluß noch heute in vielen Firmen die<br />
Gründer und spätere außergewöhnliche Unternehmenspersönlichkeiten haben.<br />
Im Unternehmen muß es ein fruchtbares Spannungsfeld geben, bedingt durch<br />
die unterschiedliche Mentalität der Mitarbeiter bei gleichzeitiger<br />
Betonung des Gemeinsamen.<br />
Statt Einheitswerten gibt es heute einen Wertepluralismus,<br />
selbstverständlich auch in den Unternehmen. Dennoch findet ein neuer<br />
Mitarbeiter im Unternehmen ein festes Normen- und Wertegefüge vor, das<br />
was der Volksmund "Stallgeruch" nennt. Gleichzeitig prägen aber die Neuen<br />
auch dieses Gefüge, besonders wenn sie in einflußreiche Positionen<br />
gelangen.<br />
Jede Firma ist eine Art von Subkultur in der Gesellschaft. Nur so kann<br />
sie sich gegenüber anderen Unternehmen profilieren. Einige wenige, ganz<br />
bestimmte Werte, müssen stärker herausgehoben, für verbindlich erklärt<br />
und konsequent gelebt werden. Können weltweit tätige Unternehmen eine<br />
durchgängige Kultur entwickeln und pflegen und gleichzeitig den Tochtergesellschaften<br />
in den einzelnen Ländern Eigenständigkeit entsprechend<br />
ihrer Kulturausprägung zugestehen? Entsprechende Differenzierungen belegt<br />
Wever am Beispiel der IBM-Unternehmenskultur.<br />
Dem japanischen Kulturideal der störungsfreien Harmonie steht in unserer<br />
Kultur die Bejahung der Konfliktfähigkeit gegenüber. Statt den einzelnen<br />
zum Wohle des Ganzen völlig ein- und unterzuordnen, streben wir das
demokratische Ideal des selbstbewußten Mitarbeiters an. Bei uns soll der<br />
Einzelne Entscheidungen treffen und verantworten, in Japan dagegen stets<br />
Gemeinschaftsentscheidungen entstehen. Eine Übernahme japanischer<br />
Werteorientierungen ist weder möglich noch erstrebenswert, weil sie<br />
unserem gesamten Lebensgefühl widersprechen.<br />
In den USA sind die Arbeitnehmer sehr mobil. Deshalb ist die Fluktuation<br />
viel größer als bei uns. Es gibt keine eindeutigen, klar differenzierten<br />
Berufsbilder. In der Regel entsteht kein Gefühl der gegenseitigen Bindung<br />
und Loyalität zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber. Diese orientieren<br />
sich extrem an kurzfristigen Ergebnissen.
Eine klassische Ausnahme stellt IBM dar. Bei diesem Unternehmen gilt z.<br />
B. das Prinzip "Keine Entlassungen".<br />
Nur solche Firmen können darauf eine eigene Unternehmenskultur<br />
entwickeln, weil Voraussetzung dafür Kontinuität in der Belegschaft ist,<br />
von deren Loyalität die Stärke abhängt.<br />
Nach Wever ist das Besitzstandsdenken nirgends so stark ausgeprägt wie in<br />
Deutschland. Diesen bei uns besonders hoch angesetzten Wert müßte man<br />
relativieren. Man könnte sich durchaus in einem Unternehmen wohlfühlen,<br />
dem man nicht sein ganzen Leben lang treu bleiben möchte.<br />
Der Autor weist hin auf die Konzeptionsplanung von General Motors für<br />
eine neue Fertigungsstätte. Die gemeinsam mit der Gewerkschaft<br />
entwickelten innovativen Veränderungen sehen u. a. vor: eine flache<br />
Hierarchie, das Selbstmanagement von Arbeitsgruppen, die größtmögliche<br />
Flexibilität beim Arbeitseinsatz, große Investitionen in das Training,<br />
Entscheidungen durch Konsens.<br />
Im Gegensatz zu den USA meinen noch heute viele Manager bei uns, wegen<br />
des weitgehend sozialen Friedens sei die Entwicklung und Pflege einer<br />
eigenständigen Unternehmenskultur nicht erforderlich. Eine Untersuchung<br />
bei besonders erfolgreichen deutschen Industrieunternehmen hat als<br />
Gemeinsamkeit ergeben z.B. technische Kompetenz auf allen Ebenen, qualifizierte<br />
Belegschaften, ausgeprägte Produkt- und Kundenorientierung,<br />
langfristige Prioritäten. Deutsche Führungskräfte wollen nicht Autorität<br />
einsetzen, um eine Arbeit erledigen zu lassen, sondern kooperativ führen<br />
und auch selbst so geführt werden.<br />
Unternehmenskulturen bei uns entwickeln sich bedeutend langsamer, aber<br />
auch stetiger als bei den experimentierfreudigeren und<br />
veränderungsbereiteren Nordamerikanern.<br />
Zunächst muß eine Bestandsaufnahme der Unternehmenskultur erfolgen. Dazu<br />
zählen regelmäßige Mitarbeitergespräche, Gespräche mit dem Betriebsrat,<br />
Gesprächsrunden mit bestimmten Funktionsgruppen, Diskussionen bei<br />
Sonderveranstaltungen, Workshops über "Stärken und Schwächen des<br />
Unternehmens", systematisch geplante Interviews durch externe Berater.<br />
Ein wichtiges Instrument stellen Mitarbeiter-Meinungs-Umfragen dar.<br />
Voraussetzungen müssen jedoch sein: Die Geschäftsleitung ist an der<br />
Wahrheit interessiert, die Anonymität bleibt gewahrt, die Ergebnisse<br />
werden gründlich analysiert, Verbesserungen erarbeitet und realisiert.<br />
1. Voraussetzung für eine bewußte Veränderung der Unternehmenskultur<br />
ist, daß die Geschäftsleitung sie ernstnimmt. So darf es keine deutliche<br />
Diskrepanz zwischen Unternehmenskultur und -strategie geben.<br />
Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit der Mitarbeiter müssen<br />
realistisch eingeschätzt werden.<br />
2. Instrumente der Veränderung sind: die Modifikation bestehender<br />
Regeln und Richtlinien, die Einstellung passender neuer Mitarbeiter,<br />
flexibler Einsatz der Mitarbeiter und verbessertes<br />
Kommunikationsverhalten. Soziale Kompetenz muß bei den Mitgliedern der<br />
oberen Führungsmannschaft den Ausschlag geben!<br />
Schlüchtern, 6.10.89<br />
Klaus Rischar<br />
Hans Hass
Der Hai im Management - Instinkte steuern und kontrollieren<br />
Langen-Müller/Herbig, München 1989, 328 S., 34.-<br />
Deskriptoren: Führung, Führungsverhalten, Management,<br />
Selbstverwirklichung, Verhalten<br />
Das Buch von Hass wendet sich explizit an jeden, "der sich im Wirtschaftsbereich<br />
um Gewinn und Erfolg bemüht" (S.14). Denn schließlich kann<br />
jeder - und vor allem jeder Manager - seinen Erfolg steigern, wenn er<br />
seine Instinkte sinnvoll einzusetzen lernt.<br />
Im ersten Teil des Buches beschreibt der Meeresbiologe Hass anhand von<br />
neun Prämissen die Entstehung des "Psychosplits" beim Menschen vor etwa<br />
10 000 Jahren: Wie für alle Lebewesen ist auch beim Menschen<br />
Energieerwerb die wichtigste Funktion. Während aber die Energiequelle von<br />
Tieren zwingend in der organischen Struktur anderer Lebewesen besteht und<br />
somit der Energieerwerb ausschließlich durch Raub erfolgt (wofür das Bild<br />
des Räubers "Hai" steht), kam es beim "intelligenten" Menschen in<br />
seßhaften Gemeinschaften zum Energieerwerb über Tausch mit Hilfe des<br />
Universalvermittlers Geld. Dies erfordert zusätzliche Erwerbsstrategien:<br />
Intellekt und Instinkt des Menschen ("Halber Räuber") geraten damit in<br />
den Dauerkonflikt zwischen Raubverhalten mit kurzfristigem Erfolg und<br />
partnerbezogenem Verhalten mit langfristigem Erfolg.<br />
Durch Bewältigung des Psychosplits würden sich also Erfolg und<br />
Lebensqualität steigern lassen. "Dies zeigt sich daran, daß auch<br />
weltumspannende Konzerne sich immer mehr auf Qualität und 'Kundennähe'<br />
ausrichten und sich darum bemühen, 'optimale Problemlöser' für ihre<br />
Zielgruppen zu sein. Und zwar vollzieht sich dies nicht nur eben auf<br />
Grund eines Druckes von Außen ..., sondern auch zunehmend in der<br />
wachsenden Erkenntnis, daß man, um den eigenen Gewinn zu optimieren, sich<br />
um den Gewinn anderer bemühen muß." (S.140-141)<br />
Im zweiten Teil des Buches will Hass durch Beispiele aus dem<br />
Managementansatz von Mewes die Bewältigbarkeit des Psychosplits erklären.<br />
Hass postuliert dazu neun Leitlinien für eine Optimale Betriebsstrategie<br />
(OBS):<br />
1. Willst Du Gewinn, dann denke an den Vorteil anderer!<br />
2. Nicht nur die ausgetretenen Wege führen zu Erfolg!<br />
3. Sei bestmöglicher Schlüssel für das richtige Schloß!<br />
4. Nütze nicht Schwachstellen anderer, sondern hilf, sie zu<br />
beseitigen!<br />
5. Spezifiziere und diversifiziere Dein Angebot, aber richtig!<br />
6. Wirst Du Problemlöser einer Zielgruppe, dann steuert sie Deinen<br />
Erfolg!<br />
7. Gelderwerb und Gewinn sind keineswegs identisch!<br />
8. Betrachte Angestellte nicht als Produktionsmittel und Arbeitgeber<br />
nicht als Melkkuh!<br />
9. Richte Dich auf qualitatives Wachstum ein!<br />
Nach rund 300 Seiten Lektüre ist dem Leser nicht klar, warum der halbe<br />
Räuber Mensch letztendlich seinen eigenen Vorteil nur dann stabilisiert,<br />
wenn er Problemlösungen zum Vorteil des Partners anbietet. Warum soll<br />
gerade der moralische Zeigefinger "denke an den Vorteil anderer" einzig<br />
ausschlaggebender Faktor für langfristigen Erfolg sein? Verbirgt sich<br />
dahinter nicht nur ein taktisch kluges Raubverhalten, das die Beute in<br />
Sicherheit wähnt?<br />
Der Verdacht drängt sich auf, daß Hass als Autor selbst seiner<br />
propagierten OBS gefolgt ist, wenn er im Titel "Der Hai im Management"
genau einen vom Nachfrager empfundenen Engpaß zu befriedigen vorgibt.<br />
Populärwissenschaftliche Bücher, die sich mit Fragen zu Managementstrategien<br />
befassen, finden gegenwärtig großen Anklang; wenn sie<br />
noch dazu säubernde Selbstverwirklichungspostulate salonfähig machen,<br />
liegen die Absatzchancen noch besser.<br />
Hat Hass jedoch selbst den Psychosplit bewältigt oder sich nur räuberisch<br />
eines Trends bedient und so manchen Leser zu dessen Nachteil unbefriedigt<br />
zurückgelassen?<br />
Trotzdem: Das Hauptanliegen des Autors ist positiv zu bewerten. Nur<br />
systemtheoretisches Denken kann den Menschen vor sich selbst und der<br />
Zerstörung der eigenen Umwelt bewahren: Ozonloch, AIDS, Waldsterben,<br />
Gewässerverschmutzung und nicht zuletzt Robbensterben machen ein Umdenken<br />
und die Abkehr vom "Halben oder Ganzen Räuber" unumgänglich.<br />
Doch dieses Gedankengut ist nicht neu. Schon 1937 schrieb der Biologe<br />
Ludwig von Bertalanffy in seinem Buch "Das Gefüge des Lebens": "Es dürfte<br />
der Nachweis erbracht sein, daß die neuen ganzheitlichen<br />
Forschungsprinzipien sich auf allen Gebieten der Lebenserscheinungen als<br />
notwendig erweisen und ein tieferes Verständnis der Gesetze der Lebenserscheinungen<br />
vermitteln" (S.178). Auch Stafford Beer steckte 1972 im<br />
Vorwort zu seinem Buch "Brain of the Firm" einen weiten Rahmen ab: "This<br />
book is about large and complicated systems, such as animals, computers<br />
and economies." Hass liefert also lediglich die aktuelle Variante einer<br />
lang andauernden Diskussion über ganzheitliche Forschungsansätze und<br />
ihrer erfolgreichen Anwendung.<br />
Wer Interesse an einer anschaulichen Kurzfassung der Entstehungs- und<br />
Entwicklungsgeschichte des Menschen hat, sich an (diskutierbaren)<br />
Erfolgsrezepten von Managern erfreuen kann und wen die allgegenwärtige<br />
Werbung für Mewes nicht stört, dem sei dieses Buch wegen des impliziten<br />
Bezugs zur Systemtheorie somit dennoch empfohlen, zumal zahlreiche Tippund<br />
Rechtschreibfehler (zum Beispiel werden Hauptfunktionen auf Seite 213<br />
zu "Hautfunktionen") die Materie zusätzlich auflockern.<br />
Saarbrücken, August 1989<br />
Maria Scholz<br />
Al Rainnie<br />
Industrial relations in small firms. Small isn't beautiful<br />
Routledge, London und New York 1989, 194 S., £ 29.50<br />
Deskriptoren: Arbeitsbedingungen, Arbeitsbeziehungen, Einkommen,<br />
Empirische Untersuchung, Gewerkschaft, Industrie, Industrielle<br />
Beziehungen, Innovation, Kleinbetrieb, Macht, Manager, Mittelbetrieb,<br />
Wachstum<br />
'Small is beautiful': der Buchtitel des britischen Ökonomen und<br />
ehemaligen Managers E. F. Schumacher, deutsch 1977 erschienen, hat als<br />
Slogan auch in der die bundesdeutsche Diskussion Eingang gefunden und<br />
dient vielfach als Motto für die Neubewertung der ökonomischen und<br />
sozialen Rolle der Klein- und Mittelbetriebe. Die 1989 erschienene Studie<br />
des britischen Sozialwissenschaftlers Al Rainnie will mit ihrem<br />
Untertitel 'Small isn't beautiful' dazu einen Kontrast setzen. Seine<br />
Analyse der ökonomischen, politischen und sozialen Positionen der Kleinund<br />
Mittelbetriebe bilanziert die Entwicklung der siebziger und achtziger<br />
Jahre in Großbritannien und gelangt zu einigen Aufschlüssen, die auch für<br />
deutsche Leser von Interesse sein können.
Im ersten Teil der Studie skizziert Rainnie die britische Diskussion über<br />
Klein- und Mittelbetriebe, die mit der Veröffentlichung des Bolton-<br />
Reports 1971 einsetzt (im anhang analysiert der Autor diesen Bericht<br />
ausführlicher) und mit dem Beginn der konservativen Regierungsübernahme<br />
durch M. Thatcher eine Boomphase erlebt. Die Vorstellung des innovativen,<br />
dynamischen, beschäftigungsintensiven Kleinbetriebes erlangt in den<br />
politischen Förderprogrammen der Konservativen eine zentrale Stellung;<br />
konfrontiert mit der tatsächlichen Entwicklung, erweist sich die Rolle<br />
der Kleinbetriebe freilich als weit weniger glorreich.<br />
Vor allem unterschätzt der propagierte Mythos des Kleinbetriebs zumeist,<br />
wie Rainnie aufzeigt, das Geflecht direkter und indirekter<br />
Abhängigkeiten, das die kleinen mit den großen und mächtigen Unternehmen<br />
verbindet. "The large firm directly or indirectly determines the rules of<br />
the game in which the small firm is a player." (88)<br />
Die Analyse dieser Zusammenhänge führt schließlich zu einer<br />
Ausdifferenzierung der Heterogenität der Klein- und Mittelbetriebe in<br />
vier Typen nach der Art ihrer Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit. Diese<br />
Klassifikation (dependent - competitive independent - old independent -<br />
new independent) könnte auch für weitere Überlegungen und Untersuchungen<br />
einen fruchtbaren Ansatz abgeben.<br />
Im zweiten Teil seiner Studie stellt Rainnie Befunde eigener empirischer<br />
Untersuchungen von Klein- und Mittelbetrieben dat, die in zwei<br />
unterschiedlichen Industriezweigen, der Bekleidungs- und der<br />
Druckindustrie, durchgeführt wurden.<br />
Entgegen der offiziellen konservativen Doktrin, nach der<br />
Arbeitsbeziehungen in kleineren Betrieben 'happier and easier' seien,<br />
weisen die Ergebnisse der Studie nach, daß im Hinblick auf<br />
Einkommensverhältnisse und Arbeitsbedingungen die Kleinbetriebe<br />
erhebliche Defizite aufweisen. Gleichwohl seien die Arbeitsbeziehungen<br />
durch eine vordergründige 'Harmonie' geprägt, die nach Rainnie darauf<br />
zurückzuführen sei, daß die dort Beschäftigten sich in ihren Ansprüchen<br />
den Gegebenheiten anpassen, die das Management (zumeist die Owner-Manager)<br />
ihnen vermitteln; aus Mangel an Alternativen fügen sie sich. Einer<br />
Veränderung ihrer sozialen Bedingungen seien Grenzen gesetzt: weil die<br />
gewerkschaftliche Organisation in Kleinbetrieben der Bekleidungsindustrie<br />
kaum vertreten sei, oder, wo sie präsent ist, wie in Kleinbetrieben der<br />
Druckindustrie, wenig Aktivitäten entfaltet und so den Owner-Managern das<br />
Feld überläßt.<br />
Die Studie vermittelt einen interessanten und kritischen Überblick und<br />
Einblick in die britische Debatte über Klein- und Mittelbetriebe, die<br />
auch für deutsche Leser von Interesse ist und den Wunsch aufkommen läßt,<br />
in vergleichender Perspektive Untersuchungen in beiden oder mehreren<br />
Ländern durchzuführen; nicht zuletzt mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt<br />
1992.<br />
Paderborn, Juli 1989<br />
Hans J. Sperling
Erwin Roth (Hg.)<br />
Organisationspsychologie. Enzyklopädie der Psychologie, Band D/III/3<br />
Hogrefe, Göttingen 1989, 940 S., DM 288.- (einzeln), DM 248.- (bei<br />
Abnahme der Serie D/III)<br />
Deskriptoren: Arbeit, Arbeitseinstellungen, Arbeitsleistung,<br />
Arbeitszufriedenheit, Ausbildung, Beanspruchung, Belastung, Beurteilung,<br />
Eignungstest, Entscheidung, Fortbildung, Freizeit, Führung, Gesellschaft,<br />
Gruppe, Gruppenarbeit, Gruppenprozesse, Gruppenstruktur, Innovation,<br />
Kognition, Kommunikation, Kultur, Macht, Motivation, Normen,<br />
Organisation, Organisationsstrukturen, Organisationstheorie, Sozialisation,<br />
Technologie, Umwelt-systemtheoretisch, Verhalten,<br />
Weiterbildung, Werte, Wertorientierungen<br />
Mit dem Band Organisationspsychologie hat der Hogrefe-<strong>Verlag</strong> ein weiteres<br />
Werk seiner auf über 90 Bände angelegten Enzyklopädie der Psychologie<br />
herausgebracht. Die Serie D/III "Wirtschafts-, Organisations- und<br />
Arbeitspsychologie" ist damit nahezu komplett erschienen. Sie enthält<br />
neben der Organisationspsychologie und der noch ausstehenden<br />
Ingenieurpsychologie eine zweibändige Marktpsychologie (1983 erschienen)<br />
und die 1987 erschienene Arbeitspsychologie. Das thematische Spektrum der<br />
Serie trägt einer Expansion und Diffusion Rechnung, die psychologische<br />
Forschung und Anwendung im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftslebens<br />
während der letzten 20 - 30 Jahre erfahren haben. Die klassische<br />
Betriebspsychologie - im Vorgänger der Enzyklopädie, dem "Handbuch der<br />
Psychologie", noch als eigenständiger Band vertreten - ist hierbei auf<br />
der Strecke geblieben. Große Teile ihres Forschungsprogramms und<br />
Verfahrenskanons sind u.a. in der nun vorliegenden Organisationspsychologie<br />
aufgegangen. Der soeben erschienene Band präsentiert damit<br />
eine Fachdisziplin,deren Gültigkeitsanspruch, wie dies der Herausgeber im<br />
Vorwort schreibt, nicht auf wirtschaftliche Organisationen, insbesondere<br />
nicht auf Industriebetriebe beschränkt bleibt. Wie weit der<br />
Gültigkeitsbereich der Organisationspsychologie reichen soll, wird<br />
allerdings offen gelassen. Eine genauere Ortsbestimmung fällt auch bei<br />
näherer Betrachtung abgehandelter Inhalte schwer. Hierzu trägt eine<br />
Anzahl Psychologie-"fremder" Themen bei, aber auch bei fachspezifischeren<br />
Themen stellt sich nicht immer spontanes Wiedererkennen ein, wenn man<br />
Inhalte anderer Standardwerke zugrunde legt. Dennoch ist das in 30<br />
Kapiteln von insgesamt 38 Autoren aufgearbeitete Material eindrucksvoll<br />
und vermag ohne Zweifel einzulösen, was sich der Herausgeber verspricht:<br />
"Daß (es) anregend sein möge zur Diskussion organisationswissenschaftlicher<br />
Fragestellungen und Methoden, hilfreich für die<br />
Bearbeitung organisationeller Probleme und auch beitrage zur<br />
Zusammenarbeit zwischen Theoretikern und Praktikern der<br />
Organisationspsychologie" (S. x). Die entfaltete Inhaltspalette ist lose<br />
in fünf Themenkomplexen zusammengefaßt: historische Entwicklung und<br />
Perspektiven der Organisationspsychologie, politische und<br />
gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Organisationen, Konzepte und<br />
Theorien, Aufgabenfelder der Organisationspsychologie sowie Organisation<br />
und Umwelt. Ein substantieller Anteil einzelner Beiträge ist - wie<br />
bereits angemerkt - aus anderen organisationswissenschaftlichen<br />
Disziplinen importiert. Dadurch "franst" der Gegenstand des vorliegenden<br />
Bandes an seinen Rändern sehr stark aus. Dies mag begrüßen, wer der<br />
Organisationspsychologie zutraut, Wegbereiter einer allgemeinen<br />
Organisationswissenschaft zu sein oder zu werden. Dies mag bedauern, wer<br />
den originär psychologischen Kern organisierter (Zusammen-)Arbeit gerne<br />
etwas deutlicher konturiert gesehen hätte. Wessen Ansprüche von<br />
vorneherein jedoch eher selektiver Natur sind, braucht Vor- und<br />
Nachentscheidungskonflikte nicht zu fürchten. Vergleichbare Werke gibt es<br />
im deutschen Sprachbereich derzeit nicht.
Zu den Beiträgen im einzelnen:<br />
Erwin Roth führt zunächst in Gegenstand, Geschichte und Trends der<br />
Organisationspsychologie ein, Helmut Gachowetz ergänzt diese Einführung<br />
durch ein Kapitel über Organisationspsychologie in Gesellschaft,<br />
Wirtschaft und Verwaltung. Beide Kapitel dienen der allgemeinen<br />
Orientierung und setzen sich u.a. damit auseinander, wie sich die<br />
Organisationspsychologie wissenschaftlich emanzipiert hat und wo sie<br />
innerhalb der von ihr beanspruchten Anwendungs- und Betätigungsfelder<br />
heute steht.<br />
Die nächsten 7 Kapitel behandeln eine Reihe von Themen, die Organisation<br />
als Ganzes betreffen oder zu solchen Bedingungen gehören,die<br />
Organisationen selbst in der Regel nicht oder nur in geringem Maße<br />
herstellen bzw. verändern können. Das Kapitel von Klaus Faupel setzt sich<br />
mit politischen und gesellschaftlichen, das Kapitel von Bernd Rürup mit<br />
wirtschaftlichen und das Kapitel von Gerhard Schnorr mit rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen auseinander. Während in diesen Kapiteln - wohl auch<br />
mitbedingt durch die Provenienz ihrer Autoren - eine sehr konsequente<br />
Außenperspektive durchgehalten wird, versuchen die Autoren der folgenden<br />
Kapitel überdies, personale Bedingungsauswirkungen mit zu<br />
berücksichtigen. Die Autorengruppe Eberhard Ulich, Norbert Troy und<br />
Andreas Alioth behandelt den Bereich Technologie und Organisation, die<br />
Autoren Konrad Daumenlang und Helmut Dreesmann den Bereich Arbeit und<br />
Freizeit. Noch stärker tritt das psychologische Moment in Bernhard<br />
Wilperts Kapitel über Menschenbild, Einstellungen, Normen und Werte in<br />
den Vordergrund. In ihm werden Rahmenbedingungen der Organisation z.T.<br />
vom Individuum selbst neu aufgeschlüsselt. Der Themenkomplex wird durch<br />
ein Kapitel von Alexander Thomas über kulturelle Einflußfaktoren<br />
abgeschlossen.<br />
Es folgen zwei Kapitel zur theoretischen Einbettung der<br />
Organisationspsychologie. Oswald Neuberger setzt sich mit spezifischen<br />
Organisationstheorien auseinander, die er in ihren teils historischen,<br />
teils metaphorischen Zusammenhängen beleuchtet. Die Autoren Andreas<br />
Schwald und Thomas Pape gehen aus einer primär systemtheoretischen und<br />
formalanalytischen Perspektive auf organisationspsychologisch relevante<br />
allgemeine Theorien ein.<br />
Der vierte Themenkomplex ist als Kernbereich organisationspsychologischer<br />
Forschung und Anwendung so umfangreich, daß er eine weitere<br />
Untergliederung erfahren hat. Die insgesamt 16 Kapitel umfassenden<br />
"Aufgabenfelder der Organisationspsychologie" teilen sich auf in 5<br />
Kapitel über das Individuum in der Organisation, 5 Kapitel über Gruppen<br />
und soziale Prozesse, 6 Kapitel über Organisation.<br />
Bei individuumszentrierten Aufgabenfeldern herrrschen klassisch<br />
betriebspsychologische Inhalte vor: Berufseignungsdiagnostik (Heinz<br />
Schuler und Uwe Funke), Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit<br />
(Bernhard Six und Uwe Kleinbeck), Leistungsbeurteilung (Heinz Schuler)<br />
sowie Beanspruchung und Belastung (Conny Antoni und Walter Bungard). Die<br />
Autoren fassen vorliegende Erkenntnisse in wesentlichen Zügen zusammen<br />
und sprechen auch aktuelle Forschungstrends an. Heraus fällt in gewisser<br />
Weise das Kapitel über organisationspsychologisch relevante Aspekte der<br />
Kognitionspsychologie (Oswald Huber). Dieses ist ausgesprochen<br />
grundwissenschaftlich orientiert und bleibt in seinen<br />
Anwendungsimplikationen primär auf Ergebnisse der Entscheidungsforschung<br />
beschränkt.
Die Kapitel zu gruppenzentrierten Aufgabenfeldern decken in der<br />
Hauptsache sozialpsychologisch fundierte Standardthemen ab: Gruppenart, -<br />
strukturen und -prozesse (Erich Witte und Elisabeth Ardeldt),<br />
Kommunikationsprozesse (<strong>Rainer</strong> Maderthaner), Problemlösen und Entscheiden<br />
in Gruppen (Hermann Brandstätter), soziale Konflikte (Wolfgang Grundwald<br />
und Wolfgang Redel) sowie Führung und soziale Steuerung (Ansfried<br />
Weinert).<br />
Die organisationszentrierten Aufgabenfelder bilden so etwas wie eine<br />
Restkategorie. Das Themenspektrum ist recht heterogen und macht einen<br />
konzeptuell wie methodisch offenen Eindruck. Es gibt je ein Kapitel über<br />
auf Aufgaben und Funktionen der Organisation (Alfred Kieser),<br />
Organisationsstrukturen (<strong>Rainer</strong> Buchner), über berufliche Entwicklung und<br />
berufliche Sozialisation (Karl Heinz Seifert), Organisationsdiagnose<br />
(Torsten Kühlmann und Joachim Franke), Innovation und Veränderung in<br />
Organisationen (Lutz von Rosenstiel) sowie über Aus-, Fort- und<br />
Weiterbildung (Bruno Rüttinger und Volker Klein-Moddenborg).<br />
Der letzte Themenkomplex des vorliegenden Bandes enthält 3 Kapitel von<br />
Dieter Gebert. In ihnen geht es um verschiedene Fragen und Probleme der<br />
wechselseitigen Beeinflussung von Organisation und Umwelt (Markt,<br />
Gesellschaft). Einzelne Themen sind Mechanismen der Aufnahme bzw. Abwehr<br />
von Umwelteinflüssen durch die Organisation, Strategien des Einwirkens<br />
auf die Umwelt und Entstehung von Gegenmacht sowie Massenmedien im Austauschprozeß<br />
zwischen Organisation und Umwelt.<br />
Damit schließt der reine Textteil des Bandes. Er ist 743 Seiten lang. Es<br />
folgen ein Gesamtliteraturverzeichnis von 154 Seiten, ein Autorenregister<br />
von 24 Seiten und ein Sachregister von 16 Seiten. Alles in allem eine<br />
Fülle von Informationen, die sich der Leser und Verwender - nicht zuletzt<br />
auch durch überschaubare Kapitellängen - sehr gut zu erschließen vermag.<br />
Obwohl die Psychologie organisationalen Verhaltens im ganzen erschöpfend<br />
dargestellt und behandelt wird, hätten bestimmte Einzelthemen vielleicht<br />
etwas mehr Beachtung verdient, z.B. Methoden der<br />
organisationspsychologischen Forschung, Organisationskultur/<br />
Organisationsklima, Teamarbeit/Teameffektivität oder Organisation und<br />
psychische Gesundheit.<br />
Trotzdem: Für einschlägige Forschung, Lehre, Fort- und Weiterbildung ist<br />
der Band zweifellos ein Muß, für die Organisationspraxis ein notwendiges<br />
Wissens-up-date.<br />
Bielefeld, 26.9.89<br />
Günter F. Müller<br />
Max H. Bazerman<br />
Judgment in managerial decision making<br />
John Wiley & Sons, New York 1986, XI + 185 S., £ 15.50<br />
Deskriptoren: Entscheidung, Führung, Gerechtigkeit, Gruppe, Handlung,<br />
Informations-verarbeitung, Interaktion, Intervention, Kognition,<br />
Konkurrenz, Kreativität, Kultur, Methoden, Mitarbeiter, Risiko, Rolle,<br />
Sozialpsychologie, Umwelt, Verhalten<br />
Der in New York ansässige <strong>Verlag</strong> John Wiley & Sons kann seit 1986 auf ein<br />
weiteres Buch verweisen, das vom ersten Augenschein in zweierlei Hinsicht<br />
wert ist, daß man sich mit ihm - auch noch drei Jahre nach dessen<br />
Erscheinen - näher auseinandersetzt. Zum einen bürgt die Person des<br />
Autors in Gestalt von Max H. Bazerman für Qualität. So gilt Bazerman,<br />
Wissenschaftler an der Northwestern University, gegenwärtig als einer der
herausragenden Vertreter einer schon als "kognitivistisch" zu<br />
bezeichnenden Organisationspsychologie US-amerikanischer Provenienz (vgl.<br />
Sims & Gioia, 1986). Die Umbenennung der Zeitschrift "Organizational<br />
Behavior and Human Performance" in "Organizational Behavior and Human<br />
Decision Processes" im Jahre 1985 ist wohl eine der markantesten<br />
Zeichensetzungen für eine solche "geistige" Strömung in letzter Zeit. Zum<br />
anderen machen die über weite Buchteile verstreuten Quiz-Fragen<br />
neugierig. Sie geben nämlich von vornherein unmißverständlich zu<br />
verstehen, daß der Leser, will er nicht am Ende der Lektüre sich selbst<br />
ein geistiges Armutszeugnis ausstellen, weniger rezeptiv und vielmehr<br />
kognitiv gefordert ist.<br />
In Kapitel 1 geht Bazerman vorab auf die Grundlagen der<br />
Entscheidungsfindung ein, wobei er den Entscheidungsprozeß in sechs<br />
Phasen näher beschreibt: "Definition des Problems", "Identifizierung von<br />
Kriterien", "Gewichtung von Kriterien", "Entwicklung von Alternativen",<br />
"Beurteilung jeder Alternative nach jedem Kriterium" und "Finden der<br />
optimalen Entscheidung". Daß der Entscheidungsfinder zuweilen auch<br />
Defizite im Entscheidungsprozeß aufweist, wird anschließend von ihm<br />
anhand des Konzepts der "eingeschränkten Rationalität" aufgezeigt.<br />
Resultat dieser Defizite: systematisch verzerrte Urteile. Diese<br />
Urteilsverzerrungen sieht er in den drei Urteilsheuristiken<br />
"Zugänglichkeit", "Repräsentativität" und "Anpassung an einen Anker"<br />
begründet.<br />
Eine Vielzahl an urteilsbezogenen Verzerrungsarten ("biases") - als Folge<br />
jener Heuristiken - sind Gegenstand in Kapitel 2, dem umfangreichsten<br />
Abschnitt in dem Buch (vgl. jedoch Hogarth & Makridakis, 1981):<br />
1. Verzerrungen bezogen auf die Erinnerung von Ereignissen,<br />
2. Verzerrungen bezogen auf die Effektivität der Informationssuche<br />
über Ereignisse,<br />
3. Verzerrungen bezogen auf "illusionäre Korrelationen",<br />
4. Unsensibilität gegenüber der A-priori-Wahrscheinlichkeit von<br />
Ereignissen,<br />
5. Unsensibilität gegenüber der Größe von Stichproben,<br />
6. Falsche Schlußfolgerungen aus "zufälligen" Ereignissequenzen,<br />
7. "Regression zur Mitte",<br />
8. Ungenügende "Anpassung an einen Anker",<br />
9. Überschätzung der Wahrscheinlichkeit von "verbundenen" und<br />
Unterschätzung der Wahrscheinlichkeit von "unverbundenen" Ereignissen,<br />
10. "Allzu selbstsichere" moderate Antworttendenz bei extrem<br />
schwierigen Fragen,<br />
11. Fehleinschätzung der Wahrscheinlichkeit eines "verbundenen"<br />
Ereignisses ("subset category") in Verbindung zu einem anderen Ereignis<br />
("global category"),<br />
12. Suche nach bzw. Vernachlässigung von Informationen zur Bestätigung<br />
bzw. Nichtbestätigung von - für "richtig" - befundenen Sachverhalten,<br />
13. Überschätzung der eigenen Fähigkeit, das Eintreten von Ereignissen<br />
auch dann noch vorhergesagt haben zu können, wenn fest steht, daß<br />
Informationen über diese Ereignisse vorab zur Verfügung standen.<br />
Mit ungewissen Folgen verbundene, d.h. risikoträchtige Urteile werden in<br />
Kapitel 3 abgehandelt. Um den Prozeß des Zustandekommens dieser Urteile<br />
zu veranschaulichen, stellt Bazerman zunächst drei Hauptkonzepte der<br />
normativen Risikotheorie dar, und zwar "Wahrscheinlichkeit",<br />
"Erwartungswert" und "Gewißheits-Äquivalent". Als Resultat hieraus unterscheidet<br />
er zwischen "risikoneutralen", "risikoabgeneigten" und<br />
"risikosuchenden" Individuen, aber nicht ohne zur Veranschaulichung auf<br />
die altbekannte Theorie von Bernulli ("expected utility theory") und auf
die Prospekttheorie von Kahneman und Tversky einzugehen. Entsprechend<br />
letzter Theorie, bei der davon ausgegangen wird,<br />
- daß Gewinne und Verluste von einem "neutralen" Bezugspunkt aus<br />
bewertet werden,<br />
- daß "potentielle Ereignisse" als Gewinne bzw. Verluste von diesem<br />
Bezugspunkt aus betrachtet werden und<br />
- daß die Wahrscheinlichkeit einer "Gewinnposition" sich in einer<br />
graphischen Funktion ausdrücken läßt ("S-shaped value function"),<br />
geht er daraufhin auf den sog. Rahmen-Effekt näher ein. Denn der positive<br />
bzw. negative Kontext (Rahmen), in dem ein Sachverhalt gesehen wird (z.B.<br />
die Whiskeyflasche ist "halb voll" oder "halb leer"), beeinflußt die<br />
subjektive Wahrnehmung des "neutralen" Bezugspunktes bei der Bewertung<br />
jenes Sachverhaltes im Hinblick auf seinen verhältnismäßigen Gewinn- bzw.<br />
Verlustwert, und er ruft daher ein risikoabgeneigtes bzw. risikosuchendes<br />
Verhalten (z.B. Trinkverhalten) in einer Person hervor.<br />
Die individuelle Eskalation der Verbundenheit ("commitment", vgl.<br />
Stengel, 1987, S. 156, zur definitorischen Abgrenzung des Begriffs)<br />
gegenüber einer früheren gewählten Handlung steht in Kapitel 4 zur<br />
Debatte. Grundlegend hierzu wird in repräsentativer Darstellungsform<br />
nicht nur das "einseitige" Forschungsparadigma von Staw et al.<br />
aufgeführt, sondern auch, und das bekommt man schließlich nicht jeden Tag<br />
zu lesen, das dazu "in Konkurrenz stehende" Forschungsparadigma des<br />
Spieltheoretikers Shubik. Danach schildert der Autor allerdings in weniger<br />
repräsentativer Darstellungsform die Ursachen für das Auftreten des<br />
EskalationsPhänomens, d.h., er verweist auf Wahrnehmungs- und<br />
Urteilsverzerrungen einerseits sowie auf die Tendenz zur interpersonellen<br />
Eindrucksbildung ("impression management") und zum interpersonellen<br />
Wettstreit ("competitive irrationality") andererseits. Angesichts der<br />
hohen Praxisrelevanz dieses Phänomens hätten aber an dieser Stelle dem<br />
interessierten Leser, insbesondere dem Praktiker, zusätzliche<br />
Quellenverweise für weiterführende Literatur gegeben werden müssen (vgl.<br />
Staw & Ross, 1987).<br />
In Kapitel 5 widmet sich der US-Forscher dem Kreativen im Menschen, und<br />
er konstatiert einleitend: "...creativity will be viewed as a process<br />
distinct from, yet compatible with, the logical processes of decision<br />
making..." (p. 81). Hauptsächlich den Annahmen, die der Entscheidungsfinder<br />
von vornherein in den Entscheidungsprozeß mit einfließen<br />
läßt, rechnet Bazerman eine Barrierefunktion für das Zustandekommen von<br />
kreativen Leistungen an. Solche Annahmen sieht er durch die bereits<br />
erwähnten Phänomene in Form von Rahmen Effekten, Heuristiken und<br />
eskalierender Handlungsverbundenheit bedingt und überdies: in kulturellen<br />
und umweltbezogenen Einflüssen. Praktische Anleitungen zur Beseitung von<br />
Kreativitätshemmnissen folgen daraufhin. Vor allem in der Hervorrufung<br />
von annahmenverwerfenden, d.h. "heuristikunterbrechenden Heuristiken"<br />
(z.B. "Identifizierung von Unterzielen", Auslösung von "Prozeßanalysen"),<br />
in der Erhöhung der Bereitschaft zum "Brainstorming" und in dem Rückgriff<br />
auf "wissenschaftliche Methoden" wird sich ein entsprechender Nutzen für<br />
die Praxis erhofft.<br />
Ratschläge für den praktischen Umgang mit verzerrten Urteilen stehen in<br />
Kapitel 6 im Mittelpunkt. Bazerman schildert zunächst ein Drei-Stadien-<br />
Modell als erstes strategisches Mittel zur Verbesserung der individuellen<br />
Urteilsfindung ("debiasing"), und das baut größtenteils auf den<br />
Forschungsarbeiten von Fischhoff auf: Sensibilisierung des<br />
Entscheidungsfinders gegenüber Urteilsverzerrungen ("unfreezing"),<br />
Verbesserung der Entscheidungsfindung ("change") und Konsolidierung der<br />
verbesserten Entscheidungsfindung ("refreezing"). Dem hoffentlich dann<br />
kaum noch zu verzerrten Urteilen neigenden Beurteiler werden zusätzlich -
je nach Zielkriterium der Entscheidungsfindung - noch drei weitere<br />
Strategien zur Verbesserung der Entscheidungsfindung empfohlen. Das<br />
Zurückgreifen auf "Lineare Modelle", die "Anpassung intuitiver<br />
Vorhersagen" und das Berücksichtigen von "Entscheidungsanalysen" versteht<br />
der verhaltensbezogene Entscheidungsforscher vor allem darunter. Die<br />
Vorteile dieser (vier) Interventionsstrategien sowie die Voraussetzungen<br />
für deren Anwendung vermag der Verfasser am Schluß des Kapitels dem Leser<br />
in anschaulicher Weise zu vermitteln.<br />
Verhandlungssituationen, in denen sich zwei Parteien wiederfinden, sind<br />
Thema in Kapitel 7. Die Camp-David-Verhandlungen im Jahre 1978 zwischen<br />
Israel und Ägypten über die Sinai-Halbinsel zieht Bazerman einleitend als<br />
illustratives Beispiel heran, um den Leser zu verdeutlichen, was unter<br />
einer "integrativen" Verhandlung zu verstehen ist: die Schaffung einer<br />
"positiven Verhandlungszone" mittels Berücksichtigung von "beiderseitigen<br />
Interessen". Das Zustandebringen von Übereinkünften ("integrative<br />
agreements") ist seiner Meinung nach denn auch eine notwendige<br />
Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß von Verhandlungssituationen,<br />
Verhandlungssituationen, die anfänglich auf das Finden von (kaum zu<br />
erreichenden) Kompromissen ("distributive agreements") abzielten. Die von<br />
Pruitt vorgeschlagenen Strategien zur Entwicklung von (integrativen)<br />
Übereinkünften werden sodann dargestellt; und sie geben dem bis zu diesem<br />
Zeitpunkt unkundigen Leser einen guten Orientierungsrahmen für seine<br />
(vielleicht erfolgreichere) Verhandlungspraxis. Individuellen Kognitionen<br />
mit hemmender Wirkung auf die Bildung einer "positiven Verhandlungszone"<br />
ist der Abschlußteil des Kapitels gewidmet (vgl. Carroll, Bazerman &<br />
Maury, 1988).<br />
Verhandlungssituationen mit mehr als zwei Parteien werden in Kapitel 8<br />
behandelt. Dies gilt insbesondere für Verhandlungssituationen, in denen<br />
ein Führer neben zwei anderen Personen (z.B. Geführte) in Erscheinung<br />
tritt. Und dieser Führer sollte sich nach Bazerman vor allem in der Rolle<br />
als Entscheidungsvollzieher oder Vermittler wiederfinden. Damit er diesen<br />
Rollenverständnissen auch gerecht werden kann, empfiehlt der Autor ihm,<br />
sich an Relevantem, wie dem Ziel nach Profitmaximierung, der Norm der<br />
Gerechtigkeit bzw. Gleichheit und dem "Anker"-Prinzip, auszurichten.<br />
Faktoren, bezogen auf die Formierung und Stabilisierung von Koalitionen,<br />
sind sein nächstes Thema. Danach folgen Gruppenentscheidungen: Neben einem<br />
Abstecher in risikoträchtige Entscheidungsfindungen von Gruppen<br />
("risky shift"-Phänomen) wird dem Leser eine mögliche Ursache<br />
("groupthink"-Effekt) von Kennedys (Fehl-)Entscheidung zur militärischen<br />
Invasion in der "Schweinebucht" vor Augen geführt und darüber hinaus auch<br />
der Einfluß der "Gruppe" auf entscheidungsbezogene Heuristiken. Der häufig<br />
leidvollen Feststellung "I won the auction but don't want the prize"<br />
(Bazerman & Samuelson) versucht das Kapitelende thematisch zu<br />
entsprechen. Hiermit wird auf eine individuelle Verhaltenstendenz<br />
angespielt, den Wert eines relativ unbekannten Versteigerungsobjektes zu<br />
überschätzen - und schließlich einen überhöhten Preis für dieses Objekt<br />
zu zahlen -, wenn eine größere Anzahl von Mitbietenden bei einer Auktion<br />
beteiligt ist.<br />
Zielgruppenspezifische Mitteilungen sind in Kapitel 9, dem letzten<br />
Buchkapitel, nachzulesen. Auffällig hierbei ist, daß allerdings einer<br />
bestimmten Zielgruppe eine viel geringere Bedeutung beigemessen wird als<br />
einer anderen. So billigt der Autor lediglich 1 1/4 Buchseite dem<br />
Praktiker zu, wohingegen 3 1/2 Buchseiten von ihm dem Wissenschaftler<br />
zugestanden werden. Das erstaunt. Denn das Buch ist von seiner<br />
inhaltlichen Konzeption wohl eher für praktisch Tätige (oder<br />
Studierende), die überdies noch Grundkenntnisse der Entscheidungsfindung<br />
mitbringen, gedacht. Die Neigung des Autors, im allgemeinen auf<br />
ausgiebige wissenschaftliche Diskussionen und weiterführende
Quellenverweise zu verzichten, spricht neben den schon erwähnten Quiz-<br />
Fragen für eine solche Annahme. Aber auch der Wissenschaftler, der wegen<br />
des relativ "umfangreichen" Forschungsteils sich von diesem Kapitel schon<br />
eher angesprochen fühlen dürfte, kommt letztlich zu kurz. Bazerman bietet<br />
ihm zwar einige Perspektiven für einzelne Forschungsbereiche (z.B.<br />
"Entscheidungsfindung von Gruppen") an, doch dies in so allgemeiner Art<br />
und Weise, daß dem Betreffenden auch nicht viel damit geholfen ist. Es<br />
wäre daher sinnvoll gewesen, wenn der Verfasser entweder gänzlich auf<br />
forschungsbezogene Anmerkungen zugunsten von praxisbezogenen verzichtet<br />
hätte oder erstere in so umfangreichem Maße vorgenommen hätte, daß auch<br />
der einzelne Forscher für die Lösung konkreter Fragestellungen etwas<br />
davon hat.<br />
Das Buch beeindruckt durch seinen verhältnismäßig klaren inhaltlichen<br />
Aufbau; für die Orientierung innerhalb des Buches hätte aber eine<br />
Dezimalgliederung einzelner Kapitel und Unterkapitel dem Leser gewiß<br />
nicht geschadet. Das vom Autor im Vorwort angegebene Ziel (p. vii): "This<br />
book joins behavioral decision theory with organizational research in<br />
order to develop our understanding of judgment in organizational<br />
contexts" dürfte auf jeden Fall für den Nicht-Wissenschaftler erreicht<br />
worden sein.<br />
Literatur:<br />
Carroll, J. S., Bazerman, M. H. & Maury, R. (1988): Negotiator<br />
cognitions: A descriptive approach to negotiators' understanding of their<br />
opponents. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 41, 352-<br />
370.<br />
Hogarth, R. M. & Makridakis, S. (1981): Forecasting and planning: an<br />
evaluation. Management Science, 27, 115-138.<br />
Sims, H. P., Jr. & Gioia, D. A. (Eds.). (1986): The thinking<br />
organization: Dynamics in organizational social cognition. San Francisco,<br />
CA: Jossey-Bass.<br />
Staw, B. M. & Ross, J. (1987): Understanding escalation situations:<br />
Antecedents, prototyps, and solutions. In B. M. Staw & L. L. Cummings<br />
(Eds.): Research in organizational behavior (Vol. 9, pp. 39-78).<br />
Greenwich, CT: JAI Press.<br />
Stengel, M. (1987): Identifikationsbereitschaft, Identifikation,<br />
Verbundenheit mit einer Organisation oder ihren Zielen. Zeitschrift für<br />
Arbeits- und Organisationspsychologie, 31, 152-166.<br />
Dillenburg, 12.10.1989 Michael J. Herner<br />
Ain Kompa<br />
Assessment Center. Bestandsaufnahme und Kritik<br />
<strong>Hampp</strong>, München und Mering, 1989, 78 Seiten, DM 19,80<br />
Deskriptoren: Arbeitsleistung, Assessment Center, Beobachtung,<br />
Beurteiler, Beurteilung, Beurteilungsprozeß, Beurteilungsverfahren,<br />
Führung, Führungskraft, Macht, Management, Mythos, Organisation, Organisationstruktur,<br />
Organisationstheorie, Personalauswahl, Validität<br />
Im Vordergrund dieser Arbeit steht das Bemühen um eine Theorie, die die<br />
Selektion von Mitarbeitern für ein Unternehmen - in diesem speziellen<br />
Fall Führungskräfte - beschreibt und erklärt. Der Titel der Arbeit<br />
erscheint leicht irreführend, da er eine Aufarbeitung der zum Assessment<br />
Center vorliegenden Literatur nahelegt. Der Autor leitet jedoch aus<br />
seiner organisationstheoretischen Perspektive des Selektionsprozesses<br />
Annahmen über Funktion und Wirkungsweise von Selektionsinstrumenten am
Beispiel des Assessment Centers ab. Insofern stellt dieses Buch eine<br />
Neuheit in der ständig wachsenden, deutschen Literaturlandschaft zum<br />
Assessment Center dar.<br />
Im ersten der sechs Kapitel weist der Autor auf die fehlende<br />
organisationstheoretische Fundierung der Personalauswahl hin. Er selbst<br />
nimmt eine "metatheoretische Position" ein, die er als sozial-strukturell<br />
gefärbten symbolischen Interaktionismus umschreibt. Kernaussage dieser<br />
Position - vereinfacht gesagt -ist, daß soziale Einheiten dazu tendieren,<br />
ihre Realitäten zu stabilisieren.<br />
Diesen Standpunkt überträgt der Autor im zweiten Kapitel auf die<br />
Rekrutierung von Führungskräften. Er stellt hier die Möglichkeiten vor,<br />
wie eine herrschende Elite - wie es die Unternehmensleitung darstellt -<br />
gesinnungskonforme und somit herrschaftsstabilisierende Führungskräfte<br />
rekrutieren kann.<br />
Die folgenden Kapitel drei und vier dienen dazu, zu zeigen, inwiefern das<br />
Assessment Center als Instrument der Führungskräfteauswahl zur<br />
Herrschaftsstabilisierung der Unternehmenselite geeignet ist. Der Autor<br />
geht hier sowohl auf die historische Entwicklung des Assessment Center<br />
als auch auf den praktischen Einsatz des Verfahrens ein. Kerngedanke des<br />
Autors ist hier, daß alle angesprochenen Aspekte, wie zum Beispiel<br />
Beobachtertrainings und Beurteilungsskalen, mit ihrem wissenschaftlichen<br />
Anstrich nur zur Verschleierung der wahren Funktion (i.e.<br />
Herrschaftsstabilisierung) dienen.<br />
Im fünften Kapitel behandelt der Autor den Aspekt der<br />
Wissenschaftlichkeit nochmals in Hinblick auf die Validitäten (Inhalts-,<br />
Konstrukt- und prädiktive Validität) des Assessment Center und legt mit<br />
Bezug auf die Kriterienproblematik dar, daß die beanspruchte Qualität<br />
nicht erreicht wurde.<br />
In Kapitel 6 greift der Autor seine wesentlichen Gedankengänge nochmals<br />
auf und kommt zu dem Schluß, daß die Mängel des Assessment Centers nicht<br />
zu übersehen seien und daher dessen Anwender "die Flucht in die Offensive<br />
(mit rhetorischen Mitteln und technischen Nachbesserungen)<br />
suchen...müssen, um die Glaubwürdigkeit des Verfahrens und damit auch die<br />
Legitimität organisationaler Auswahlentscheidungen zu retten" (S.74).<br />
Der Autor arbeitet in diesem Buch eine Theorie aus, deren Ansatzpunkte<br />
auch schon bei Bungard (1987) aufgetaucht sind. Er spricht von der<br />
Auswahl von Autostereotypen, um das System zu stabilisieren.<br />
Konsequenterweise wäre diese Kernideee auch auf alle personalfördernden<br />
Maßnahmen sowie Beurteilungssysteme zu übertragen.<br />
Versucht der Leser nun, aus der vorgestellten Theorie Handlunganweisungen<br />
für die Praxis abzuleiten (womit man vom Autor alleine gelassen wird),<br />
gerät er in große Schwierigkeiten. Die Aussagen des Autors legen im<br />
Prinzip nahe, auf Instrumente und ihre wissenschaftliche Untersuchung zu<br />
verzichten. Wie sieht dann allerdings die Alternative aus?<br />
Personalauswahl und -entwicklung lägen dann allein in der subjektiven<br />
Handhabung der einzelnen Führungskraft, die wiederum durch das im<br />
Unternehmen vorhandene Machtgefüge beeinflußt wird. Hier erscheint der<br />
Spielraum zur Manipulation noch wesentlich größer.<br />
Mit einem zum Teil polemischen Tonfall geht der Autor auf die von<br />
Unternehmen verschleierte Strategie ein, normenkonforme Führungskräfte zu<br />
rekrutieren. Dem kann entgegengehalten werden, daß es gerade auf der<br />
Ebene von Führungskräften durchaus gängige Praxis ist,
Anforderungskriterien wie Identifikation mit dem Unternehmen explizit zu<br />
formulieren. Aus den Erläuterungen des Autors geht darüberhinaus nicht<br />
klar hervor, warum die Übereinstimmung mit unternehmensinternen<br />
Anforderungen (oder Normen) generell als negativ gesehen werden muß. Sie<br />
bedeutet ja nicht zwangsläufig eine schablonenhafte Auswahl oder Züchtung<br />
von "geklonten" Mitarbeitern. Die Gefahr besteht zwar und der Fehler<br />
wurde sicherlich auch schon häufig genug gemacht; jedoch werden sich<br />
immer mehr Unternehmen dessen bewußt, wie wichtig ein bestimmtes Maß an<br />
Frei- und Querdenken für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit ist, und<br />
formulieren dementsprechend ihre Auswahl- und Entwicklungsstrategien.<br />
Abschließend muß festgehalten werden, daß das Buch einige interessante<br />
Sichtweisen bietet, die Führungskräfte dazu anregen könnten, ihre unter<br />
Umständen impliziten Rekrutierungsstrategien zu überdenken. Ziel sollte<br />
es tatsächlich sein, die Rekrutierungsstrategie auszusprechen und<br />
transparent zu machen.<br />
Wünschenswert wäre jedoch eine kritischere Behandlung des Assessment<br />
Centers - im Sinne des Abwägens von Vor- und Nachteilen auch im Hinblick<br />
auf andere Auswahlverfahren - gewesen. Dies hätte dann auch eher dem<br />
gewählten Titel des Buches entsprochen.<br />
Literatur:<br />
Bungard, W. (1987): zur Problematik von Reaktivitätseffekten bei der<br />
Durchführung eines Assessment Centers. In: H. Schuler, W. Stehle (Hrsg.):<br />
Assessment Center als Methode der Personalentwicklung (S. 99 - 125).<br />
Stuttgart: <strong>Verlag</strong> für Angewandte Psychologie.<br />
Wiesbaden, 15.10.89<br />
Claudia Hartmann-Pape
Siegfried Rosa, Dieter Schardt, Karl-Heinz Sommer (Hg.)<br />
Fachübergreifende Qualifikationen und berufliche Aus- und Weiterbildung<br />
Deugro, Esslingen 1988 (Stuttgarter Beiträge zur Berufs- und<br />
Wirtschaftspädagogik, Bd. 5)<br />
Deskriptoren: Arbeit, Arbeitsanforderungen, Arbeitseinstellung,<br />
Ausbildung, Berufsbildung, Handlungskompetenz, Lernen, Methode,<br />
Qualifikationen, Qualifikationsanfoderungen, Sinn, Technik, Weiterbildung<br />
Der vorliegende Band 5 der "Stuttgarter Beiträge zur Berufs- und<br />
Wirtschaftspädagogik" mit dem Titel "Fachübergreifende Qualifikationen<br />
und betriebliche Aus- und Weiterbildung" faßt im wesentlichen die<br />
Referate des 2. Hochschultages für Ausbilder 1986 mit dem Titel "Wohin<br />
treibt die Wirtschaft? Perspektiven und Konsequenzen für die Aus- und<br />
Weiterbildung" und die Referate des 3. Hochschultages 1988 mit dem Titel<br />
"Fachübergreifende Qualifikationen in der betrieblichen Ausbildung" sowie<br />
die anschließenden Berichte aus den Arbeitsgruppendiskussionen an der<br />
Universität Stuttgart (TH) in Zusammenarbeit mit dem Berufsausbilderverband<br />
Baden-Württemberg e.V. zusammen.<br />
Das Buch ist, nach zwei Grußwörtern zum 2. und 3. Hochschultag des<br />
Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg Lothar Späth und einem<br />
Grußwort zum 3. Hochschultag vom Wirtschaftsminister des Landes Baden-<br />
Württemberg Martin Herzog, in folgende sieben Bereiche gegliedert:<br />
- Politische und ökonomische Rahmenbedingungen, mit Beiträgen von<br />
Martin Herzog und Heinz Dürr zu den Themen "Die wirtschaftliche und<br />
wirtschaftspolitische Entwicklung" (S. 5 - 17) und "Berufliche<br />
Qualifikation aus der Sicht des Unternehmens" (S. 19 - 30),<br />
- Berufs- und wirtschaftspädagogische Perspektiven und Konsequenzen,<br />
mit einem Beitrag von Hans-Jürgen Albers zum Thema<br />
"Wirtschaftsentwicklung und Aus- und Weiterbildung" (S. 31 - 50), mit<br />
einem Beitrag von Martin Schmiel zum Thema "Schlüsselqualifikationen als<br />
Lernziel in der beruflichen Aus- und Weiterbildung" (S. 51 - 80) und<br />
einem weiteren Beitrag von HansJürgen Albers zum Thema "Didaktische und<br />
methodische Konsequenzen moderner Qualifikationsanforderungen für die<br />
betriebliche Bildungsarbeit" (S. 81 - 100),<br />
- Theologische und philosophische Anmerkungen, mit einem Beitrag von<br />
Dieter Schart zum Thema "Auf dem Weg zu einem neuen Arbeitsethos" (S. 101<br />
- 112),<br />
- Berichte aus den Arbeitsgruppen des 2. Hochschultages, von Helmut<br />
Elischer, Udo F. Neugebauer, Jürgen Ehle und Stefan Kötzschke zu den<br />
Themen "Die wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Entwicklung",<br />
"Personalentwicklung", "Die neuen Anforderungen an die Praxis<br />
betrieblicher Aus- und Weiterbildung" und "Auf dem Weg zu einem neuen<br />
Arbeitsethos" (S. 113 - 128),<br />
- Berichte aus den Arbeitsgruppen des 3. Hochschultages, von Stefan<br />
Kötschke, Wolfgang Fix und Reinhold Nickolaus zu den Themen<br />
"Perönlichkeitsentwicklung und Ausbildung", "Neue Methoden zur Förderung<br />
fachübergreifender Qualifikationen in der betrieblichen<br />
Ausbildungspraxis" und "Die Leittextmethode in der betrieblichen Praxis -<br />
Erfahrungsaustausch" (S. 129 - 138),<br />
- Anhang, mit einer Zusammenfassung der organisatorischen und<br />
inhaltlichen Bedingungen der Hochschultage von Eckard Pfister (S. 139 -<br />
144) sowie eine Literaturrecherche zum Thema "Fachübergreifende<br />
Qualifikationen in Aus- und Weiterbildung" von Martha Broderson (S. 145 -<br />
166) und<br />
- Exkurs, mit einem Beitrag von Rudolf Affemann zum Thema "Geistige<br />
Fehlentwicklung in den letzten Jahrzehnten und die Konsequenzen für<br />
unsere geistigen Positionen von heute (S. 167 - 180).
Die Verfasser der einzelnen Beiträge nehmen in diesem Band zu einer<br />
Vielzahl aktueller Themen Stellung und beantworten dem Leser u.a.<br />
folgende Fragen aus ihrer Sicht, wie:<br />
- Warum sind neben den betrieblichen Anforderungen die beruflichen<br />
Qualifikationen für die Zukunft von so großer Bedeutung?<br />
- Welche Schwerpunkte hat die Landesregierung von Baden-Württemberg<br />
zu ihren bildungspolitischen Aufgaben erklärt?<br />
- Welche Folgerungen haben Qualifikationsanforderungen auf die<br />
Allgemeinbildung, Berufsausbildung und Weiterbildung?<br />
- Wie können zukunftsorientierte Strukturen in der Berufsbildung<br />
aussehen und welche thematischen Inhalte können sie enthalten?<br />
- Welche bildungsrelevanten Folgen haben wirtschaftliche<br />
Entwicklungen?<br />
- Was sind fachübergreifende Qualifikationen und wie können<br />
fachübergreifende Qualifikationen bzw. Schlüsselqualifikationen in der<br />
Berufsausbildung und beruflichen Weiterbildung differenziert werden?<br />
- Welche Veränderungen in der Arbeitswelt führen zu welchen modernen<br />
Qualifikationsanforderungen?<br />
- Wie sind anforderungsgerechte Lern- oder Bildungsprozesse zu<br />
gestalten?<br />
- Wie lassen sich die Standorte des Themas "Schlüsselqualifikationen"<br />
einordnen und kennzeichnen?<br />
- Wie sieht aus theologischer und philosophischer Sicht der Weg zu<br />
einem Arbeitsethos auf den Verhaltensvorstellungen des Moralphilosophen<br />
und Begründer der klassischen Schule der Nationalökonomie Adam Smith<br />
(1723-1790) und der Grundannahmen von Hans Freyer (1887-1969) aus?<br />
Die einzelnen Beiträge zeichnen sich durch eine leicht lesbare Form aus,<br />
ohne jedoch an fachlicher Tiefe zu verlieren. Besonders erwähnenswert<br />
scheinen mir die Ausführungen zu den "Schlüsselqualifikationen in der<br />
beruflichen Aus- und Weiterbildung" sowie die in ihrem Umfang wohl<br />
einmalige Literaturrecherche zum Thema "Fachübergreifende Qualifikationen<br />
in Aus- und Weiterbildung", die Martha Broderson am Institut für Berufsund<br />
Wirtschaftspädagogik (IBW) der Universität Stuttgart erstellte. Die<br />
Berichte der einzelnen Arbeitsgruppen vermitteln einen realistischen<br />
Eindruck von den Diskussionsschwerpunkten der Arbeitsgruppen, den<br />
praktischen Erfahrungen sowie den wichtigsten Fragen, Meinungen und<br />
Interessen der Teilnehmer.<br />
Die vorliegende Veröffentlichung verdient nach meiner Auffassung, sowohl<br />
die Aufmerksamkeit der Theoretiker (einschließlich Studentinnen und<br />
Studenten) als auch der Praktiker, die sich mit beruflicher Aus- und<br />
Weiterbildung beschäftigen.<br />
Stuttgart, 5.10.1989<br />
Georg A. Winkelhofer<br />
Arthur D. Little International (Hrsg.)<br />
Management des geordneten Wandels<br />
Gabler-<strong>Verlag</strong>, Wiesbaden 1989, 221 S., DM 68.-<br />
Deskriptoren: Entscheidung, Fertigung, Flexibilität, Führung,<br />
Information, Innovation, Konflikt, Kosten, Management,<br />
Organisationsleistung, Produktivität, Technologie, Wandel<br />
Viermal im Jahr treffen sich seit 1983 Spitzenkräfte der deutschen und<br />
österreichischen Wirtschaft zu einem Unternehmergespräch in Wiesbaden.<br />
Die jeweiligen Themen dieser Gespräche finden ihren Niederschlag in einer
Buchreihe des Gabler-<strong>Verlag</strong>es. Erschienen ist jetzt das Buch "Management<br />
des geordneten Wandels", das aufzeigen soll, wie die Führung eines<br />
erfolgreichen Unternehmens verhindern kann, daß Schumpeter'sche Umbrüche<br />
zur Verdrängung durch innovativere Marktteilnehmer führen. Der Wandel<br />
spielt sich bei den Technologien, bei der Hervorbringung neuer Produkte<br />
und Leistungen, im Marketing, in der Produktion, bei den<br />
Informationssystemen, in der Wertschöpfungskette und in der Unternehmenskultur<br />
ab. Entscheidend ist, daß die Funktionsbereiche des<br />
Unternehmens in einer bislang nur selten erreichten Form zusammenwirken<br />
müssen, um die Herausforderungen und die Dynamik zu meistern.<br />
Neben einer Einführung, die die Beiträge des Buches in einen<br />
strukturierten Zusammenhang stellt, geben Mitarbeiter der Beratungsfirma<br />
Arthur D. Little International in elf Kapiteln ihre Erfahrungen und<br />
Empfehlungen zum Management des geordneten Wandels wieder.<br />
In Kapitel 1 "Visionen des Wandels" werden relevante Trends für die<br />
Unternehmen diskutiert. So zum einen die Entstehung eines weitgehend<br />
offenen Heimmarktes Europa in den 90-er Jahren als neue Basis für die<br />
Unternehmen in Europa im globalen Wettbewerb und zum anderen die<br />
technologische Erneuerung vieler Produkt und Leistungsbereiche im Zuge<br />
einer immer internationaler werdenden Innovationsdynamik.<br />
Kapitel 2 "Unternehmerverhalten: Den Wandel verstehen oder nicht"<br />
beleuchtet, wie unterschiedlich Unternehmen auf Wandel reagieren. Die<br />
Erhöhung der Wandlungsfähigkeit etablierter Unternehmen, "erfordert<br />
- Einsichten in die Notwendigkeit erhöhter Wandlungsfähigkeit,<br />
- Bereitschaft, besondere Anstrengungen zu unternehmen, um bestehende<br />
Praktiken, bestehendes Know-How, bestehende Strukturen immer wieder in<br />
Frage zu stellen und<br />
- die Fähigkeit Wandlungsprozesse in allen Funktionsbereichen des<br />
Unternehmens auszulösen, zu steuern und in neue angemessene<br />
Verhaltensweisen einmünden zu lassen" (S. 11f).<br />
Kapitel 3 "Die Basis unternehmerischer Initiative: Systematisch neue<br />
Produkte und Leistungen entwickeln" untersucht die Hauptursachen für<br />
Schwachstellen in der Produktentwicklung und Möglichkeiten, die<br />
strategische Effizienz von Forschung und Entwicklung zu verbessern.<br />
Letztere werden gesehen in der Neugestaltung der Organisationsstrukturen<br />
und -abläufe, der Einbeziehung aller beteiligten Funktionen und Bereiche<br />
in einen gemeinsamen Planungsprozeß sowie der Einführung eines<br />
unternehmerisch orientierten Projektmanagements.<br />
In Kapitel 4 "Innovationswettbewerb: Der Hase und der Igel in den Märkten<br />
von morgen" wird deutlich gemacht, daß die deutschen Unternehmen, die<br />
sich der japanischen Exportoffensive und der amerikanischen<br />
Technologiemacht ausgesetzt sehen, nur dann behaupten können, wenn sie<br />
- sich auf Nischen und Spezialgebiete konzentrieren,<br />
- strategische Allianzen mit japanischen und amerikanischen<br />
Unternehmen eingehen, in die sie komplementäre Stärken einbringen können,<br />
- Kooperationen mit deutschen oder europäischen Unternehmen suchen,<br />
die darauf abzielen, die Stärken mehrerer Unternehmen zu bündeln, um<br />
gemeinsam der globalen Herausforderung zu begegnen.<br />
Wie empirische Untersuchungen gezeigt haben, kommt der überwiegende Teil<br />
der anstoßenden Ideen für erfolgreiche Innovationen aus dem Markt. So ist<br />
großer Wert daher auch auf intensiven Kontakt zu innovativen Kunden zu<br />
legen.
Kapitel 5 "Neue Spielregeln des Marketing: Wie aktivieren wir die Märkte<br />
für die nächste Produktgeneration" zeigt auf, wie Unternehmen nicht nur<br />
ihr internes Verhalten auf die Dynamik des Wandels einstellen, sondern<br />
wie die Marktbeziehung neu zu organisieren ist, um eine stärkere<br />
Einbeziehung des Kunden in den Gestaltungsprozeß sicherzustellen.<br />
In der Vergangenheit haben viele Unternehmen ihre Ressourcen in<br />
Produktionsstufen und in Bereichen ihres Logistiksystems gebunden, in<br />
denen sie nicht der kostengünstigste Anbieter waren und indem sie sich<br />
eine Einschränkung ihrer Flexibilität auferlegten. Ihre Ressourcen<br />
sollten Unternehmen in Zukunft möglichst nur dort einsetzen, wo sie sich<br />
durch besonderes Know-How oder durch Kostenvorteile einen<br />
Wertschöpfungsvorsprung sichern können.<br />
Kapitel 6 "Innovative Wertschöpfungsstrategien" vertieft, wie Unternehmen<br />
ihre Wertschöpfungskette analysieren und kritisch danach beurteilen<br />
können, welche Stufen sie nach außen verlagern sollten, um sowohl ihre<br />
Kostenstruktur zu verbessern als auch die Flexibilität zu erhöhen.<br />
Oft wird in den Unternehmen davon ausgegangen, daß ein leistungsfähiges<br />
Produktionssystem gleichzeitig die Ziele niedrige Kosten, hohe Qualität,<br />
geringe Pufferbestände, hohe Flexibiltät, kurze Durchlaufzeiten und<br />
schnelle Produkteinführung realisieren muß. Demgegenüber ist zu vermuten,<br />
daß ein Produktionssystem nur so ausgelegt werden kann, wenige, klar<br />
definierte Ziele zu erfüllen. Fehlende Konzentration auf ein oder wenige<br />
Ziele führt zu Systemen, die kein Ziel realisieren. Dies trifft<br />
insbesondere für Ziele zu, die in konfliktärem Verhältnis zueinander<br />
stehen. Dieser Ansatz wird in Kapitel 7 "Wettbewerbsvorteile in der<br />
Produktion durch strategische Leistungszentren" vorgestellt. Er geht von<br />
in sich geschlossenen Funktionsabläufen im Unternehmen aus, die jeweils<br />
einen vollständigen und von anderen Funktionsabläufen unabhängigen<br />
Leistungsbereich darstellen.<br />
In Kapitel 8 "Information strategisch nutzen" wird ein neuer Ansatz des<br />
Informationsmanagements vorgestellt, mit dessen Hilfe der strategische<br />
Wert von Informationen ermittelt werden kann. Entsprechend diesem<br />
strategischen Wert von Informationen kann der Beitrag einzelner<br />
Teilbereiche der Informations- und Kommunikationssysteme im Unternehmen<br />
beurteilt und Hinweise für den weiteren Ausbau dieser Systeme gewonnen<br />
werden. Der Ansatz stellt einen direkten Bezug zwischen den<br />
Leistungsanforderungen an das Unternehmen im Markt und dem Einsatz der<br />
Informations- und Kommunikationstechnik her.<br />
In Kapitel 9 "Die Rolle der Führung" wird herausgearbeitet, daß das ganze<br />
Bündel von zusammenhängenden Entscheidungen zur gleichen Zeit und im<br />
Bewußtsein der wechselseitigen Abhängigkeit gefällt werden muß. Es wird<br />
beschrieben, wie dieser Entscheidungsfindungsprozeß organisiert werden<br />
kann und wie er die Aufgaben der Unternehmungsführung verändert.<br />
Die Beschleunigung des Entwicklungsprozesses und der Markteinführung von<br />
Produkten erfordert vielfach einen Wandel etablierter und erstarrter<br />
Unternehmenskulturen. "Veränderungen der Unternehmenskultur" werden in<br />
Kapitel 10 charakterisiert. Es werden Indikatoren vorgestellt, mit deren<br />
Hilfe ermittelt werden kann, wo Verhaltensänderungen trainiert werden<br />
müssen. Wesentlich erscheint allerdings der Hinweis, daß konkrete<br />
Veränderungsmaßnahmen bezogen auf die Unternehmenskultur einen hohen<br />
Zeitbedarf und nur begrenzte Einflußmöglichkeiten aufweisen.
In Kapitel 11 "Der gesellschaftspolitische Rahmen: Die Rolle des Staates"<br />
wird beschrieben, welchen Beitrag die öffentliche Hand leisten sollte, um<br />
zum geordneten Wandel beizutragen.<br />
Insgesamt handelt es sich um einen sehr informatives und anregendes Buch.<br />
Die behandelten Themen weisen höchste Aktualität auf. Zweifelsohne<br />
liefert das Buch Unternehmensplanern und verantwortlichen Führungskräften<br />
wertvolle Anregungen den Wandel zu gestalten.<br />
Passau, den 10.9.1989 Christof Schulte<br />
Hans Jürgen Drumm (Hg.)<br />
Individualisierung der Personalwirtschaft. Grundlagen, Lösungsansätze und<br />
Grenzen<br />
Haupt, Bern und Stuttgart 1989, 165 S., DM 42.-<br />
Deskriptoren: Alter, Arbeitsorganisation, Arbeitsstrukturen, Arbeitszeit,<br />
Entlohnung, Führungskraft, Lebensarbeitszeit, Individualität, Individuum,<br />
Komplexität, Lebensarbeitszeit, Partizipation, Persönlichkeit,<br />
Personalentwicklung, Personalmanagement, Personalplanung,<br />
Personalpolitik, Qualifikation, Wertewandel<br />
In der Vergangenheit fand das Phänomen, "daß 'gleiche' Maßnahmen bei den<br />
Mitarbeitern zu sehr ungleichen Wirkungen führen, bzw. daß, um bei allen<br />
Mitarbeitern gleiche Wirkungen zu erzielen, sehr unterschiedliche, d. h.<br />
individuell abgestimmte Maßnahmen ergriffen werden müssen" (S. 39) nur in<br />
Ansätzen Berücksichtigung.<br />
Der von Drumm herausgegebene Sammelband greift diese Problematik auf. Er<br />
ist das Ergebnis eines Workshops der Kommission Personalwesen im Oktober<br />
1988 in Regensburg.<br />
Sieben der insgesamt zwölf Beiträge befassen sich mit grundlegenden<br />
Fragen der Abgrenzung und Konzeptionalisierung von Individualisierung.<br />
Drumm analysiert in seinem Beitrag die Veränderung situativer<br />
Bedingungen, die individualisierte Personalkonzepte erfordern:<br />
- Komplexere Arbeitsstrukturen, die zu einer Höherqualifizierung und<br />
einem gesteigerten Selbstwertgefühl der betroffenen Mitarbeiter geführt<br />
haben,<br />
- altersabhängige Qualifikationsbarrieren, zu deren Ausgleich<br />
jüngere, höher qualifizierte Arbeitskräfte eingestellt werden müssen,<br />
- der Wertewandel bei älterern Mitarbeitern und das Vorhandensein<br />
neuer Werthaltungen bei jüngeren qualifizierten Mitarbeitern, die zu<br />
einer stärkeren Differenzierung der Werthaltungen führen.<br />
Diese Veränderungen führen dazu, daß Mitarbeiter häufiger auf<br />
Individualität bedacht sind. Es ist zu vermuten, daß die<br />
Individualisierung die Motivation der Mitarbeiter fördert. Ansätze zur<br />
Individualisierung personalwirtschaftlicher Problemlösungen sieht Drumm<br />
in flexiblen Perioden- und Lebensarbeitszeiten, dem Potentiallohn- und<br />
Cafeteria-Prinzip, individueller Personalentwicklung und Führung.<br />
Tlach postuliert in seinen sehr grundsätzlichen Überlegungen, daß sich<br />
die Betriebswirtschaftslehre an ethisch handelnden Entscheidungsträgern<br />
in Unternehmungen auf der Basis von Freiheit und Gleichwertigkeit des<br />
einzelnen orientieren sollte. Hierzu sollen keine der bisherigen<br />
Forschungsrichtungen abgeschafft, sondern vielmehr - soweit sinnvoll -<br />
deren Resultate genutzt werden.
Kießler stellt ein soziologisch geprägtes handlungstheoretisches Konzept<br />
für ein selbstbewußt, personal, sozial und freiheitlich handelndes<br />
Individuum vor.<br />
Ausgehend von den allgemeinen Aufgaben der Personalwirtschaftslehre<br />
formuliert Marr die Ziele einer zu entwickelnden "Differentiellen<br />
Personalwirtschaftslehre". Dieser muß es darum gehen, die traditionell<br />
aufgedeckten allgemeinen Gesetzmäßigkeiten um Erkenntnisse über jene<br />
Einflußfaktoren und Wirkungszusammenhänge zu ergänzen, die die "im<br />
allgemeinen zutreffenden" Zusammenhänge im Einzelfall entweder verstärken<br />
oder in ihrer Richtung verändern. Hierbei stehen als individuumbezogene<br />
Merkmale u. a. Personenattribute bzw. sozio-demographische Merkmale,<br />
Persönlichkeits- und Fähigkeitsmerkmale sowie Merkmale der persönlichen<br />
Verhältnisse im Vordergrund. Theoretisches Analyse- und Gestaltungsziel<br />
eines differentiellen Ansatzes ist "(...) die Identifikation bzw.<br />
Erreichung eines 'optimalen' Übereinstimmungsgrades zwischen den<br />
personalen Leistungsvoraussetzungen auf der Seite des Mitarbeiters<br />
einerseits und den durch den Personalverantwortlichen bzw. die<br />
Organisation geschaffenen Situationsbedingungen andererseits" (S. 40).<br />
Conrad setzt sich zunächst mit verschiedenen Ansätzen zur<br />
Individualisierungsdiskussion auseinander, um dann anschließend ein<br />
persönlichkeitspsychologisches Konzept zur Erfassung des Individuums und<br />
seine Einbettung in die Arbeit zu entwickeln.<br />
Hamel untersucht den Aktionsraum der Personalwirtschaft zwischen den<br />
Extremen der Kollektive sowie der ausschließlichen Berücksichtigung des<br />
Individuums und nennt die Voraussetzungen einer erweiterten<br />
Individualisierung: unternehmenspolitische Befürwortung, belegschaftsseitige<br />
Akzeptanz und verwaltungstechnische Umsetzbarkeit.<br />
Neuberger weist zu Recht auf die Gefahr von Schlagwörtern hin und fordert<br />
die distanzierende wissenschaftliche Analyse. Er stellt deshalb zunächst<br />
den Begriff der Individualisierung Nachbarbegriffen kritisch gegenüber.<br />
Es wird deutlich, daß Individualisierung je nach gewählter Sichtweise<br />
etwas Verschiedenes bedeuten kann, wobei in vorliegendem Buch aber unausgesprochen<br />
in der Regel nützlicher Individualismus, eine Art kooperativer<br />
Einzelgängertum, gemeint ist. Neuberger verdeutlicht ferner, daß sich<br />
individuelles Verhalten in Organisationen durch die Vereinbarung<br />
sinnhafter Symbole im Rahmen eines symbolischen Managements<br />
vereinheitlichend steuern läßt.<br />
Weitere fünf Beiträge beschäftigen sich vor dem Hintergrund einer<br />
theoretischen Analyse mit der Umsetzung der Individualisierung in die<br />
Praxis. Sydow geht auf die Individualisierung der Arbeitsorganisation am<br />
Beispiel der individuellen Datenverarbeitung ein.<br />
Wagner und Grawert untersuchen die aufgrund einzelner Motivationstheorien<br />
vermuteten Wirkungen einer Entgeltdifferenzierung. Sie kommen zu dem<br />
Ergebnis, daß vor allem im Hinblick auf die Wahlmöglichkeiten zwischen<br />
verschiedenen Entgeltbestandteilen positive Auswirkungen auf die<br />
Mitarbeiter zu erwarten sind. Sie resultieren zum einen aus der Optimierung<br />
des subjektiven Nutzens der Entgeltbestandteile und zum anderen<br />
aus dem intrinsischen Anreiz der partizipativen Elemente des Systems.<br />
Brunstein verdeutlicht am Beispiel französischer Unternehmen, wie<br />
organisatorische Regelungen dazu beitragen können, allzu starke<br />
Individualisierung zu begrenzen.
Gemünden und Bartsch zeigen auf der Grundlage einer empirischen Erhebung,<br />
daß die vorberufliche Sozialisation von Arbeitnehmern Hinweise für<br />
individualisierte soziale Handlungsspielräume liefert.<br />
Müller-Stewens und Pautzke diskutieren die Individualisierung in ihren<br />
Auswirkungen auf das organisatorische Lernen und hinsichtlich ihrer<br />
Konsequenzen für die Führungskräfteentwicklung.<br />
Zweifelsohne liefert der von Drumm herausgegebene Sammelband einen<br />
wertvollen Beitrag, den aktuellen Forschungsstand und anstehende<br />
Forschungsaufgaben zu Fragen der Individualisierung im Personalwesen<br />
kennenzulernen. Insbesondere für Wissenschafter und Personalverantwortliche,<br />
die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen,<br />
stellt das Buch eine hilfreiche Unterstützung dar. Grenzen in der<br />
Verbreitung des vorgestellten Ansatzes dürften allerdings in den nächsten<br />
Jahren in einem Mehrbedarf an Personal und Expertenwissen sowie an<br />
Ausstattung und Koordination liegen.<br />
Passau, 14.9.1989<br />
Christof Schulte<br />
Dieter Wagner<br />
Organisation, Führung und Personalmanagement. Neue Perspektiven durch<br />
Flexibilisierung und Individualisierung<br />
Haufe, Freiburg i. Breisgau 1989, 336 S., DM 64.-<br />
Deskriptoren: Anreize, Arbeitsbewertung, Arbeitsleistung, Beurteilung,<br />
Delegation, Effizienz, Entscheidung, Flexiblität, Führung, Human<br />
Resources, Individualität, Information, Kontrolle, Kosten, Lernstatt,<br />
Management-strategisches, Organisation, Organisationsentwicklung,<br />
Organisationsleistung, Organisationstruktur, Personalauswahl,<br />
Personalentwicklung, Personalmanagement, Qualitätszirkel, Verhalten,<br />
Ziele<br />
Wagner möchte mit seinem Buch die Interdependenz zwischen Organisation<br />
und Personal in den Vordergrund stellen. Hierbei ist zum einen die<br />
strukturprägende Wirkung personeller Aspekte zu berücksichtigen und zum<br />
anderen der Einfluß struktureller Merkmale auf das Personalsystem eines<br />
Unternehmens. Führung als ein zentraler Bestandteil des Personalmanagement<br />
erfolgt stets im Rahmen einer bestimmten Organisationsstruktur.<br />
Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel:<br />
- Grundlagen: Begriff und Funktion der Organisation,<br />
- Organisation und Unternehmensentwicklung,<br />
- Flexible Organisationsstrukturen,<br />
- Flexible Aufgabenerfüllung,<br />
- Flexible Führung und Organisation,<br />
- Organisation, Führung und Personal,<br />
- Fazit: Entwicklungstendenzen von Organisation, Führung und<br />
Personal.<br />
Im ersten Kapitel werden die Grundlagen gelegt. Begriff und Funktion der<br />
Organisation werden aus der Sicht von Führungskräften und ihrer<br />
Mitarbeiter beschrieben. Außerdem wird die Beziehung zwischen<br />
Organisation und Personal skizziert.<br />
Im zweiten Kapitel werden zunächst die Einflußfaktoren untersucht, die<br />
die Gestaltung einer Organisation beeinflussen, nämlich ökonomische,<br />
sozio-kulturelle, technologische sowie politisch-gesetzliche<br />
Kontextfaktoren. Daran anschließend wird die Frage untersucht, wie die
damit zusammenhängenden Veränderungen unternehmenspolitisch "verarbeitet"<br />
bzw. erkannt und berücksichtigt werden. Hierzu wird auf Frühwarnsysteme,<br />
GAP-Analyse, die Lebenszyklus-Planung, Portfolio-Planung, Szenario-<br />
Planung sowie das Chancenmanagement und das strategische Management von<br />
Human-Ressourcen eingegangen. Ferner wird auf den Zusammenhang zwischen<br />
dem Entwicklungsstadium des Unternehmens und der Organisations- und<br />
Führungsstruktur eingegangen.<br />
Das dritte Kapitel beinhaltet zunächst aufbauorganisatorische Grundlagen:<br />
Stelle und Abteilung, Organisationsmodelle (Verrichtungs-, Objektmodellund<br />
Matrixorganisation), Primär- und Sekundärorganisation. Sodann werden<br />
Ansatzmöglichkeiten zur Flexibilisierung von Organisationsstrukturen<br />
vorgestellt, die auf drei Applikationsebenen gesehen werden: auf der<br />
Stellenebene (Basissystem), bei der Bildung von Abteilungen, Teams,<br />
Projektgruppen und Ausschüssen (Zwischensystem) und auf der Ebene von<br />
globalen Organisationsstrukturen (Organisationsmodellen). Bei der<br />
Darstellung liegt der Schwerpunkt auf verrichtungs- und objektbezogenen<br />
(z. B. Sparte, Region) Aspekten.<br />
Das vierte Kapitel ist der Flexibilisierung der Ablauforganisation<br />
gewidmet. Hier geht es primär darum, überflüssige Funktionen abzubauen<br />
oder in ihrem Umfang einzuschränken. Nach einer Diskussion der<br />
Erhebungstechniken (z. B. Fragebogen, Beobachtung, Selbstaufschreibung)<br />
werden Konzepte zur Effizienzsteigerung vorgestellt. Hierbei handelt es<br />
sich im einzelnen um die Wertanalyse, (Gemein-)Kostenwertanalysen,<br />
Vermögenswertanalysen sowie Zero-Base-Budgeting.<br />
Die Konsequenzen der Veränderungen der organisatorischen Stukturen auf<br />
die Rolle der Führer sind Gegenstand des fünften Kapitels. Als geeignete<br />
Führungsmittel bzw. -techniken bei zunehmender Flexibilisierung und<br />
Individualisierung werden die<br />
- Vereinbarung von Zielen,<br />
- Delegation von Aufgaben, wo immer sinnvoll und möglich,<br />
- umfassende Information der Mitarbeiter durch die Vorgesetzten,<br />
- klare, verbindliche und zielgerichtete Entscheidungen,<br />
- Kontrolle zur Steuerung von Arbeitsabläufen und Verhaltensweisen,<br />
- Beurteilung und Personalentwicklung<br />
vorgeschlagen. Ferner werden als partizipative Konzepte<br />
Organisationsentwicklung, Quality-Circles und Lernstatt empfohlen.<br />
Im sechsten Kapitel werden neben den institutionellen Aspekten von<br />
Organisation, Führung und Personal insbesondere die Gestaltungsfelder der<br />
Personal- und Führungsorganisation untersucht. Im einzelnen sind dies<br />
Position und Organisation, Stellenbesetzung und Personalauswahl,<br />
Arbeitsbewertung, Personalbeurteilung, Personalentwicklung, Arbeitszeit<br />
und Organisation sowie Anreizsysteme als Führungsinstrument.<br />
Im abschließenden siebten Kapitel werden die Entwicklungstendenzen in<br />
Organisation, Führung und Personal zusammengefaßt. Wagner verweist u. a.<br />
darauf, daß<br />
- Systeme der Personalführung mehr denn je der aktiven Mitwirkung des<br />
Vorgesetzten bedürfen,<br />
- an die Stelle traditioneller Regelungsformen veränderte<br />
Koordinationsmechanismen treten,<br />
- Führungssysteme in hinreichender Vielfalt vorhanden sein und<br />
Entfaltungsspielräume ermöglichen sollten, wobei Führungsleitlinien<br />
anstelle starrer Führungsgrundsätze als verbindene Klammer dienen können.<br />
Wagner gibt in seinem Buch eine Fülle von Anregungen zur Flexibilisierung<br />
von Organisation und Personalwesen. Hierbei greift er primär auf bekannte
Ansätze zurück. Positiv hervorzuheben ist die gute didaktische<br />
Aufbereitung, wobei 120 Abbildungen die Stoffvermittlung sehr gut<br />
unterstützen. Wagner hat sein Ziel, ein pragmatisches Sachbuch zu<br />
verfassen, das den Dialog zwischen Theorie und Praxis auf diesem Gebiet<br />
erleichtert, voll erreicht.<br />
Passau, den 18.9.1989 Christof Schulte
Manfred Löwisch<br />
Kommentar zum Sprecherausschutzgesetz<br />
<strong>Verlag</strong> Recht und Wirtschaft, Heidelberg 1989, 237 S., DM 49.-<br />
Deskriptoren: Angestellte, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arbeitsrecht,<br />
Arbeitszeit, Betriebsrat, Betriebsveranstaltung, Betriebsvereinbarung,<br />
Betriebsverfassungsgesetz, Einigungsstelle, Entlohnung, Freistellung,<br />
Führungskraft<br />
Der Gesetzgeber hat im 2. Anlauf am 20.12.1988 das Gesetz über die<br />
Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten verabschiedet.<br />
Die erstmalige Wahl soll parallel mit der nächsten regelmäßigen<br />
Betriebsratswahl zwischen dem 01.03. und dem 31.05.1990 stattfinden.<br />
Bereits im April 1989 hat der bekannte Jurist Prof. Löwisch, Autor eines<br />
Taschenkommentars zum Betriebsverfassungsgesetz, z.Zt. in 2. Auflage 1989<br />
vorliegend, seinen Kommentar verfaßt, also bereits zu einem sehr frühen<br />
Zeitpunkt.<br />
Das neue Buch weist weitgehend die zahlreichen gleichen Stärken wie der<br />
Kommentar aus, aber auch einige ebenfalls dort vorliegende Schwächen. Sie<br />
betreffen aber weder das juristische Können von Prof. Löwisch,<br />
Universität Freiburg, noch seine sprachlichen Fähigkeiten. So wie sich<br />
der Taschenkommentar zum Betriebsverfassungsgesetz bewährt hat, wird dies<br />
auch der neue Kommentar tun.<br />
Eine besondere Stärke des Autors liegt in seiner umfassenden Kenntnis von<br />
Rechtsprechung und Kommentierung auf neuestem Stand. Löwisch konzentriert<br />
sich dabei nicht nur, wenn auch vor allem, auf die Rechtsprechung des<br />
BAG, sondern nennt darüberhinaus auch Urteile der 2. und sogar der 1.<br />
Instanz. Dabei zitiert er stets Quellen, die allgemein in größeren Betrieben<br />
vorhanden sind.<br />
Die Laien berücksichtigt Prof. Löwisch ebenfalls bei seinen<br />
Erläuterungen, die wissenschaftlich exakt sind, aber zugleich auch für<br />
Nichtjuristen immer verständlich. Dazu trägt auch der knappe klare<br />
Satzbau bei.<br />
Wesentliches hebt der Autor durch kräftigeren Druck hervor. Dennoch<br />
bleibt ein für den raschen Leser schwerwiegender Nachteil bestehen: Die<br />
Texte sind sehr klein geschrieben und unübersichtlich angeordnet.<br />
Erschwerend wirken auch die sehr vielen Abkürzungen, nicht weil man<br />
Schwierigkeiten hat sie aufzuschlüsseln, sondern weil sie zu gehäuft<br />
vorkommen.<br />
Es wäre sinnvoll gewesen, bedeutend mehr mit deutlichen Untergliederungen<br />
zu arbeiten, z.B. Durchnumerierungen.<br />
Das Buch ist wegen seines DIN A5-Formates und seines Umfanges von nur gut<br />
200 Seiten sehr handlich, aber deshalb mit den bereits beschriebenen<br />
Nachteilen.<br />
Löwisch bietet wegen seiner Sachlichkeit, seiner Gründlichkeit, seiner<br />
umfassenden Betrachtungsweise eine sichere und zuverlässige<br />
Entscheidungsgrundlage für das Umgehen mit dem neuen Gesetz. Erleichtert<br />
wird die Handhabung durch die Vergleiche zwischen Betriebsverfassungsund<br />
Sprecherausschußgesetz, zwischen den Rechten des Betriebsrates und<br />
des Sprecherausschusses.
Die vertrauensvolle Zusammenarbeit als gesetzliches Gebot gilt nicht nur<br />
für das Verhältnis von Arbeitgeber und Betriebsrat, sondern auch für<br />
dasjenige zwischen Sprecherausschuß und der allgemeinen<br />
Arbeitnehmervertretung. Es gibt jedoch bei einem Streit zwischen<br />
Betriebsrat und Sprecherausschuß keine Einigungsstelle zur Schlichtung.<br />
Das neue Gesetz sieht keine Begriffsbestimmung für den leitenden<br />
Angestellten vor, sondern verweist lediglich auf 5, 3 BetrVG.<br />
Für die Mindestgröße von zehn leitenden Angestellten ist nicht der<br />
Jahresdurchschnitt maßgeblich, sondern die Zahl der regelmäßig<br />
beschäftigten leitenden Angestellten. Sinkt während der Amtsperiode des<br />
Sprecherausschusses die Zahl der leitenden Angestellten unter zehn, dann<br />
endet damit nicht nur dessen Amtszeit, sondern die Angestellten dürfen<br />
auch durch keinen räumlich naheliegenden anderen Ausschuß vertreten<br />
werden.<br />
Es besteht kein Errichtungszwang für einen Sprecherausschuß. Das Gesetz<br />
überläßt die Entscheidung den Angestellten selbst. Problematisch ist die<br />
Formulierung von Löwisch, der Sprecherausschuß sei kein "Gegenspieler"<br />
des Arbeitgebers. Das ist er nämlich ebenso wie der Betriebsrat, weil<br />
zwar die Interessen der Leitenden eher mit denen des Arbeitgebers<br />
übereinstimmen, aber dennoch vorprogrammierte Konflikte bestehen müssen.<br />
Der Sprecherausschuß muß sich bemühen - so Löwisch - den Erfordernissen<br />
des Betriebes gerecht zu werden, aber ebenso zum Wohl der Leitenden<br />
handeln.<br />
Im Unterschied zum Betriebsrat sind die Rechte des Sprecherausschusses<br />
gering, weil der Gesetzgeber nicht die Konsequenz einer verbindlichen<br />
Entscheidung durch eine Einigungsstelle vorsieht. Es besteht keine<br />
Pflicht zum Kompromiß.<br />
Vor Abschluß einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat muß der<br />
Arbeitgeber den Sprecherausschuß anhören, wenn diese rechtliche<br />
Interessen der leitenden Angestellten betrifft. Unterläßt der Arbeitgeber<br />
die Anhörung, dann bleibt die Betriebsvereinbarung dennoch wirksam.<br />
Anders ist die Situation, geht der Arbeitgeber systematisch so vor, dann<br />
handelt er strafbar.<br />
Eine ausdrückliche Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen<br />
Betriebsrat und Sprecherausschuß sieht das Gesetz nicht vor, aber sie<br />
dürfen sich gegenseitig nicht behindern. Immerhin sollen beide einmal im<br />
Kalenderjahr eine gemeinsame Sitzung durchführen. Das ist jedoch kein<br />
gerichtlich durchsetzbarer Anspruch.<br />
Im Gegensatz zu den Betriebsratsmitgliedern besitzen die des<br />
Sprecherausschusses keinen besonderen Kündigungsschutz. Verboten ist<br />
dagegen jegliche Benachteiligung gegenüber anderen Angestellten.<br />
Kommt eine Einigung über die Zuordnung zu den leitenden Angestellten bei<br />
Wahlen nicht zustande, dann soll ein besonderer Vermittler einen<br />
Verständigungsversuch unternehmen. Dabei handelt es sich um einen<br />
Beschäftigten des Betriebes oder des Unternehmens. Der Gesetzgeber äußert<br />
sich nicht dazu, was geschieht, wenn eine Seite sich weigert am<br />
Zuordnungsverfahren mitzuwirken.<br />
Es gibt keinen Anspruch der Sprecherausschußmitglieder auf Ausgleich für<br />
außerhalb der Arbeitszeit aufgewandte Zeit wie es 37, 3 BetrVG für BR-<br />
Mitglieder vorsieht.
Ebenfalls fehlt eine 34, 2 BetrVG entsprechende Vorschrift mit dem<br />
Anspruch auf eine Niederschrift der Sitzung, an der z.B. der Arbeitgeber<br />
teilgenommen hat. Mit Löwisch kann man aber in diesem Fall von einem<br />
Nebenrecht sprechen.<br />
Der Gesetzgeber geht anders als bei den BR-Mitgliedern davon aus, daß die<br />
Mitglieder des Sprecherausschusses an notwendigen Schulungs- und<br />
Bildungsveranstaltungen außerhalb ihrer Arbeitszeit teilnehmen. Er<br />
spricht nämlich nicht von entsprechender Arbeitsbefreiung.<br />
Während das BetrVG pro Quartal von einer Betriebsversammlung ausgeht,<br />
sieht der Gesetzgeber diesmal nur als dringende Empfehlung einmal<br />
jährlich eine Versammlung der leitenden Angestellten vor. Nicht erwähnt<br />
wird die Möglichkeit einer Teil- oder Abteilungsversammlung, obwohl die<br />
leitenden Angestellten aus räumlich weit auseinanderliegenden Betrieben<br />
stammen können.<br />
Anders als das BetrVG enthält das Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung<br />
über die Zahlung von Arbeitsentgelt und die Erstattung von Fahrtkosten<br />
bei der Teilnahme an der Versammlung. Eine besondere Vergütung für<br />
Versammlungen außerhalb der Arbeitszeit gibt es nicht.<br />
Bei der Wahrnehmung seiner Belange kann der leitende Angestellte<br />
gegenüber dem Arbeitgeber ein Mitglied des Sprecherausschusses zur<br />
Unterstützung und Vermittlung hinzuziehen.<br />
Arbeitgeber und Sprecherausschuß können Richtlinien über den Inhalt, den<br />
Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen schriftlich<br />
vereinbaren. Zwar gelten diese zwingend und unmittelbar jedoch kann der<br />
Arbeitgeber zugunsten leitender Angestellter davon abweichen.<br />
Das stärkste Recht des Sprecherausschusses ist das Mitwirkungs- nicht wie<br />
beim BR das Mitbestimmungsrecht. Immerhin ist eine ohne Anhörung des<br />
Sprecherausschusses ausgesprochene Kündigung unwirksam.<br />
Mitwirkungspflichtig sind allgemeine personelle Angelegenheiten wie<br />
Beurteilungsgrundsätze aber auch personelle Einzelmaßnahmen nämlich neben<br />
der Kündigung eine beabsichtigte Einstellung oder eine personelle<br />
Veränderung. Im Hinblick auf die ordentliche Kündigung sieht der<br />
Gesetzgeber nicht wie bei 99 und 102 einen endgültigen<br />
Versagungskatalog vor. Anders als in 102 BetrVG ergibt sich aus dem<br />
Widerspruchsrecht des Sprecherausschusses kein vorläufiger<br />
Weiterbeschäftigungsanspruch des Angestellten.<br />
Im Hinblick auf wirtschaftliche Angelegenheiten sieht das Gesetz vor, daß<br />
der Unternehmer wie beim Betriebsverfassungsgesetz, dort nach den 106<br />
und 111, über seine wirtschaftlichen Angelegenheiten den Sprecherausschuß<br />
mindestens einmal im Kalenderhalbjahr berichten und über geplante<br />
Betriebsänderungen mit wesentlichen Nachteilen für leitende Angestellte<br />
unterrichten muß. Über Maßnahmen zum Ausgleich oder zur Milderung von<br />
Nachteilen hat er mit ihm zu beraten.<br />
Schlüchtern, 6.10.89<br />
Klaus Rischar