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Brigitte Liebig - Rainer Hampp Verlag

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<strong>Brigitte</strong> <strong>Liebig</strong>: Katalysator des Wandels oder verschärfte Konkurrenz? (ZfP 1/2001) 31<br />

cenlosigkeit weiblicher Erwerbslaufbahnen genannt. Damit verknüpft ist für den Gesprächsteilnehmer<br />

der Niedergang einer ehemals intakten Unternehmenskultur. Darüber<br />

hinaus fallen auch hier für die männlichen Kader (unter Zustimmung der Kolleginnen)<br />

die im Zuge des Wandels zerstörten kulturellen Voraussetzungen der betrieblichen Zusammenarbeit<br />

ins Gewicht: Nicht nur wurden soziale Beziehungsnetze im Betrieb bereits<br />

vor langer Zeit „gekippt“ – es sind zudem Anzeichen eines massiven Verfalls ehemals<br />

gemeinschaftsbildender Werte wie „Achtung“ und „Respekt“ zu beobachten.<br />

Gleichsam als Durchhaltestrategie und in Reaktion auf soziale Bedingungen am Arbeitsplatz,<br />

die als entwürdigend erlebt werden („wie die mit uns umgehen“), wird das<br />

einstmalige Engagement eingeschränkt, die ehemalige Bindung ans Unternehmen vom<br />

Rückzug auf den ganz persönlichen Profit abgelöst. Dem respektlosen Umgang der Unternehmensleitung<br />

mit seinem Management parallel zur Fraglichkeit der beruflichen<br />

Zukunft haftet etwas zutiefst Destruktives an.<br />

Der subjektiv nicht mehr zu bewältigende betriebliche Wandel bildet den Rahmen<br />

für einen Diskurs, innerhalb dessen von den männlichen Führungskräften ein Kampf zur<br />

Sicherung der verbleibenden Stellen und Positionen geführt wird. Zu den hier beobachtbaren<br />

Strategien der Männer gehört, die betriebliche Ungleichstellung der Geschlechter<br />

angesichts der aktuellen Situation zu einem längst überkommenen Thema bzw. zu einem<br />

„politischen Votum“ zu erklären: Hier geht es ums nackte „Überleben“. Gleichzeitig<br />

werden den Kolleginnen eine ganze Reihe von „Vorzügen“ bzw. spezifische Ressourcen<br />

zugeschrieben: Zu diesen zählt etwa ihre rein physische Überlebensfähigkeit.<br />

Mit der Annahme, Frauen besäßen allein schon aufgrund ihrer körperlich solideren<br />

Konstitution bessere Voraussetzungen, um „den Prozess, den wir hier durchlaufen“, zu<br />

überstehen, wird nicht nur Hilflosigkeit demonstriert, sondern überdies eine biologische<br />

Differenz markiert. Zudem nehmen auch hier die männlichen Gesprächsteilnehmer spezifische<br />

Handlungsfreiheiten bei den Kolleginnen wahr, deren zentrale Eigenschaft in<br />

diesem Falle wohl bemerkt in der „Freiheit zum Ausstieg“ aus dem Betrieb besteht. So<br />

bringen Frauen aus männlicher Sicht aufgrund ihrer durch Ehe/Partnerschaft gewonnenen<br />

ökonomischen Unabhängigkeit als „Zweitverdienerin“ größere „Stärke“ sowie Flexibilität<br />

in die unerträglich gewordenen Arbeitsverhältnisse ein, die es ihnen ermöglichen,<br />

selbst aus verantwortlichen Positionen auszusteigen. Die ‘Flexibilität der Frau’<br />

gilt hier somit nicht als betriebliche oder berufliche Ressource, sondern ist zum Argument<br />

des Ausschlusses gekehrt.<br />

Im Gesprächsverlauf verdichtet sich die hier konstruierte Differenz der Geschlechter:<br />

Während Männer in ihrer Selbstwahrnehmung physisch wie psychisch („Neurosen“)<br />

an der Unbeeinflussbarkeit einer Lage zu scheitern drohen, in die sie unfreiwillig<br />

„hineingestoßen werden“, besitzen die Kolleginnen die Möglichkeit, aus der entwürdigenden,<br />

„frustrierenden“ Situation „Konsequenzen“ zu ziehen, einen „Switch zu machen“<br />

und „einmal was ganz Neues zu versuchen“, kurz: zu sagen: „das macht keinen<br />

Sinn, jetzt gehe ich lieber ganz“. Mit der Attribution vermeintlich weiblicher Freiheiten<br />

erhalten Frauen dabei Schritt um Schritt einen Platz in der Arbeitsreserve zugewiesen.<br />

Die eingangs noch erwähnte Problematik der betrieblichen Geschlechtersegregation<br />

wird im untenstehenden Gesprächsausschnitt schließlich nur noch als „Zwischentief“<br />

erkannt. Explizit, wenn auch als „Freiheit“ ausgewiesen, wird Frauen der Ausstieg aus

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