Brigitte Liebig - Rainer Hampp Verlag
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<strong>Brigitte</strong> <strong>Liebig</strong>: Katalysator des Wandels oder verschärfte Konkurrenz? (ZfP 1/2001) 25<br />
Verlust von Unterstützung und Privilegien<br />
Die Verschränkung geschlechts- und generationstypischer Erfahrungen und Orientierungen<br />
sei hier zunächst am Beispiel des Umgangs mit dem Wandel betrieblicher<br />
Strukturen dargelegt: Mit Blick auf neue Formen der Arbeitsteilung und Prozesse der<br />
Dehierarchisierung wird besonders von männlichen Kadern, die auf eine lange Betriebszugehörigkeit<br />
zurückblicken können, die ordnungs- und orientierungsstiftende<br />
Funktion der ehemaligen Strukturen betont. Mit der Umstrukturierung geht aus ihrer<br />
Sicht, so illustriert exemplarisch die untenstehende Textpassage, die „Kultur“ des Unternehmens<br />
und damit die Grundlage seines „guten Geistes“ verloren. In ihren Folgen<br />
droht die Zerstörung der ehemaligen Organisationsformen soziale Anomie, wenn nicht<br />
gar den „Untergang“ des Betriebs hervorzurufen.<br />
Cm: was wir natürlich bisher gehabt haben sind langzeitige stabile Organisationsformen<br />
(.) und da hat sich natürlich eine Kultur und ein Geist entwickeln können und da<br />
hat man gewusst wie man sich wo das Beziehungsnetz gewesen ist (.) mit wem<br />
man was verhandelt das ist natürlich auch ein Kulturaspekt und jetzt mit dem<br />
Change hat man tatsächlich alles die ganzen Beziehungsgeflechte kaputt gemacht<br />
und das ist natürlich (.) also aus meiner Sicht ist das natürlich der Untergang von<br />
einer Firma oft kann man das nicht machen (.) warum wir leben mit Beziehungen<br />
das ist auch Bestandteil von einer Kultur das man genau weiß wann woher man<br />
muss und wieviel es vertragen kann und wieviel (.) das System ist ja berechenbar<br />
wie ein Chef oder eine Chefin sobald sie berechenbar ist wird es interessant wenn<br />
sie unberechenbar ist es eine Katastrophe und genauso ist doch das ganze System<br />
und das Geflecht von einer Firma wenn man weiß wie man sich muss drin bewegen<br />
gibt’s einen guten Geist<br />
Zentralen Bestandteil der betrieblichen Kultur bildet für den Sprecher ein „Geflecht“<br />
sozialer Beziehungen, das Grenzen und Möglichkeiten der Einflussnahme auf<br />
Entscheidungen markiert, die Übersichtlichkeit betrieblicher Prozesse und die Berechenbarkeit<br />
der Entwicklungen garantiert – kurz: Mittel zur Bewältigung von Kontingenzen<br />
im betrieblichen Alltag bildet. Das soziale Gefüge förderte aus Sicht der Kader<br />
nicht allein die Kooperations- und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sowie das Wohlbefinden<br />
am Arbeitsplatz, retrospektiv messen sie ihm vielfach eine wichtige Rolle im<br />
Rahmen ihrer beruflichen Laufbahnen zu: Als Grundlage informeller Übereinkünfte und<br />
der Verständigung zwischen Vorgesetzten und Unterstellten gewährleistete es bis anhin<br />
die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit der männlichen beruflichen Karrieren. Durch die<br />
„Zerschlagung“ dieser Netzwerke gehen in ihren Augen wichtige Grundlagen der Lebensqualität<br />
am Arbeitsplatz und der beruflichen Sicherheit verloren.<br />
Als Verschlechterung der bisherigen Bedingungen erweisen sich zudem die im Zuge<br />
der vermehrten Leistungsorientierung der Betriebe gewandelten personalpolitischen<br />
Grundsätze und Leitlinien: Im Erleben der Führungskräfte stellen sich die neuen Kriterien<br />
der Rekrutierung und Beförderung als Abschied von einer ehemals um das berufliche<br />
Schicksal der Beschäftigten besorgten, „menschlichen“ oder „seriös konservativen“<br />
Personalstrategie und -förderung dar, die das „Gefühl von Sicherheit“ und „Gerechtigkeit“<br />
vermittelt haben. An die Stelle einer einst „ganzheitlichen Beurteilung“ der Mitar-