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Brigitte Liebig - Rainer Hampp Verlag

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<strong>Brigitte</strong> <strong>Liebig</strong>: Katalysator des Wandels oder verschärfte Konkurrenz? (ZfP 1/2001) 19<br />

Einleitung<br />

Strukturwandel, globaler Wettbewerb und technologische Entwicklung haben<br />

grundlegende Veränderungen betrieblicher Organisations- und Arbeitsformen mit sich<br />

gebracht (z.B. Braczyk et al. 1996). In ihren Konsequenzen für die Beschäftigungs- und<br />

Aufstiegschancen von Frauen werden sie sehr unterschiedlich bewertet: Erscheinen mit<br />

dem Trend zum Bürokratie- und Hierarchieabbau, zur Dezentralisierung und Bildung<br />

kleiner, autonomer Organisationseinheiten einerseits traditionelle Formen der<br />

Geschlechterungleichheit relativiert, so sind sie andererseits offenbar von neuen informellen<br />

Mechanismen der Benachteiligung von Frauen begleitet. Neben ersten Ansätzen<br />

einer Debatte (z.B. Brumlop 1993; Goldmann 1994; Riegraf 1996; Quack 1998; Benschop/Doorewaard<br />

1998; Zeitschrift f. Frauenforschung 1998) blieb bisher weitgehend<br />

unausgelotet, welche konkreten Auswirkungen der Umbau der Betriebe auf die Möglichkeiten<br />

zur Realisierung von Gleichstellungsvorgaben hat. Insbesondere fehlt es an<br />

Analysen, welche die kulturellen Rahmenbedingungen betrieblicher Transformationen<br />

offenlegen, in deren Kontext Frauen an gleichberechtigten Partizipations- und Karrierechancen<br />

gewinnen können – oder aber verlieren.<br />

Die widersprüchlichen Auswirkungen von Reorganisationsprozessen für das betriebliche<br />

Geschlechterverhältnis weisen darauf hin, dass der strukturelle Umbau der<br />

Betriebe zwar als eine notwendige, jedoch nicht als hinreichende Voraussetzung für die<br />

Realisierung der Gleichstellungsvorgaben betrachtet werden kann. Ins Blickfeld rücken<br />

dabei Aspekte betrieblichen Wandels, die heute u.a. als Teil der „kollektiven Intelligenz“<br />

(Toffler 1990) der Unternehmen beschrieben werden: Ihre Grundlagen bilden<br />

nicht allein die Informiertheit bzw. das stetig aktualisierte Faktenwissen der Mitarbeiterschaft,<br />

wie es im Rahmen fachspezifischer Ausbildungsgänge erworben werden<br />

kann, sondern auch interpersonale Lernprozesse, denen eine eigenständige, die externen<br />

und internen Bedingungen und Verhältnisse der Unternehmen einschließende Dynamik<br />

innewohnt. In der Management- und Organisationstheorie wird dieses Lernen heute aus<br />

kognitions- und verhaltenstheoretischer Perspektive angegangen, oder aber es wird als<br />

kultureller Prozess diskutiert, d.h. als Ausdruck der Entwicklung und Veränderung kollektiver<br />

Interpretationen sozialer Wirklichkeit in Organisationen (Pawlowsky 1998).<br />

Auf die Bedeutung kollektiver Formen der Wirklichkeitsinterpretation für betriebliche<br />

Prozesse und Praktiken wird bereits seit Anfang der 80er Jahre von der Organisationskulturforschung,<br />

genauer: ihrer interpretativen Denktradition (z.B. Pondy et al.<br />

1983; Frost et al. 1991) aufmerksam gemacht. Organisationen werden hier als symbolisch-kulturelle<br />

Bedeutungssysteme oder Muster handlungsleitender Orientierungen verstanden,<br />

deren Inhalte vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Geschichte und Alltagspraxis<br />

entstehen (vgl. z.B. Smircich 1983). Im Zuge der Entwicklung des Forschungsfeldes<br />

gerieten dabei zunehmend Auffassungen ins Zentrum, welche die Kultur<br />

der Unternehmen als situatives Verständigungs- und Verhandlungsergebnis sozialer Akteure<br />

in den Vordergrund rücken und unter dem Aspekt von Interessenkonflikten und<br />

Machtbeziehungen thematisieren (vgl. Alvesson/Berg 1992; May 1997). Sie finden sich<br />

heute auch in Perspektiven vertreten, in denen betriebliche Geschlechterverhältnisse als<br />

symbolisch-kulturell hergestellt und legitimiert sowie als Ausdruck eines Kampfes um

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