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Recht_Kolumne<br />
67<br />
Muss man auch über<br />
Brötchen streiten?<br />
KOLUMNE. Lohnt ein Prozess über 30 Euro? Langfristig<br />
kann ein Prinzipienstreit teure Folgekosten verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Der Nürnberger<br />
Brötchenfall<br />
dient zweifelsohne<br />
<strong>de</strong>r klarstellung<br />
einer wichtigen<br />
auslegungsfrage.<br />
Liebe Personalexperten. „Jetzt geht’s<br />
mir ums Prinzip“. Dieser Satz ist nicht<br />
selten dafür verantwortlich, dass bei<br />
Gericht auch um Kleinigkeiten erbittert<br />
gekämpft wird. Und nicht nur in Familien-<br />
o<strong>de</strong>r Nachbarschaftsstreitigkeiten,<br />
son<strong>de</strong>rn auch vor <strong>de</strong>n Arbeitsgerichten.<br />
Lässt man hier die hin und wie<strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen<br />
emotionalen Motive außen<br />
vor, so kommen aus Sicht <strong>de</strong>s beteiligten<br />
Arbeitgebers zwei Grün<strong>de</strong> als Rechtfertigung<br />
für einen Prinzipienstreit in Betracht.<br />
Der erste ist <strong>de</strong>r eher altruistische<br />
Antrieb, bei <strong>de</strong>r allgemeinen Rechtsfortbildung<br />
mitzuwirken. Der zweite besteht<br />
in <strong>de</strong>r Befürchtung, dass sich beim freiwilligen<br />
Nachgeben o<strong>de</strong>r einem Prozessverlust<br />
aus einem „Peanutsfall“ eine<br />
ganze Lawine von in <strong>de</strong>r Summe dann<br />
teuren Folgekosten ergeben könnte.<br />
Überprüfen wir anhand dieser Regel einen<br />
Fall, <strong>de</strong>n kürzlich das LAG Nürnberg<br />
(Az. 4 TaBV 58/11) veröffentlicht hat. Ein<br />
Betriebsrat pflegte Betriebsversammlungen<br />
sehr zeitaufwendig zu kalkulieren<br />
und hielt es <strong>de</strong>swegen für nötig, in<br />
<strong>de</strong>r Pause belegte Brötchen für die Belegschaft<br />
bereitzustellen. Da <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
die Übernahme dieser Kosten von<br />
30 Euro ablehnte, stritt man sich in zwei<br />
Instanzen darüber, ob <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
zur Brötchenerstattung verpflichtet sei.<br />
Was er nicht war, so die LAG-Richter. Die<br />
Brötchen auf einer Betriebsversammlung<br />
seien we<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m § 40 BetrVG<br />
noch aus „Geschäftsführung ohne Auftrag“<br />
vom Arbeitgeber zu finanzieren.<br />
01 / 13 personalmagazin<br />
Wie sieht nun die Bilanz dieses Prinzipiensiegs<br />
aus? Aus Sicht <strong>de</strong>r allgemeinen<br />
Rechtsfortbildung sicher ein voller Erfolg,<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r fränkische Brötchenbeschluss<br />
kann nun zur Klarstellung einer<br />
wichtigen Auslegungsfrage im Bereich<br />
<strong>de</strong>s Betriebsverfassungsrechts beitragen<br />
und in die Kommentare zum Betriebsverfassungsgesetz<br />
einfließen.<br />
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Aber hat sich die Unnachgiebigkeit auch<br />
im Hinblick auf die Verhin<strong>de</strong>rung von Folgekosten<br />
gelohnt? Langfristig gesehen<br />
ja. Nimmt man die Gerichtskosten und<br />
Anwaltsgebühren (bekanntlich muss <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber auch <strong>de</strong>n Anwalt <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />
finanzieren) für zwei Instanzen<br />
zusammen und setzt dies mit <strong>de</strong>r künftigen<br />
Ersparnis einer Brötchenbewirtung<br />
bei Betriebsversammlungen ins Verhältnis,<br />
so hat sich dieser Prozess monetär<br />
für <strong>de</strong>n Arbeitgeber in zirka zwölf Jahren<br />
amortisiert. Aber Achtung: Diese Kalkulation<br />
trifft nur zu, wenn <strong>de</strong>r Betriebsrat<br />
stets seine maximalen Möglichkeiten<br />
zur Einberufung von Betriebsversammlungen<br />
ausnutzt und einmal im Quartal<br />
eine Betriebsversammlung festsetzt.<br />
Sollte er, wie in <strong>de</strong>n meisten Betrieben,<br />
jährlich eine Betriebsversammlung planen,<br />
wird sich <strong>de</strong>r Amortisationseffekt<br />
um weitere 36 Jahre verzögern.<br />
An dieser Stelle mein Tipp an <strong>de</strong>n fränkischen<br />
Prinzipienreiter: Nach § 43 Abs.<br />
3 BetrVG hat <strong>de</strong>r Betriebsrat auch „auf<br />
Wunsch <strong>de</strong>s Arbeitgebers“ eine Betriebsversammlung<br />
einzuberufen. Sie<br />
haben es also selbst in <strong>de</strong>r Hand, für<br />
eine schnelle Amortisation ihrer Prozessinvestitionen<br />
zu sorgen.<br />
Thomas Muschiol ist<br />
Leiter <strong>de</strong>s Ressorts Recht im<br />
Personalmagazin.