Zehn14 - Das Evangelische Elternmagazin (Pilotausgabe)
Zehn14 - Das Evangelische Elternmagazin (Pilotausgabe)
Zehn14 - Das Evangelische Elternmagazin (Pilotausgabe)
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# 01<br />
Sommer 2013<br />
<strong>Das</strong> evangelische <strong>Elternmagazin</strong><br />
Danke,<br />
lieber Gott!<br />
Beten ist Reden mit Gott.<br />
Kinderleicht – und doch<br />
auch Übungssache<br />
Glaube<br />
Taufe heißt:<br />
„Schön, dass<br />
es dich gibt!“<br />
Kind<br />
Groß werden –<br />
im eigenen<br />
Tempo<br />
Familie<br />
Burnout:<br />
„Ich kann<br />
nicht mehr“
THEMA DAS<br />
MAGAZIN FÜR ENGAGIERTE CHRISTEN<br />
Was die Welt<br />
zusammenhält<br />
Wo kommen wir her?<br />
Was sind wir?<br />
Was ist nach uns?<br />
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Was die Welt<br />
zusammen hält<br />
Wo kommen wir her?<br />
Paulus<br />
Sein Leben<br />
sein Wirken<br />
seine Theologie<br />
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IMPRESSUM<br />
<strong>Zehn14</strong><br />
<strong>Das</strong> evangelische<br />
<strong>Elternmagazin</strong><br />
Herausgeber<br />
Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.,<br />
<strong>Evangelische</strong> Kirche im Rheinland (EKiR),<br />
<strong>Evangelische</strong>r Fachverband der Tageseinrichtungen<br />
für Kinder in Westfalen und Lippe (evta.)<br />
Verlag<br />
Medienverband der <strong>Evangelische</strong>n Kirche<br />
im Rheinland gGmbH<br />
Kaiserswerther Str. 450, 40474 Düsseldorf<br />
Geschäftsführer<br />
Dr. Lars Tutt<br />
Chefredakteur und V.i.S.d.P.<br />
Volker Göttsche<br />
Chefin vom Dienst<br />
Christina Schramm<br />
Redaktion<br />
Theresa Albig, Wolfgang Beiderwieden,<br />
Gerd-Matthias Hoeffchen (<strong>Evangelische</strong>r<br />
Presseverband für Westfalen und Lippe),<br />
Dagmar Paffenholz<br />
Freie Mitarbeit Text<br />
Stefanie Bona, Barbara Buchholz,<br />
Anne Meyer, Jutta Oster, Silke Weiher<br />
Freie Mitarbeit Foto<br />
Berthold Fernkorn, Nico Hertgen,<br />
Anna-Lisa Mauriello, Rudolf Wichert, Anne Wirtz<br />
Gestaltung<br />
zweizueins – Visuelle Konzepte, Düsseldorf<br />
Kontakt und Bestellung<br />
Medienverband der <strong>Evangelische</strong>n Kirche<br />
im Rheinland gGmbH<br />
Kaiserswerther Str. 450, 40474 Düsseldorf<br />
Tel. 0211 43690-150, Fax 0211 43690-100,<br />
elternmagazin@medienverband.de<br />
www.medienverband.de<br />
Druck<br />
Set Point Medien GmbH<br />
Moerser Straße 70, 47475 Kamp-Lintfort<br />
Editorial<br />
Sie halten die <strong>Pilotausgabe</strong> des neuen <strong>Elternmagazin</strong>s<br />
„<strong>Zehn14</strong>“ in Händen. Ein Magazin für Eltern, die ihr Kind<br />
in einer evangelischen Kita betreuen lassen, die Angebote<br />
in einer evangelischen Kirchengemeinde wahrnehmen<br />
oder die Kurse einer evangelischen Familienbildungsstätte<br />
besuchen. Ein Magazin, das Eltern stärkt und Spaß macht. Es<br />
hilft ihnen zum Beispiel, religiöse Fragen ihrer Kinder zu beantworten<br />
und bei Themen wie Beten und Taufe persönlich<br />
klarer zu sehen. Eltern kommen mit ihren Erfahrungen in<br />
Glaubens-, Erziehungs- und Familienfragen zu Wort, ergänzt<br />
um Anregungen von Expertinnen und Experten.<br />
Der Name „<strong>Zehn14</strong>“ bezieht sich auf das biblische Jesuswort<br />
aus dem Markusevangelium 10,14: „Lasst die Kinder zu mir kommen<br />
und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich<br />
Gottes.“ Jesus rückt die Kinder in die Mitte der Gemeinde. Sein<br />
Wort verbindet alle, denen das Wohl der Kinder am Herzen liegt.<br />
Dazu zählen auch die Herausgeber des Magazins: die Diakonie<br />
Rheinland-Westfalen-Lippe, die <strong>Evangelische</strong> Kirche im Rheinland<br />
und der <strong>Evangelische</strong> Fachverband der Tageseinrichtungen<br />
für Kinder in Westfalen und Lippe.<br />
Die Herausgeber und ich wünschen Ihnen eine anregende Lektüre<br />
– und wir freuen uns, wenn Sie das Magazin für „Ihre“ Eltern<br />
bei uns bestellen.<br />
Kostenloses Probeabo: (0521) 9440-0<br />
www.unserekirche.de<br />
Volker Göttsche,<br />
Chefredakteur Medienverband<br />
03<br />
Foto: Andre Zelck
<strong>Zehn14</strong> sommer 2013 Elternsachen<br />
Inhalt<br />
Elternsachen<br />
05 Daumen hoch<br />
Toben im „Bewegungskindergarten“<br />
Auf ein Wort Kinder<br />
rücken die Maßstäbe<br />
unseres Lebens zurecht<br />
06 Daumen runter<br />
Wer sein Kind früh in<br />
die Kita gibt, ist keine<br />
„Rabenmutter“<br />
Zwei Minuten mit …<br />
Malte (3 ½ Jahre)<br />
07 Kindermund<br />
Eltern erinnern sich<br />
an ... Ninja Turtles<br />
Spielwiese<br />
Titel<br />
Beten ist Reden<br />
mit Gott<br />
Früh übt sich, wer das Beten<br />
lernen will. <strong>Das</strong> Gespräch mit<br />
Gott braucht vor allem eins:<br />
Vertrauen<br />
11 Wie beten muslimische<br />
Kinder?<br />
12 Kinder und ihre<br />
Lieblingsgebete<br />
Wer ist Gott?<br />
Gottesbilder von Kindern<br />
13 So beten wir zu Hause<br />
Eltern erzählen<br />
08<br />
Daumen Hoch<br />
Bitte Toben!<br />
Bewegung regt<br />
die Sinne an<br />
Matthäus-Kita, Hagen<br />
Kinder toben gern, auch in der Kita – das ist total normal.<br />
Zu etwas Besonderem wird das erst, wenn eine Tageseinrichtung<br />
gerade darauf ihren Schwerpunkt legt. So<br />
wie die Matthäus-Kita in Hagen, die seit 2006 ein zertifizierter<br />
„Bewegungskindergarten“ ist. „Bewegung regt die Sinne an<br />
und ist für die Kinder das Tor zum Leben“, sagt Kita-Leiterin<br />
Cornelia Waga. „Wir wollten unser Angebot ausbauen.“<br />
14 20 24<br />
Die Einrichtung tat sich mit dem örtlichen Sportverein zusammen<br />
– eine der Voraussetzungen für das Qualitätssiegel „Bewegungskindergarten“<br />
des Landessportbunds NRW. Seitdem<br />
nehmen die Matthäus-Kinder in der Sportanlage des TSV Hagen<br />
1860 an Kita-Olympiaden teil oder legen Sportabzeichen ab.<br />
Im Kindergarten spielen, toben und turnen sie auf dem Außengelände<br />
zwischen Bäumen oder im eigens eingerichteten<br />
Bewegungsraum. Kein Stuhl und kein Tisch muss an seinem<br />
Platz bleiben – und die Kinder schon gar nicht. Außer beim<br />
Essen: Da wird am Tisch gesessen.<br />
Foto: Berthold Fernkorn<br />
Glaube<br />
Kind<br />
Familie<br />
Auf ein Wort<br />
„Gott kennt<br />
meinen Namen“<br />
Taufe im Kita-Alter hat auch Vorteile:<br />
Die Kinder können mitentscheiden<br />
16 Kinderfrage Hat Gott alle<br />
Menschen lieb? Auch die Räuber?<br />
Gut zu wissen Mit Kind auf<br />
eine Beerdigung<br />
17 <strong>Das</strong> ist Eltern wichtig Kinder<br />
segnen, auch vor dem Einschlafen<br />
18 Was passiert eigentlich im …<br />
Kindergottesdienst<br />
19 Eine Sache des Glaubens Grüßen<br />
Medientipp<br />
Jedes Kind hat<br />
sein eigenes Tempo<br />
Eltern sollten gelassen bleiben und<br />
keinen Leistungsdruck aufbauen<br />
22 So machen wir das Keine Lust<br />
auf Kita<br />
23 Hand auf’s Herz Dürfen Eltern<br />
ihr Kind anlügen?<br />
Was läuft in der U3-Betreuung?<br />
Viel Aufmerksamkeit schon beim<br />
Eingewöhnen<br />
Ruhe nach<br />
dem Sturm<br />
Nach dem Burnout nimmt Ayhan<br />
Demirel sich Zeit für die Familie<br />
26 Was unternehmen wir?<br />
Familie Cohnen schwört auf<br />
„Baustellentage“<br />
27 Neulich bei uns Lukas gegen Linus:<br />
Geschwisterstreit im Kinderzimmer<br />
Kolumne Zeitverschiebung<br />
Titelfoto: istockphoto.com / Maria Pavlova<br />
Foto: Hans-Jürgen Vollrath<br />
Jedes Kind ist liebenswert. Gewiss, Kinder<br />
sind auch eine Last, Ursache von<br />
Sorgen. Sie brauchen Zuwendung, die<br />
manchmal bis an die Grenzen der Kraft<br />
geht. Aber jedes Kind ist der Liebe wert.<br />
Jesus stellt in der biblischen Geschichte,<br />
die diesem Magazin den Namen gegeben<br />
hat, Kinder in den Mittelpunkt. Er richtet die Aufmerksamkeit<br />
der Erwachsenen auf das Wesentliche: „Lasst die<br />
Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen<br />
gehört das Reich Gottes“ (Markus 10,14). Kinder werden<br />
zu Vorbildern. Die Geborgenheit, die Kinder aufblühen<br />
lässt, erinnert mich daran, dass alle Menschen von einem<br />
Vorschuss an Liebe und Hoffnung leben. Ihre Lebendigkeit<br />
zeigt, dass Leben, Gesundheit und Freude Geschenke sind,<br />
die niemand kaufen kann. Ihre Empfindlichkeit für Ungerechtigkeit<br />
und Leiden öffnet die Augen für richtige Schritte<br />
in eine gute Zukunft.<br />
Kinder rücken die Maßstäbe unseres Lebens zurecht. Ein<br />
kluger Mensch hat geschrieben: Jedes Kind, das geboren<br />
wird, bringt von Gott die Botschaft mit, dass er noch nicht<br />
an der Menschheit verzweifelt. Jedes Kind ist liebenswert;<br />
es hilft uns, die Welt mit neuen Augen zu sehen.<br />
Klaus Eberl ist Oberkirchenrat und leitet die Abteilung<br />
Bildung im Landeskirchenamt der <strong>Evangelische</strong>n Kirche<br />
im Rheinland. Er ist Mitglied der Kirchenleitung und Mitherausgeber<br />
von „<strong>Zehn14</strong>“.<br />
04 05
<strong>Zehn14</strong> SOMMER 2013 Elternsachen<br />
Zwei Minuten mit …<br />
MALTE (3 ½ JAHRE)<br />
daumen runTer<br />
WER EINEN U3-<br />
PLATZ HAT, IST KEINE<br />
„RABENMUTTER“<br />
KINDERMUND<br />
Gesammelt von Barbara Buchholz<br />
„Wenn man was ins Auge<br />
bekommt, braucht man<br />
ein Pflaster. Aber dann<br />
sieht man nichts mehr.“<br />
Mein Sohn Malte hatte die Angewohnheit,<br />
seine Handschuhe beim Spielen<br />
draußen irgendwo hinzuwerfen, wenn<br />
er sie nicht mehr tragen wollte. Ich habe<br />
mit ihm und der Kindergärtnerin besprochen,<br />
dass er das nicht tun soll, weil<br />
wir ja nicht ständig neue Handschuhe<br />
kaufen können. Als Malte wieder einmal<br />
ohne Handschuhe zurückkam, erzählte<br />
er der Kindergärtnerin, der Rabe Socke<br />
habe seine Handschuhe geholt. Wir hatten<br />
zuvor das Buch „Alles meins!“ gelesen,<br />
in der der Rabe seinen Freunden Sachen<br />
klaut. Malte war fest davon überzeugt:<br />
Der Rabe Socke war’s. So ernst hat er<br />
die Kindergärtnerin angeschaut.<br />
Simone Bohr, 37 Jahre, Hagen<br />
mütter, die nach der Geburt eines Kindes frühzeitig wieder berufstätig<br />
werden wollen und ihr Kleinkind in die U3-Betreuung<br />
geben, haben oft ein schlechtes Gewissen oder müssen sich<br />
Vorwürfe gefallen lassen, eine „rabenmutter“ zu sein. Zu Unrecht,<br />
sagt unsere Kita-expertin Birgit Ahrens.<br />
<strong>Zehn14</strong>: Manche Mütter fürchten, es schade einem kleinen<br />
Kind, wenn es nicht ausschließlich von den Eltern betreut<br />
wird. Ist diese Sorge begründet?<br />
Birgit Ahrens: es gibt keine wissenschaftlichen erkenntnisse,<br />
dass sich die U3-Betreuung negativ auf die entwicklung der<br />
Kinder auswirkt. Und unsere erfahrungen zeigen, dass gerade<br />
Kinder, die früh in die Kita kommen, sich schnell entwickeln<br />
und selbstständiger werden. Natürlich müssen die rahmenbedingungen<br />
stimmen. Dazu gehören eine gute eingewöhnung,<br />
eine gute Bindung zu einer Betreuungsperson und in der Kita-<br />
Gruppe.<br />
Was ist, wenn ein Kind noch nicht sprechen kann?<br />
Bevor wir ein Kind aufnehmen, spricht die erzieherin, die sich<br />
später um das Kind kümmern soll, mit den eltern über dessen<br />
Bedürfnisse und Gewohnheiten. Außerdem sind unsere mitarbeitenden<br />
geschult, auf die Signale der Kinder angemessen<br />
zu reagieren.<br />
„Verpassen“ Eltern etwas, wenn ihr Kind in der Kita ist?<br />
Wir bemühen uns, ihnen möglichst viel davon mitzuteilen: Unsere<br />
mitarbeitenden schreiben Tagebücher für die eltern und<br />
führen entwicklungsgespräche mit ihnen. Wir dokumentieren<br />
alle entwicklungsschritte. Was täglich passiert, halten wir in<br />
einem Wochenrückblick fest.<br />
Gewinnt die Eltern-Kind-Beziehung durch die Kita?<br />
Zum Beispiel können eltern Freiräume für sich entdecken und<br />
sich dadurch auch intensiver mit ihrem Kind beschäftigen.<br />
Dann ist die eigene Betreuungszeit vielleicht kürzer, hat aber<br />
mehr Qualität.<br />
Interview: Barbara Buchholz<br />
Birgit Ahrens ist Abteilungsleiterin<br />
im Verbund der evangelischen Tageseinrichtungen<br />
und Tagespflege für<br />
Kinder bei der Diakonie Düsseldorf.<br />
Zum Verbund gehören 45 Kitas im<br />
Düsseldorfer Stadtgebiet.<br />
Foto: istockphoto.com / Christian Johnsson<br />
„Ja, Papa, ‚Kontrollturm‘<br />
ist ein schweres<br />
Wort. Aber du kannst<br />
das schon ganz gut.“<br />
Jonathan, 4 Jahre, beim Besuch<br />
des Flughafens<br />
Eltern erinnern sich an ...<br />
NINJA TURTLES<br />
Als ich noch klein war, spielten meine Freunde<br />
und ich die Abenteuer der „Ninja Turtles“ nach.<br />
<strong>Das</strong> waren vier Schildkröten, die fernöstliche<br />
Kampfkunst beherrschen, aus einer Zeichentrickserie.<br />
Meine Lieblingsfigur war „Michelangelo“.<br />
Den besaß ich als Plastikfigur und habe<br />
mir wie er eine orangefarbene Augenbinde mit<br />
Augenlöchern darin umgebunden. Die Figuren<br />
habe ich leider nicht mehr. Aber mein Sohn<br />
Jake hat schon die ersten Folgen der „Turtles“-<br />
Zeichentrickserie gesehen und war begeistert.<br />
Markus Sieben, Jahrgang 1984, Neuss-Holzheim<br />
Ella, 2 Jahre, als ihr Vater sich die Augen reibt<br />
„ur-omi ist jetzt im Himmel ?<br />
Die soll mit dem Fahrstuhl<br />
runterkommen!“<br />
Freya, 2 Jahre, nachdem sie erfahren hat,<br />
dass ihre Urgroßmutter gestorben ist<br />
SPielWieSe<br />
SPIELE<br />
FÜR AUTO-<br />
FAHRTEN<br />
Haben Sie sich auf der Autobahn schon einmal über<br />
winkende Kinder in anderen Autos gewundert? Sie haben<br />
hoffentlich zurückgewunken. Die Kinder könnten<br />
gewettet haben, ob Sie dem ruf Ihrer Automarke gerecht<br />
werden. In so manchem Fabrikat wird ja beispielsweise<br />
ein unfreundlicher Drängler vermutet. Solche<br />
Wetten und andere einfache Spiele helfen gegen die<br />
Langeweile auf Autofahrten. Bereits Kinder im Kindergartenalter<br />
können begeistert mitmachen. Wenn Kinder<br />
älter sind und zählen können, laden Nummernschilder<br />
zu kurzweiligen Übungen ein: <strong>Das</strong> eine Kind addiert die<br />
vorderen Ziffern, das andere die hinteren. Wer zuerst<br />
die Zahl 10 erreicht hat, hat die runde gewonnen.<br />
Spieltipp: Lynn Gordon, 52 kurzweilige Spiele für lange<br />
Autofahrten. Packung mit 52 Karten, Verlag Antje<br />
Kunstmann, für Kinder ab 5, 6,90 Euro<br />
06 07
<strong>Zehn14</strong> sommer 2013 Titelthema Beten<br />
Beten ist<br />
Reden mit Gott<br />
<br />
Zu Gott beten, ohne dass man ihn<br />
sehen kann? Beim Kita-Besuch<br />
bringt Pfarrerin Elisabeth Müller eine<br />
Mond-Puppe mit: Den Mond sieht<br />
man tagsüber nicht, aber er ist immer<br />
da. „Mit Gott ist das genauso.“<br />
Früh übt sich, wer das Beten lernen will. Schon kleine Kinder können<br />
das Reden mit Gott einüben – spielerisch, kindgerecht und ohne<br />
strenge Regeln. <strong>Das</strong> Gespräch mit Gott braucht vor allem eins: Vertrauen.<br />
Text: Theresa Albig<br />
Fotos: Anne Wirtz<br />
Michel aus Lönneberga hat mal wieder etwas<br />
ausgefressen. Um der Schelte seines<br />
Vaters zu entgehen, rennt der Junge in<br />
den Holzschuppen und verriegelt die<br />
Tür. Dann faltet er die Hände und betet:<br />
„Lieber Gott, lass mich ein braver Junge<br />
werden.“ Marie, sechs Jahre alt, liebt die<br />
schwedischen Kinderfilme mit Michel,<br />
der ständig Streiche ausheckt. Auch ihre<br />
Mutter sitzt mit vor dem Fernseher. An<br />
Gott zu glauben, ist ihr wichtig. Die Szene<br />
im Film weckt ihr Interesse. „Weißt du<br />
eigentlich, warum Michel gebetet hat?“,<br />
fragt sie ihre Tochter. „Damit Gott ihm<br />
hilft, keinen Quatsch zu machen“, antwortet<br />
die Sechsjährige.<br />
Marie besucht die Kita im <strong>Evangelische</strong>n<br />
Familienzentrum Oberrather Straße in<br />
Düsseldorf. Dort betet sie täglich. Jede<br />
Mahlzeit beginnen die Kinder zwischen<br />
zwei und sechs Jahren mit einem gemeinsamen<br />
Tischritual. Dann falten sie die<br />
Hände und sprechen: „Alle guten Gaben,<br />
alles was wir haben, kommt o Gott von dir,<br />
wir danken dir dafür.“ Oder sie wirbeln<br />
ihre Hände wie Flügel durch die Luft<br />
und rufen: „Lieber kleiner Schmetterling,<br />
flieg doch schnell zum Himmel hin.<br />
Sag dem lieben Gott dort oben, dass wir<br />
ihn fürs Essen loben.“<br />
„Kinder brauchen<br />
einen fröhlichen<br />
Rahmen, in dem<br />
sie Beten einüben.“<br />
Marie gefällt das. Um Kinder an das Beten<br />
heranzuführen, sei das Essen als fester<br />
Punkt im Tagesablauf ideal, sagt Gemeindepfarrer<br />
Alfred Geibel, der die Kindertagesstätte<br />
jede Woche besucht. „Kinder<br />
brauchen einen positiven, fröhlichen Rahmen,<br />
in dem sie das Beten regelmäßig<br />
einüben“, weiß er. „Wir zeigen es ihnen<br />
möglichst früh, damit sie es anwenden<br />
können, wenn sie irgendwann verstehen,<br />
was Beten bedeutet.“<br />
Jedes Kind kann Beten lernen: spielerisch<br />
und kindgerecht – und am besten mit<br />
der Unterstützung ihrer Eltern. Nun fällt<br />
auch denen das Beten nicht immer leicht.<br />
Aber damit sind sie in guter Gesellschaft.<br />
Wie man Beten lernt, sei eine uralte Frage,<br />
sagt Alfred Geibel. Schon die Menschen,<br />
die mit Jesus vor mehr als 2 000<br />
Jahren durch Palästina zogen, hätten ihn<br />
gefragt, wie sie beten können. „Jesus gab<br />
ihnen das Vaterunser, ein Gebet, das alle<br />
Christen weltweit verbindet“, erklärt der<br />
Pfarrer. Für die meisten Kinder sei das<br />
Vaterunser aber sicherlich noch zu schwierig,<br />
ergänzt er. <strong>Das</strong> sei in diesem Alter<br />
vollkommen normal.<br />
Maries Mutter verzichtet deshalb noch<br />
darauf, mit ihrer Tochter das Vaterunser<br />
08 09
<strong>Zehn14</strong> SOMMER 2013 Titelthema Beten<br />
<br />
In der Kita in Düsseldorf-Oberrath beantwortet<br />
Pfarrer Alfred Geibel Fragen zum Beten. (oben)<br />
Mit Gott kann man reden<br />
und an ihn denken - oder<br />
einfach nur eine Kerze<br />
anzünden.<br />
Ein Tischgebet gehört zu jeder Mahlzeit. (unten)<br />
zu beten – und auch bei anderen vorformulierten<br />
Gebeten ist sie vorsichtig. mit<br />
ihren eltern musste die heute 36-Jährige<br />
jeden Abend beten: „Ich bin klein, mein<br />
Herz ist rein. Soll niemand drin wohnen,<br />
nur Jesus allein.“ Was ist ein „reines“<br />
Herz?, fragt sie sich noch heute. Und:<br />
„Wenn nur Jesus darin wohnt, wohin dann<br />
mit mama und Papa?“<br />
Beten braucht Vertrauen. Sich Gott anzuvertrauen,<br />
knüpft an die erfahrung an,<br />
sich als Kind bei mutter und Vater geborgen<br />
zu fühlen. maries mutter ermuntert<br />
ihre Tochter deshalb jeden Abend, von<br />
ihrem Tag zu erzählen. „Für uns ist das<br />
ein spezieller moment“, sagt sie. „marie<br />
liegt schon im Bett, wenn ich zu ihr<br />
komme. Im raum ist es still und dunkel<br />
und dann frage ich sie, was heute gut<br />
oder schlecht für sie war.“ So schaffe sie<br />
behutsam die Basis dafür, dass marie<br />
„in eine eigene Gebetssituation<br />
mit<br />
Gott hineinwächst“.<br />
Im Wissen darum,<br />
dass es neben ihrer<br />
mutter noch Gott<br />
gibt, der immer für<br />
sie da ist. mit dem<br />
sie reden und an den sie denken kann –<br />
oder für den sie einfach nur eine Kerze<br />
anzündet. Beten ist für maries mutter<br />
eine sehr persönliche Angelegenheit –<br />
und oft auch eine spontane: „Ich kann<br />
auch im Auto einen kurzen Gedanken an<br />
„Kennst du Gott?“<br />
„Klar“, antwortet<br />
der mond.<br />
Gott schicken. Für mich ist Beten offen<br />
und frei.“<br />
Wer aber ist dieser Gott eigentlich, dem<br />
man einen kurzen Gedanken schicken,<br />
den man aber weder sehen noch hören<br />
kann? Pfarrerin elisabeth müller aus essen<br />
nutzt ein ganz besonderes Hilfsmittel,<br />
um den Kindern in der evangelischen Kita<br />
„Humboldtpinguine“ bei dieser Frage zu<br />
helfen. Sie bringt bei jedem Besuch eine<br />
Handpuppe mit: den mond – mit Holzgesicht<br />
und Sternenkleid. „er ist ein Symbol<br />
dafür, dass Dinge existieren, auch wenn<br />
sie für menschen unsichtbar und unerklärlich<br />
sind“, erklärt die Theologin. Den<br />
Kindern leuchte ein, dass der mond da ist,<br />
auch wenn er tagsüber vom Himmel verschwindet.<br />
„mit Gott ist das genauso.“<br />
Taucht der mond im Kindergarten auf,<br />
fassen die Kinder sofort Vertrauen und<br />
löchern ihn mit Fragen. „Kennst du Gott?“,<br />
wollen sie dann wissen. „Klar, wir arbeiten<br />
im Himmel zusammen“, lässt ihn<br />
die Pfarrerin antworten.<br />
<strong>Das</strong> verstehen<br />
die Kinder<br />
sofort. Anders als<br />
die menschen wisse<br />
der mond Dinge,<br />
die andere niemals<br />
erklären können.<br />
Zum Beispiel, was nach dem Tod passiert.<br />
„meine oma ist vor Kurzem gestorben“,<br />
sagt eines der Kinder und der mond antwortet:<br />
„Ich weiß, denn ich habe es gesehen.<br />
Alles ist in ordnung: es geht ihr<br />
gut, denn sie ist jetzt auch im Himmel.“<br />
Jedes mal bringt der mond den Kindern<br />
Geschichten aus der Bibel mit. Auch ein<br />
Abendgebet hat er dabei: „Lieber Gott,<br />
nun schlaf’ ich ein, schicke mir ein engelein,<br />
dass es treulich bei mir wacht, durch<br />
die ganze lange Nacht“, lernen die Kinder<br />
nach und nach zu sagen. „Wenn ich<br />
„lieber Gott,<br />
nun schlaf’ ich ein.<br />
Schicke mir ein<br />
engelein.“<br />
abends durch eure Fenster schaue, freue<br />
ich mich, wenn ihr es sprecht“, sagt die<br />
mondpuppe dann. „es ist wichtig, Kindern<br />
Gottesbilder anzubieten, die sie<br />
sehen, anfassen und hören können“, erklärt<br />
Pfarrerin müller. „Vielen menschen<br />
helfen diese Bilder auch als erwachsene.“<br />
Zugleich verändert sich im Laufe des<br />
Lebens aber auch, wie menschen Gott<br />
erleben und beschreiben. mit zunehmender<br />
Lebenserfahrung entfalten zudem<br />
traditionelle Gebete wie das Vaterunser<br />
ihre eigene Kraft, öffnen sich<br />
menschen vielleicht sogar für meditative<br />
Formen des Gebets. maries mutter<br />
wünscht sich, dass ihre Tochter Gott<br />
zeitlebens als persönliches Gegenüber<br />
erlebt – im Wissen, dass er immer für<br />
sie da ist. So wie für michel aus Lönneberga<br />
im Kinderfilm – selbst wenn er mal<br />
wieder Quatsch gemacht hat. ✲<br />
Wie beten<br />
muslimische Kinder?<br />
muslimische Kinder fangen früh mit dem Beten an. „<strong>Das</strong> erste Gebet ist die<br />
erste Sure des Korans – die ‚al-Fātiha‘, das heißt: ‚die eröffnende‘ “, weiß Kirchenrat<br />
Gerhard Duncker, Islambeauftragter der westfälischen Kirche. „Diese<br />
Sure wird den Kindern auf Arabisch beigebracht, sobald sie sprechen können,<br />
spätestens aber, wenn sie vier Jahre, vier monate und vier Tage alt sind.“ Duncker<br />
hat zehn Jahre lang als Pfarrer der evangelischen Gemeinde deutscher<br />
Sprache in der Türkei gelebt und dort den religiösen Alltag muslimischer Familien<br />
kennengelernt. Gebetet werden meist vorgegebene Texte. Die Kinder<br />
wachsen in ihrer Familie in das rituelle Beten hinein: „Die mädchen beginnen<br />
zu Hause die Gebete der mutter mitzusprechen. Die Jungen beten mit den<br />
Vätern und gehen nach der Beschneidung mit in die moschee.“ erwachsene<br />
muslime beten fünfmal am Tag zu Allah – eine der fünf Säulen des Islam.<br />
10 11
<strong>Zehn14</strong> SOMMER 2013 Titelthema Beten<br />
Kinder und iHre lieBlinGSGeBeTe<br />
Ich höre ein Glöcklein,<br />
das läutet so nett.<br />
Der Tag ist vergangen.<br />
Jetzt geh ich ins Bett.<br />
Im Bett werd‘ ich beten<br />
und schlafe dann ein.<br />
Der lieb‘ Gott im Himmel<br />
wird auch bei mir sein.<br />
Amen.<br />
Jan-Hinnerk, 4 Jahre alt,<br />
Düsseldorf<br />
Alle guten Gaben,<br />
alles was wir haben,<br />
kommt o Gott von dir,<br />
wir danken dir dafür.<br />
Amen.<br />
Charlotte, 4 Jahre alt,<br />
Bochum<br />
Lieber Gott,<br />
nun schlaf’ ich ein,<br />
schicke mir ein Engelein,<br />
dass es treulich<br />
bei mir wacht<br />
durch die lange<br />
dunkle Nacht.<br />
Schütze alle, die mir lieb,<br />
alles Böse mir vergib,<br />
kommt der<br />
helle Sonnenschein,<br />
lass’ mich wieder<br />
fröhlich sein.<br />
Amen.<br />
Wo Sie ScHÖne GeBeTe Finden<br />
Nika, 6 Jahre alt,<br />
Köln<br />
Im <strong>Evangelische</strong>n Gesangbuch ab Seite 1390: Tischgebete<br />
(ab Seite 1406), Abendgebete (ab Seite 1410),<br />
Gebete mit Kindern (ab Seite 1414).<br />
Buchtipp: Arnd Brummer, Behüte mich auch diesen Tag,<br />
edition chrismon, 200 Seiten, 18 Euro<br />
WER IST GOTT ?<br />
Gott lenkt die Welt, glauben viele Kinder<br />
im Vorschulalter. Aber erfüllt er auch jeden<br />
Wunsch? Nein, sagt unsere Expertin<br />
<strong>Zehn14</strong>: In evangelischen Kitas gehört das Beten zum Alltag.<br />
Warum ist es wichtig, schon mit kleinen Kindern zu beten?<br />
Kerstin Othmer-Haake: Weil Kinder lernen sollten, mit Gott<br />
zu reden. Beten ist eine Fähigkeit, die sie ein Leben lang begleiten<br />
und stärken kann. Beten ist wie Fahrradfahren: Anfangs<br />
braucht es Übung, aber irgendwann gelingt es von selbst.<br />
Wie können Eltern mit Kindern beten?<br />
es gibt kein richtig oder Falsch. <strong>Das</strong> Wichtigste ist, dass sie es<br />
einfach tun! Sie können die Hände falten, singen, tanzen oder<br />
eine Bibelgeschichte vorlesen – all das kann Beten sein. Worauf<br />
es ankommt, ist das positive Gefühl, das beim gemeinsamen<br />
Beten vermittelt wird: Geborgenheit. <strong>Das</strong> Kind versteht: Gott<br />
liebt mich genauso wie meine leiblichen eltern.<br />
Haben Kinder eine Vorstellung von Gott?<br />
Nicht nur eine. Genau wie erwachsene haben sie oft mehrere<br />
Gottesbilder. Sie machen es uns leichter, Gott mit seinen unterschiedlichen<br />
eigenschaften zu erfassen. Für Kinder im Vorschulalter<br />
ist Gott oft derjenige, der die Welt lenkt: er schiebt<br />
die Blumen aus der erde und schüttet das Wasser vom Himmel<br />
herab.<br />
Wenn Gott allmächtig ist, warum verhindert er dann nicht,<br />
dass Oma sterben muss?<br />
Weil er kein Wunscherfüller ist. Und in diesem besonderen Fall,<br />
weil der Tod zum Leben dazugehört. Für Kinder kann das schon<br />
eine enttäuschung sein. Aber damit werden sie umgehen lernen.<br />
Ihre eltern können ihnen sagen: Wir wissen nicht, wie Gott<br />
auf unsere Gebete reagiert, aber wir wissen, dass er sie hört.<br />
Kann das Beten selbst Angst auslösen?<br />
Nur wenn eltern Zwang ausüben. Wenn sie zum Beispiel sagen:<br />
Du kommst in die Hölle, wenn du nicht betest. <strong>Das</strong> darf<br />
nicht sein. eltern sollten Kindern klarmachen, dass von Gott<br />
niemals eine Bedrohung ausgeht. Ich beobachte darüber hinaus<br />
manchmal, dass Kinder ein schlechtes Gewissen haben:<br />
Wenn Gott alles sieht, dann auch meine Fehler, fürchten sie.<br />
Ich sage dann: Gott schaut dich immer liebevoll an. Und ich<br />
frage nach: Ist vielleicht etwas geschehen, was dich bedrückt?<br />
Du kannst es Gott sagen oder mir. Wir besprechen das, und<br />
keiner wird dir böse sein.<br />
Interview: Theresa Albig<br />
Kerstin Othmer-Haake, 52, ist Beauftragte<br />
für den Kindergottesdienst der <strong>Evangelische</strong>n<br />
Kirche von Westfalen. Sie berät<br />
Ehren- und Hauptamtliche, Erzieherinnen<br />
und Eltern, die mit Kindern beten und ihren<br />
Glauben leben. Die Pfarrerin ist Autorin<br />
des Bilderbuchs „<strong>Das</strong> ist Beten“.<br />
SO BETEN WIR ZU HAUSE<br />
Morgens nach dem Frühstück<br />
Eliane Jaeger,<br />
38 Jahre, Köln<br />
Wenn ich zur Gitarre greife,<br />
weiß meine Tochter Esmeralda:<br />
Jetzt nehmen wir uns Zeit –<br />
für uns als Familie und für Gott.<br />
Jeden Morgen nach dem Frühstück<br />
starten mein Mann, die<br />
Kleine und ich mit einer Andacht<br />
in den Tag. Wir gestalten<br />
sie kindgerecht: Wenn ich zu<br />
Vor dem Schlafengehen<br />
Karin Olescher,<br />
33 Jahre, Engels -<br />
kirchen<br />
Schon als Kind hat mir das Beten<br />
Halt gegeben. Ich wusste,<br />
dass da jemand ist, der zuhört<br />
und mit dem ich sprechen kann.<br />
Dieses Gefühl möchte ich an<br />
meine zwei Töchter weitergeben.<br />
Seitdem die Mädchen klein<br />
sind, spreche ich mit ihnen ein<br />
Nachtgebet. Dieses Ritual fordern<br />
sie selbst auch ein: „ohne<br />
Gebet möchten wir nicht ins<br />
Beginn auf der Gitarre ein Lied<br />
anstimme, zupft meine Tochter<br />
– sie ist 19 Monate alt – an den<br />
Saiten, wippt, lacht und klatscht.<br />
Manchmal trägt sie vorher ihre<br />
Puppen und Spielsachen zum<br />
Tisch. Die sollen dann eben mithören,<br />
wenn wir eine Geschichte<br />
aus der Bibellesehilfe für Kinder<br />
vorlesen. Die bunten Bilder<br />
dazu machen es uns leicht, kurz<br />
über den Text zu sprechen. Daran<br />
erinnert sie sich oft noch<br />
später am Tag. Dann erzählt sie<br />
plötzlich von Mose oder Jesus.<br />
Mit einem Gebet schließen wir<br />
die Andacht ab. Wir danken<br />
Bett“, sagen sie dann. Jede für<br />
sich decke ich zu, umarme sie<br />
und gebe ihr einen Kuss. Aneinandergekuschelt<br />
beten wir<br />
dann. Laureen, sie ist vier Jahre<br />
alt, spricht meistens das Vaterunser,<br />
das hat sie von ihrer<br />
großen Schwester gelernt. Die<br />
sechsjährige Naemi hört mir lieber<br />
zu, wenn ich „Müde bin ich<br />
geh’ zur Ruh“ bete. Mir ist es<br />
wichtig, dass beide in diesen Minuten<br />
ungestört sind und keiner<br />
dazwischenquatscht, wenn sie<br />
ihre Gedanken ordnen. Je nachdem,<br />
was tagsüber passiert ist,<br />
kommen noch Fragen auf. ob<br />
die böse Hexe aus dem Märchen<br />
auch wirklich verschwunden<br />
Gott für die gute Nacht und<br />
bitten ihn um unterstützung<br />
für den Tag. Rund fünf bis zehn<br />
Minuten dauert unser Zusammensein.<br />
Wir hoffen, dass dieses<br />
spielerische Morgenritual<br />
Esmeraldas Neugier auf Gott<br />
weckt. Im Moment macht es<br />
ihr einfach große Freude – und<br />
uns auch.<br />
ist. oder ob Gott die Albträume<br />
wegmacht. Dann antworte ich:<br />
Mach dir keine Sorgen, der liebe<br />
Gott beschützt dich.<br />
Illustration: istockphoto.com / John_Woodcock<br />
Illustration: istockphoto.com / michael Powers<br />
12 13
<strong>Zehn14</strong> sommer 2013 Glaube<br />
„Gott kennt<br />
meinen Namen“<br />
Eine Taufe im Kita-Alter ist nichts Ungewöhnliches.<br />
Sie hat sogar Vorteile: Die Kinder können alles<br />
bewusst miterleben – und manches mitentscheiden.<br />
Wie die fünfjährige Ellenor aus Hürth.<br />
Text: Anne Meyer<br />
Fotos: Anna-Lisa Mauriello<br />
Bettina Mathar und ihre Töchter Ellenor und Laura haben gute Erfahrungen mit der Taufe gemacht.<br />
Mit vier Jahren beschloss Ellenor Mathar,<br />
dass sie getauft werden möchte. „Ich will,<br />
dass der liebe Gott meinen Namen kennt“,<br />
sagte sie zu ihren Eltern und wiederholte<br />
ihren Wunsch fortan immer wieder. In<br />
der Kinderkirche in Hürth-Hermülheim<br />
hatte sie schon oft miterlebt, wie das<br />
geht: wie die Pfarrerin Christiane Birgden<br />
die Gemeinde ums Taufbecken versammelt,<br />
wie das Taufwasser ins Gesicht<br />
fließt. Doch selbst war Ellenor noch nicht<br />
getauft. „Ich bin erst kürzlich evangelisch<br />
geworden“, erzählt ihre Mutter Bettina.<br />
Mit der Taufe ihrer Töchter wollten sie<br />
und ihr Mann sich eigentlich noch ein<br />
wenig Zeit lassen.<br />
Doch Ellenor blieb hartnäckig. Im Frühjahr<br />
2013 wurde sie im Alter von fünf<br />
Jahren getauft – und ihre dreijährige<br />
Schwester Laura gleich mit. Die beiden<br />
können sich noch gut an den Tag erinnern:<br />
Die anderen Kinder aus der Gemeinde<br />
drängelten sich ums Taufbecken<br />
und alle sangen „Segne, Vater, tausend<br />
Sterne“. „Wir hatten eine feine Damenstrumpfhose<br />
an und Laura hatte Angst<br />
vor dem kalten Wasser“, erzählt Ellenor,<br />
und ihre Schwester ruft: „Und dann gab<br />
es Gummibärchen!“<br />
Eine Taufe im Kita-<br />
Alter? „Nicht ungewöhnlich“,<br />
sagt<br />
Pfarrerin Christiane<br />
Birgden – vor<br />
allem in Hürth, wo<br />
viele junge Eltern<br />
wohnen. Oft sind sie gerade erst dorthin<br />
gezogen und beruflich stark eingespannt.<br />
„Es heißt dann oft, eine Taufe passt gerade<br />
nicht. Zumal, wenn die Patentante<br />
extra aus Neuseeland anreisen muss oder<br />
der Patenonkel aus München.“<br />
Manche Eltern sind auch unentschieden<br />
oder haben noch gar nicht darüber nachgedacht,<br />
ob sie ihr Kind taufen lassen wol-<br />
„Für die Taufe ist<br />
es nie zu spät“,<br />
sagt die Pfarrerin.<br />
len. In diesen Fällen ist es häufig dem<br />
Engagement von Christiane Birgden zu<br />
verdanken, dass Kinder und Eltern über<br />
eine Taufe nachdenken. Wenn die Pfarrerin<br />
zum Beispiel einen Gottesdienst in der<br />
Schule hält oder in der Kita der Gemeinde.<br />
Dort erleben die<br />
Kinder eine Gemeinschaft,<br />
in der<br />
gesungen und gebetet<br />
wird. Sie spüren<br />
dann ein Grundbedürfnis<br />
nach Zugehörigkeit,<br />
das mit<br />
der Taufe gestillt wird. Damit alle in der<br />
Gemeinde das neue Mitglied kennenlernen,<br />
regt Christiane Birgden an, die Taufe<br />
im normalen Sonntagsgottesdienst zu<br />
feiern. Für Familien, denen das zu viel Aufmerksamkeit<br />
ist, bietet sie aber auch kleinere<br />
Taufgottesdienste an Samstagen an.<br />
Für die Taufe sei es nie zu spät, sagt die<br />
Pfarrerin. „Es gibt aber auch kein richti-<br />
ges Alter dafür – nur in der Trotzphase<br />
würde ich vorsichtig sein“, sagt sie lachend.<br />
Sonst könne es passieren, dass<br />
der Täufling auf die Frage „Willst du getauft<br />
werden?“ aus heiterem Himmel mit<br />
„Nein“ antworte. Ansonsten habe eine<br />
Taufe im Kita- oder Schulalter auch Vorteile.<br />
So könnten die Kinder alles bewusst<br />
miterleben. „Am Abend vorher zeige ich<br />
dem Taufkind, wo das Taufbecken ist<br />
und wie die Eltern bei der Taufe stehen<br />
werden“, erzählt Christiane Birgden. „An<br />
der Taufe selbst beteilige ich auch gerne<br />
die Geschwister, die dann zum Beispiel<br />
das Taufwasser eingießen können.“<br />
Kinder im Kita-Alter können bei ihrer<br />
Taufe aber auch schon manches mitentscheiden.<br />
Ellenor und Laura etwa haben<br />
die Lieder für ihre Taufe ausgesucht.<br />
Als die Pfarrerin sie fragte, riefen sie begeistert<br />
„Ja!“. Seitdem ist sich Elle nor<br />
wirklich sicher: Der liebe Gott kennt ihren<br />
Namen. ✲<br />
Was Taufe bedeutet<br />
Die Taufe ist ein Gottesgeschenk. Gott sagt Ja zu einem Kind. Ohne<br />
Wenn und Aber. Die evangelische Kirche tauft bereits kleine Kinder, weil<br />
gerade an ihnen deutlich wird, dass Gottes Liebe nicht an Voraussetzungen<br />
gebunden ist: Gott sagt Ja zu einem Kind, bevor es selbst Ja sagen kann.<br />
Die Taufe ist ein Versprechen. Gott sagt zu, dass er mit seiner Liebe bei<br />
dem Kind bleiben wird. Dieses Versprechen ist die Basis des eigenen Glaubens,<br />
der im Leben Früchte trägt.<br />
Die Taufe ist kein Abwehrzauber gegen alle Gefahren. Aber Gott sagt zu,<br />
dass das Kind bei allem, was ihm begegnet, nie allein ist.<br />
Die Taufe ist ein Sakrament. Ein wirkendes Zeichen für eine starke Verbindung:<br />
die Verbindung von Gott, Mensch und christlicher Gemeinde. Neben<br />
der Familie, Patinnen und Paten gibt es in der Gemeinde noch viele andere<br />
Menschen, die ein Kind begleiten.<br />
Die Taufe ist nicht für bürgerliche Kleinfamilien reserviert. Familie bedeutet<br />
vor allem Schutz für das Leben von der Geburt bis zum Tod. Die<br />
evangelische Kirche ermutigt deshalb zum Beispiel auch Alleinerziehende,<br />
ihr Kind taufen zu lassen. Bei der Taufe steht das Kind im Mittelpunkt –<br />
nicht das, was andere denken.<br />
14<br />
15
<strong>Zehn14</strong> sommer 2013 Glaube<br />
Kinder fragen,<br />
ein Theologe antwortet<br />
Illustration: Rudie / Fotolia.com<br />
„Hat Gott<br />
alle Menschen<br />
lieb? Auch die<br />
Räuber ?“<br />
Gott hat alle Menschen gemacht. Und<br />
deshalb hat Gott auch jeden Menschen<br />
lieb. Gott mag aber nicht alles, was wir<br />
tun. Wenn Räuber etwas klauen, mag<br />
er das nicht. Wenn Räuber einem Menschen<br />
wehtun, mag er das auch nicht.<br />
Trotzdem liebt Gott die Räuber. Und er<br />
hofft ganz stark, dass die Räuber wieder<br />
gut werden. So wie der Räuber Hotzenplotz<br />
am Ende wieder gut wurde.<br />
Gott liebt dich auf jeden Fall. Egal, was<br />
du tust.<br />
Pfarrer Jörg Rosenstock, Gütersloh<br />
Gut zu Wissen<br />
Kann ich mein<br />
Kind mit zu<br />
einer Beerdigung<br />
nehmen?<br />
Krankheit und Tod – solche schweren Themen sind nichts<br />
für Kinder, denken viele Eltern. Aber es kann gut für Kinder<br />
sein, wenn man sie zum Beispiel zur Beerdigung von<br />
Oma oder Opa mitnimmt. „Sie lernen, was es heißt, von einem<br />
Menschen Abschied zu nehmen“, sagt Kristiane Voll,<br />
Trauerbegleiterin und Pfarrerin in Remscheid. Sie legt Eltern allerdings<br />
nahe, ihre Kinder vorzubereiten. Schwarz gekleidete<br />
Menschen, weinende Erwachsene, eine bedrückte Atmosphäre<br />
– „all das haben Kinder zuvor vielleicht noch nie gesehen“.<br />
Und weil Kinder automatisch alles auf sich beziehen, was<br />
um sie herum passiert, sollten Eltern vorbeugen und sagen:<br />
„Wenn dein Vater weint, hat das nichts mit dir zu tun. Sondern<br />
er ist traurig, weil seine Mutter gestorben ist.“ Auf keinen Fall<br />
sollte man ein Kind gegen seinen Willen mitnehmen – auch<br />
dann nicht, wenn es zunächst mitfahren möchte, aber dann im<br />
letzten Moment einen Rückzieher macht. Für diesen Fall rät die<br />
Pfarrerin, zum Beispiel mit einer Freundin abzusprechen, dass<br />
sie im Bedarfsfall einspringt und sich um das Kind kümmert.<br />
Es kann Kindern guttun, mit zu einer Beerdigung zu gehen – wenn sie<br />
darauf vorbereitet werden.<br />
Foto: istockphoto.com / blackred<br />
<strong>Das</strong> ist Eltern wichtig<br />
„Der Segen hat<br />
unsere Familie<br />
bereichert“<br />
Susanne Hörnle hat ihre Kinder oft<br />
gesegnet: abends vor dem Einschlafen<br />
oder an der Haustür vor einem<br />
Kita-Ausflug. Ihr habe das gutgetan,<br />
swagt sie – den Kindern auch<br />
<strong>Das</strong> Segnen ist ein selbstverständlicher Bestandteil unseres<br />
Familienlebens. „<strong>Das</strong> war immer so schön, da habe<br />
ich mich so beschützt gefühlt und nicht allein, wenn<br />
ich gegangen bin.“ <strong>Das</strong> hat neulich eine meiner Töchter<br />
zu mir gesagt, als wir über das Segnen gesprochen haben. Schon<br />
meine Eltern haben mich als Kind gesegnet. Ich habe das als<br />
wohltuend und tröstlich empfunden. Daran<br />
habe ich mich erinnert, als meine<br />
Kinder größer wurden und in den Kindergarten<br />
gegangen sind.<br />
Abends vor dem Einschlafen, am Frühstückstisch<br />
oder an der Haustür habe ich<br />
meine Kinder gesegnet. Nicht jedes Mal<br />
natürlich. <strong>Das</strong> ergab sich aus der Situation.<br />
Wenn ich merkte, das Kind ist bedrückt,<br />
sorgt sich – zum Beispiel vor dem ersten Kindergartenausflug.<br />
Dann habe ich gefragt: „Soll ich dich noch segnen für<br />
den Tag, für den Weg, den du jetzt vor dir hast?“ Meine Kinder<br />
wollten das in der Kita- und Grundschulzeit immer, erst als Jugendliche,<br />
so ab der Mittelstufe, nicht mehr so oft.<br />
Gott begegnet uns im Segen ganz persönlich, das haben die Kinder<br />
auch gespürt. Es hat den Kindern gutgetan, sie fühlten sich<br />
„Gottes Segen<br />
sei mit dir und<br />
gebe dir ganz<br />
viel Kraft!“<br />
aufgerichtet und haben gestrahlt. Aber auch für mich als Mutter<br />
war es gut zu wissen, dass die Kinder unter Gottes Schutz in den<br />
Tag gehen. Denn beim Segen bleibt es nicht allein bei meiner<br />
Liebe als Mutter, sondern Gottes Liebe begleitet das Kind.<br />
Beim Segnen habe ich mit den Fingern ein Kreuzsymbol auf die<br />
Stirn gemacht oder die Hand sanft auf die<br />
Schulter gelegt und je nach Situation ein<br />
paar Worte gesprochen: „Gottes Segen<br />
sei mit dir und gebe dir ganz viel Kraft!“,<br />
zum Beispiel. Oder auch: „Gott, der dich<br />
erschaffen hat, sieht, das du jetzt viel<br />
Angst hast. Aber seine Stärke geht mit dir<br />
und sein Schutz begleitet dich.“<br />
Mit dem Segen wollte ich Gottes Gegenwart,<br />
Schutz und Begleitung zusprechen. Er ist ein Ritual mit<br />
Sinn, ein Geschenk, das uns als Familie bereichert hat. Man kann<br />
das Segnen einüben und entwickelt ein Gespür für den richtigen<br />
Moment, sodass es stimmig ist. Für das Kind – und auch<br />
für das Elternteil.<br />
Dagmar Paffenholz<br />
Susanne Hörnle, 51 Jahre, hat vier Kinder im Alter von 19 bis<br />
26 Jahren. Die Krankenschwester lebt in Köln<br />
Foto: Anna-Lisa Mauriello<br />
16<br />
17
<strong>Zehn14</strong> SOMMER 2013 Glaube<br />
WaS PaSSierT eiGenTlicH im ...<br />
KINDERGOTTES-<br />
DIENST<br />
„Kirche ohne Kinder ist nichts!“, sagt Susanne<br />
Müller. Werktags leitet die Erzieherin eine<br />
Kindertagesstätte in der evangelischen<br />
Kirchen gemeinde Neuss-Süd, sonntags ist<br />
sie ehrenamtlich im Kindergottesdienst ihrer<br />
Gemeinde aktiv. Der Gottesdienst für Kinder<br />
in Kindergarten- und Grundschulalter beginnt<br />
im „normalen“ Gottesdienst. Nach dem<br />
Eingangsteil gehen die Kinder in „ihren“<br />
Gottesdienstraum und feiern dort weiter.<br />
„Wir singen Lieder, lesen und erzählen biblische<br />
und andere Geschichten, wir beten, sprechen<br />
das Vaterunser, malen und basteln“, sagt<br />
Susanne Müller. Auch Projekte wie „Wir bauen<br />
unsere Traumkirche“ oder Themenreihen<br />
wie „Brot des Lebens“ seien sehr beliebt,<br />
erzählt sie.<br />
Eine Sache des Glaubens<br />
Harald Mallas grüßt<br />
gern und ausgiebig<br />
Stumm warten Menschen nebeneinander in der Straßenbahn<br />
oder an der Ladenkasse. Harald Mallas stieß das schon als<br />
jungem Mann unangenehm auf. „Ich versuche, in der Bahn<br />
oder an der Kasse Kontakt aufzunehmen“, sagt der Pfarrer<br />
aus Bielefeld. Nicht aufdringlich. Ein freundliches „Guten Tag“<br />
oder ein „Hallo, wie geht’s?“ streut er wie Saatkörner unter<br />
seine Mitmenschen – in der Hoffnung, dass sie aufgehen und<br />
ein wenig Wärme in den Alltag bringen. Die meisten Passanten<br />
reagieren erfreut. Manche werden sogar ihrerseits aktiv<br />
und grüßen weiter. Für Harald Mallas drückt das offensive<br />
Grüßen Gottes Menschenfreundlichkeit aus. „Wenn ich jemanden<br />
grüße oder ein Gespräch beginne, zeige ich ihm<br />
damit: Ich nehme dich wahr und interessiere mich für dich.“<br />
Pfarrer<br />
Harald Mallas,<br />
Bielefeld<br />
❋<br />
„die Gottesdienstgruppe wächst<br />
stetig an. das bestätigt uns darin,<br />
das richtige Konzept zu haben.“<br />
Der wöchentliche Kindergottesdienst hat<br />
Tradition in der evangelischen Kirche. Zunehmend<br />
bieten Gemeinden ihn auch in zweiwöchigem<br />
oder monatlichem Rhythmus an.<br />
Eltern können ihre Kinder begleiten – und<br />
sind oft überrascht, dass auch sie etwas für<br />
sich mitnehmen. Gerade weil Kindergottesdienste<br />
„Gottesdienste auf kindgemäße Art“<br />
sind, wie Susanne Müller betont. Mit einfachen<br />
und klaren Aussagen – und viel Spaß.<br />
Fotos: rudolf Wichert<br />
medienTiPP<br />
„WEISST DU, WIE VIEL<br />
STERNLEIN STEHEN?“<br />
„Weißt du, wie viel Sternlein stehen?“ zählt zu den beliebtesten<br />
einschlafliedern. Der Dichter Wilhelm Hey hat es<br />
mitte des 19. Jahrhunderts geschrieben. Die Vorstellung,<br />
dass Gott die vielen Sterne am Himmel zählt, hat Kinder<br />
über Generationen erstaunt und getröstet. In dem gleichnamigen<br />
Buch aus der edition chrismon hat Illustratorin<br />
Katja Gehrmann das beliebte einschlaflied mit fröhlichen,<br />
zarten Bildern neu ins zeniert. <strong>Das</strong> Buch ist auch Teil des<br />
Buchbeutels „Willkommen in Gottes Welt“ vom evangelischen<br />
Literaturportal. Der Buchbeutel enthält zudem eine<br />
elternbroschüre, in der die Themen Vorlesen, Beten mit<br />
Kindern und Taufe angesprochen werden, sowie eine CD<br />
<strong>Das</strong> Buch zum<br />
Lied – mit neuen<br />
Illustrationen<br />
mit alten und neuen, religiösen und weltlichen Kinderliedern.<br />
Der Willkommensbeutel wird in vielen evangelischen<br />
einrichtungen, zum Beispiel in Krankenhäusern und Familienbildungsstätten,<br />
an junge eltern verschenkt.<br />
Wilhelm Hey, Katja Gehrmann, Weißt du, wie viel Sternlein<br />
stehen?, edition chrismon, 22 Seiten, 8,90 Euro<br />
Mehr Infos: www.willkommeningotteswelt.de<br />
18 19
<strong>Zehn14</strong> sommer 2013 Kind<br />
Jedes Kind hat<br />
sein eigenes Tempo<br />
Eltern sollten gelassen auf die Entwicklung ihres Kindes schauen.<br />
Leistungsdruck wird heute zu früh aufgebaut.<br />
Text: Stefanie Bona<br />
Fotos: Nico Hertgen<br />
Der zweijährige Max plappert wie ein<br />
Wasserfall. Lisa hingegen, die fast auf den<br />
Tag genauso alt ist, sagt genau drei Worte:<br />
„Mama“, „Papa“ und „Auto“ kommen<br />
ihr gern und häufig über die Lippen.<br />
Für Janine Schmidt, Erzieherin im<br />
evangelischen Kindergarten „Arche“ in<br />
Hückeswagen, sind derlei Entwicklungsunterschiede<br />
völlig normal. „Jedes Kind<br />
hat sein eigenes Tempo“, weiß die Kita-<br />
Mitarbeiterin, die die altersgemischte<br />
„Tiger“-Gruppe leitet. <strong>Das</strong> hat sie als Mutter<br />
selbst erfahren, als ihre heute zwölfjährige<br />
Tochter herangewachsen ist. <strong>Das</strong><br />
sagt sie auch Eltern, die sich sorgen, etwas<br />
stimme nicht mit ihrem Kind, weil es bestimmte<br />
Dinge noch nicht beherrscht.<br />
Diese Sorge ist weitverbreitet – und hat<br />
viel damit zu tun, wie Eltern auf ihr Kind<br />
schauen. Ob sie vor allem seine Schwächen<br />
sehen – oder sich an dem erfreuen,<br />
was es schon kann. Ob sie schon als junge<br />
Eltern daran denken, wie sie ihr Kind<br />
später „fit“ fürs Arbeitsleben machen. Sich<br />
mit anderen zu messen, gehört zur Kultur<br />
der Wettbewerbsgesellschaft. Davon<br />
sind auch Eltern nicht frei – und vergleichen<br />
ihre Kinder miteinander.<br />
Janine Schmidt ermutigt Eltern zu Vertrauen<br />
und Gelassenheit. Zumal sie als<br />
Erzieherin einen geschulten Blick für mögliche<br />
Entwicklungsverzögerungen hat:<br />
„Wenn ein Kind ein halbes Jahr unsere<br />
Kita besucht und es sich in dieser Zeit<br />
weder motorisch noch sprachlich weiterentwickelt<br />
hat, suche ich das Gespräch<br />
mit den Eltern“, sagt sie. Beim Spracherwerb<br />
etwa kann eine Verzögerung<br />
mit schlechtem Hören zu tun haben.<br />
Hier sollte dann der Kinder- oder der<br />
Hals-Nasen-Ohren-Arzt hinzugezogen<br />
werden. Auch motorische Defizite bedürfen<br />
der Abklärung, wenn sie sich<br />
nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums<br />
verlieren.<br />
Moritz und Noah, beide zwei Jahre alt,<br />
sowie Levi und Curly-Sue, die gerade<br />
den dritten Geburtstag gefeiert haben,<br />
sind die jüngsten „Tiger“ in der Arche.<br />
<strong>Das</strong> Quartett ist ein<br />
eingeschworenes<br />
Team. Die Kinder<br />
spielen gern miteinander,<br />
orientieren<br />
sich aber genauso<br />
an den Älteren in<br />
der Kita, von denen<br />
sie sich vieles abgucken.<br />
Doch auch<br />
innerhalb dieser Gruppe gibt es Unterschiede.<br />
Noah zum Beispiel braucht noch<br />
seinen Mittagsschlaf, während die andern<br />
schon ohne auskommen. Curly-<br />
Sue gibt am Kochtopf in der Puppenküche<br />
den Ton an, während die Jungs<br />
ihr lebhaft assistieren. Beim Wettlaufen<br />
rund um den bunten Teppich haben alle<br />
ihren Spaß, auch wenn der eine vielleicht<br />
Normal aufwachsen,<br />
mit viel Bewegung<br />
– das ist<br />
wichtig fürs Kind.<br />
ein paar Schritte schneller ist als der<br />
andere.<br />
Janine Persian, die Mutter von Moritz,<br />
sieht nach fast einem Jahr Kita große<br />
Fortschritte und führt dies vor allem darauf<br />
zurück, dass sich der Junge in der Einrichtung<br />
rundum wohlfühlt. „Ich bin sehr<br />
zufrieden, weil ich sehe, dass Moritz hier<br />
glücklich ist“, sagt sie. Auch Levis Vater<br />
Joachim Sloane schaut weniger darauf,<br />
was sein Sohn alles schon kann oder vielleicht<br />
auch noch nicht kann. Ihm ist es<br />
wichtiger, dass Levi frühzeitig in Kontakt<br />
mit Gleichaltrigen<br />
kommt und erfährt,<br />
„dass es in unserer<br />
Gesellschaft viele<br />
unterschiedliche<br />
Menschen gibt“.<br />
Die vielen Förderangebote,<br />
die es<br />
heute bereits im<br />
frühen Kindesalter gibt, beurteilt Erzieherin<br />
Janine Schmidt zurückhaltend:<br />
„Leistungsdruck wird heute zu früh aufgebaut“,<br />
findet sie. Normal aufwachsen,<br />
mit viel Bewegung und altersgerechten<br />
Anregungen – das sei das Beste für eine<br />
gute und gesunde Entwicklung, sagt sie.<br />
<strong>Das</strong>s evangelische Kitas dies ermöglichen<br />
– darauf könnten Eltern vertrauen. ✲<br />
„Pisa“ aus<br />
den Köpfen!<br />
Jeder Mensch ist<br />
einzigartig. Deshalb<br />
gleicht kein Mensch<br />
dem anderen. Und<br />
das ist gut so. Von<br />
Gott her, der jeden<br />
Menschen nach seinem<br />
Ebenbild geschaffen<br />
hat. Ausdrücklich<br />
jeden Menschen, mit seinen<br />
individuellen Stärken und Schwächen.<br />
Ausdrücklich auch jedes Kind mit seinem<br />
eigenen Entwicklungstempo. Leider<br />
üben „Pisa“ und andere Studien über<br />
schulische Leistungen von Kindern<br />
einen enormen Druck auf Eltern aus:<br />
Kinder müssten bestimmte Vorgaben<br />
erfüllen, um einem geforderten Leistungsprofil<br />
zu entsprechen. Auch deshalb<br />
neigen Mütter und Väter dazu, ihr<br />
Kind mit anderen zu vergleichen.<br />
Foto: Hans-Jürgen Vollrath<br />
Der „Pisa“-Druck ist nur ein Beispiel<br />
dafür, dass die Entwicklung unserer<br />
Kinder viel zu früh und viel zu stark<br />
von Nutzen- und Leistungsgedanken<br />
geprägt ist. Fachleute sprechen von<br />
der Ökonomisierung aller Lebensbereiche.<br />
Dabei kommt die individuelle<br />
Persönlichkeitsentwicklung zu kurz.<br />
„Jedes Kind hat sein eigenes Tempo“ –<br />
dem kann ich als Vater nur zustimmen.<br />
Meine Kinder sind von Anfang an sehr<br />
unterschiedliche Wege gegangen. Den<br />
Jüngeren ständig mit dem älteren Bruder<br />
zu vergleichen, hätte bedeutet,<br />
beiden in ihrer Persönlichkeit und Einzigartigkeit<br />
nicht gerecht zu werden.<br />
Pfarrer Jens Sannig ist Vorsitzender<br />
des Rheinischen Verbands <strong>Evangelische</strong>r<br />
Tageseinrichtungen für Kinder.<br />
<br />
Wer gibt heute in der Puppenküche den Ton an?<br />
Die Jüngsten der „Tiger“-Gruppe spielen gerne<br />
miteinander. Auch wenn nicht jeder alles gleich<br />
gut kann.<br />
20 21
<strong>Zehn14</strong> sommer 2013 Kind<br />
So machen wir das<br />
Hand auf’s Herz<br />
Was läuft in der U3-Betreuung?<br />
„Keine Lust auf Kita“<br />
„Heute<br />
nicht!“<br />
Eva Schneider, 25, ist Erzieherin in der<br />
<strong>Evangelische</strong>n Kindertagesstätte „Raiffeisenring“<br />
in Neuwied. Dort betreut<br />
sie in der Krippe Kinder zwischen einem<br />
halben Jahr und drei Jahren. Sieben<br />
Gruppen gibt es in der Kita, die<br />
insgesamt 109 Kinder besuchen.<br />
„Es ist völlig normal, dass Kinder auch mal<br />
keine Lust auf die Kita haben und dass<br />
sie weinen, wenn sie sich von Mama oder<br />
Papa verabschieden. In diesem Moment<br />
wenden wir uns dem Kind besonders zu<br />
und versuchen, seine Aufmerksamkeit<br />
auf ein tolles Spiel oder ein besonderes<br />
Bastelangebot zu lenken. Seifenblasen<br />
sind auch ein bewährtes Mittel.<br />
Weint ein Kind, nimmt das auch die Eltern<br />
mit. Ihnen fällt es schwer, sich dann<br />
zu verabschieden. Wenn ich das merke,<br />
biete ich den Eltern an, dass sie noch<br />
einen Moment vor der Tür warten können<br />
und ich ihnen dann Bescheid gebe,<br />
wenn sich ihr Sohn oder ihre Tochter beruhigt<br />
hat. <strong>Das</strong> ist meist nämlich ganz<br />
schnell der Fall. Auch dürfen sie gerne<br />
noch einmal telefonisch nachfragen. Denn<br />
Eltern sollten nicht den ganzen Morgen<br />
das Bild ihres weinenden Kindes im Kopf<br />
haben müssen.“<br />
„Ich habe<br />
gar keine<br />
lust!“<br />
Sabine Henrici ist Erzieherin und hat<br />
zwei Söhne, vier und sechs Jahre alt.<br />
Ihr jüngstes Kind besucht die <strong>Evangelische</strong><br />
Kindertagesstätte Anhausen.<br />
Sabine Henrici gestaltet aktiv das Gemeindeleben<br />
in der <strong>Evangelische</strong>n Kirchengemeinde<br />
Anhausen mit.<br />
„Natürlich darf mein Sohn auch mal keine<br />
Lust auf die Kita haben. <strong>Das</strong> verstehe<br />
ich, aber weil ich berufstätig bin, habe<br />
ich keine andere Wahl, als ihn auch<br />
in solchen Momenten morgens hinzubringen.<br />
Gemeinsam überlegen wir dann,<br />
wer heute wohl so alles da ist. Unsicher<br />
werde ich bei meiner Entscheidung nicht,<br />
denn das spüren die Kinder sofort. Wenn<br />
er mal weint, ist das für uns beide natürlich<br />
nicht schön. Ich weiß aber, dass es<br />
ihm im Kindergarten gut geht und er sich<br />
in der Regel schnell beruhigt. Und wenn<br />
es mal wirklich nicht klappt, würden<br />
mich die Erzieherinnen auch anrufen.“<br />
„Ich will<br />
ABER nicht…“<br />
Silke Zimmermann ist 35 Jahre alt und<br />
arbeitet als kaufmännische Angestellte.<br />
Ihr Sohn, dreieinhalb Jahre alt, besucht<br />
die <strong>Evangelische</strong> Kindertagesstätte<br />
„Raiffeisenring“ in Neuwied.<br />
„Wenn mein Sohn morgens keine Lust<br />
auf die Kita hat, versuche ich ihn davon<br />
zu überzeugen, dass er dort viele schöne<br />
Dinge erlebt und seine Freunde trifft.<br />
Eine andere Wahl, als ihn hinzubringen,<br />
habe ich nicht – ich muss ja zur Arbeit.<br />
Und das weiß er auch, denn ich habe<br />
ihn schon mal mit ins Büro genommen<br />
und ihm gezeigt, wo ich arbeite. Zum<br />
Glück kommt es nicht so häufig vor,<br />
dass er vor der Kita quengelt oder sogar<br />
weint. Und wenn doch, versuche ich mir<br />
so viel Zeit zu nehmen, dass ich noch<br />
fünf Minuten bei ihm bleiben kann. In<br />
solchen Momenten erfahre ich aber<br />
auch viel Unterstützung von den Erzieherinnen,<br />
die ihn dann direkt ein bisschen<br />
betütteln. Gemeinsam kriegen wir<br />
den Start am Morgen dann schon hin.“<br />
Gesammelt von Stefanie Bona<br />
Dürfen Eltern<br />
ihr Kind<br />
anlügen?<br />
In der Spielzeugabteilung vom Kaufhaus: Ein kleiner Junge<br />
quengelt, er will unbedingt das Feuerwehrauto mitnehmen.<br />
Die Mutter interveniert: „<strong>Das</strong> kaufen wir beim nächsten Mal.<br />
Ich habe heute gar kein Geld dabei.“ Ob das stimmt? Vermutlich<br />
nicht, denn Eltern greifen in solchen Situationen gern mal<br />
zu einer kleinen Lüge. „Sie tun das, um einen Konflikt zu vermeiden“,<br />
erklärt Friedrich Thoss, Leiter der evangelischen Familienberatungsstelle<br />
in Lengerich. „Manchmal aus einer echten<br />
Not heraus, manchmal aus reiner Bequemlichkeit.“<br />
Der Psychotherapeut hält es für wichtig, dass Eltern ehrlich<br />
zu ihrem Nachwuchs sind, hat aber als Vater von zwei Kindern<br />
großes Verständnis für elterliche Notlügen: „Oft sind sie<br />
reiner Selbstschutz für die Eltern. Zum Beispiel, wenn ein<br />
Elternteil nach einem stressigen Tag weiß: Ich gehe gleich<br />
an die Decke, wenn ich jetzt noch lange übers Fernsehgucken<br />
diskutieren muss.“ Dann sei es manchmal für alle Beteiligten<br />
besser, wenn die Eltern einfach die Batterien aus der<br />
Fernbedienung nehmen und sagen, der Fernseher sei kaputt.<br />
Ob und wie oft Eltern im Erziehungsalltag zu solchen Notlügen<br />
greifen, müssen sie aber letztlich selbst mit ihrem Gewissen<br />
vereinbaren. Und sie müssen sich überlegen, wie sie reagieren<br />
wollen, wenn ihre Kinder die Notlügen irgendwann aufdecken<br />
oder sogar selbst anwenden.<br />
Die sogenannten Märchenlügen über den Osterhasen oder<br />
das Christkind findet unser Experte Friedrich Thoss nicht bedenklich.<br />
„<strong>Das</strong> passt zur Kinderwelt und schafft eine angenehme<br />
Atmosphäre, vor allem, wenn schöne Rituale damit<br />
verbunden sind.“ Und manchmal sei es auch notwendig, dass<br />
Eltern ihre Kinder durch eine Lüge schützen – wenn es um<br />
Wahrheiten geht, die sie altersmäßig noch gar nicht verarbeiten<br />
könnten, zum Beispiel im Zusammenhang mit Gewalt.<br />
Eine ganz klare Grenze zieht der Erziehungsexperte aber bei<br />
Lügen, die das Kind verunsichern: Wenn Eltern androhen,<br />
wegzugehen und nicht mehr wiederzukommen. „Kinder brauchen<br />
eine sichere Bindung und Lügen dieser Art schüren tiefe<br />
Angst“, sagt Friedrich Thoss. „So etwas geht gar nicht.“<br />
Friederich Thoss, 58 Jahre, ist Psychologischer Psychotherapeut<br />
und Leiter der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und<br />
Jugendliche in Lengerich. Er ist Vater von zwei Kindern im<br />
Alter von 14 und 22 Jahren.<br />
Viel Aufmerksamkeit<br />
schon beim<br />
Eingewöhnen<br />
Seitdem evangelische Kitas auch Kinder unter drei Jahren<br />
aufnehmen, haben sich die Erziehenden auf deren<br />
besondere Bedürfnisse eingestellt. <strong>Das</strong> gilt auch für die<br />
„Eingewöhnung“: den Übergang in die Kita. Für das<br />
Kleinkind und seine Entwicklung ist es zum Beispiel wichtig,<br />
langsam eine stabile Beziehung zu den Erziehenden aufzubauen.<br />
Dafür besucht sie die Familie zu Hause. „<strong>Das</strong> ist eine gute<br />
Erfahrung für die Kinder, die Erzieherin in ihrer vertrauten Umgebung<br />
kennenzulernen“, sagt Heike Brombach, Leiterin der<br />
evangelischen Kindertageseinrichtung „Arche“ in Duisburg.<br />
Für die erste Zeit im Kindergarten ist vorgesehen, dass die Eltern<br />
zunächst in der Gruppe bleiben, zu der das Kleinkind gehört.<br />
Die Entscheidung, wann sie sich von ihm verabschieden<br />
und ob das dann nur für eine Stunde zum Einkaufen oder schon<br />
für einen längeren Zeitraum geschieht, wird individuell zwischen<br />
Eltern und Erzieherin abgesprochen. „Viele Kleinkinder<br />
kennen schon Spielgruppen, Tagesmütter oder die Oma als<br />
Bezugsperson. Dann fällt die Abnabelung leichter“, beobachtet<br />
Heike Brombach.<br />
Der Kita-Leiterin ist zudem wichtig, „dass wir ein gutes Miteinander<br />
in der Kita selbst pflegen“. Alle Mitarbeitenden der Arche<br />
kennen alle Kinder. „<strong>Das</strong>“, sagt Heike Brombach, „macht sich<br />
gerade in Vertretungssituationen positiv bemerkbar.“<br />
Heike Brombach, 49 Jahre, leitet die <strong>Evangelische</strong> Kindertageseinrichtung<br />
„Arche“ im Kirchenkreis Duisburg. Die<br />
dreigruppige Einrichtung wird von 60 Kindern besucht. Davon<br />
sind bis zu 18 Kinder jünger als drei Jahre.<br />
Foto: istockphoto.com / Ryan Christensen<br />
22 23
<strong>Zehn14</strong> sommer 2013 Familie<br />
Ruhe nach<br />
dem Sturm<br />
Stress im Beruf, wenig Schlaf, Geldsorgen – Ayhan Demirel<br />
konnte nicht mehr. Vier Jahre nach seinem Burnout<br />
hat der junge Vater gelernt, auf seine Grenzen zu achten.<br />
Text: Jutta Oster<br />
Fotos: Rudolf Wichert<br />
Ayhan Demirel nimmt sich jetzt Zeit für sich und seine Familie. Seit seinem Zusammenbruch vor vier Jahren geht der 37-Jährige anders mit Stress um.<br />
Es war der Moment, in dem Ayhan Demirel<br />
(37) klar wurde, dass er nicht mehr<br />
kann. Sein Geselle sprach ihn an, weil er<br />
eine Leiter brauchte. Als Chef hätte Ayhan<br />
Demirel ihm sagen können, dass er<br />
sich die Leiter selbst aus dem Lager holen<br />
soll. Tat er aber nicht. In dem Moment<br />
brach alles aus ihm heraus – die Dreifachbelastung<br />
aus 14-Stunden-Arbeitstagen,<br />
dem anstrengenden Alltag mit einem<br />
Neugeborenen und Geldsorgen wegen<br />
seiner Firma. Ayhan Demirel brüllte den<br />
Gesellen an, warf sein Handy gegen die<br />
Wand und brach anschließend in Tränen<br />
aus. Vier Jahre ist das jetzt her und<br />
Ayhan Demirel aus Neuss-Weckhoven<br />
denkt ungern an diese Zeit zurück.<br />
Wenige Monate nach seinem Zusammenbruch<br />
musste die Malerfirma, die<br />
der türkische Vater zusammen mit einem<br />
Partner führte, Insolvenz anmelden. Und<br />
obwohl Ayhan Demirel jetzt plötzlich<br />
viel Zeit hatte, fühlte er sich komplett<br />
ausgebrannt. Sein Baby schrie viel und<br />
es gelang dem jungen Vater in den ersten<br />
sechs Monaten nicht, eine Beziehung<br />
zu seinem Kind aufzubauen. Es<br />
blieb ihm sonderbar fremd. Dazu kamen<br />
materielle Sorgen; die Familie<br />
musste von Arbeitslosengeld leben.<br />
Ayhan Demirel hatte nicht mehr die<br />
Kraft, aufzustehen und sich einen Job<br />
zu suchen, er saß oft nur teilnahmslos<br />
im Wohnzimmer, ihm war alles egal.<br />
Gleichzeitig fühlte er sich ständig unter<br />
Strom, war gereizt und aggressiv, brüllte<br />
seine Frau an. In der Nacht schlief er<br />
unruhig.<br />
Er ging zum Arzt, der ihm eine Psychotherapie<br />
empfahl. Noch immer ist Ayhan<br />
Demirel in Behandlung. Hier hat er gelernt,<br />
auch mal „Nein“ zu sagen. Seine<br />
Grenzen aufzuzeigen. Bei der Arbeit einen<br />
zweiten Mann einzufordern, wenn<br />
ihm die Arbeit zu viel wird. Nicht so ungeduldig<br />
und impulsiv zu sein. Sich Zeit<br />
für sich selbst und seine Frau Emel zu<br />
nehmen. Nach einem Jahr ging es dem<br />
Vater, der in Deutschland aufgewach-<br />
sen ist, allmählich wieder besser. Er fand<br />
Arbeit als Maler und Lackierer, allerdings<br />
immer nur bei Leiharbeitsfirmen – bis heute.<br />
Zu seinem Kind<br />
konnte er langsam<br />
eine Beziehung aufbauen.<br />
„Deniz hat<br />
mir in dieser Zeit<br />
viel Kraft gegeben“,<br />
sagt Ayhan Demirel<br />
heute. Der Junge<br />
geht in Neuss<br />
in die Kita „Friederike<br />
Fliedner“. In<br />
der Einrichtung haben<br />
auch die Eltern<br />
vieles gelernt,<br />
das sie zu Hause weiterführen: „Liebe,<br />
Gelassenheit und die richtige Form von<br />
Konsequenz“, sagt der Vater. Deniz hat<br />
Ihm war alles egal.<br />
Gleichzeitig fühlte<br />
er sich ständig<br />
unter Strom,<br />
war gereizt und<br />
aggressiv.<br />
Fünf Tipps<br />
gegen Überlastung<br />
auch viele Rituale aus der Kita mit<br />
nach Hause gebracht. Zum Beispiel, vor<br />
dem Essen zu beten. Damit hat er seine<br />
Familie erst dazu<br />
gebracht, gemeinsam<br />
am Tisch<br />
zu sitzen und zu<br />
essen. „Vorher lief<br />
bei uns dauernd der<br />
Fernseher“, so Demirel.<br />
Seit elf Monaten ist<br />
die Zeit bei den Eltern<br />
wieder etwas<br />
knapper geworden:<br />
Devrim, der zweite<br />
Sohn, ist zur Welt gekommen. Dieses Mal<br />
war Ayhan Demirel von Anfang an als<br />
Vater dabei. ✲<br />
1 Ein gutes Netzwerk aufbauen – innerhalb der eigenen Verwandtschaft,<br />
aber auch zu anderen Familien. In Notfällen kann man sich so gegenseitig<br />
unterstützen. Kontakte lassen sich zum Beispiel über Familienzentren oder<br />
Elterncafés in vielen Einrichtungen knüpfen.<br />
2 Sich darauf verlassen, dass das Kind in der Kita oder im Kindergarten verlässlich<br />
aufgehoben ist – das nimmt Druck von den Eltern.<br />
3 Hilfe annehmen, wenn es in der Familie mal nicht rundläuft, etwa über die<br />
Erziehungsberatungsstellen. Die Erziehenden frühzeitig einbinden, wenn<br />
es Probleme in der Familie gibt.<br />
4 Sich Pausen gönnen und auf sich selbst achten – auch Eltern brauchen ab<br />
und an Auszeiten. Bei der Arbeit, wenn nötig, Grenzen aufzeigen.<br />
5 Nicht zu perfektionistisch sein: Bei der Doppelbelastung Beruf – Familie<br />
müssen Eltern auch mal ein Auge zudrücken können, zum Beispiel im<br />
Haushalt.<br />
Gudrun Erlinghagen ist Sozialpädagogin, Fachberaterin<br />
für Tageseinrich tungen und Geschäftsführerin der Jugendhilfe<br />
Neuss-Süd, zu der auch die Kita „Friederike<br />
Fliedner“ gehört. Fachberaterinnen und Fachberater unterstützen<br />
die Einrichtungsträger, um die Qualität der<br />
Arbeit weiterzuentwickeln und um das evangelische<br />
Profil der Einrichtungen zu stärken.<br />
24 25
<strong>Zehn14</strong> sommer 2013 Familie<br />
Was unternehmen wir?<br />
Familie Cohnen schwört<br />
auf „Baustellentage“<br />
Neulich haben wir mit unseren drei Kindern einen<br />
„Baustellentag“ verbracht. Mit Materialien wie Steinen<br />
oder Brettern, Kartons oder Kabeln können Kinder<br />
sich kreativ austoben, ohne dass es viel kostet.<br />
Wichtig ist, dass sich die Eltern vorher mit den Verantwortlichen<br />
einer Baustelle absprechen, welche Materialien sie entbehren<br />
können, damit sie wissen, welches Werkzeug sie von zu<br />
Hause mitbringen müssen. Hammer und Nägel sind beispielsweise<br />
völlig überflüssig, wenn es keine Holzbretter gibt.<br />
Wir haben von einer nahe gelegenen Baustelle Reste bekommen,<br />
die wir gleich morgens mit dem Bollerwagen abholen<br />
konnten. Zwei Aktionen am Vormittag vor dem Mittagessen reichen<br />
aus, um die Kinder zu beschäftigen. Mit Planen und Seilen<br />
haben wir als Erstes ein Dach für unsere Unterkunft gespannt.<br />
Prima sind auch alte Pappkartons von Badewannen, um eine<br />
Hütte zu bauen. <strong>Das</strong> geht im eigenen Garten oder auch im Park.<br />
Wir haben darauf geachtet, dass unsere Kinder die Wahl hatten<br />
zwischen etwas, wofür sie Kraft brauchen und etwas, das feiner<br />
ist und mehr Geduld benötigt. Ganz konkret konnten sich also<br />
unsere Kinder entscheiden, ob sie ganz grob etwas aus einem<br />
Ytong-Stein meißeln oder etwas filigraner aus Drähten von alten<br />
Elektrokabeln ein Windspiel biegen wollten. <strong>Das</strong> Mittagessen<br />
kam stilecht aus dem Blechnapf und nicht vom Teller.<br />
Höhepunkt des Tages war der Vulkan, den wir aus Sand gebaut<br />
haben. In den Krater haben wir Backpulver und Essig gegeben,<br />
den wir vorher mit Lebensmittelfarbe rot gefärbt hatten. <strong>Das</strong><br />
hat super geschäumt und eine gute Lava gegeben. So etwas<br />
finden Kinder immer total klasse. Abends wird dann für die<br />
Würstchen ein Grill aus Steinen gebaut. Im Sommer können<br />
die Kinder draußen übernachten, wenn sie wollen.<br />
Julia Cohnen, 45 Jahre, hat drei Kinder im Alter von 3, 7 und 11 Jahren.<br />
Fotos: Rudolf Wichert<br />
Neulich bei uns<br />
Lukas gegen Linus:<br />
Geschwisterstreit<br />
im Kinderzimmer<br />
Der ganze Stolz von Lukas ist sein großer Kran.<br />
Der hat nämlich eine Fernbedienung. Deshalb<br />
mag es der Sechsjährige auch nicht so gerne,<br />
wenn sein zweijähriger Bruder Linus mit dem<br />
Kran spielen möchte. Streit ist vorprogrammiert.<br />
Nicht schlimm, findet Lukas’ und Linus’ Mutter<br />
Gitta Gauder: „Meine Kinder sollen lernen zu<br />
teilen, sich zu einigen und Kompromisse zu finden.“<br />
<strong>Das</strong> gehöre schließlich zum Leben, sagt<br />
die 36-Jährige. „Wenn Kinder sich streiten, ist<br />
das nichts Schlechtes“, urteilt Susanne Müller,<br />
Leiterin der <strong>Evangelische</strong>n Kindertagesstätte<br />
„Schatzkiste“ in Neuss – „auch wenn es für Eltern<br />
und Erzieher manchmal nur schwer auszuhalten<br />
ist.“ Und sie gibt auch gleich Entwarnung für<br />
gestresste Eltern:<br />
„Streiten hat nichts mit falscher<br />
Erziehung zu tun“, sagt die Kita-<br />
Leiterin.<br />
Hilfreich sei es, sich mit anderen Eltern oder<br />
Erziehern auszutauschen, denn „Patentrezepte,<br />
wie man das Streiten vermeidet, gibt es nicht“.<br />
Gitta Gauder versucht zwischen ihren Kindern<br />
zu vermitteln, Lösungen aufzuzeigen: „Frag doch<br />
mal, ob du später damit spielen kannst“, schlägt<br />
sie vor. Manchmal müssten aber auch Grenzen<br />
gezogen werden. Wertvolle Tipps hat Gitta<br />
Gauder in dem Kurs „Starke Eltern – starke Kinder“<br />
bekommen, der auch in evangelischen<br />
Familienbildungsstätten angeboten wird.<br />
Foto: Gergios Photography<br />
Zeitverschiebung<br />
Der frühe Vogel ist nichts gegen ein Kleinkind.<br />
Seit unsere Kolumnistin einen Sohn<br />
hat, lebt sie in einer anderen Zeitzone.<br />
Eltern von Kleinkindern können<br />
über die Zeitumstellungsdebatte<br />
nur müde lächeln.<br />
Mit der Geburt unseres<br />
Sohnes im März 2010<br />
wurde unsere Uhr um gefühlte<br />
fünf Stunden vorgestellt<br />
– sozusagen von Winterzeit<br />
auf Elternzeit. Mein<br />
Mann und ich landeten<br />
ziemlich unsanft in der neuen<br />
Zeitzone: Wir hatten ein<br />
Jahr lang Jetlag. Mittlerweile wissen wir wieder, welchen<br />
Tag wir haben. Die Wochenenden sind immer<br />
noch hart: In unserem alten Leben schliefen wir aus.<br />
Wenn wir vor sechs Uhr morgens wach waren, dann<br />
höchstens, weil wir gerade erst von einer guten Party<br />
nach Hause kamen. Heute haben wir bis Sa mstagmittag<br />
so viel erlebt, wie früher die ganze Woche nicht: Um<br />
sechs Uhr wird aufgestanden! (Unser Sohn ist pünktlich<br />
wie ein Funkwecker, nur ohne Snooze-Taste). Um halb<br />
sieben spielen wir Parkgarage, danach Einkaufen im<br />
Kaufladen, bis um sieben endlich der Bäcker aufmacht.<br />
<strong>Das</strong> weitere Vormittagsprogramm liest sich wie das Animationsprogramm<br />
eines Kinderhotels: Kneten um acht,<br />
Kopffüßler malen um halb neun, Kuchen backen um<br />
neun, Lego um zehn, Trampolin springen um halb elf,<br />
Spielplatz um elf, Mittagessen um halb eins und danach<br />
– wenn wir Glück haben: Mittagspause! Falls nicht, gehen<br />
wir eben früher als geplant in den Tierpark, ins Freibad<br />
oder zu Freunden, die auch Kinder haben und um<br />
diese Zeit schon Besuch ertragen. Abends sind wir platt.<br />
Früher sind wir um zehn Uhr spontan in die Spätvorstellung<br />
gegangen. Seit wir Eltern sind, haben wir noch kein<br />
„Wetten dass …?“ bis zum Schluss angesehen.<br />
Dafür sehe ich jetzt meine Eltern öfter. In meiner Jugend<br />
habe ich sie tagelang nicht gesprochen, weil<br />
zeitlich gesehen Welten zwischen uns lagen. Wenn<br />
sie morgens aufstanden, kam ich gerade erst nach<br />
Hause und wollte nur noch ins Bett. Ich freue mich<br />
schon, wenn unser Sohn in diese Zeitzone kommt.<br />
Silke Weiher, 33 Jahre, hat einen dreijährigen Sohn.<br />
26 27
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