RegJo Hannover 1/13 Download (30,8 MB)
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12 interview REGJO HANNOVER regjo HANNOVER interview <strong>13</strong><br />
Machtwechsel in <strong>Hannover</strong><br />
Mit einer Stimme Mehrheit wurde der bisherige Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, Stephan Weil, ins Amt<br />
gewählt. Agrarwende, Studiengebühren und Gorleben sind seine wichtigsten Projekte. Die Details im <strong>RegJo</strong>-Interview.<br />
Interview: Stefanie Stüting Fotografie: Niedersächsische Landesregierung<br />
Ein Wahlkrimi, der seinesgleichen sucht – wie haben Sie die Wahlnacht<br />
überstanden?<br />
Die Wahlnacht habe ich gut überstanden, auch den ersten Teil –<br />
vielleicht, weil ich mit mir im Reinen war. Wir hatten wirklich alles<br />
gegeben. Das hat bei mir zu einer großen inneren Ruhe geführt. An<br />
einen ersten Gedanken kann ich mich gar nicht bewusst erinnern,<br />
das Gefühl riesiger Freude überwog alles. Der Wahlabend war im<br />
nachhinein betrachtet eine spannende Erfahrung für mich.<br />
Wie überraschend war für Sie das positive Ergebnis der FDP und<br />
warum haben die Christdemokraten so viele Wähler an ihren kleinen<br />
Koalitionspartner verloren?<br />
Die FDP hat von der Sorge der CDU-Wähler profitiert, die Regierungsfähigkeit<br />
zu verlieren. Dass der Zuwachs so deutlich ausgefallen<br />
ist, hat uns alle überrascht, wahrscheinlich die FDP selbst<br />
am meisten. Die Umfragen aller Institute hatten für die FDP ein<br />
deutlich schlechteres Ergebnis prognostiziert. Es war aber kein<br />
Zuwachs aus eigener Kraft. Ich glaube, dass ist der FDP selbst auch<br />
sehr bewusst.<br />
Welches waren für Sie und die SPD die wichtigsten Aussagen im<br />
Wahlkampf, die nun auch mit oberster Priorität umgesetzt werden?<br />
Oberste Priorität hat das Thema Bildung und das gemeinsame Lernen<br />
von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen.<br />
Wir stehen für Chancengleichheit und höchstmögliche<br />
Abschlüsse für alle Schülerinnen und Schüler und für ein<br />
Studieren ohne Gebührenlast. Wir möchten den Menschen in unserem<br />
Land gute Arbeitsplätze bieten und sicherstellen, dass sie von<br />
ihrem Lohn auch leben können. Schon in der ersten Bundesratssitzung<br />
hat die neue niedersächsische Landesregierung deshalb den<br />
Gesetzentwurf für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von<br />
8,50 Euro je Arbeitsstunde unterstützt. Falls wir damit auf Bundesebene<br />
scheitern, werden wir diesen Lohn kurzfristig in einem Landesmindestlohngesetz<br />
festschreiben. Die Einhaltung von Tariftreue<br />
und Mindestlöhnen soll bei Landesaufträgen systematisch kontrolliert<br />
und auch von den Kommunen eingefordert werden. Wir wollen<br />
den demografischen Wandel überall in Niedersachsen verantwortungsvoll<br />
gestalten und den Menschen – egal ob sie im städtischen<br />
oder im ländlichen Raum leben – Zugang zu allen notwendigen<br />
Unterstützungs- und Versorgungseinrichtungen gewähren. Das ist<br />
eine enorme Herausforderung für die Landespolitik.<br />
Inwieweit sind diese Kernziele spezifisch für das Land Niedersachsen,<br />
wo gibt es Unterschiede zur Bundes-SPD?<br />
Kernbestandteile des Regierungsprogrammentwurfs der Bundes-SPD<br />
sind Bildung und Gleichberechtigung in einer modernen<br />
Gesellschaft, soziale Sicherung und bezahlbares Wohnen, gerechte<br />
Steuerpolitik und eine Bändigung der Finanzmärkte – da liegen<br />
wir sehr auf einer Linie. Im Bereich der Endlagersuche für den<br />
Atommüll gibt es teilweise noch unterschiedliche Auffassungen.<br />
In diesen Fragen vertreten wir zuallererst niedersächsische Interessen.<br />
Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern verfügt Niedersachsen<br />
beim Thema Endlager für den Atommüll über sehr konkrete<br />
und leider nicht gute Erfahrungen. Gorleben, die Asse und<br />
Schacht Konrad liegen allesamt auf unserem Landesgebiet. Wir<br />
möchten deshalb bei der Endlagersuche auch in besonderer Weise<br />
gehört werden.<br />
Wie froh sind Sie über Herrn Steinbrück als Kanzlerkandidat für<br />
die Bundestagswahl?<br />
Peer Steinbrück kann Kanzler. Wir erinnern uns noch an das<br />
staatsmännische Format, mit dem er unser Land als Finanzminister<br />
durch die Weltfinanzkrise 2008/2009 geführt hat. Ich finde<br />
es gut, dass er Klartext redet und er setzt so auch die richtigen<br />
Schwerpunkte: dass wir unsere Gesellschaft zusammenhalten<br />
müssen, dass es in unserem Land gerecht zugehen muss. Damit<br />
kann ich mich identifizieren und unterstütze Peer Steinbrück deswegen<br />
sehr gerne.<br />
Stephan Weil bei seiner Amtseinführung zum niedersächsischen Ministerpräsidenten.<br />
Zurück nach Niedersachsen: Sie kennen die Landeshauptstadt als<br />
langjähriger Oberbürgermeister besser als kaum jemand anderes.<br />
Kommt Ihnen diese Nähe zur Hauptstadt und den Menschen Ihrer<br />
Arbeit als Ministerpräsident zugute?<br />
Ja, insbesondere die Nähe zu den Menschen! Es stimmt, <strong>Hannover</strong><br />
ist mir besonders vertraut, ich kenne und liebe diese Stadt wie<br />
keine andere. Aber schon während des Wahlkampfes sind mir auch<br />
die anderen Städte und Regionen in Niedersachsen immer stärker<br />
ans Herz gewachsen. Ich arbeite gerne und mit großem Einsatz für<br />
die Menschen im ganzen Land. Das wird mir und unserem ganzen<br />
Team aber nur dann gut gelingen, wenn wir mit den Bürger innen<br />
und Bürgern zusammenarbeiten, ihre Ideen aufnehmen, sie mitgestalten<br />
lassen. Die deutliche Betonung von offenem Austausch<br />
und Dialog im Koalitionsvertrag meinen wir sehr ernst. Ich werde<br />
auch persönlich immer wieder die Gelegenheit suchen, mit den<br />
Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes direkt ins Gespräch zu<br />
kommen, sie in ihrer Arbeitswelt zu erleben und ihre Sorgen anzuhören.<br />
Dazu gehören auch Bürgersprechstunden, die ich als MP<br />
anbieten werde – nicht nur in <strong>Hannover</strong>, sondern an verschiedensten<br />
Orten in Niedersachsen.<br />
Welches sind die großen Projekte und Visionen, die Sie als Ministerpräsident<br />
Niedersachsens angehen werden?<br />
Kurz gesagt: Wir müssen Niedersachsen fit machen für die Zukunft.<br />
Das heißt, wir müssen uns vor allem auf den demografischen Wandel<br />
einstellen. Weniger junge Menschen müssen dann umso besser<br />
ausgebildet und qualifiziert werden. Deswegen legen wir so großen<br />
Wert auf die Bildung. Und ein zweites: Manche Regionen stehen<br />
vor einem gravierenden Rückgang der Bevölkerung. Diesen Regionen<br />
müssen wir wieder Perspektiven geben. Das sind nun wirklich<br />
dicke Bretter, die zu bohren sind. Aber es lohnt sich: Niedersachsen<br />
ist ein ungemein vielfältiges Land mit großem Potenzial.<br />
Das wollen wir nutzen.<br />
Welche Korrekturen an der Politik der alten Landesregierung werden<br />
Sie vornehmen?<br />
Veränderungen zur Vorgängerregierung wird man besonders im<br />
Bereich der Bildungspolitik, der Flüchtlings- und Asylpolitik und<br />
der Verbraucherschutzpolitik erleben: Wir werden die Diskriminierung<br />
der Gesamtschulen beenden und eine Gleichbehandlung<br />
aller Schulformen sicherstellen. Es wird dann vor Ort die Aufgabe<br />
der Schulträger und der Eltern sein, sich für das passende<br />
Bildungs angebot zu entscheiden. Wir möchten, dass Niedersachsen<br />
ein weltoffenes Land wird, in dem sich Menschen aus anderen Ländern<br />
willkommen und geachtet fühlen. Deshalb hat Innenminister<br />
Pistorius bereits konkrete Veränderungen in der Flüchtlings- und<br />
Asylpolitik angekündigt. Da geht es vor allem darum, die Situation<br />
von Kindern zu berücksichtigen. Wir möchten, dass die Menschen<br />
in Niedersachsen die Produkte aus unseren Regionen unbesorgt<br />
verzehren können. Deshalb müssen wir bei der Lebensmittel-