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Migrantinnen und Migranten in der Altenpflege - BiG Essen

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rungsgesetzes (Pflege VG §80) als Pflegepersonen<br />

arbeiten o<strong>der</strong> dies beabsichtigen. Allerd<strong>in</strong>gs ist diese<br />

Zielgruppe wenig homogen <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> Bezug<br />

auf die sprachlichen <strong>und</strong> kulturellen H<strong>in</strong>tergründe<br />

höchst unterschiedliche Voraussetzungen mit. Ist<br />

daher e<strong>in</strong> zielgruppenorientiertes Fortbildungskonzept<br />

überhaupt s<strong>in</strong>nvoll?<br />

Das Projekt MigA bekannte sich zur Orientierung an<br />

<strong>der</strong> Ziel- o<strong>der</strong> Adressatengruppe „Pflegende mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>“,<br />

da e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Qualifizierungsbedarf<br />

<strong>in</strong> Bezug auf bestimmte Themen festgestellt<br />

worden ist. Die Zielgruppe wurde zunächst<br />

über den Bildungsbedarf zur Sprache, zu kulturellem<br />

Wissen <strong>und</strong> zum Pflegeverständnis beschrieben.<br />

Dies wurde ergänzt durch didaktische Überlegungen<br />

zur Lehr-/ Lernsituation, den Lernvoraussetzungen,<br />

dem Erfahrungsaustausch <strong>und</strong> <strong>der</strong> Initiierung von<br />

Verstehensprozessen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lerngruppe.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sollten zielgruppenspezifische Bildungsangebote<br />

ke<strong>in</strong>e auf Dauer angelegten Veranstaltungen<br />

werden, da sie ansonsten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gefahr stehen,<br />

erneut zu stigmatisieren. Sie dienen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

dazu, eigene Situationen <strong>der</strong> Teilnehmenden zu reflektieren,<br />

den subjektiven Lernbedarf e<strong>in</strong>zuschätzen<br />

<strong>und</strong> Lernprozesse anzustoßen. Danach sollten die<br />

Themen <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen Lerngruppen weiter behandelt<br />

werden, denn nur im Dialog lässt sich die<br />

Integration als gegenseitiger Prozess des Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zugehens<br />

för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Benachteiligung durch<br />

Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung abbauen.<br />

Gegen die speziellen Angebote für <strong>Migrant<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Migranten</strong> gab es im Projektverlauf Wi<strong>der</strong>stände sowohl<br />

aus <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Migrant/<strong>in</strong>nen selbst, als<br />

auch von den deutschen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeitern.<br />

Pflegekräfte mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> kritisierten<br />

häufiger zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Veranstaltungen,<br />

dass sie die Qualifizierungsangebote als e<strong>in</strong>e Form<br />

<strong>der</strong> „verordneten Nachhilfe“ empfanden, für die es<br />

nach vielen Jahren <strong>der</strong> Betriebszugehörigkeit ke<strong>in</strong>e<br />

Rechtfertigung gab. Immer dann, wenn diese Bedenken<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe frühzeitig thematisiert werden<br />

konnten, stellten sie sich als nicht tragfähig heraus,<br />

sodass die Teilnehmenden das Angebot gut annehmen<br />

konnten.<br />

E<strong>in</strong>ige Teilnehmer berichteten, dass ihre deutschen<br />

Kolleg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Kollegen mit Unverständnis auf das<br />

spezielle Angebot reagierten, da sie e<strong>in</strong>e bevorzugte<br />

Behandlung vermuteten. Dabei bleibt zu bedenken,<br />

dass zwar alle Mitarbeiter gr<strong>und</strong>sätzlich gleiche<br />

Bildungschancen haben sollten, doch dieses Argument<br />

gerade die gesellschaftliche Verpflichtung zur<br />

Beseitigung herkunftsabhängiger Benachteiligungen<br />

e<strong>in</strong>schließen muss.<br />

Theoretisch lassen sich die Ziele des <strong>in</strong>tegrativen<br />

Angebots aus Pflegewissen <strong>und</strong> Fachsprache aus<br />

den Konzepten „Kultureller Bewusstheit“ (cultural<br />

awareness, Papadopoulos 2003) <strong>und</strong> „Sprachbewussheit“<br />

(Language awareness, Europarat 2001)<br />

herleiten.<br />

Kulturelle Bewusstheit: In <strong>der</strong> Pflegewissenschaft<br />

gibt es unterschiedliche Modelle die <strong>in</strong>ter- o<strong>der</strong> transkulturelle<br />

Kompetenz als Element <strong>der</strong> Pflegekompetenz<br />

zu beschreiben. Papadopoulos, Tilki <strong>und</strong> Taylor<br />

(ebenda, S. 87ff) haben an <strong>der</strong> Middlesex University<br />

<strong>in</strong> London e<strong>in</strong> Phasenmodell entwickelt, bei dem<br />

Lernende über die kulturelle Bewusstheit, kulturelles<br />

Wissen <strong>und</strong> kulturelle Sensibilität zur kulturellen<br />

Kompetenz gelangen können. Die vorgestellten Qualifizierungen<br />

orientieren sich an <strong>der</strong> ersten Phase <strong>der</strong><br />

kulturellen Bewusstheit, <strong>in</strong>sofern die Selbstreflexion<br />

im Kontext von Pflege <strong>und</strong> Kultur, die eigene kulturelle<br />

Identität <strong>und</strong> die Kulturalität des Gegenübers<br />

thematisiert <strong>und</strong> geför<strong>der</strong>t werden sollen.<br />

Sprachbewusstheit: Die Konzepte des Europarates<br />

(2001) zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> „funktionalen Mehrsprachigkeit“<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> „Geme<strong>in</strong>same Europäische Referenzrahmen<br />

für Sprachen“ haben neue Prioritäten<br />

für den Sprachenerwerb gesetzt. Im Mittelpunkt stehen<br />

diejenigen Kompetenzen, die für die sprachliche<br />

Handlungsfähigkeit des Lernenden konstitutiv<br />

s<strong>in</strong>d. Die Sprachbewusstheit umfasst sprachliches<br />

Können <strong>in</strong> unterschiedlichen beruflichen, öffentlichen<br />

<strong>und</strong> privaten Situationen. Die Sensibilität für<br />

Sprache(n) <strong>und</strong> ihre Formen, Strukturen, Funktionen<br />

sowie ihr Gebrauch stehen mehr im Fokus als Grammatik-<br />

<strong>und</strong> Wortschatzkenntnisse.<br />

Es ergibt sich folgendes Qualifizierungsziel: Sprachliches<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong>terkulturelles Lernen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflege werden<br />

im vorliegenden Konzept funktionell verb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> auch Teilkompetenzen erfahren Wertschätzung.<br />

Damit sollen Voraussetzungen für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Sprachreflexionsfähigkeit geschaffen <strong>und</strong> Impulse für<br />

kont<strong>in</strong>uierliche pflegefachliche Lernprozesse <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Altenhilfe gesetzt werden.<br />

1.7. Herkunftsgruppen <strong>und</strong> Zielgruppen<br />

Die Beschäftigten mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Altenpflege</strong> stellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bestandsaufnahme des DIE<br />

ke<strong>in</strong>e homogene Gruppe dar:

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