Migrantinnen und Migranten in der Altenpflege - BiG Essen
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präzise ohne eigene Wertungen festgehalten werden.<br />
Die Pflegedokumentationen werden immer bedeutsamer,<br />
da sie den Rahmen für F<strong>in</strong>anzierung <strong>und</strong><br />
Legitimation <strong>der</strong> Pflegemaßnahmen <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall<br />
bilden. Dafür reicht <strong>der</strong> Gebrauch von vorgefertigten<br />
Dokumentationssystemen <strong>und</strong> Standardformulierungen<br />
nicht aus, auf die gerade bei Sprachproblemen<br />
oft zurückgegriffen wird (Spahn 2005, S. 85).<br />
Die fehlenden Deutschkenntnisse <strong>der</strong> Pflegekräfte<br />
mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> werden zumeist als <strong>in</strong>dividuelle<br />
Defizite betrachtet, die durch fehlende Anstrengung<br />
<strong>und</strong> wenig Integrationswillen <strong>der</strong> Betroffenen<br />
entstehen. Die Monol<strong>in</strong>gualität sei schließlich Normalität<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Altenhilfe <strong>und</strong> daher könne auch von<br />
zugewan<strong>der</strong>ten Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen Anpassung erwartet<br />
werden. Die Mehrsprachigkeit Pflegen<strong>der</strong> mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />
wird daher wenig als <strong>in</strong>dividuelle<br />
<strong>und</strong> allgeme<strong>in</strong>e Ressource anerkannt. Dies entspricht<br />
<strong>der</strong> weit verbreiteten Auffassung <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen<br />
Gesellschaft, dass Mehrsprachigkeit zwar für<br />
bestimmte soziale Schichten nützlich sei, die „breite<br />
Masse“ aber eher überfor<strong>der</strong>e <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Last darstelle<br />
(vgl. Gogol<strong>in</strong> 2005, S. 5). Nicht das Bild des polyglotten<br />
Weltbürgers, son<strong>der</strong>n das des Analphabeten<br />
<strong>in</strong> zwei Sprachen wird häufig bemüht. Sprachen<br />
werden auch unterschiedlich bewertet – Deutsch <strong>und</strong><br />
Englisch gelten heute als wichtig für jeden Beruf, h<strong>in</strong>gegen<br />
haben osteuropäische Sprachen, Türkisch<br />
o<strong>der</strong> Arabisch eher ger<strong>in</strong>gen Status.<br />
Es gibt zahlreiche Gründe, die Mehrsprachigkeit als<br />
wichtige Ressource <strong>in</strong> <strong>der</strong> Altenhilfe anzuerkennen<br />
<strong>und</strong> zu för<strong>der</strong>n: Auf die Rolle von Sprache <strong>und</strong> Kommunikation<br />
<strong>in</strong> personenbezogenen Dienstleistungen<br />
wurde bereits h<strong>in</strong>gewiesen. Die Migration hat die<br />
deutsche Gesellschaft kulturell <strong>und</strong> sprachlich vielfältiger<br />
werden lassen. Auch bei <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung<br />
gibt es aber sprachliche Eigenarten <strong>und</strong><br />
Dialekte, die gerade für Menschen im höheren Lebensalter<br />
wie<strong>der</strong> bedeutsamer s<strong>in</strong>d. Sprachprobleme<br />
entstehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Altenpflege</strong> zudem <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
mit Krankheiten, z.B. bei Aphasien, psychischer<br />
Störung o<strong>der</strong> Demenz. E<strong>in</strong> bewusster Umgang<br />
mit Sprache kann die Kommunikation mit dem<br />
älteren Menschen unterstützen <strong>und</strong> verbessern.<br />
Wie können Diskurse im <strong>in</strong>terkulturellen Dialog<br />
geför<strong>der</strong>t werden?<br />
In Gesprächen ist zu beachten, dass Worte nicht nur<br />
Gegenstände <strong>und</strong> Sachverhalte benennen, son<strong>der</strong>n<br />
ihnen auch e<strong>in</strong>e bestimmte Bedeutung im Kontext<br />
<strong>der</strong> Umgebung geben. Worte werden zudem betont,<br />
mit Gestik <strong>und</strong> Sprachmelodie verb<strong>und</strong>en. Sprache<br />
ist mehr als Worte <strong>und</strong> Grammatik, denn sie ist stets<br />
auf die Bewältigung kommunikativer Aufgaben <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Gesellschaft gerichtet.<br />
In den Programmen „Deutsch am Arbeitsplatz“ für<br />
Erwachsene wird die Sprache häufig an authentischen<br />
Situationen gelernt. Bestimmte „Szenarien“<br />
von Gesprächssituationen (vgl. Grünhage-Monetti<br />
2005) werden mit Hilfe <strong>der</strong> benutzen Wörter, <strong>der</strong><br />
Sprach<strong>in</strong>tentionen <strong>und</strong> Notionen analysiert: Sprach<strong>in</strong>tentionen<br />
s<strong>in</strong>d Teilelemente <strong>der</strong> Sprachhandlungen.<br />
Sie haben <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Altenpflege</strong> bestimmte Funktionen,<br />
z.B. Aufnahme <strong>und</strong> Pflege von Kontakten, Gefühle<br />
mitteilen, Austausch von Me<strong>in</strong>ungen, Austausch von<br />
Informationen o<strong>der</strong> jemanden zu e<strong>in</strong>er Handlung<br />
bewegen. Notionen s<strong>in</strong>d Allgeme<strong>in</strong>begriffe wie Raum,<br />
Zeit, Besitz o<strong>der</strong> Zugehörigkeit, die dem Diskurs e<strong>in</strong>e<br />
bestimmte Ausrichtung geben.<br />
Die Methode <strong>der</strong> Diskursanalyse erweitert unsere<br />
Wahrnehmung von Gesprächssituationen um soziokulturelle<br />
Aspekte <strong>und</strong> hilft die arbeitsplatz- <strong>und</strong> berufsbezogene<br />
Kommunikation zu verstehen <strong>und</strong> zu<br />
optimieren (Grünhage-Monetti 2006). Die sprachliche<br />
För<strong>der</strong>ung wird so <strong>in</strong> den Kontext <strong>der</strong> berufsfachlichen<br />
För<strong>der</strong>ung gestellt <strong>und</strong> die „künstliche“ Trennung<br />
von Sprachlernen <strong>und</strong> fachlicher Qualifikation<br />
tendenziell aufgehoben. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage s<strong>in</strong>d<br />
auch die folgenden Qualifizierungsangebote konzipiert.