Ein Leben für den Hufbeschlag - Tiho Bibliothek elib - Tierärztliche ...
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Stefanie Albrecht<br />
Prof. Dr. Hans Jöchle<br />
(1892 – 1968)<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Leben</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
Quellen und Materialien<br />
zur Geschichte der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
der Universität München
Aus dem Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover<br />
Prof. Dr. Hans Jöchle (1892-1968) -<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Leben</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
Quellen und Materialien zur Geschichte der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität München<br />
INAUGURAL-DISSERTATION<br />
zur Erlangung des Grades einer<br />
Doktorin der Veterinärmedizin<br />
(Dr. med. vet.)<br />
durch die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule Hannover<br />
vorgelegt von<br />
Stefanie Albrecht<br />
aus Ravensburg<br />
Hannover 2006
Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. Dr. habil. Johann Schäffer<br />
1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Dr. habil. Johann Schäffer<br />
2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. med. vet. Helmut Waibl<br />
Tag der mündlichen Prüfung: 13.11.2006<br />
ISBN 10: 3-939665-21-5<br />
ISBN 13: 978-3-939665-21-2<br />
1. Auflage 2006<br />
© docupoint Verlag, Magdeburg<br />
Herstellung: docupoint GmbH, Magdeburg<br />
Printed in Germany<br />
Alle Rechte vorbehalten
Meiner Familie<br />
For want of a nail the shoe is lost,<br />
For want of a shoe the horse is lost,<br />
For want of a horse the rider is lost,<br />
For want of the rider the battle is lost,<br />
For want of the battle the war is lost,<br />
For want of the war the nation is lost,<br />
All for the want of horseshoe nail.<br />
George Herbert (1593-1633)
Inhaltsverzeichnis<br />
1 <strong>Ein</strong>leitung 13<br />
1.1 Forschungsstand 15<br />
1.2 Quellen und Methodik 17<br />
2 Biographie 20<br />
2.1 Herkunft und Schulzeit 20<br />
2.2 Kriegsstudium 24<br />
2.2.1 Promotion 37<br />
2.2.2 „Apollo“ 39<br />
2.3 Assistent an der Universität 47<br />
2.4 Wanderlehrer <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> 60<br />
2.5 Ernennung zum Professor 82<br />
2.6 Der Zweite Weltkrieg 87<br />
2.7 Nachkriegszeit 97<br />
2.7.1 „Und trotzdem wer<strong>den</strong> Sie nie ein Nationalsozialist<br />
wer<strong>den</strong>“ - die Entnazifizierung 99<br />
2.7.2 Wiedereinstieg? 102<br />
2.8 Tierzuchtdirektor an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule 106<br />
2.9 Ruhestand 115<br />
2.10 Tabellarischer <strong>Leben</strong>slauf 121<br />
3 Bibliographie 124<br />
4 Im Dienste des <strong>Hufbeschlag</strong>s 129<br />
4.1 Die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München 133<br />
4.1.1 Ausbildung der Hufschmiede 140<br />
4.1.2 Widakstollen 145<br />
4.2 Das Institut <strong>für</strong> Hufkunde 149<br />
4.3 Der Hengst Maximilian 153<br />
4.4 Die <strong>Hufbeschlag</strong>sfrage 156
4.5 Veterinärinspekteur Curt Schulze 166<br />
5 Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät in München 173<br />
5.1 Vorgeschichte 173<br />
5.2 Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München im Dritten Reich 177<br />
5.2.1 Personalpolitik an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
München 177<br />
5.2.2 Die „Führer“ der Universität München 181<br />
5.2.3 Professor Mosers Erbe 184<br />
5.2.4 Fleischbeschau, <strong>Leben</strong>smittelkunde und<br />
Parasitologie 194<br />
5.2.5 Die Theologische Fakultät in München 199<br />
5.2.6 Schließung und Wiedereröffnung? 200<br />
5.2.7 Die Heeresveterinärakademie Hannover und<br />
andere tierärztliche Fakultäten 213<br />
5.3 Nachkriegszeit in München 216<br />
5.3.1 Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät nach 1945 216<br />
5.3.2 Professorenschaft und Entnazifizierung in<br />
München 225<br />
Reinhard Demoll 227<br />
Wilhelm Ernst 228<br />
Oskar Seifried 229<br />
Hans Sedlmeier 231<br />
Anton Otto Stoß 232<br />
Walther Baier 235<br />
Hugo Grau 237<br />
Richard Abelein 237<br />
Karl Hilz 240<br />
Eugen Mennel 242<br />
Johannes Nörr 244<br />
Walter Koch 246<br />
Fritz Stockklausner 248<br />
Wilhelm Niklas 249<br />
Melchior Westhues 251<br />
Bilanz 257
5.3.3 Entnazifizierung an <strong>den</strong> tierärztlichen<br />
Bildungsstätten 259<br />
5.3.4 Die Stu<strong>den</strong>tenschaft 260<br />
5.3.5 Hans Jöchle und die Professur <strong>für</strong> Hufkunde 262<br />
6 Schlussbetrachtung 270<br />
7 Zusammenfassung/Summary 278<br />
8 Quellen und Literatur 282<br />
8.1 Quellen 282<br />
8.2 Literatur 287<br />
8.3 Zeitzeugen und Fachleute 310<br />
8.4 Abbildungsnachweis 311
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abb. Abbildung<br />
ao. außeror<strong>den</strong>tlich<br />
ASchw Archiv Schwaiganger<br />
außerpla. außerplanmäßig<br />
BArch Bundesarchiv Berlin<br />
BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München<br />
BDC Berlin Document Center<br />
BDM Bund Deutscher Mädel<br />
Briefw. Briefwechsel<br />
DB Deutsche Burschenschaft<br />
DVG Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft<br />
d. R. der Reserve<br />
evtl. eventuell<br />
h. c. honoris causa (ehrenhalber)<br />
H. Dv. Heeresdienstvorschrift<br />
HJ Hitlerjugend<br />
hrsg. herausgegeben<br />
Hrsg. Herausgeber<br />
HVV Heeresveterinärvorschrift<br />
IfZ Institut <strong>für</strong> Zeitgeschichte, München<br />
IGTM Institut <strong>für</strong> Palaeoanatomie, Domestikationsforschung und<br />
Geschichte der Tiermedizin, München<br />
JV Jungvolk<br />
Kap. Kapitel<br />
LMU Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
L.-R. Landwirtschaftsrat<br />
mdl. mündlich<br />
MF (Bayerisches) Finanzministerium<br />
MInn (Bayerisches) Innenministerium<br />
Mitt. Mitteilung<br />
MK (Bayerisches) Kultusministerium<br />
MKr Bayerisches Hauptstaatsarchiv München - Kriegsarchiv<br />
ML (Bayerisches) Landwirtschaftsministerium<br />
NS nationalsozialistisch, Nationalsozialismus<br />
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />
NSDB Nationalsozialistischer Dozentenbund<br />
NSDStB Nationalsozialistischer Deutscher Stu<strong>den</strong>tenbund<br />
NSLB Nationalsozialistischer Lehrerbund<br />
NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt
o. ohne<br />
o. or<strong>den</strong>tlicher<br />
o. Sign. ohne Signatur<br />
Obb. Oberbayern<br />
OKH Oberkommando des Heeres<br />
pla. planmäßig<br />
PrivAMJ Privatarchiv Manfred Jöchle<br />
PrivAWJ Privatarchiv Wolfgang Jöchle<br />
RM Reichsmark<br />
SA Sturmabteilung der NSDAP<br />
schriftl. schriftlich<br />
sog. so genannte/r<br />
SpkA K Spruchkammerakten Karton<br />
SS Schutzstaffel der NSDAP<br />
SS Sommersemester<br />
StAM Staatsarchiv München<br />
TH Technische Hochschule<br />
TiHo <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule Hannover<br />
TiHoA Archiv der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover<br />
u. a. und andere<br />
u. dergl. und dergleichen<br />
u. s. w. und so weiter<br />
UA HUB Universitätsarchiv der Humboldt-Universität Berlin<br />
UAM Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
übers. übersetzt<br />
uk unabkömmlich<br />
V. B. Völkischer Beobachter<br />
VELF Verwaltung <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und Forsten<br />
Vet. med. Fak. Veterinärmedizinische Fakultät<br />
VMTA veterinärmedizinisch-technische Assistentin<br />
VO. Verordnung<br />
vorl. vorläufig<br />
Wiedereinstell. Wiedereinstellung<br />
WS Wintersemester<br />
z. Zt., z. Z. zur Zeit
Abb. 1: Prof. Dr. med. vet. Hans Jöchle, Bronze. Die Künstlerin Eva<br />
Moshack-Bach lernte Hans Jöchle in seinem letzten <strong>Leben</strong>sjahr kennen<br />
und fertigte posthum nach Fotovorlagen die Büste an, die sich heute im<br />
Besitz des ältesten Sohnes, Wolfgang Jöchle, befindet.
1 <strong>Ein</strong>leitung<br />
13<br />
„Wo immer Jöchle beruflich tätig war, hat er sich durch völlige<br />
Hingabe an sein Werk und durch wissenschaftliche Gründlichkeit<br />
ausgezeichnet. Er hat insbesondere im Bereich der Landwirtschaftsverwaltung<br />
die tierärztliche Wissenschaft und <strong>den</strong> tierärztlichen<br />
Stand würdig vertreten. Er hat als früher Zuchthygieniker auf die<br />
Erblichkeit von Hufmängeln hingewiesen und in der bayerischen<br />
Pferdezucht die Ausmerzung solcher Mängel mit Erfolg betrieben“<br />
(Mehrle 1968, 234).<br />
Mit diesen Worten fasste Franz Mehrle das <strong>Leben</strong>swerk Jöchles nach<br />
dessen Tod im Jahr 1968 in der Deutschen tierärztlichen Wochenschrift<br />
zusammen. Der in Erkheim im Allgäu geborene Tiermediziner Hans Jöchle<br />
war ab Ende der 20er Jahre über drei Jahrzehnte eine der profiliertesten<br />
Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Hufkunde und des <strong>Hufbeschlag</strong>s. Der<br />
Landesverband bayerischer Schmiedemeister und Fahrzeugbauer ernannte<br />
ihn deshalb auf dem Verbandstag 1957 zum Ehrenmitglied (Mehrle 1957,<br />
442). Auch im Rahmen seines <strong>Ein</strong>satzes <strong>für</strong> die Entwicklung der<br />
bayerischen Landespferdezucht gebührt ihm ein ranghoher Platz. Die<br />
Biographie Jöchles ist eng mit der Geschichte der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
der Universität München verbun<strong>den</strong>, die bisher weder in der Zeit des<br />
Dritten Reichs noch in der Nachkriegszeit hinreichend erforscht ist. 1<br />
Darüber hinaus gilt es, die <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> betreffen<strong>den</strong> fachlichen<br />
Differenzen Jöchles mit dem Veterinärinspekteur im Oberkommando des<br />
Heeres, Prof. Dr. Curt Schulze, zu analysieren, die - Gerüchten zufolge -<br />
1939 zur Schließung der Münchner Fakultät geführt haben sollen.<br />
Die Leistungen Jöchles liegen weniger im Bereich der Forschung als in der<br />
jahrzehntelangen Ausbildung der Hufschmiede in Bayern. Er war stets<br />
bemüht, ihnen neben dem Fachwissen auch die Grundbegriffe des<br />
Tierschutzes mit auf <strong>den</strong> Weg zu geben und Aufklärungsarbeit unter <strong>den</strong><br />
Pferdebesitzern zu betreiben.<br />
<strong>Ein</strong>e Vielzahl an Aufsätzen und veterinärmedizinischen Dissertationen<br />
beschäftigt sich mit der Geschichte der tierärztlichen Ausbildung in<br />
Deutschland, die Zeit des Nationalsozialismus bleibt allerdings eine<br />
Randerscheinung, die kaum bearbeitet wurde. Das liegt unter anderem<br />
daran, dass diese Schriften oft als Jubiläums-Festschriften veröffentlicht<br />
1 Siehe Schäffer, Brumme 1998.
14<br />
wur<strong>den</strong> (Schimanski, Schäffer 2001a, 380) oder zur Ehrung einzelner<br />
Professoren oder Institute dienten. Die Autoren wagten nicht, das recht<br />
schwierige Thema des Nationalsozialismus anzugreifen, insbesondere<br />
solange noch direkt Beteiligte an <strong>den</strong> tierärztlichen Bildungsstätten lehrten.<br />
Ziel dieser Arbeit ist, neben der Biographie Jöchles auch sein Umfeld an<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München zu erforschen und die Rahmenbedingungen<br />
<strong>für</strong> seine Tätigkeiten in Forschung und Lehre zu beleuchten.<br />
Die dabei beteiligten Personen wer<strong>den</strong> unter Berücksichtigung der Gesamtumstände<br />
dieser Zeit beschrieben, es soll jedoch nicht über sie geurteilt<br />
wer<strong>den</strong>. Ludwig Kotter 2 erklärte zu diesem Thema in der Eröffnungsansprache<br />
zur Ringvorlesung „Die deutsche Universität im Dritten Reich“<br />
am 18. November 1965 in München:<br />
„Noch ein besonderes Wort an Sie, meine lieben Kommilitoninnen<br />
und Kommilitonen. Die Vorlesungen unseres Rings behandeln<br />
Ereignisse, die Sie selbst nicht erlebt haben. Damit sollen Sie nicht<br />
von der Pflicht zu einem kritischen Urteil entbun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Die<br />
historische und menschliche Gerechtigkeit verlangt aber, daß man<br />
sich in die Umstände und die besonderen Notlagen der damaligen<br />
Zeit vorurteilslos hineinversetzt - nur so ist ein objektives Urteil<br />
möglich. Sie dürfen mir glauben: Nicht konformistisch zu sein, ist<br />
selbst unter <strong>den</strong> freiheitlichen Umstän<strong>den</strong> unserer glücklicheren Zeit<br />
schwer genug. Wieviel mehr Mut gehörte im Dritten Reich dazu,<br />
gegen einen gewalttätigen und oft mörderischen Strom zu<br />
schwimmen [...]“ (Kotter 1965, 65).<br />
Die Arbeit soll dazu beitragen, die Fakultätsgeschichtsschreibung zu<br />
vervollständigen und damit auch die Berufs- und Standesgeschichte der<br />
Tiermedizin ein kleines Stück voranzubringen. Die Verdienste Hans<br />
Jöchles um <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> und die Tierzucht, die leider nie entsprechend<br />
gewürdigt wur<strong>den</strong>, sollen in das Bewusstsein der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
München zurückgerufen wer<strong>den</strong>. <strong>Ein</strong>e umfassende Bearbeitung der<br />
Geschichte der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München im Dritten Reich ist in<br />
dem Rahmen der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit sicherlich nicht möglich, da die<br />
Biographie Jöchles <strong>den</strong> Schwerpunkt bildet. Es ist aber ein erster Schritt,<br />
sich ernsthaft mit diesem Teil der Vergangenheit auseinanderzusetzen.<br />
2 Professor an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät und Rektor der LMU München 1965/66.
1.1 Forschungsstand<br />
15<br />
Das Thema „Tiermedizin im Nationalsozialismus“ ist nach wie vor wenig<br />
bearbeitet (vgl. Schäffer, Brumme 1998, 13-21), auch wenn sich in <strong>den</strong><br />
letzten Jahren auf diesem Gebiet einiges getan hat. Grundlegende Werke<br />
sind der Tagungsband „Veterinärmedizin im Dritten Reich“ der Fachgruppe<br />
Geschichte der Veterinärmedizin der Deutschen Veterinärmedizinischen<br />
Gesellschaft 3 und die in der Folge der Tagung entstan<strong>den</strong><br />
Dissertationen zu dieser Thematik, die sich unter anderem mit der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover im Nationalsozialismus (Schimanski<br />
1997) oder mit der Problematik der jüdischen Tierärzte im Deutschen<br />
Reich (Möllers 2002) beschäftigt haben. Auch die Geschichte der<br />
veterinärmedizinischen Fakultäten in Gießen (1933-1957) und Leipzig<br />
(1933-1945) wurde in zwei Dissertationen erfasst (Orlob 2003; Riedel<br />
2004).<br />
Die Geschichte der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der LMU München zur Zeit des<br />
Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit ist in der offiziellen<br />
Geschichtsschreibung der Fakultät bisher kaum bearbeitet wor<strong>den</strong> 4 . Die<br />
wenigen vorhan<strong>den</strong>en Berichte bestehen vor allem aus Auflistungen der<br />
Lehrstuhlbesetzungen und der Gebäudeschä<strong>den</strong> nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg und sie mün<strong>den</strong> in die Darstellung des Wiederaufbaus der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, verbun<strong>den</strong> mit hagiographischen Würdigungen der<br />
daran beteiligten Personen (Pschorr 1950; Westhues 1965; Boessneck<br />
1965; Boessneck 1972). Lediglich blumig umschreibende Zitate befassen<br />
sich mit der Schließung der Fakultät 1939 und deren Grün<strong>den</strong>. Eichhorn<br />
(1951, 74-75) berichtet in seiner Dissertation, das Reichserziehungsministerium<br />
habe eine möglichst große Anzahl von Hochschulen schließen<br />
wollen, und die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München konnte trotz Überfüllung<br />
der anderen tierärztlichen Bildungsstätten und vielfältiger Bemühungen<br />
während des Krieges nicht wiedereröffnet wer<strong>den</strong>. In der Festschrift zur<br />
200-Jahrfeier der Fakultät wird die Zeit des Nationalsozialismus nur kurz<br />
in Form eines Zeitzeugenberichts abgehandelt (Gylstorff 1990, 31-37) 5 .<br />
Dabei wird die Berufung Jöchles auf <strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong> Hufkunde anstelle<br />
3 „Veterinärmedizin im Dritten Reich“, 5. Tagung der Fachgruppe Geschichte der<br />
Veterinärmedizin der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft am 14.-15.11.1997 in<br />
Hannover. – Publiziert von Johann Schäffer (Hrsg. 1998): Veterinärmedizin im Dritten Reich,<br />
5. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte der Veterinärmedizin, 1997. Verlag der Deutschen<br />
Veterinärmedizinischen Gesellschaft, Gießen.<br />
4 Vgl. Heiber 1994, 204. Da Heiber eine Vielzahl an Universitäten beschreibt, kann er<br />
naturgemäß nur einen Überblick verschaffen, aber nicht auf die Details eingehen.<br />
5 Augenzeugenbericht. Vgl. Schäffer, Gunther 1998, 278.
16<br />
des von dem Veterinärinspekteur des Heeres, Prof. Dr. Curt Schulze,<br />
vorgeschlagenen Kandidaten als einer der ausschlaggeben<strong>den</strong> Gründe <strong>für</strong><br />
die Schließung der Fakultät während des gesamten Krieges genannt. <strong>Ein</strong>e<br />
Darstellung der Gesamtuniversität von 1933 bis 1936 geht ebenfalls kaum<br />
auf die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät ein (Böhm 1995) und Böhm gesteht ein,<br />
„gerade die Zeit des Dritten Reichs blieb in der sonst gut erforschten<br />
Münchener Universitätsgeschichte bisher fast gänzlich ausgespart.“ Die<br />
Festschriften und die Fakultätenbände zu <strong>den</strong> Universitätsjubiläen streifen<br />
das Thema, wenn überhaupt, nur am Rande und die Biographien einzelner<br />
Persönlichkeiten und Berichte über <strong>den</strong> stu<strong>den</strong>tischen Widerstand bearbeiten<br />
nur wenige Schwerpunkte (Böhm 1995, 15-16).<br />
Zur Person von Prof. Hans Jöchle wurde bisher nichts veröffentlicht, was<br />
seiner Bedeutung als Landwirtschaftsrat <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, Professor <strong>für</strong><br />
Hufkrankheiten, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und Beschirrungslehre und<br />
Leiter der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München auch nur im mindesten<br />
angemessen wäre. Die Erinnerungen von Walther Baier erwähnen Hans<br />
Jöchle nur am Rande als Assistenten unter Professor Moser (Baier 1990).<br />
Erst nach Jöchles Tod 1968 widmete ihm die Jahreschronik der LMU<br />
einen 1-seitigen <strong>Leben</strong>slauf (Fritsch 1970). Auch die Chroniken der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München enthalten nur Kurzbiographien in Form<br />
weniger Sätze, die Jöchle als Landwirtschaftsrat, außeror<strong>den</strong>tlichen<br />
Professor und Leiter der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule darstellen<br />
(Boessneck 1972; Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch 1990). In der Chronik der<br />
Chirurgischen Tierklinik, die das Institut <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde<br />
1947 übernahm, ist Jöchle gänzlich ausgeklammert (Matis 1990).<br />
Der <strong>Hufbeschlag</strong> wurde vor und während des Zweiten Weltkriegs in <strong>den</strong><br />
einschlägigen Fachzeitschriften, von <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>smetho<strong>den</strong> bis zur<br />
Nomenklatur, heftig diskutiert. Schon 1933 appellierte Friedrich in der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Rundschau in mehreren Aufsätzen, die deutschen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>lehren zu vereinheitlichen (Friedrich 1933). Diese Auseinandersetzungen<br />
wirkten sich auch auf die Vita von Hans Jöchle aus.
1.2 Quellen und Methodik<br />
17<br />
Die Arbeit basiert auf der historiographischen Erfassung, Dokumentation<br />
und Auswertung eines umfangreichen originären Quellenmaterials, zum<br />
einen aus dem persönlichen Nachlass von Hans Jöchle in Form von<br />
Urkun<strong>den</strong>, Dokumenten und Briefen, die sein Sohn, Prof. Dr. Wolfgang<br />
Jöchle (USA), zur Verfügung stellte. Zum Zweiten existiert aussagekräftiges<br />
Archivmaterial aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv und<br />
Kriegsarchiv München, dem Universitätsarchiv München, dem Staatsarchiv<br />
München, dem Stadtarchiv München und dem Archiv der TiHo<br />
Hannover.<br />
Im Universitätsarchiv der LMU München befin<strong>den</strong> sich Personal- und<br />
Berufungsakten des Akademischen Senats zu Hans Jöchle und zu anderen<br />
Professoren der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, sowie Akten des Verwaltungsausschusses<br />
der LMU München und Senatsprotokolle, die jedoch recht<br />
lückenhaft sind. <strong>Ein</strong> großer Teil der Akten der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät ging<br />
im Zweiten Weltkrieg verloren (UAM 2004, schriftl. Mitt.). Sie wer<strong>den</strong><br />
ergänzt durch Akten zu Hans Jöchle, die sich im Bestand des Bayerischen<br />
Hauptstaatsarchivs befin<strong>den</strong> und von der Regierung von Oberbayern<br />
stammen. Das Bayerische Hauptstaatsarchiv besitzt außerdem Material aus<br />
dem Bayerischen Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus und dem<br />
Innenministerium, das sich auf das Institut <strong>für</strong> Hufkunde, die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Fakultät und ihre Professoren, die Entnazifizierung und die Wiedereröffnung<br />
bezieht. Die Akten des Staatsministeriums <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus zur Chirurgischen Tierklinik (BayHStA MK 69666) zwischen dem<br />
5. und dem 30. Dezember 1947, sowie ein Teil der Akten zur or<strong>den</strong>tlichen<br />
Professur <strong>für</strong> Chirurgie und der Chirurgischen Klinik (BayHStA MK<br />
69631) sind jedoch aus „Datenschutzgrün<strong>den</strong>“ gesperrt. In anderen Akten<br />
fehlt jeglicher Inhalt aus der Zeit zwischen 1936 und 1945. Im Staatsarchiv<br />
München sind die Spruchkammerakten von Hans Jöchle und anderen<br />
Professoren der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät erhalten. Die Spruchkammerakten<br />
sind jedoch hinsichtlich ihrer Glaubhaftigkeit recht kritisch zu behandeln.<br />
<strong>Ein</strong>ige wenige Akten der Bundesarchive in Berlin ermöglichen eine<br />
Ergänzung der Thematik. Leider sind die Wehrmachtpersonalunterlagen<br />
von Hans Jöchle und Melchior Westhues in der Deutschen Dienststelle in<br />
Berlin nicht überliefert und so sind die Dienstzeiten nicht mehr<br />
nachzuvollziehen (Deutsche Dienststelle Berlin 2005, schriftl. Mitt.). Die<br />
Bücher sämtlicher bayerischer <strong>Hufbeschlag</strong>schulen wer<strong>den</strong> im Archiv des<br />
Bayerischen Haupt- und Landgestüts Schwaiganger aufbewahrt, wo sich
18<br />
heute die letzte <strong>Hufbeschlag</strong>schule Bayerns befindet (Wolpert 6 2005, mdl.<br />
Mitt.).<br />
<strong>Ein</strong>e dritte Quellenbasis bil<strong>den</strong> sowohl biographisch wertvolle Hinweise<br />
als auch streng fachbezogene, die Hufkunde und <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
betreffende Beiträge in veterinärmedizinischen Fachzeitschriften (Berliner<br />
und Münchener tierärztliche Wochenschrift, Deutsche tierärztliche Wochenschrift,<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Umschau, <strong>Tierärztliche</strong> Mitteilungen, Deutsches<br />
Tierärzteblatt und verschie<strong>den</strong>e Zeitschriften <strong>für</strong> Tierzucht). Insbesondere<br />
die Zeitschriften<br />
- „Der Hufschmied“ (1920-1944) 7<br />
- „Zeitschrift <strong>für</strong> Veterinärkunde“ (1916-1944) 8<br />
- „Bayerische Schmiedezeitung“ (1925-1941) 9<br />
- „Die Schmiede-Werkstatt“ (1947-1958) 10<br />
- „Zucht und Sport“ (1927-1934) 11<br />
- „Deutsches Kaltblut“ (1929-1936)<br />
wur<strong>den</strong> systematisch ausgewertet, da sie das Wirken Jöchles im Bereich<br />
<strong>Hufbeschlag</strong> und Pferdezucht zu dokumentieren vermögen. Zur Ergänzung<br />
wurde das Personen- und Vorlesungsverzeichnis der Universität München<br />
herangezogen.<br />
Die Sekundärliteratur in Form der oben genannten Chroniken der<br />
Universität München, aber auch Biographien sowie schriftlich festgehaltene<br />
Erinnerungen und Rückblicke von Zeitzeugen (Koch 1972; Baier<br />
1990) ergänzen die Vita Jöchles und tragen dazu bei, <strong>den</strong> Zeitgeist zu<br />
erfassen (Koch 1973; Jäger 1989).<br />
Hans Jöchle selbst publizierte in folgen<strong>den</strong> Periodika: Deutsches<br />
Tierärzteblatt, Deutsche landwirtschaftliche Tierzucht, Deutsches Kaltblut,<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Rundschau, Wochenblatt der Landesbauernschaft Bayern,<br />
Zeitschrift <strong>für</strong> Gestütkunde und Pferdezucht, Zucht und Sport, Die<br />
Schmiede-Werkstatt und Der Bayerische Schmied. Außerdem ist die<br />
Dissertation von Hans Jöchle 12 in der <strong>Bibliothek</strong> der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakul-<br />
6<br />
Dr. Erwald Wolpert war von 1972 bis 1990 Gestütstierarzt und Leiter der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
Schwaiganger.<br />
7<br />
1944 Erscheinen eingestellt.<br />
8<br />
1945 Erscheinen eingestellt.<br />
9<br />
1941 Erscheinen eingestellt.<br />
10<br />
Erster Jahrgang 1947.<br />
11<br />
1934 Erscheinen eingestellt.<br />
12<br />
Jöchle, Hans (1920): Versuche zur Bekämpfung der Dasselplage mit giftigen Gasen.<br />
München, Ludwig-Maximilians-Universität, <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät, Diss.
19<br />
tät München erhalten, und auch sein Buch über Huf- und Klauenpflege 13<br />
liegt vor.<br />
Leider sind aufgrund des großen zeitlichen Abstands zu <strong>den</strong> Hauptgeschehnissen<br />
in <strong>den</strong> 1930er und 40er Jahren kaum noch Zeitzeugen am<br />
<strong>Leben</strong>. Grundsätzlich bereitet es Schwierigkeiten, repräsentative und<br />
objektive Zeitzeugen <strong>für</strong> die „Oral History“ zu fin<strong>den</strong>, zumal im<br />
Nachhinein vieles beschönigt wird oder unausgesprochen bleibt. Auch ein<br />
oft reduziertes Erinnerungsvermögen und ein sehr begrenztes Faktenwissen<br />
drängen die Personenbefragung zu diesem Thema immer mehr in<br />
<strong>den</strong> Hintergrund und es bleibt nur das Aktenstudium als Quellenmaterial<br />
(Böhm 1995, 20).<br />
13 Jöchle, Hans, und Fritz Stockklausner (1937): Huf- und Klauenpflege. Arbeiten des<br />
Reichsnährstandes. Band 28. Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin.
2 Biographie<br />
2.1 Herkunft und Schulzeit<br />
20<br />
Am 29. März 1892 kam Hans Jöchle in Erkheim bei Memmingen auf dem<br />
Hof seiner Eltern, der Landwirtseheleute Wilhelm und Elisabeth Jöchle,<br />
zur Welt (UAM Sen-I-145, <strong>Leben</strong>slauf). Sein Vater (geb. am 25. Juni 1855<br />
in Erkheim) war Sohn des Söldners und Bauern Johannes Jöchle und seiner<br />
Ehefrau Theresia, geborene Huber. Er hatte <strong>den</strong> Hof Nr. 66 von seinem<br />
Vater übernommen und war zusätzlich noch <strong>für</strong> die Forstarbeiten in und<br />
um Erkheim verantwortlich. Elisabeth Jöchle kam am 18. Oktober 1854 im<br />
selben Ort als Tochter des Schusters Anton Zedelmayer und seiner Ehefrau<br />
Balbina, geborene Hörterich, zur Welt (UAM Sen-I-145, Abstammungsnachweis<br />
von H. Jöchle 1938). Die Ehe schlossen die bei<strong>den</strong> am 13. Februar<br />
1879 in Erkheim (Standesamt Erkheim). Die Familie hatte einen<br />
mittelgroßen Hof mit 79 Tagwerken zu bewirtschaften, der zwei Pferde,<br />
eine Rinderherde und einige Schweine umfasste (Jöchle, W. 2004, mdl.<br />
Mitt).<br />
Abb. 2: Das Geburtshaus von Hans Jöchle in Erkheim, Lerchenweg 1,<br />
(früher Nr. 66). Das Haus wurde 1961 abgebrochen und durch einen<br />
Neubau ersetzt.
Johannes Jöchle<br />
* 27.09.1828<br />
�<br />
Theresia Huber<br />
* 22.03.1837<br />
Anton Zedelmayer<br />
* 16.05.1816<br />
�<br />
Balbina Hörterich<br />
* 06.02.1820<br />
in Siebnach<br />
21<br />
Wilhelm Jöchle<br />
* 25.06.1855<br />
† 13.05.1932<br />
� 14.02.1879<br />
Elisabeth Zedelmayer<br />
* 18.10.1854<br />
† 18.08.1943<br />
Balbina<br />
* 18.10.1878<br />
† 18.03.1965<br />
Johann Georg<br />
* 27.01.1880<br />
† 29.09.1950<br />
Wilhelm<br />
* 06.10.1881<br />
† 07.11.1882<br />
Theresia<br />
* 15.01.1883<br />
† 11.08.1976<br />
Elisabetha<br />
* 21.11.1884<br />
† 18.06.1964<br />
Kreszenzia<br />
* 12.06.1886<br />
† 03.08.1886<br />
Barbara<br />
* 09.10.1888<br />
† 03.04.1969<br />
Anton<br />
* 05.02.1891<br />
† 26.04.1971<br />
Johannes<br />
* 29.03.1892<br />
† 26.02.1968<br />
Maria<br />
* 22.10.1897<br />
† 10.12.1975<br />
Abb. 3: Genealogie der Familie Jöchle. Alle Personen ohne gesondert<br />
vermerkten Geburtsort sind in Erkheim geboren.
22<br />
Johannes Jöchle, später „Hans“ gerufen, war das neunte Kind der Familie<br />
(UAM Sen-I-145, <strong>Leben</strong>slauf von H. Jöchle) und wurde nach seinem<br />
Großvater benannt. Die älteste Tochter war am 18. Oktober 1878 als<br />
uneheliches Kind zur Welt gekommen und wurde deshalb als Balbina<br />
Zedelmayer eingetragen. Das war im ländlichen Raum zu dieser Zeit nichts<br />
Ungewöhnliches und wurde akzeptiert, wenn die Vaterschaft feststand und<br />
das Kind später durch Heirat „legitimiert“ wurde. Das zweite Kind, Johann<br />
Georg, wurde erst nach der Hochzeit am 27. Januar 1880 in Erkheim<br />
geboren, das dritte, Wilhelm, am 6. Oktober 1881. Er verstarb schon im<br />
Alter von einem Jahr. Die Schwestern Theresia, Elisabetha und Kreszenzia<br />
folgten im Abstand von jeweils ein bis zwei Jahren, wobei die letztere<br />
schon nach zwei Monaten, im August 1886, verstarb. Wie alle Jöchle-<br />
Kinder wur<strong>den</strong> auch Barbara (9. Oktober 1888) und Anton (5. Februar<br />
1891) in Erkheim geboren. Daraufhin folgten Johannes und am 22. Oktober<br />
1897 Maria (Standesamt Erkheim; Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).<br />
Der um ein Jahr ältere Bruder Anton war als Kind sehr schwach und<br />
forderte die volle Kraft der Mutter. Deshalb wurde Hans Jöchle als<br />
Säugling zu Verwandten auf einen <strong>Ein</strong>ödhof in Sankt Johann, in der Nähe<br />
Erkheims, gegeben und wuchs dort als <strong>Ein</strong>zelkind auf (Dycke 2005, mdl.<br />
Mitt.). Das Anwesen umfasste einen landwirtschaftlichen Betrieb und eine<br />
Wirtschaft. <strong>Ein</strong>e unverheiratete Tante, Josepha Fritz, geb. Jöchle (1880-<br />
1965), die jüngste Schwester von Wilhelm Jöchle, übernahm dabei die<br />
Betreuung von Hans Jöchle. Hans hielt Josepha längere Zeit <strong>für</strong> seine<br />
Mutter (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.). Erst als er, um die Schule<br />
besuchen zu können, zurück nach Erkheim sollte, wurde ihm bewusst, dass<br />
er nicht im Elternhaus aufgewachsen war und eigentlich viele Geschwister<br />
hatte. Diese Erkenntnis war ein harter Schlag <strong>für</strong> ihn (Jöchle, W. 2004,<br />
mdl. Mitt.). Seine Eltern sprach er, wie seine Geschwister auch, mit<br />
„Ihr/Euch“ an (Jöchle, J. 2005, mdl. Mitt.; Jöchle, W. 2005, mdl. Mitt.).<br />
Hans Jöchle besuchte vom 1. Mai 1898 bis zum 1. September 1905 die<br />
katholische Volksschule in Erkheim (PrivAWJ, Jöchle, H. 1951; Verzeichnis<br />
der Werktagsschule zu Erkheim pro 1904/05) und am 1. Mai 1905<br />
trat er in die ortsansässige Sonntagsschule ein. Der Ort war damals streng<br />
in einen katholischen und einen protestantischen Teil getrennt, und so<br />
waren auch die Schulen getrennt 14 . Es war üblich, dass aus jeder größeren<br />
Landwirtsfamilie ein Kind einen geistlichen Weg einschlagen sollte. Da<br />
14 Die konfessionelle Trennung war eine Folge des Augsburger Religionsfrie<strong>den</strong>s von 1555<br />
und wurde im gesamten „Deutschen Reich“ erst 1938 aufgehoben (Prestel 2002, 112; Jöchle,<br />
W. 2005, schriftl. Mitt.).
23<br />
Hans Jöchle in der Schule sehr gute Leistungen erbrachte und nur knapp<br />
die Note 1 verpasst hatte, wurde er, nachdem er die siebenjährige Schulpflicht<br />
absolvierte hatte, auserwählt, Pfarrer zu wer<strong>den</strong>. Die ganze Familie<br />
investierte in diese Ausbildung, um ihn, auf Empfehlung des katholischen<br />
Ortspfarrers Joseph Rohrhirsch, nach Dillingen auf das humanistische<br />
Gymnasium, im Volksmund „Pfarrschmiede“, schicken zu können.<br />
In Dillingen trat er am 20. September 1905 an (Lang 2005, mdl. Mitt.) und<br />
schloss am 14. Juli 1913 mit der Reifeprüfung ab (PrivAWJ, Jöchle, H.<br />
1951; Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Das Internat in Dillingen war zu teuer,<br />
deshalb mietete er extern ein Zimmer bei einer Frau in Dillingen. „Aber<br />
ihm haben bald die Mädle besser gefallen als der Chorrock, und da kam<br />
dann der Umstieg in das tierärztliche Fach“ (Dycke 2005, mdl. Mitt.).<br />
Durch einen Pfarrer in der Familie hatte man sich einen besseren Draht<br />
zum Himmel erhofft, aber zum Entsetzen der ganzen weiblichen<br />
Verwandtschaft verkündete Hans Jöchle (um 1910), dass er Tierarzt<br />
wer<strong>den</strong> wolle und zog sich damit <strong>den</strong> Ärger all derer zu, die, um seine<br />
Schulbildung zu finanzieren, auf einiges hatten verzichten müssen (Jöchle,<br />
W. 2004, mdl. Mitt.). Sein Vater akzeptierte jedoch diese Entscheidung<br />
und sagte ihm die finanzielle Unterstützung <strong>für</strong> das Studium zu. Das im<br />
Allgäu seit kurzem etablierte genossenschaftliche Molkereiwesen verschaffte<br />
<strong>den</strong> Bauern ein geregeltes <strong>Ein</strong>kommen und damit die Möglichkeit<br />
der Finanzplanung (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).<br />
Johann Georg ergriff <strong>den</strong> Beruf seines Vaters und auch die Schwestern<br />
wur<strong>den</strong> standesgemäß mit einem Landwirt verheiratet. <strong>Ein</strong>e Ausnahme<br />
bildete Barbara Jöchle, die Näherin in Erkheim wurde. Sie blieb unverheiratet<br />
und pflegte ihre Eltern bis zu deren Tod. Anton Jöchle ergriff <strong>den</strong><br />
Beruf des Schmiedemeisters in Erkheim und gab Name und Beruf später<br />
auch an seinen Sohn weiter (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.; Jöchle, A. jun.<br />
2005, mdl. Mitt.). Ob der Beruf seines älteren Bruders Hans Jöchle dazu<br />
anregte, sich im Hufschmiedegewerbe zu engagieren oder ob die Aussicht<br />
auf einen, aus damaliger Sicht, sicheren Arbeitsplatz bei der Wiederherstellung<br />
bzw. Instandhaltung des Verkehrsmittels „Pferd“ <strong>den</strong> Ausschlag<br />
zur Berufswahl gaben, bleibt unklar.
2.2 Kriegsstudium<br />
24<br />
Schon 1892 stellte Prinzregent Luitpold die Professoren der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Hochschule München <strong>den</strong> Universitätsprofessoren gleich. Sie wur<strong>den</strong> in<br />
or<strong>den</strong>tliche und außeror<strong>den</strong>tliche Professoren unterteilt. Das war an<br />
anderen <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschulen in Deutschland noch nicht üblich. Ab<br />
dem 1. April 1903 wurde das Reifezeugnis eines Gymnasiums, Realgymnasiums<br />
oder einer Oberrealschule Voraussetzung <strong>für</strong> das Studium der<br />
Veterinärmedizin. Die Münchner <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule erhielt schließlich<br />
1910 auch als erste das selbständige Promotionsrecht und setzte das<br />
Prädikat Dr. med. vet. durch. Die übrigen deutschen tierärztlichen Ausbildungsstätten<br />
folgten diesem Beispiel und mussten <strong>den</strong> in München<br />
geschaffenen Titel übernehmen. Schon im Frühjahr 1910 hatte München<br />
auch eine Habilitationsordnung erhalten (Boessneck 1972, 304-309). Am<br />
1. April 1913 trat die 3. Prüfungsordnung in Kraft und führte das 8. Semester<br />
ein. Die Studieren<strong>den</strong> hatten damit eine tierärztliche Vorprüfung<br />
abzulegen, die einen naturwissenschaftlichen Teil nach dem dritten<br />
Semester und einen anatomisch-physiologischen Abschnitt nach dem<br />
vierten Semester umfasste. Nach dem 8. Semester war dann die tierärztliche<br />
Prüfung in sieben Fächern vorgesehen. Schon hier wur<strong>den</strong> Hufkunde<br />
und <strong>Hufbeschlag</strong>skunde der Chirurgie zugeordnet (Eichhorn 1951, 43-44;<br />
Boessneck 1972, 309).<br />
Die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule (die spätere <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät) lag<br />
idyllisch am Rand des Englischen Gartens. Doch die Klänge der Schmiedehämmer<br />
gaben der Nachbarschaft ständig Anlass zu Beschwer<strong>den</strong>.<br />
Mitten im Hof stan<strong>den</strong> zwei Holzbaracken, in einer davon wur<strong>den</strong> die<br />
Chemie-Kurse <strong>für</strong> die Stu<strong>den</strong>ten abgehalten. Die erforderlichen Neubauten<br />
wur<strong>den</strong> nicht genehmigt. Drumherum führte eine ovale Fahrstraße, auf der<br />
auch Pferde und Rinder bewegt und Lahmheitsuntersuchungen durchgeführt<br />
wur<strong>den</strong>. Teilweise fand hier auch der klinische Unterricht statt. Die<br />
anderen Gebäude waren rings um diesen Hof angeordnet (Koch 1972, 3-6).<br />
Schon 1910 hatte der allgemeine Verband der Studieren<strong>den</strong> der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule München an das Kultusministerium und <strong>den</strong><br />
Landtag Petitionen gerichtet, in welchen die unhaltbaren Zustände in <strong>den</strong><br />
einzelnen Instituten der Hochschule geschildert wur<strong>den</strong>, und hatte deren<br />
Beseitigung gefordert (Eichhorn 1951, 26). So stand die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Hochschule an letzter Stelle der deutschen Ausbildungsstätten. Lediglich<br />
der Freizeitwert lockte viele Stu<strong>den</strong>ten <strong>für</strong> die vorklinischen Semester nach<br />
München. In der näheren Umgebung der Hochschule hatten sich die<br />
Verbindungshäuser etabliert (Koch 1972, 2, 4).
25<br />
Hans Jöchle kam im WS 1913/14 an die Königliche Bayerische <strong>Tierärztliche</strong><br />
Hochschule, an der sich die wesentlichen Rahmenbedingungen erst<br />
vor kurzem so grundlegend geändert hatten. In diesem Semester waren an<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule 411 Studierende eingeschrieben (Eichhorn<br />
1951, 42). Doch schon im Oktober 1914 (Voit 1926, 119) wurde die<br />
Hochschule durch besonderen <strong>Ein</strong>satz von Prinz Ludwig in die Universität<br />
eingegliedert. Die Universität wollte die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät aber nicht<br />
so recht als gleichwertige Fakultät anerkennen und so musste sie immer<br />
wieder als Beispiel <strong>für</strong> nichtwissenschaftliche, halb-akademische Arbeit<br />
herhalten. Auch in der Öffentlichkeit war die Veterinärmedizin wenig<br />
angesehen. Die im Geist des historisch-literarischen Humanismus erzogene<br />
Bürgerschicht hatte Probleme, die Veterinäre, die sich aus dem Milieu der<br />
Schmiede und Abdecker entwickelt hatten, als Akademiker anzuerkennen<br />
(Koch 1972, 1).<br />
Die Stu<strong>den</strong>ten rekrutierten sich hauptsächlich aus Tierarzt- und Bauernsöhnen.<br />
Während der Tierarzt-Nachwuchs <strong>den</strong> Anschein erweckte, ohnehin<br />
alles - besser - zu wissen, waren die Bauernsöhne bestrebt, die ihnen ermöglichte<br />
Ausbildung zu nutzen und möglichst viel zu lernen. Dazwischen<br />
fan<strong>den</strong> sich einige Theologen, die umgesattelt hatten (Koch 1972, 13). <strong>Ein</strong><br />
Großteil der Veterinärstu<strong>den</strong>ten hatte sich einer Korporation angeschlossen,<br />
meistens einer farbentragen<strong>den</strong> Verbindung, und verpflichtete<br />
sich damit zu einer Zugehörigkeit auf <strong>Leben</strong>szeit (Baier 1990, 12).<br />
Bevorzugt wur<strong>den</strong> die Burschenschaft „Alemannia“ und die Corps „Saxo-<br />
Thuringia“, „Suebo-Salingia“ und „Vandalia“. Für das Studium wurde eine<br />
möglichst aufs Praktische ausgerichtete Ausbildung angestrebt. Nur eine<br />
Minderheit der Stu<strong>den</strong>ten, meistens städtischer Herkunft, ergriff <strong>den</strong> Beruf,<br />
um kranken Tieren helfen zu können. Für die Mehrheit der meist vom<br />
Lande stammen<strong>den</strong> Stu<strong>den</strong>ten war „Tierschutz“ ein Fremdwort, und es<br />
stan<strong>den</strong> eher die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund (Koch 1972,<br />
14-15).<br />
Wenn einem begabten süddeutschen, katholischen Bauernsohn das<br />
Studium ermöglicht wurde, war es selbstverständlich, dass er Theologie<br />
studierte und Pfarrer wurde. Erst wenn Probleme mit dem Zölibat auftauchten,<br />
wurde oft umgesattelt. Die Humanmedizin wurde auf dem Land<br />
von örtlichen Heilkundigen ausgeübt. Dem „studierten Doktor“ wurde eher<br />
misstraut. <strong>Ein</strong> Jurist lebte vom Betrug, das war nichts <strong>für</strong> einen ehrlichen<br />
Bauernsohn. Und Lehrer und Beamte waren aus Sicht der Bauern schlecht<br />
bezahlte Knechte. So blieb nur die Tiermedizin: <strong>Ein</strong>en Tierarzt, „<strong>den</strong><br />
braucht man, und der wird gut bezahlt. Man kann ja sehen, daß Tierärzte,
26<br />
soweit sie nicht saufen, bald einen stattlichen Hof sich erwerben können“<br />
(Koch 1972, 37-38). Das war die weit verbreitete Meinung.<br />
Der Besuch der Universität war mit einigen Opfern verbun<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n an<br />
je<strong>den</strong> Professor musste, abhängig von der Stun<strong>den</strong>zahl und Art der Lehrveranstaltung,<br />
ein „Honorar-Betrag mit Dienergeld, Praktikums-Beitrag<br />
und Instituts-Gebühr“ bezahlt wer<strong>den</strong>. Die Beträge variierten zwischen<br />
25,- und 80,- RM pro Semester (PrivAWJ, Kollegienbuch Hans Jöchle<br />
1919). Der Studierende hatte sich zunächst in die <strong>für</strong> die betreffende<br />
Vorlesung oder Übung ausliegende Inskriptionsliste einzutragen. Diese<br />
Listen lagen vom 15. Oktober bis 15. November und vom 15. April bis<br />
zum 15. Mai aus. Die <strong>Ein</strong>tragung in die Inskriptionsliste verpflichtete zur<br />
Bezahlung des Kollegiengeldes <strong>für</strong> die jeweilige Vorlesung oder Übung,<br />
wenn der <strong>Ein</strong>trag nicht bis zu einem Stichtag wieder gestrichen wurde. Die<br />
Ausgabe von Hörsaalkarten, gegebenenfalls mit Platznummern, teilte <strong>den</strong><br />
Hörern bestimmte Plätze zu und ermöglichte <strong>den</strong> Aufruf der Hörer in einer<br />
bestimmten Reihenfolge (PrivAWJ, Kollegienbuch Hans Jöchle 1914-<br />
1919).<br />
Der Kriegsbeginn unterbrach das Studium Jöchles. Nach der deutschen<br />
Kriegserklärung an Russland und Frankreich drängten sich die jungen<br />
Männer vor <strong>den</strong> Rekrutierungsbüros. Im Zuge der allgemeinen Euphorie<br />
konnten sie es kaum erwarten, in <strong>den</strong> Krieg zu ziehen (Large 1998, 82).<br />
Jöchle kam als <strong>Ein</strong>jährig-Freiwilliger zum Dritten Artillerie-Regiment in<br />
München, in dem auch sein Vater und seine Brüder gedient hatten.<br />
Aufgrund des großen Andrangs wurde Jöchle vom Regiment entlassen und<br />
durfte die Truppe seiner Wahl ansprechen, das Erste Bayerische Schwere<br />
Reiter-Regiment am Oberwiesenfeld (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
Der Krieg forderte von Hans Jöchle zweimal die Unterbrechung des<br />
Studiums (PrivAWJ, Jöchle, H. 1951). Er war vom Winterhalbjahr<br />
1914/15 bis einschließlich Winterhalbjahr 1915/16 beurlaubt, weil er im<br />
Heer stand. Erst zur <strong>Tierärztliche</strong>n Vorprüfung, die er am 22. Juli 1916<br />
bestand (MKr OP 15233), wurde er nach München abkommandiert. Daran<br />
schloss sich ein erstes klinisches Semester in Uniform an (Jöchle, W. 2004,<br />
mdl. Mitt). Vom Winterhalbjahr 1916/17 bis einschließlich Winterhalbjahr<br />
1918/19 wurde er erneut beurlaubt, um seinen Heeresdienst abzuleisten<br />
(PrivAWJ, Kollegienbuch Hans Jöchle 1914-1919).<br />
Am 2. August 1914 trat Hans Jöchle als Kriegsfreiwilliger beim Ersten<br />
Schwere Reiter-Regiment der Bayerischen Kavallerie-Division in Mün-
27<br />
chen ein (PrivAWJ, <strong>Leben</strong>slauf von H. Jöchle, ca. 1927). Dort erhielt er im<br />
Herbst 1914 seine Grundausbildung im Reiten (Jöchle, W. 2004, mdl.<br />
Mitt.) und wurde „militärisch mit Karab. 96 und der Stahlrohrlanze<br />
ausgebildet“ (MKr OP 15233). Schießen lernte Jöchle erst, „als 1915<br />
abgesessen wurde und es in die Schützengräben der erstarrten Westfront<br />
ging“ (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Schon am 3. November 1914 ging er<br />
als Reiter mit der Ersatz-Eskadron ins Feld 15 und am 11. Juli 1915 wurde<br />
er zum Gefreiten befördert (MKr OP 15233).<br />
Beim <strong>Ein</strong>satz an der Ostfront erlitt Jöchle am 29. Juli 1915 durch einen<br />
Schuss eine leichte Verwundung des linken Oberarms 16 (MKr OP 15233;<br />
UAM Sen-I-145) und zwei Monate später wurde ihm im Namen seiner<br />
Majestät des Deutschen Kaisers Wilhelm II., König von Preußen, das<br />
Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen. Daraufhin wurde er am 18. Oktober<br />
1915 zum Unteroffizier befördert und konnte vom 4. Dezember 1915 bis<br />
zum 12. Februar 1916 am Übungskurs <strong>für</strong> Fahnenjunker und Offiziersaspiranten<br />
in Grafenwöhr teilnehmen. Dort beurteilte man ihn als gereiften,<br />
zuverlässigen Charakter von guten Umgangsformen und guter Erziehung,<br />
der auch aus militärischer Sicht die besten Führungseigenschaften vereinte<br />
(MKr OP 15233). So konnte er am 11. Februar 1916 als Vizewachtmeister<br />
zur Ersatz-Eskadron des Ersten Schweren Reiter-Regiments München<br />
zurückkehren (PrivAWJ, <strong>Leben</strong>slauf von H. Jöchle, ca. 1927).<br />
„Im Frühsommer 1916 versuchte die deutsche Heeresleitung durch<br />
eine massive Kavallerieattacke, zu der drei Kavalleriedivisionen<br />
wieder in <strong>den</strong> Sattel gesetzt wor<strong>den</strong> waren, die Ostfront aufzubrechen.<br />
Jöchle hat diese Attacke mitgeritten, die unmittelbar vor<br />
<strong>den</strong> russischen Linien abgebrochen wurde [...]. Der Plan der<br />
Deutschen war verraten wor<strong>den</strong> und die Russen hatten auf der<br />
ganzen geplanten Durchbruchstelle schwere Maschinengewehre in<br />
Stellung gebracht. Gegenspionage hatte das in letzter Minute<br />
aufgedeckt. So ist ein unvorstellbares Massaker vermie<strong>den</strong> wor<strong>den</strong>.<br />
Danach ist die deutsche Kavallerie bis auf Restverbände endgültig<br />
abgesessen“ (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
15<br />
Vom 12. bis 24. November 1914 wurde er bei der Schlacht bei Ypern eingesetzt (UAM E-<br />
II-1898).<br />
16<br />
Nach einem Vormerkungsbogen von 1940 aus der Personalakte des Akademischen Senats<br />
zu Jöchle wurde er erst am 31. Juli 1915 verwundet, was durchaus möglich wäre, da er vom<br />
30. Juli bis 7. August 1915 im Kampfgebiet um Kupischki eingesetzt wurde (UAM E-II-<br />
1898).
28<br />
Wegen des inzwischen eingetretenen Mangels an Truppenveterinären<br />
wurde Jöchle ab März 1916 ausschließlich zum Veterinärdienst herangezogen.<br />
Es erfolgte deshalb auch Ostern 1916 die Kommandierung zur<br />
Ersatz-Eskadron nach München, wo er <strong>für</strong> sechs Monate zur klinischen<br />
Ausbildung an <strong>den</strong> tierärztlichen Instituten der Universität freigestellt<br />
wurde 17 (PrivAWJ, <strong>Leben</strong>slauf von H. Jöchle, ca. 1927) und am 22. Juli<br />
1916 die <strong>Tierärztliche</strong> Vorprüfung ablegte (MKr OP 15233).<br />
„Nach <strong>den</strong> Mobilmachungsvorarbeiten hatten die Generalkommandos<br />
<strong>den</strong> Bedarf an Veterinären <strong>für</strong> die Kriegsstellen, <strong>für</strong> die der<br />
Bestand an Veterinären des aktiven und Beurlaubtenstandes nicht<br />
ausreichte, durch Verpflichtung nicht dienstpflichtiger Tierärzte<br />
sichergestellt. Der unerwartet große Bedarf machte jedoch<br />
weitergehende Maßnahmen notwendig. Die Generalkommandos<br />
wur<strong>den</strong> daher ermächtigt, die anfangs August Dienst mit der Waffe<br />
tuen<strong>den</strong>, approbierten Tierärzte ohne Rücksicht auf die<br />
zurückgelegte Dienstzeit zu Unterveterinären zu befördern, einerlei<br />
ob sie als Freiwillige eingestellt oder als Mannschaften des<br />
Beurlaubtenstandes oder Ersatzreserve einberufen waren. Ebenso<br />
können Studierende der Tierheilkunde, die 5 Semester studiert und<br />
die naturwissenschaftliche Prüfung bestan<strong>den</strong> haben, von <strong>den</strong><br />
Generalkommandos zu Feldunterveterinären befördert wer<strong>den</strong>“<br />
(MKr 10653, Übersicht über die Beförderungs- und Besoldungsverhältnisse<br />
der Veterinäre während des Krieges, ca. Oktober 1914).<br />
So wurde auch Jöchle am 3. Oktober 1916 zum Feldunterveterinär ernannt<br />
und es wurde ihm im Zuge der Kriegseinteilung der Veterinäre befohlen,<br />
sich „nach beschleunigter Erledigung seiner Vorbereitungen sofort nach<br />
Biala bei Brest-Litowsk in Marsch zu setzen, wo er bei dortiger<br />
Bahnhofskommandantur näheren Befehl über seinen Weitermarsch zu<br />
erholen hat“ (MKr 10684). Auf diesem Wege gelangte die Feldpostnummer<br />
776 (Anonym 1917, 38) zur Bayerischen Minenwerfer-<br />
Kompagnie 200 der Bayerischen Kavallerie-Division (MKr OP 15233).<br />
17 Der Mangel an Veterinären ging so weit, dass in Erwägung gezogen wurde, <strong>den</strong><br />
bayerischen Feldunterveterinären während des SS 1916 das Studium in München und am<br />
Ende die Ablegung der Fachprüfung zu ermöglichen. Dazu sollte die Kommandierung der<br />
Betreffen<strong>den</strong> zum Pferdelazarett des „st. Gen. Kdos. I. A.K.“ (Generalkommando I.<br />
Armeekorps) erfolgen, das unter der Leitung des Universitätsprofessors Dr. Leonhard Vogel,<br />
Oberstabsveterinär d. L. (der Landwehr), stand. Außerdem war dort unter anderen der<br />
Universitätsprofessor Dr. Moser als Stabsveterinär auf Kriegsdauer tätig. Damit sollte die<br />
nötige Fachaufsicht und Förderung der Studieren<strong>den</strong> gewährleistet wer<strong>den</strong> (MKr 10757,<br />
25.1.1916).
29<br />
Abb. 4: Hans Jöchle als Feldunterveterinär (ca. 1916), mit dem Eisernen<br />
Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet, das er im Stil der Zeit im Knopfloch der<br />
Jacke trägt.<br />
Die Veterinäroffiziere stan<strong>den</strong> nicht - wie die Sanitätsoffiziere - unter dem<br />
Schutz des Roten Kreuzes. Im Feld durften daher nur Veterinäroffiziere<br />
oder Unterveterinäre verwendet wer<strong>den</strong>, aber nicht die vertraglich<br />
angestellten, nicht dienstpflichtigen Tierärzte, die wegen des großen<br />
Bedarfs beschäftigt wur<strong>den</strong>, aber kein militärisches Dienstverhältnis<br />
hatten. Das forcierte die schnelle Heranbildung des Nachwuchses und<br />
machte die Beförderung von mindestens zwei Monate in ihrem Dienstgrad<br />
stehen<strong>den</strong> Unterveterinären des Beurlaubtenstandes möglich. Aus diesem<br />
Grunde erfolgte auch schon am 23. Januar 1917 die Beförderung Hans
30<br />
Jöchles zum Feldhilfsveterinär (Offizier) 18 (MKr OP 15233). Kurz darauf<br />
(29.01. - 10.7.1917) wurde er bei Stellungskämpfen am Stochod eingesetzt<br />
(UAM E-II-1898).<br />
Abb. 5: Jöchle (links, mit Blick zum Betrachter) bei der Untersuchung<br />
eines lahmen Pferdes, im „Waldlager“ der Minenwerfer-Kompagnie 200,<br />
zwischen Herbst 1916 und Frühjahr 1917.<br />
Anfang Juli 1917 wurde Jöchle als Abteilungsveterinär zur Ersten<br />
Bayerischen Maschinengewehr-Abteilung der Bayerischen Kavallerie-<br />
Division versetzt. „Seine Majestät der König haben Sich unterm 9. November<br />
1917 allergnädigst bewogen gefun<strong>den</strong>, dem Feld-Hilfsveterinär<br />
einer Maschinengewehr Abteilung Hans Jöchle das Militär-Verdienstkreuz<br />
1. Klasse mit Schwertern zu verleihen“ und am 5. Juni 1918 erhielt er das<br />
18 Wegen der Beförderung in <strong>den</strong> Offiziersrang musste Jöchle aus dem damals noch rein<br />
adligen Offizier-Korps des Ersten Bayerischen Schweren Reiter-Regiments (einem Garde-<br />
Regiment) ausschei<strong>den</strong> und wurde <strong>für</strong> <strong>den</strong> Rest des Krieges einer bespannten Schweren<br />
Maschinengewehr-Abteilung zugeteilt. Diese Abteilungen waren eine „Geheimwaffe“, die<br />
trotzdem das Kriegsende nicht beeinflussen konnte (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).
31<br />
„Verwundeten-Abzeichen <strong>für</strong> einmalige Verwundung“ (BayHStA MK<br />
43826). Jöchle blieb bei seiner Abteilung bis zur Rückkehr in die Heimat<br />
Weihnachten 1918 (MKr OP 15233). Das bedeutete, <strong>den</strong> <strong>Ein</strong>bruch in die<br />
Ukraine (UAM E-II-1898), die Krim und <strong>den</strong> Kaukasus mitzumachen. Die<br />
Abteilung stand schon 100 km vor Baku (Aserbaidschan) am Kaspischen<br />
Meer, als am 9. November 1918 zum Rückzug geblasen wurde. Auf der<br />
Flucht, auch vor <strong>den</strong> Engländern, gelang es der <strong>Ein</strong>heit, auf dem Seeweg<br />
Odessa und im Dezember 1918 Rumänien zu erreichen. Über Ungarn und<br />
Österreich gelangte Jöchle nach Passau. Bald danach kehrte er nach<br />
Erkheim im Allgäu zurück. Seit fast einem Jahr hatte die Familie nichts<br />
von ihm gehört. Sein Heimkommen galt fast als ein Wunder (Jöchle, W.<br />
2004, mdl. Mitt.). Vom 2. bis zum 29. Januar 1919 war er im Ersatz-<br />
Pferde-Depot Bamberg tätig (MKr OP 15233).<br />
Der Krieg stellte sehr hohe Anforderungen an die Veterinäre. Die<br />
Bekämpfung von Seuchen, die Behandlung kranker Pferde, aber auch die<br />
Gesunderhaltung der Pferde- und Viehbestände gehörten zu ihrem Aufgabenbereich.<br />
Aus <strong>den</strong> monatlichen Krankenrapporten und Seuchenberichten<br />
ist zu ersehen, dass im Februar 1917 insgesamt 235.492 Pferde, also 18 %<br />
des Bestandes, behandelt wur<strong>den</strong>. Aufgrund des Mangels an Veterinären<br />
waren aber nur 58 % der Veterinärstellen des Feldheeres besetzt. <strong>Ein</strong> guter<br />
Gesundheitszustand des Pferde- und Viehbestandes war aber <strong>für</strong> die<br />
Schlagfertigkeit und Beweglichkeit des Heeres von herausragender Bedeutung<br />
(MKr 10654, Brief des Generalquartiermeisters an das Königliche<br />
Kriegsministerium Berlin, 4. Mai 1917). Das veranlasste auch <strong>den</strong><br />
Bundesbruder Keller, aus dem Feld an die Philisterzeitung der Burschenschaft<br />
Apollo zu schreiben: „[...] müßt wissen, daß bei uns die Pferde - das<br />
einzige Beförderungsmittel - fast höher gewertet wer<strong>den</strong> als die<br />
Menschen!“ (Keller 1914, 8).<br />
<strong>Ein</strong> Brief des Allgemeinen Kriegs-Departments des Kriegsministeriums<br />
vom 31. August 1917 an die Bayerischen, Sächsischen und Württembergischen<br />
Kriegsministerien und an sämtliche Königlich Preußischen<br />
stellvertreten<strong>den</strong> Generalkommandos (MKr 10686) geht näher auf <strong>den</strong><br />
„großen Mangel an Veterinären im Feldheer und an Tierärzten in der<br />
Heimat“ ein. Deshalb sollte das Veterinär-Hilfspersonal im Feld- und<br />
Besatzungsheer eine bessere Ausbildung erhalten und vermehrt herangezogen<br />
wer<strong>den</strong>. Die schnelle Versorgung selbst kleiner Wun<strong>den</strong>, um eine<br />
Verschlimmerung zu vermei<strong>den</strong>, schien so wichtig, dass sogar die<br />
Be<strong>für</strong>chtung, solche Leute könnten sich später als Kurpfuscher betätigen,<br />
unwichtig wurde. Auch Veterinäroffiziere des Beurlaubtenstandes sollten
32<br />
neben dem „Veterinärdienst bei Formationen des Besatzungsheeres noch<br />
ihre bisherige Praxis ausüben können, soweit es der Truppendienst zuläßt“.<br />
Alleine die 14. Bayerische Infanterie-Division hatte beispielsweise im<br />
Februar 1917 einen Bestand von 2.075 Pfer<strong>den</strong>, davon 987 schwere Pferde<br />
(MKr 10733). Mit einem Krankenbestand von 150 Pfer<strong>den</strong> Ende Januar<br />
wur<strong>den</strong> durch Zugänge im Februar 360 Pferde behandelt und davon 167<br />
geheilt. Nicht nur die Seuchen machten <strong>den</strong> Pfer<strong>den</strong> zu schaffen, sondern<br />
auch die Überforderung bei ungenügendem Futter und schlechter<br />
Unterkunft schwächte die Leistungsfähigkeit der oft sehr jungen oder sehr<br />
alten Tiere. Auch der Mangel an pferdekundigen Offizieren und Unteroffizieren<br />
machte sich bemerkbar. Trotz allem sei der <strong>Hufbeschlag</strong> in<br />
Ordnung gewesen und die angeforderten Arzneien und Instrumente wur<strong>den</strong><br />
geliefert (MKr 10733, Februarbericht 1917 der 14. Bayerischen Infanterie-<br />
Division).<br />
Das Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus meldete am 10. Februar<br />
1919 an das Ministerium <strong>für</strong> militärische Angelegenheiten, dass in Bayern<br />
<strong>für</strong> alle Studieren<strong>den</strong>, auch die der Tierheilkunde, ein Zwischensemester<br />
<strong>für</strong> die Kriegsteilnehmer eingeschoben werde. Es hatte bereits am 4. Februar<br />
begonnen und sollte bis Mitte April dauern (MKr 10757). Doch die<br />
Revolution ließ an ein zügiges Been<strong>den</strong> des Studiums nicht <strong>den</strong>ken. Noch<br />
am 6. April hatten die Ausschüsse des Kriegsteilnehmerverbandes aller<br />
Fakultäten dem vorläufigen Stu<strong>den</strong>tenrat ihr Vertrauen ausgesprochen. Am<br />
nächsten Tag wurde in München dann die Räterepublik ausgerufen. Der<br />
revolutionäre Stu<strong>den</strong>tenrat ließ auf dem Universitätsgebäude eine rote<br />
Fahne hissen, doch „vor <strong>den</strong> gesperrten Toren der Universität sammelt sich<br />
während des ganzen Tages eine große Zahl von Studieren<strong>den</strong> -<br />
hauptsächlich Kriegsteilnehmer - an, welche ihrer Empörung über die<br />
Vergewaltigung der Universität durch die Gruppe der sozialistischen<br />
Akademiker in starken Worten Luft macht“ (Müller 1919, 1-2). Die<br />
Universität war vom revolutionären Stu<strong>den</strong>tenrat besetzt, Rektorat, der<br />
Senat und die Professoren wur<strong>den</strong> abgesetzt. Widerstand sollte mit<br />
Waffengewalt unterdrückt wer<strong>den</strong>. Am 13. April wollten die „Räte“ die<br />
Universität schließen und <strong>den</strong> Lehrbetrieb been<strong>den</strong>, um die Umgestaltung<br />
der Universität in die neue (revolutionäre) Hochschule einzuleiten, und am<br />
25. April teilte das Rektorat mit, dass die Universität bis auf weiteres<br />
geschlossen bleibe (Müller 1919, 6, 11, 14). Das war ein harter Schlag <strong>für</strong><br />
die Stu<strong>den</strong>ten, die, endlich aus dem Krieg zurückgekehrt, ihr Studium<br />
möglichst zügig been<strong>den</strong> wollten. „Der Revolution und ihrem Gedankengut<br />
stand die von <strong>den</strong> Korporationen repräsentierte, völkisch orientierte
33<br />
Mehrheit zunehmend feindlich gegenüber“ (Seifert 1972, 330). Das führte<br />
zu regem Zulauf bei <strong>den</strong> diversen Freikorps.<br />
Die Mitglieder des Freikorps Epp (darunter Stu<strong>den</strong>ten, Bundesbrüder und<br />
Kriegsteilnehmer) hatten sich schon früher, erzürnt über die Misswirtschaft<br />
der Soldatenräte, dem „Obersten von Epp“ angeschlossen (Dinglreiter<br />
1919, 40). Der hatte in Ohrdruf in Thüringen, unterstützt von <strong>den</strong><br />
„Preußen“, ein Lager errichtet, um sich gegen die Soldatenräte in Bayern<br />
zu rüsten. Doch noch betrachtete der Militärminister Bayerns die Freikorps<br />
als „Hochverräter“. So verging einige Zeit, bis der Reichswehrminister<br />
Noske das <strong>Ein</strong>greifen der Freikorps erbat (Dinglreiter 1919, 40). Die<br />
Freikorps, die Ministerpräsi<strong>den</strong>t Hoffmann aufmarschieren ließ, „waren<br />
nicht nur entschie<strong>den</strong> antikommunistisch gesinnt, sondern rekrutierten sich<br />
größtenteils aus militanten Antidemokraten und Rassisten“, zu einem guten<br />
Teil ausgediente Soldaten. Das wichtigste Bayerische Freikorps wurde von<br />
Franz Ritter von Epp geführt. Er unterhielt Kontakte zur Thule-<br />
Gesellschaft, die mit Geld und Kampfwilligen die Anti-Revolutionstruppen,<br />
die sich außerhalb Münchens sammelten, unterstützte. Trotz allem<br />
musste Hoffmann, entgegen seiner Überzeugung, die Hilfe des Reichs<br />
erbitten. Der Reichswehrminister schickte 20.000 Mann, darunter ein<br />
großer Anteil Preußen (Large 1998, 154).<br />
Per Bahn ging es in Richtung Bayern und dann wurde marschiert. Am<br />
1. Mai erreichte das Freikorps München. Auf dem Marsch durch die<br />
Ortschaften wur<strong>den</strong> die Truppen von der Bevölkerung begeistert begrüßt.<br />
Von <strong>den</strong> Münchner Bürgern, die aufs Land geflohen waren, hatte man sich<br />
Verstärkung erhofft, doch die meisten beschränkten ihre Unterstützung auf<br />
heftiges Winken (Dinglreiter 1919, 40). Hans Jöchle war wohl einer<br />
derjenigen, die sich am 1. Mai dem Freikorps anschlossen 19 (MKr OP<br />
15233). Während der Kämpfe hatten sich die Räte zu Gewalttaten<br />
hinreißen lassen, unbeteiligte Geiseln wur<strong>den</strong> erschossen (Cornelissen,<br />
Holzbauer 1988, 27). Nun schlugen die „Weißen“ zurück. Die<br />
Häuserblocks wur<strong>den</strong> systematisch durchsucht und entwaffnet, mit <strong>den</strong><br />
„Roten“ wurde „kurzer Prozess gemacht. Her - und ab an die Wand“<br />
(Dinglreiter 1919, 41) 20 . Bis zum 31. August 1919 war Jöchle beim Stab<br />
der zweiten Abteilung des Ersten Artillerie-Regiments des Freikorps Epp<br />
(Bayerisches Schützenkorps) (MKr OP 15233).<br />
19 Nach einem Vormerkungsbogen aus der Personalakte des Akademischen Senats zu Jöchle<br />
trat er bereits am 22. April 1919 dem Freikorps bei (UAM E-II-1898).<br />
20 Darstellung eines Mitkämpfers des Freikorps und Mitglied der Burschenschaft Apollo in<br />
der Philisterzeitung der Su<strong>den</strong>tenverbindung „Apollo“ vom Oktober 1919.
34<br />
„Nachdem sich in <strong>den</strong> letzten Tagen der Räterepublik viele Professoren<br />
verstecken mußten, um einer Geiselverhaftung zu entgehen, mochte der<br />
<strong>Ein</strong>marsch des Freikorps Epp und die folgende Welle des weißen Terrors<br />
als ‚Befreiung vom Joch unmöglicher Willkür und Fremdherrschaft‘<br />
erscheinen ...“ (Seifert 1972, 333). Die Stu<strong>den</strong>ten waren vorwiegend von<br />
deutsch-nationalem Geist erfüllt, und auch der Senat gestattete Anfang Mai<br />
1919 die <strong>Ein</strong>richtung einer Werbestelle des Freikorps Epp im Universitätsgebäude.<br />
Wurde doch die Stärkung der Freikorps als dringliche<br />
Aufgabe angesehen (Seifert 1972, 334).<br />
„Diese Formation [Freikorps Epp] war vom damaligen sozialdemokratischen<br />
Ministerpräsi<strong>den</strong>ten Hoffmann als Schützenbrigade<br />
21 aufgestellt wor<strong>den</strong> und zwar zur Befreiung Münchens von der<br />
kommunistischen Räteherrschaft. Da auch 90 % der Münchner<br />
<strong>Ein</strong>wohner damals die einrücken<strong>den</strong> Befreier von <strong>den</strong> Rucksackspartakisten<br />
mit Jubel begrüssten, ist es absurd, aus diesem Dienst<br />
am Volke eine Belastung konstruieren zu wollen“ (UAM E-II-1898,<br />
Spruchkammer X in München, 18.12.1946).<br />
Die Professoren der Universität München hatten im Kriegsnothalbjahr vom<br />
15. Januar bis zum 15. April 1919 insbesondere <strong>den</strong> Kriegsteilnehmern<br />
ihre Beratung <strong>für</strong> das weitere Studium angeboten (Vorlesungsverzeichnis<br />
der LMU 1919, VII). Nach bestan<strong>den</strong>em Physikum mussten vier<br />
Studienhalbjahre bis zur Zulassung zur tierärztlichen Prüfung nachgewiesen<br />
wer<strong>den</strong>. Der Kriegsdienst wurde da<strong>für</strong> bis zu einem halben Jahr<br />
angerechnet. Dabei war es völlig gleichgültig, ob der Dienst in dem<br />
entsprechen<strong>den</strong> Fachgebiet oder mit der Waffe im Feld geleistet wurde<br />
(Vorlesungsverzeichnis der LMU 1919, IX).<br />
Im WS 1919/20 konnte Hans Jöchle sein Studium abschließen. Die<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Approbation erlangte er am 5. März 1920 (PrivAWJ, Jöchle,<br />
H. 1948). Die Zahl der Studieren<strong>den</strong> an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät war<br />
nach dem Ersten Weltkrieg auf 246 gesunken und sollte 1925/26 mit 126<br />
Stu<strong>den</strong>ten einen Tiefpunkt erreichen (Eichhorn 1951, 69-70).<br />
Am 5. April 1922 stellte Jöchle, zu dieser Zeit Assistent an der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät der Universität München, beim Bayerischen Wehrkreiskommando<br />
VII die „Bitte um Verleihung des Charakters als Veterinär mit<br />
der Erlaubnis zum Tragen der Uniform“ des Veterinäroffiziers des<br />
beurlaubten Standes, die ihm im Juli dann auch gewährt wurde (MKr OP<br />
15233).
35<br />
Abb. 6: Auszug aus dem Kollegienbuch von Hans Jöchle im Kriegsnotsemester 1919.
36<br />
Abb. 7: „Zeugnis zum Abgange von der Universität“ (20. Dezember<br />
1919): Zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Blättern war das Kollegienbuch eingeheftet.
2.2.1 Promotion<br />
37<br />
Nach der Approbation im Jahr 1920 war Hans Jöchle drei Monate als<br />
Praktikant am städtischen Schlacht- und Viehhof in München tätig. Er<br />
fertigte in dieser Zeit am Forschungsinstitut <strong>für</strong> angewandte Zoologie an<br />
der Universität in München auch seine Dissertation an, über „Versuche zur<br />
Bekämpfung der Dasselplage mit giftigen Gasen (Schwefeldioxyd)“<br />
(PrivAWJ). Dieses Institut wurde von Prof. Karl Escherich geleitet und<br />
gehörte, wie auch das Fachgebiet der Bo<strong>den</strong>kunde und die angewandte<br />
Botanik zur Staatswirtschaftlichen Fakultät. So musste Hans Jöchle, wie<br />
auch die zahlreichen anderen Doktoran<strong>den</strong> aus dem naturwissenschaftlichen<br />
Bereich, einen Doktorvater an seiner eigenen Fakultät suchen<br />
(Pechmann 1972, 181). Den fand er in Prof. Franz Schmitt aus der<br />
Medizinischen Tierklinik (Baier 1990, 49).<br />
Dr. Wilhelm Pschorr, Oberregierungsrat im Bayerischen Staatsministerium<br />
des Innern, beurteilte die Leistungen Jöchles später wie folgt:<br />
„Zuerst kam ich mit ihm in Berührung bei Ausarbeitung seiner<br />
Promotionsschrift über die Bekämpfung der Dassellarven beim<br />
Rind. Dieses Thema war seinerzeit noch wenig behandelt, obwohl<br />
die ungemein grossen Schädigungen der Häute durch die<br />
Dassellarven (Wirtschaft im Allgemeinen und lederverarbeitende<br />
Industrien im Besonderen) zu genaueren Untersuchungen hätte<br />
Anlass geben müssen. Dr. Jöchle gab durch seine Arbeit wertvolle<br />
Anregungen zu weiteren Untersuchungen, die dann im Gesetz zur<br />
Bekämpfung der Dasselfliege vom 7.12.1933 ihren Niederschlag<br />
fan<strong>den</strong>“ (PrivAWJ, Gutachten von Dr. Pschorr über Hans Jöchle<br />
vom 26.11.1945).<br />
Aufgrund dieser Arbeit und des Rigorosums wurde Jöchle am 21. Mai<br />
1920 von der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität München mit der<br />
Note 1 zum Dr. med. vet. promoviert (PrivAWJ, Jöchle, H. ca. 1927).
38<br />
Abb. 8: Die Dissertation von Hans Jöchle (1920) ist in der<br />
<strong>Bibliothek</strong> der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München auszuleihen.
2.2.2 „Apollo“<br />
39<br />
„Die wichtigste Sozialisationsinstanz des akademischen Milieus bildete im<br />
Kaiserreich und in der Weimarer Republik das stu<strong>den</strong>tische Verbindungswesen,<br />
die Korporationen.“ Nach dem Ersten Weltkrieg sank der Anteil<br />
der Korporationsstu<strong>den</strong>ten deutlich, im Reichsdurchschnitt waren 1929<br />
aber immer noch mehr als die Hälfte der männlichen Stu<strong>den</strong>ten Mitglied<br />
einer Verbindung, dieser Anteil variierte jedoch an <strong>den</strong> einzelnen<br />
Hochschulen beträchtlich (Schimanski 1997, 48).<br />
Hans Jöchle trat am 28. Oktober 1913 in die schlagende, nichtfarbentragende,<br />
katholische Stu<strong>den</strong>tenverbindung Apollo ein (Cichlar<br />
2004, schriftl. Mitt.; Jöchle, W. 2004, schriftl. Mitt.). Am 13. Januar 1914<br />
wurde der „cand. med. vet.“ aus Erkheim offiziell aufgenommen (Anonym<br />
1914, 23) und nach seiner Approbation im Juni 1920 philistriert (Anonym<br />
1920b, 20). Besonders aktiv scheint er aber in der Verbindung nicht<br />
gewesen zu sein. Außerhalb der „Persönlichen Mitteilungen“ in der<br />
Philisterzeitung, die über das berufliche Fortkommen und <strong>den</strong> Familienstand<br />
unterrichteten, wird er nur einmal, in der Anwesenheitsliste eines<br />
Ausflugs mit anschließendem Tanz anlässlich des Stiftungsfests 1921<br />
erwähnt (Traeger 1921, 26).<br />
Am 5. Dezember 1914 wurde der Universitätsprofessor Erwin Moser, der<br />
spätere Vorgesetzte Jöchles, wieder in die Verbindung aufgenommen<br />
(Abel 1915, 16) und philistriert (Anonym 1915, 16). Dr. phil. Erwin Moser<br />
war außeror<strong>den</strong>tlicher Professor <strong>für</strong> Hufkrankheiten und Theorie des<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>s. Er leitete auch die Lehrschmiede, die bei der Angliederung<br />
an die Universität abgetrennt und der Regierung von Oberbayern<br />
unterstellt wurde (Boessneck 1972, 312). Weshalb er „wieder“ aufgenommen<br />
wurde, also vorher wohl ausgetreten war, ist leider nicht mehr<br />
nachzuvollziehen.<br />
Während des Krieges wur<strong>den</strong> in der „Philisterzeitung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
Apollo“ eifrig Feldadressen, Kriegserlebnisse und Briefe von<br />
Bundesbrüdern aus dem Feld veröffentlicht, bevorzugt über zufällige<br />
Zusammentreffen von Bundesbrüdern im Feld.
40<br />
Abb. 9: Hans Jöchle als Korporationsstu<strong>den</strong>t, ca. 1914.
41<br />
Im Januar 1920 gründete die Stu<strong>den</strong>tenverbindung Apollo eine „Berufszentrale“.<br />
Sie sollte <strong>den</strong> Heimkehrern die durch <strong>den</strong> Krieg „verspätete und<br />
konkurrenzbedrohte Existenzgründung“ erleichtern, ohne aber zu „einem<br />
Versorgungsverein auf Gegenseitigkeit herabgedrückt zu wer<strong>den</strong>“.<br />
Aufgrund des Freundschaftsprinzips gehe es jedoch nicht an, in dieser<br />
schweren Zeit „bei gleicher Eignung und bei gleicher Tüchtigkeit <strong>den</strong><br />
Frem<strong>den</strong> vor dem Bundesbruder zu bevorzugen oder aus Mangel an<br />
Kenntnis <strong>den</strong> Bundesbruder von der Bewerbung überhaupt auszuschließen“<br />
(Philistervertretung 1920, 2).<br />
Die Mehrzahl der Menschen trauerte noch dem Kaiserreich nach und<br />
akzeptierte gezwungenermaßen die Demokratie der Weimarer Republik.<br />
Sie wurde jedoch eher als die Auswirkung eines verlorenen Krieges als<br />
eine erstrebenswerte Staatsform betrachtet. Man fühlte sich „vaterländisch“<br />
und dankte beim Festkommers anlässlich des Stiftungsfests im Juli 1921<br />
im großen Saal der „Vier Jahreszeiten“ Ministerpräsi<strong>den</strong>t von Kahr,<br />
Polizeipräsi<strong>den</strong>t Pöhner und Forstrat Escherich, dass sie wieder <strong>für</strong> Ruhe<br />
und Ordnung im „engeren Vaterland“ gesorgt hatten 21 (Traeger 1921, 25).<br />
Im Dezember 1923 musste auch die Philisterzeitung aufgrund der<br />
allgemeinen Notlage sehr knapp gehalten und, um Papier zu sparen, sehr<br />
eng gedruckt wer<strong>den</strong>. Da es vielen nicht mehr möglich war, die<br />
Fortsetzung ihres Studiums aus eigenen Mitteln zu bestreiten, wurde eine<br />
Notkasse gegründet und die Bundesbrüder wur<strong>den</strong> um Unterstützung<br />
gebeten (Anonym 1923, 7). Das <strong>Leben</strong>sbundprinzip der Korporationen<br />
festigte die Beziehungen zwischen <strong>den</strong> Tierärzten und führte vielerorts zu<br />
einem ausgeprägten Standesbewusstsein unter <strong>den</strong> Tierärzten (Schimanski,<br />
Schäffer 2001a, 380).<br />
Der Stu<strong>den</strong>t der Veterinärmedizin und Oberleutnant der Reserve aus<br />
Baienfurt bei Ravensburg, Franz Mehrle, Sohn eines Hufschmieds, wurde<br />
am 14. Dezember 1918 in diese Verbindung aufgenommen (Anonym<br />
1919a, 12; Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.). Er wurde der Leibfuchs<br />
Jöchles und es entstand daraus eine enge Freundschaft, die ein <strong>Leben</strong> lang<br />
halten sollte (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.). Daran änderte auch seine<br />
Karriere nichts, die Mehrle als Praktischer Tierarzt in Buchau am Federsee<br />
begann. Nach einem Jahrzehnt Praxistätigkeit (ca. 1923-1933) wurde<br />
Mehrle um 1934 Kreistierarzt in Schwäbisch Hall und in <strong>den</strong> 50er Jahren<br />
21 Forstrat Georg Escherich war der Begründer der <strong>Ein</strong>wohnerwehren in Bayern 1919<br />
(„Orgesch“ = Organisation Escherich). Sein Bruder, Prof. Karl Escherich (Heiber 1994, 209),<br />
betreute die Dissertation von Hans Jöchle.
42<br />
war er der Leiter des Veterinärwesens im Innenministerium in Ba<strong>den</strong>-<br />
Württemberg (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).<br />
Die Stu<strong>den</strong>tenverbindung Apollo wurde 1933 in „Burschenschaft Apollo“<br />
umbenannt (Cichlar 2004, schriftl. Mitt.). Zwei Jahre später untersagte der<br />
Reichsjugendführer Baldur von Schirach allen Mitgliedern der Hitlerjugend<br />
die Korporationszugehörigkeit und auch der NSDStB und die SA<br />
verhängten ähnliche Verbote. Daraufhin schloss die Deutsche Burschenschaft<br />
am 5. Oktober 1935 mit dem NSDStB 22 das „Plauener Abkommen“,<br />
wonach die Burschenschaften geschlossen als Kameradschaften in <strong>den</strong><br />
NSDStB übernommen wer<strong>den</strong> sollten. Doch schon im Januar 1936 wurde<br />
das Abkommen hinfällig und der „Stellvertreter des Führers“, Rudolf Heß,<br />
untersagte <strong>den</strong> studieren<strong>den</strong> NSDAP-Angehörigen die Mitgliedschaft in<br />
einer Korporation. Bis zum Sommersemester 1936 hatten sich etliche<br />
Burschenschaften aufgelöst, aber zahlreiche Altherrenschaften bestan<strong>den</strong><br />
weiter und weigerten sich weiterhin, <strong>den</strong> „Kameradschaften“ ihre Häuser<br />
zur Verfügung zu stellen. Das änderte sich erst, als der SS-Führer Dr. med.<br />
Gustav Adolf Scheel 1938 zum Führer der Deutschen Stu<strong>den</strong>tenschaft und<br />
gleichzeitig auch zum Reichsführer des NSDStB ernannt wurde. Durch<br />
Konzessionen an die Tradition der Korporationen gelang es ihm, einige der<br />
Altherrenschaften zur Aufnahme von Kameradschaften in ihre Häuser zu<br />
bewegen. 23 Vordergründig gaben die Verbindungen zwar nach und<br />
verwandelten ihre Häuser in „Wohnkameradschaften“, versuchten aber,<br />
unter dem neuen Deckmantel die alten Traditionen zu wahren. Das wurde<br />
dadurch begünstigt, dass einige der Alten Herren hohe Positionen in Staat<br />
und Wirtschaft inne hatten (Roegele 1966, 158). 24<br />
Anstatt der früheren lateinischen Namen wur<strong>den</strong> nun berühmte Personen<br />
der deutschen Geschichte als Namensgeber <strong>für</strong> die Kameradschaften auserwählt.<br />
So wurde „Apollo“ 1938 in „Kameradschaft Sepp Innerkofler“<br />
umbenannt. Die Alten Herren wur<strong>den</strong> in der „NS-Stu<strong>den</strong>ten-Kampfhilfe“<br />
vereinigt und ab 1938 im NS-Altherrenbund.<br />
22<br />
Schon im Januar 1926 wurde der Nationalsozialistische Deutsche Stu<strong>den</strong>tenbund (NSDStB)<br />
in München gegründet.<br />
23<br />
Wre<strong>den</strong>, Ernst Wilhelm † (1998): Von <strong>den</strong> Anfängen bis zum Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges. In: Grundriss der burschenschaftlichen Geschichte: Auszug aus dem Handbuch<br />
der Deutschen Burschenschaft, S. 25. http://www.burschenschaft.de/geschichte/handbuch_<br />
der_deutschen_burschenschaft.pdf.<br />
24<br />
Vgl. Grüttner 1995, 287-331.
43<br />
„Ich habe in einem Brief an <strong>den</strong> Reichsstu<strong>den</strong>tenführer Pg. Scheel<br />
meinen Beitritt zu dem Altherrenbund der deutschen Stu<strong>den</strong>ten<br />
erklärt und dabei betont, dass ich diesen Schritt sowohl als<br />
Nationalsozialist als auch als alter Herr der früheren Burschenschaft<br />
‚Apollo‘ getan habe. Ich erwarte von allen SS-Männern, die alte<br />
Herren der früheren stu<strong>den</strong>tischen Verbände waren, dass sie<br />
ebenfalls ihren Beitritt zu dem Altherrenbund der deutschen<br />
Stu<strong>den</strong>ten erklären. Der Reichsführer-SS, H. Himmler“ (IfZ MA<br />
1164 Akz 4046/68, 13.11.1937).<br />
Hans Jöchle gehörte immer noch der Burschenschaft Apollo an, als diese<br />
am 1. September 1938 korporativ in <strong>den</strong> NS-Altherrenbund übertrat<br />
(PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946), und auch als<br />
1953 wieder der Name „Burschenschaft Apollo“ angenommen wurde, war<br />
Hans Jöchle offiziell noch Mitglied. 1970 fand dann die Fusion mit der<br />
„Münchner Burschenschaft P. C. - Franco-Bavaria“ zur „Münchner Burschenschaft<br />
Franco-Bavaria“ statt. Leider sind bei dieser Fusion nahezu<br />
alle schriftlichen Unterlagen der Verbindung vernichtet wor<strong>den</strong> (Cichlar<br />
2004, schriftl. Mitt.). Auch der spätere Schwiegersohn von Hans Jöchle,<br />
der Apotheker Ernst Dycke, gehörte der Burschenschaft Apollo an (Dycke<br />
2005, mdl. Mitt.).<br />
„Erwähnenswerte Bundesbrüder aus der Nachkriegszeit [des Ersten<br />
Weltkrieges] waren unter anderem Dr. Weber, der spätere Reichstierärzteführer,<br />
und Heinrich Himmler, späterer Reichsführer SS.<br />
Vor dem Ersten Weltkrieg studierte Himmler Landwirtschaft und<br />
Tierzucht und befasste sich mit Hühnergenetik. Er gehörte zu <strong>den</strong>en,<br />
die nach Krieg und Freikorpseinsatz <strong>den</strong> <strong>Ein</strong>stieg ins Studium nicht<br />
wieder fin<strong>den</strong> konnten und dann in die Politik drifteten, ohne das<br />
Studium abzuschließen. Himmler schloss sich frühzeitig an Hitler an<br />
und hat damals oft versucht, meinen Vater <strong>für</strong> die NSDAP<br />
anzuwerben, was ihm nicht gelang“ (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
Gebhard Himmler war schon 1914 Mitglied der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
Apollo (Anonym 1914, 23; Anonym 1919b, 41). Er war Konrektor am<br />
Gymnasium Landshut und wurde 1919 zum Gymnasialrektor in Ingolstadt<br />
befördert (Anonym 1919b, 41). Am 22. November 1919 nahm die<br />
Verbindung auch seinen Sohn, Heinrich Himmler, „cand. agron.“ aus<br />
Ingolstadt auf (Anonym 1920a, 8), der am 14. Juli 1920 vollberechtigtes<br />
Mitglied wurde (Anonym 1920c, 33). Doch schon am 23. Juli wurde er bei<br />
der Verbindung wieder inaktiviert (Anonym 1920c, 33). Heinrich Himmler
44<br />
studierte an der Landwirtschaftlichen Fakultät der TH München (Heiber<br />
1994, 46). Der spätere Reichsführer-SS nahm als Mitglied der schwarzen<br />
Verbindung Apollo München, später DB-Burschenschaft, im von Ernst<br />
Röhm geführten Wehrverband Reichskriegsflagge am Hitler-Putsch 1923<br />
teil. 25<br />
Friedrich Weber immatrikulierte sich zum Sommersemester 1912 an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule München, also drei Semester über Hans Jöchle.<br />
Auch Weber meldete sich Anfang August 1914 beim Ersten Bayerischen<br />
Schweren Reiter-Regiment in München. Dort absolvierte er eine ähnliche<br />
Laufbahn wie Jöchle, allerdings bei anderen Truppenteilen. Er kehrte nach<br />
dem Krieg nach München zurück, um sein Studium zu been<strong>den</strong>, beteiligte<br />
sich im Freikorps des Franz Ritter von Epp an der Niederschlagung der<br />
Räterepublik und beendete sein Studium im Dezember 1919 (Schäffer,<br />
Gunther 1998, 279-280). Nach kurzer Praxistätigkeit und Beteiligung bei<br />
der Niederschlagung von Aufstän<strong>den</strong> im Ruhrgebiet, als Gruppenführer im<br />
Zeitfreiwilligen-Korps Godin, kehrte er wiederum an die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Fakultät München zurück. Als Assistent am Tierphysiologischen Institut<br />
fertigte er unter Prof. Dr. Erwin Voit seine Dissertation an (Schäffer,<br />
Gunther 1998, 280). Er ließ sich allerdings wenig im Institut sehen, da er<br />
viel politisch tätig war und schon früh seine nationalsozialistische und<br />
antisemitische <strong>Ein</strong>stellung erkennen ließ (Koch 1972, 23). Als Führer des<br />
Freikorps „Oberland“ nahm er an dem von Hitler und Lu<strong>den</strong>dorff<br />
angeführten Aufmarsch am 9. November 1923 an der Feldherrnhalle teil.<br />
Nach diesem Putsch wurde Weber in der Fakultät nicht mehr gesehen. Er<br />
wurde verurteilt und in Landsberg inhaftiert. Diese frühe politische<br />
Aktivität Webers ist umso bedeutsamer, „als die Stu<strong>den</strong>tenschaft unserer<br />
[der <strong>Tierärztliche</strong>n] Fakultät von <strong>den</strong> Ereignissen um Hitler kaum berührt<br />
war“. So gingen die Stu<strong>den</strong>ten auch am 9. November 1923, unberührt vom<br />
politischen Tagesgeschehen, zu <strong>den</strong> Präparierübungen. In der Anatomie<br />
waren die Tierkörper immer knapp und Pferde sehr selten. Die Stu<strong>den</strong>ten<br />
wur<strong>den</strong> erst auf die aktuellen politischen Geschehnisse aufmerksam, als<br />
der Prosektor, Dr. Hans Demeter, die Stu<strong>den</strong>ten zum Odeonsplatz schickte,<br />
um nachzusehen, ob bei der Schießerei Pferde gefallen seien, die sie dann<br />
<strong>für</strong> <strong>den</strong> Präparierkurs verwen<strong>den</strong> könnten (Baier 1990, 29).<br />
25 Anonym (2004): Verbindungen kappen: Burschenschafter als Aktivitas des Nationalsozialismus,<br />
S. 3. http://www.nadir.org/nadir/archiv/Antifaschismus/Burschenschaften/verbin<br />
dungen-kappen/artikel/10-burschenschafter-als-a ktivitas-des-ns.htm.
45<br />
Im April 1924 entließ das Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus<br />
Weber nach seiner Verurteilung sofort aus dem Universitätsdienst. Doch<br />
die Fakultät wollte ihren Mitarbeiter nicht verlieren. Dekan Anton Otto<br />
Stoß bezeichnete Weber als fleißigen, gewissenhaften Mitarbeiter, auf<br />
dessen Hilfe bei im Jahr zuvor begonnenen Ernährungsversuchen kaum<br />
verzichtet wer<strong>den</strong> könne. Doch auch das nützte nichts. Nach der<br />
Haftentlassung im Frühjahr 1925 soll Weber sich noch als Praktikant an<br />
der Medizinischen Tierklinik und am Tierpathologischen Institut München<br />
betätigt haben, ging aber 1926 nach Berlin und ließ sich dann im Herbst als<br />
praktischer Tierarzt in Euerdorf in Unterfranken nieder (Schäffer, Gunther<br />
1998, 283) und verschwand damit aus der Umgebung Jöchles. Dass er<br />
einige Jahre später wieder so spektakulär auf der Bildfläche erscheinen<br />
sollte, ahnte damals noch niemand.<br />
Trotz dieser parallelen <strong>Leben</strong>swege ist von einem persönlichen Kontakt<br />
zwischen Jöchle und Weber nichts bekannt. Doch wäre Jöchle nicht der<br />
einzige, der Weber nicht wahrnahm, <strong>den</strong>n auch Walther Baier, der im Mai<br />
1922 sein Studium an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München begann,<br />
berichtete: „Mit ist nicht erinnerlich, ihm damals in der Fakultät irgendwie<br />
begegnet zu sein, schon auch aus dem Grund, als die Stu<strong>den</strong>tenschaft<br />
unserer Fakultät von <strong>den</strong> Ereignissen um Hitler kaum berührt war“ (Baier<br />
1990, 29).<br />
<strong>Ein</strong> ehemaliger Kommilitone Webers, Herr Dr. Josef Loibl, schilderte<br />
später seinem Sohn (der auch Tierarzt wurde) Weber als unbedeuten<strong>den</strong><br />
Tierarzt. „Aber da er bei dem Hitler-Putsch dabei war, konnte er gar nicht<br />
so dumm sein, um nicht Reichstierärzteführer zu wer<strong>den</strong>“ (Loibl 2005,<br />
mdl. Mitt.). „In dieser Stellung wirkte er dann mehr als stiller Befehlsempfänger,<br />
als daß man ihm irgendeine Gehässigkeit, Arroganz oder<br />
sonstiges übles Gehabe hätten nachsagen können“ (Baier 1990, 30).<br />
Friedrich Weber ist nach <strong>den</strong> Auskünften von Archivar Cichlar nicht in<br />
<strong>den</strong> Archivunterlagen der Burschenschaft Apollo auffindbar (Cichlar 2004,<br />
schriftl. Mitt.).<br />
Die Burschenschaft war <strong>für</strong> junge Leute eine Möglichkeit, andere kennen<br />
zu lernen und sich zu treffen, auch um zusammen zu lernen. Nach dem<br />
Krieg sind die Burschenschaften nicht sonderlich in <strong>den</strong> Vordergrund<br />
getreten, das kam erst später wieder. Hans Jöchle war in der Verbindung<br />
wenig engagiert. Er hatte zwar noch Kontakte zu einzelnen Personen,<br />
nahm aber nicht mehr am Verbindungsleben teil. Er „war sehr<br />
zurückhaltend, er war kein Trinker und ‚Gaudibursche‘.“ Sein Sohn,
46<br />
Wolfgang Jöchle, der später auch in München Tiermedizin studierte, trat<br />
dieser Verbindung bzw. der Nachfolgeverbindung nicht bei (Jöchle, M.<br />
2005, mdl. Mitt.).
2.3 Assistent an der Universität<br />
47<br />
„Mit der Angliederung der tierärztlichen Hochschule an die Universität<br />
im Oktober 1914 wurde die frühere Lehrschmiede der tierärztlichen<br />
Hochschule getrennt: in das wissenschaftliche, dem<br />
tierärztlichen Unterricht dienende Institut <strong>für</strong> Hufkunde und in die<br />
einerseits <strong>für</strong> die Meisterlehrkurse des Hufschmiedehandwerks,<br />
andererseits <strong>für</strong> die tierärztliche Ausbildung in Betracht kommende<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule.<br />
Damit ist die <strong>Hufbeschlag</strong>schule, soweit sie <strong>den</strong> Anforderungen des<br />
Hufschmiedehandwerks Genüge leisten muss, nach aussen hin<br />
selbständige Fachschule <strong>für</strong> die Meisterausbildung gewor<strong>den</strong> und es<br />
darf gerade bei <strong>den</strong> gegenwärtigen, allseitigen Bestrebungen, das<br />
Handwerk zu heben und zu sichern, nicht versäumt wer<strong>den</strong>, die<br />
Münchner <strong>Hufbeschlag</strong>schule, die bisher die einzige vollverstaatlichte<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule darstellt, ebenso nach innen zu gestalten,<br />
dass sie auch <strong>für</strong> die Zukunft eine wirkliche rationelle Muster-<br />
Bildungsanstalt <strong>für</strong> das Handwerk bedeutet.<br />
An der <strong>Hufbeschlag</strong>schule München wer<strong>den</strong> die Zivilhufschmiede<br />
Bayerns, insonderheit Oberbayerns, in vier 26 viermonatlichen Lehrkursen<br />
<strong>für</strong> die Meisterprüfung im <strong>Hufbeschlag</strong> theoretisch und<br />
praktisch vorbereitet. Der Unterrichtsbetrieb erstreckt sich demnach<br />
auf das ganze Jahr ohne jede Ferienunterbrechung, wobei in <strong>den</strong><br />
Monaten Januar-April-Juli-Oktober sogar zwei Kurse nebeneinander<br />
abgehalten wer<strong>den</strong> müssen. Der sog. theoretische Unterricht wird<br />
erteilt in <strong>den</strong> eigentlichen Unterrichtsstun<strong>den</strong> im Schulzimmer an<br />
Präparaten, Modellen, Zeichnungen u. dergl., sowie auf der<br />
Demonstrationsbeschlagbrücke an leben<strong>den</strong> Pfer<strong>den</strong> und toten<br />
Hufen, die von <strong>den</strong> Schülern zur praktischen Übung verwendet<br />
wer<strong>den</strong>, ferner auf der Beschlagbrücke des Kundschaftsbetriebes,<br />
wobei alle anfallen<strong>den</strong> Beschlagshandlungen und besonderen<br />
Beschlagsarten, alle fehlerhaften und krankhaften Hufe u. s. w. in<br />
Anpassung an die praktischen Bedürfnisse des Hufschmiedes am<br />
leben<strong>den</strong> Pferde besprochen wer<strong>den</strong>. Ausserdem wird Unterricht in<br />
der Buchführung und im gewerblichen Rechnen wie überhaupt in<br />
der gewerblichen Geschäftskunde erteilt. Für <strong>den</strong> theoretischen<br />
Unterricht kommt der Vorstand sowie ein Assistent in Frage. Für<br />
26 Unterstreichung im Original.
48<br />
<strong>den</strong> rein praktischen Unterricht kommt die Arbeitsleistung der<br />
Schüler auf der Beschlagbrücke an <strong>den</strong> täglich zugeführten Pfer<strong>den</strong><br />
und das Schmie<strong>den</strong> der Hufeisen am Feuer in der Werkstätte unter<br />
der Anleitung und Aufsicht der bei<strong>den</strong> Werkmeister und des<br />
Vorschmiedes in Betracht [...]“ (BayHStA ML 562).<br />
Dieser Brief von Professor Erwin Moser an das Staatsministerium <strong>für</strong><br />
Landwirtschaft in München vom 20. September 1919 verschafft einen<br />
Überblick über die Organisation und die Ziele der Staatlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule in München. Das eigentliche Anliegen des Schreibens<br />
war die Umwandlung einer Assistentenstelle in eine planmäßige Fachlehrerstelle.<br />
Die Assistentenstelle mit einem Gehalt von 1800 M kam nur<br />
<strong>für</strong> „Anfangsassistenten“ (wie man heute sagen würde) in Betracht. Das<br />
bedeutete einen ständigen Wechsel der Assistenten, die jedes Mal neu<br />
eingearbeitet wer<strong>den</strong> mussten. Moser wünschte sich einen älteren<br />
Assistenten, der ihn vertreten konnte und dem er überdies mehr Autorität<br />
gegenüber <strong>den</strong>, meist älteren, Lehrgangsteilnehmern und der Kundschaft<br />
zutraute.<br />
Die Stelle des Vorstands der <strong>Hufbeschlag</strong>schule, eigentlich nur als<br />
Nebenamt vorgesehen, nahm Moser derart in Anspruch, dass er die<br />
wissenschaftliche Arbeit am Institut <strong>für</strong> Hufkunde geradezu vernachlässigte.<br />
Die Ankunft der Kriegsteilnehmer, die nun promovieren wollten<br />
und dabei nur „vom Professor selbst“ betreut wer<strong>den</strong> konnten, forcierte das<br />
Problem noch. Nur der Assistent Dr. Eugen Mennel war schon seit 1906 an<br />
der Lehrschmiede tätig, da ihm die <strong>Ein</strong>reihung in die gehobene<br />
Assistentenstellung gelungen war und er eine zusätzliche Entschädigung<br />
<strong>für</strong> <strong>den</strong> Buchführungsunterricht erhielt. Allerdings weist Moser darauf hin,<br />
dass nur seine besondere Neigung <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> und seine günstigen<br />
Vermögensverhältnisse ihm ein so langes Verweilen an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
ermöglichten (BayHStA ML 562).<br />
Trotzdem wurde am 1. Juli 1920 der frisch promovierte Hans Jöchle als<br />
Assistent, offiziell als „Veterinärassessor“ (BayHStA ML 562) bezeichnet,<br />
an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München eingestellt. Er wechselte<br />
am 1. Juni 1921 an das Institut <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität München, um dort die Aufgaben<br />
eines wissenschaftlichen Assistenten zu erledigen.
49<br />
Abb. 10: Die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München und das Institut <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde,<br />
ca. 1910 (unverändert bis ca. 1960).
50<br />
„Mit Wirkung vom 1.6.21 an wird die durch <strong>den</strong> Austritt des<br />
Assistenten Dr. Eugen Mennel am Institut <strong>für</strong> Hufkunde bei der<br />
tierärztlichen Fakultät der Universität München erledigte Assistentenstelle<br />
dem seitherigen Assistenten an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München Dr. Hans Jöchle in jederzeit widerruflicher Weise auf die<br />
Dauer von 2 Jahren übertragen.<br />
Zugleich wird dem Assistenten Dr. Jöchle eine Grundvergütung von<br />
jährlich 7560 M zugewiesen“ (BayHStA MK 43826, 5.7.1921,<br />
Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus an das Rektorat der<br />
Universität).<br />
Seine Freizeit verbrachte Hans Jöchle bei einem Amtstierarzt, um die<br />
Vorbedingungen zum amtstierärztlichen Dienst zu erfüllen. Dazu gehörte<br />
auch ein Kurs an der Bayerischen Veterinärpolizeilichen Anstalt in<br />
Schleißheim über die bakteriologische Fleischbeschau (PrivAWJ, Jöchle,<br />
H., ca. 1927).<br />
Die Prüfung <strong>für</strong> <strong>den</strong> tierärztlichen Staatsdienst in Bayern im Herbst 1922<br />
gliederte sich in drei Abschnitte. Der erste umfasste die Fächer Veterinärpolizei,<br />
Gerichtliche Tierheilkunde, Landwirtschaftliche Tierzucht und<br />
Gesundheitspflege der landwirtschaftlichen Nutztiere, während der zweite<br />
die Untersuchung eines leben<strong>den</strong> Tieres <strong>für</strong> veterinärpolizeiliche oder<br />
gerichtliche Zwecke, die Sektion eines Tieres, die Mikroskopische<br />
Untersuchung und die Ätiologie und Prophylaxe der Infektionskrankheiten<br />
berücksichtigte. Der dritte Teil hatte das Gesamtgebiet des amtstierärztlichen<br />
Dienstes und die Gerichtliche Tierheilkunde zum Inhalt<br />
(PrivAWJ, Notenliste von Hans Jöchle 1922; BayHStA MInn 87396).<br />
So legte Jöchle im Herbst 1922 die Prüfung <strong>für</strong> <strong>den</strong> tierärztlichen<br />
Staatsdienst mit der Note 2,2 ab. Auch danach war er, neben seiner Arbeit<br />
am Institut, noch neun Monate lang als amtstierärztlicher Praktikant bei<br />
einem Bezirkstierarzt tätig (BayHStA MK 43826).
51<br />
Abb. 11: Prüfung <strong>für</strong> <strong>den</strong> tierärztlichen Staatsdienst in Bayern im Herbst 1922: Notenliste von Hans Jöchle.
52<br />
Abb. 12: Prüfungszeugnis Jöchles <strong>für</strong> <strong>den</strong> tierärztlichen Staatsdienst<br />
(12. Februar 1923).
53<br />
Zum 31. Mai 1923 lief die zweijährige Assistenzzeit von Hans Jöchle ab.<br />
Da Professor Moser aber, wie oben erwähnt, mehr Kontinuität im Instituts-<br />
und <strong>Hufbeschlag</strong>schulalltag wünschte, bat er Rektorat und Senat der<br />
Universität und das Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus um eine<br />
Vertragsverlängerung <strong>für</strong> Jöchle um zwei Jahre. Der war inzwischen gut<br />
eingearbeitet und konnte selbständig die Vertretung des Lehrauftrags<br />
Mosers übernehmen. Insbesondere die Hufübungen <strong>für</strong> die Stu<strong>den</strong>ten im<br />
Sommersemester und die Urlaubsvertretung <strong>für</strong> die Kollegen im Sommer<br />
fielen in seinen Aufgabenbereich. Dazu kamen noch der Vorbereitungsunterricht<br />
<strong>für</strong> die Meisterprüfung der Hufschmiede und vieles mehr. So<br />
wurde der Vertrag bis zum 30. September 1925 verlängert (BayHStA MK<br />
69645).<br />
Noch im selben Jahr erhielt Professor Moser einen Ruf der bulgarischen<br />
Regierung an die Universität Sofia, was <strong>den</strong> Bund bayerischer Schmiedeinnungen<br />
und Schmiedemeister dazu veranlasste, das Staatsministerium <strong>für</strong><br />
Landwirtschaft darum zu bitten, <strong>den</strong> Universitätsprofessor Dr. Erwin<br />
Moser <strong>für</strong> Bayern zu erhalten. Moser hatte sich sehr <strong>für</strong> die Schmiede<br />
eingesetzt und als Leiter der <strong>Hufbeschlag</strong>schule und Berater des gesamten<br />
bayerischen Schmiedehandwerks hatte er in unzähligen Versammlungen<br />
der Schmiedeinnungen die Schmiede <strong>für</strong> sich gewonnen. Deshalb forderten<br />
sie das Landwirtschaftsministerium auf: „Hohes Ministerium <strong>für</strong> Landwirtschaft<br />
wolle alles daran setzten, unserer Heimat diesen hochverdienten<br />
Gelehrten zu erhalten“ (BayHStA ML 562). Das hat das Ministerium dann<br />
wohl auch getan. Professor Moser blieb.<br />
Professor Moser war ein kleiner, schlanker und würdevoller Herr mit<br />
einem Knebelbart. Er versuchte die wissenschaftliche Bedeutung seines<br />
Fachs zu unterstreichen, indem er eine Nomenklatur benutzte, die sich aus<br />
der Medizin ableitete und mit anatomischen, pathologischen und<br />
chirurgischen Fachtermini gespickt war. Doch dadurch wur<strong>den</strong> auch<br />
einfachste Vorgänge kompliziert und schwer verständlich dargestellt und<br />
Assistenten, Stu<strong>den</strong>ten und Schmiede waren auf Dauer frustriert, da er von<br />
allen die gleiche Nomenklatur und Darstellungsweise verlangte. Das blieb<br />
Jöchle als Vorlesungsassistent nicht verborgen. Um das Jahr 1923 beauftragte<br />
Professor Moser, der an einer Sitzung teilnehmen sollte, Hans<br />
Jöchle, <strong>für</strong> ihn vertretungsweise eine Vorlesung zu halten. Jöchle bemühte<br />
sich, <strong>den</strong> Vorlesungsstoff klar und verständlich darzustellen, was von <strong>den</strong><br />
Stu<strong>den</strong>ten begeistert angenommen wurde. Moser kam jedoch vorzeitig<br />
zurück und hatte sich die Vorlesung angehört, ohne gesehen zu wer<strong>den</strong>. Er<br />
war entsetzt über die Darstellungsweise Jöchles. „Das könne doch jeder,
54<br />
[...] das sei absolut unwissenschaftlich und eines Universitätsassistenten<br />
unwürdig.“ All das hat das gute Verhältnis zwischen Jöchle und Moser<br />
nicht getrübt, das später zu einer ausgeprägten Freundschaft wurde (Jöchle,<br />
W. 2004, mdl. und schriftl. Mitt.).<br />
Abb. 13: Erwin Moser, Professor <strong>für</strong> Hufkunde und Vorstand der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München, um 1933.<br />
Im September 1925 lief der Vertrag Jöchles wieder aus. Und wieder<br />
schrieb Professor Moser an Rektorat, Senat und Ministerium und bat um<br />
ein weiteres Jahr. Er selbst sei mit Gutachtertätigkeiten auf dem Gebiet der<br />
Hebung des <strong>Hufbeschlag</strong>wesens sehr in Anspruch genommen und die<br />
gegenwärtige Umstellung der <strong>Hufbeschlag</strong>schule und des Instituts auf <strong>den</strong><br />
Vorkriegsumfang erforderten gerade jetzt gut geschultes und erfahrenes
55<br />
Lehr- und Beaufsichtigungspersonal. Außerdem bestehe <strong>für</strong> Dr. Jöchle die<br />
Aussicht, entweder in <strong>den</strong> Wanderlehrbetrieb <strong>für</strong> Huf- und Klauenkunde<br />
oder im Bereich der Pferdezucht aufgenommen zu wer<strong>den</strong>, wobei ihm in<br />
bei<strong>den</strong> Fällen eine längere Betätigung am Institut <strong>für</strong> Hufkunde sehr zugute<br />
komme, zumal hier Bewerber mit Spezialausbildung benötigt wür<strong>den</strong><br />
(BayHStA MK 69645).<br />
Die Anstellung im Gestütswesen fiel Sparmaßnahmen zum Opfer: <strong>Ein</strong><br />
Tierarzt, dessen Stelle im Landwirtschaftsministerium abgebaut wurde,<br />
musste untergebracht wer<strong>den</strong> und bekam <strong>den</strong> Jöchle in Aussicht gestellten<br />
Posten. Es bestand aber immer noch die Aussicht, Nachfolger des bald 60<br />
Jahre alten und kränklichen Kreiswanderlehrers <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in<br />
Oberbayern oder Vorstand einer <strong>Hufbeschlag</strong>schule zu wer<strong>den</strong> und nicht<br />
als überalterter Assistent an der Universität zu en<strong>den</strong>. Unter Hinweis auf<br />
Tüchtigkeit und Pflichteifer stellte Moser auch die Vorteile <strong>für</strong> das Institut<br />
durch das Verbleiben Jöchles dar und fügte hinzu, Jöchle sei auch<br />
langjähriger Kriegsteilnehmer und Frontsoldat auf <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en<br />
Kriegsschauplätzen gewesen. Da konnte das Ministerium wohl nicht<br />
umhin, <strong>den</strong> Vertrag um ein halbes Jahr zu verlängern.<br />
Doch der Kreiswanderlehrer <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> war zäh, und so bat Professor<br />
Moser im Februar 1927 wieder um eine „Weiterverwendung auf ein<br />
weiteres Jahr“, mindestens jedoch bis 1. November 1927. Neben <strong>den</strong><br />
üblichen Argumenten führte er an, eine Entlassung würde <strong>für</strong> Jöchle<br />
„Stellenlosigkeit und schwere wirtschaftliche Bedrückung bedeuten“.<br />
Außerdem werde der Betrieb an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule durch die neuen<br />
Ausbildungsbestimmungen <strong>für</strong> Hufschmiedemeister auf das Höchstmaß<br />
gesteigert und zudem solle sich das Institut auch an der Handwerkerausstellung<br />
1927 beteiligen, was einige zusätzliche Arbeit bedeutete. Und<br />
dann die schwerwiegen<strong>den</strong> Argumente „Kriegsteilnehmer“ und „Frontsoldat“.<br />
So verblieb Jöchle bis zu seiner Anstellung als Kreiswanderlehrer<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, also bis zum 15. Oktober 1927, an der Universität<br />
(BayHStA MK 69645; UAM Sen-I-145).<br />
Im Oktober 1926 hatte sich Hans Jöchle <strong>für</strong> eine international ausgeschriebene<br />
Lehrstelle an der Königlichen <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule in<br />
Stockholm beworben. Er war sogar bereit, sich da<strong>für</strong> der schwedischen<br />
Approbationsprüfung zu unterziehen und verbrachte einige Zeit damit,<br />
Schwedisch zu lernen. Diese Stelle wurde aber 1927 mit einem<br />
schwedischen Tierarzt besetzt (PrivAWJ 1926; Jöchle, W. 2005, schriftl.<br />
Mitt.).
56<br />
Professor Moser leitete in Personalunion die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
und das Institut <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde. So war auch Hans Jöchle<br />
über seine letztendlich doch siebenjährige Tätigkeit als wissenschaftlicher<br />
Assistent mit bei<strong>den</strong> Gebieten gut vertraut. In der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
bestand seine Arbeit darin, auf der <strong>Hufbeschlag</strong>brücke die Beschlagsausführung<br />
zu überwachen und besonders bei Pfer<strong>den</strong> mit fehlerhaften und<br />
kranken Hufen tierärztliche Anweisungen zu geben. Außerdem war er <strong>für</strong><br />
<strong>den</strong> theoretischen <strong>Hufbeschlag</strong>unterricht <strong>für</strong> die viermonatigen Lehrgänge<br />
<strong>für</strong> die Hufschmiede zuständig, das heißt, er beteiligte sich während seiner<br />
Assistenzzeit an der Ausbildung von 27 Lehrkursen mit jeweils 16 bis 18<br />
Schmie<strong>den</strong> und an Verwaltungsarbeiten wie Rechnungsführung, Materialbeschaffung<br />
und Materialverwaltung (PrivAWJ, Jöchle, H. ca. 1927).<br />
Während dieser Zeit wohnte Hans Jöchle in der Königinstraße 49, also nur<br />
einen Steinwurf von der Universität und der <strong>Hufbeschlag</strong>schule entfernt<br />
(BayHStA MK 43826).<br />
Die Arbeit am Institut <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde ermöglichte Jöchle,<br />
die Ausbildung der Stu<strong>den</strong>ten von der anderen Seite kennen zu lernen und<br />
sich auf dem wissenschaftlichen Gebiet der Hufkunde und der Hufkrankheiten<br />
weiterzubil<strong>den</strong>. So wirkte er auch bei allen praktischen<br />
Übungen und Kursen mit, betreute die Doktoran<strong>den</strong>, überprüfte deren<br />
Forschungsergebnisse und fertigte mikroskopische Präparate <strong>für</strong> die<br />
Stu<strong>den</strong>ten und die wissenschaftliche Sammlung an. In Anbetracht der Fülle<br />
der Aufgaben versteht man leicht, dass <strong>für</strong> größere wissenschaftliche<br />
Veröffentlichungen keine Zeit blieb (PrivAWJ, Jöchle, H. ca. 1927). Trotzdem<br />
absolvierte er im März 1926 nochmals einen einwöchigen Kursus<br />
über die Technik der bakteriologischen Fleischbeschau an der Veterinärpolizeilichen<br />
Anstalt in Oberschleißheim.
57<br />
Abb. 14: Gruppenfoto zur Erinnerung an <strong>den</strong> Lehrschmiede-Kurs der <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
vom 1. Okt. 1923 bis 30. Jan. 1924. Hans Jöchle steht in der hinteren Reihe ganz rechts.
58<br />
Professor Moser beurteilte die Arbeit von Hans Jöchle in einem Zeugnis<br />
vom 16. Februar 1926 (PrivAWJ 1926):<br />
„Herr Dr. Hans Jöchle, geboren am 29. März 1892 zu Erkheim steht<br />
seit 1. Juli 1920 als Assistent im Dienste der staatl. <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München sowie des Instituts <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde<br />
der tierärztlichen Fakultät der Universität München. Seine Tätigkeit<br />
erstreckte sich auf die Beaufsichtigung des Schmiedebetriebes,<br />
indem einerseits hier tierärztliche Anweisungen <strong>für</strong> einen sachgemässen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong> normaler und anormaler Pferde sowie eine<br />
genaue Kontrolle über die richtige Ausführung der verschie<strong>den</strong>en<br />
Beschlagsarten in Anlehnung an <strong>den</strong> theoretischen Unterricht in<br />
Frage kommt, andererseits das arbeitende Gesellenpersonal (Kursteilnehmer<br />
der jährlich vier viermonatlichen Lehrkurse) bei <strong>den</strong> hier<br />
mustergültig durchzuführen<strong>den</strong> Beschlagshandlungen einer steten<br />
Belehrung und Überwachung bedarf. - Ausserdem beteiligte sich Dr.<br />
Jöchle in der theoretischen Unterrichtserteilung sowohl in der<br />
Unterweisung der Kursteilnehmer auf dem Gebiete der <strong>Hufbeschlag</strong>slehre<br />
als auch hinsichtlich der gewerblichen Buchführung<br />
bzw. der gewerblichen Geschäftskunde überhaupt.<br />
Weiterhin hatte er ständig Gelegenheit auf dem wissenschaftlichen<br />
Gebiete der Pathologie und Bakteriologie im Betriebe des<br />
Universitätsinstituts <strong>für</strong> Hufkunde sich zu betätigen, wodurch er<br />
ohnehin in steter Fühlung mit dem von Herrn Geheimrat Kitt<br />
geleiteten Institute <strong>für</strong> Pathologie und Bakteriologie war. Auch bei<br />
meiner ausgedehnten ehrenamtlichen Gutachtertätigkeit hinsichtlich<br />
der Haftpflicht der Hufschmiede konnte er sich in dieser Hinsicht<br />
weiterbil<strong>den</strong>.<br />
Die vielseitige Tätigkeit, wie solche die tägliche Beurteilung des<br />
Pferdematerials, der Verkehr mit dem Publikum verschie<strong>den</strong>ster<br />
Bildungsgrade und die ständige Belehrung der meist ländlichen<br />
Kursteilnehmer neben <strong>den</strong> schriftlichen Bureauarbeiten mit sich<br />
bringt, haben Herrn Dr. Jöchle reichlich Gelegenheit geboten, das in<br />
ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigen zu können. Durch sein<br />
tadelloses, ruhiges und zielbewusstes Benehmen sowie durch sein<br />
eifrigstes Bestreben seinen verantwortungsvollen Aufgaben vollauf<br />
Genüge zu leisten, hat Herr Dr. Jöchle meinerseits und überall<br />
vollste Zufrie<strong>den</strong>heit und Anerkennung gefun<strong>den</strong>.“
59<br />
Trotz der fachlichen Kompetenz war eine Habilitation nach der Inflation<br />
von 1922/23 nur möglich, wenn man auf ein privates Vermögen<br />
zurückgreifen konnte, von dem man die sechs bis zehn Jahre der<br />
Habilitationsvorbereitungen und während der Zeit als Privatdozent bis zur<br />
Berufung leben konnte. Außerdem war die Berufung selbst mehr von der<br />
Hochschulpolitik als von der fachlichen Eignung abhängig, und damit die<br />
Zukunftsaussichten mehr als vage. Für so lange Zeiträume gab es damals<br />
normalerweise keine Assistentenstellen und auch keine Förderung der<br />
Forschung durch die Industrie oder <strong>den</strong> Staat. 1924 betrug das Gehalt<br />
Jöchles 2550 Goldmark jährliche Grundvergütung plus 576 Goldmark<br />
Ortszuschlag. <strong>Ein</strong>e Familiengründung war unter solchen Umstän<strong>den</strong><br />
schwer möglich (PrivAWJ 1924; Jöchle, W. 2004, schriftl. Mitt.).<br />
Bei einem Faschingsball in der Wohnung von Professor Ernst Strützel,<br />
dem Präsi<strong>den</strong>ten der Akademie der Bil<strong>den</strong><strong>den</strong> Künste in München, lernte<br />
Jöchle 1926 seine spätere Frau kennen (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
Maria Marta Pupke, geboren am 30. März 1902, stammte aus Zeitz,<br />
Provinz Sachsen, und studierte in München Musik. Ihr Vater war Kaufmann<br />
in Zeitz und hatte Marta Fehr, eine Gutsbesitzerstochter geheiratet.<br />
Die ganze Familie war evangelisch. Das war bei katholischen Schwaben<br />
nicht gern gesehen, und so trat Marta Pupke zum katholischen Glauben<br />
über, um Hans Jöchle heiraten zu können (UAM Sen-I-145). Dann stand<br />
aber der Hochzeit nichts mehr im Wege, und Jöchles konnten am 17. Juli<br />
1926 heiraten. Trauzeugen waren der Rechtsanwalt Dr. Rudolf Heichlinger<br />
und die Musikstudierende Karoline Stössner (BayHStA MK 43826).
2.4 Wanderlehrer <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
60<br />
Am 16. Oktober 1927 wurde Hans Jöchle zum Landwirtschaftsrat <strong>für</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern ernannt, „mit einem aus Kreismitteln zu<br />
schöpfen<strong>den</strong> jährlichen Grundgehalte von 3900 RM“ (BayHStA MK<br />
69645). Diese „Gehaltsaufbesserung“ kam gerade recht, um die finanzielle<br />
Versorgung der kleinen Familie zu gewährleisten, <strong>den</strong>n kurz zuvor (5. Oktober<br />
1927) kam das erste Kind zur Welt: Wolfgang. Am 9. April 1929<br />
folgten Tochter Dorothea und am 25. März 1931 Maria. Der Nachzügler<br />
Manfred sollte erst am 5. Januar 1941 zur Welt kommen (PrivAWJ, Jöchle,<br />
H. 1951).<br />
Im Nachlass Hans Jöchles (PrivAWJ) befindet sich der „Entwurf einer<br />
Dienstanweisung <strong>für</strong> <strong>den</strong> Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern“, der<br />
die Tätigkeit Jöchles sehr gut beschreibt. Leider sind weder der Verfasser<br />
noch das Jahr angegeben. Die präzise Auflistung der Aufgaben des<br />
Fachberaters <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> und auch der Arbeitsweise an der Staatlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule lässt vermuten, dass dieser Entwurf von Hans Jöchle<br />
selbst und, nach der <strong>Ein</strong>ordnung im Nachlass, etwa von 1939 stammt.<br />
„Der Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> steht <strong>den</strong> Pferdebesitzern und<br />
Hufschmie<strong>den</strong> als praktischer Berater zur Seite und seine Betätigung<br />
liegt auf dem Gebiete der Aufklärung über die Vorteile eines<br />
rationellen <strong>Hufbeschlag</strong>es. Er hat die Aufgabe, die Pferdezüchter,<br />
Pferdehalter und Hufschmiede über Hufpflege und <strong>Hufbeschlag</strong><br />
durch Vorträge im allgemeinen zu belehren und die einzeln<br />
Beteiligten im Stalle oder auf der Beschlagbrücke im besonderen zu<br />
unterweisen und zwar<br />
a.) durch Beschlagsnachschauen in Ställen und auf Beschlagbrücken;<br />
b.) durch Beschlagsmusterungen bei pferdezüchterischen Veranstaltungen;<br />
c.) durch Anleitung bei Huf- und Beschlagsberichtigungen;<br />
d.) durch Anleitung in der praktischen Fohlenhufpflege;<br />
e.) durch Abhaltung von Kursen an Landwirtschaftsschulen;<br />
f.) durch aufklärende Vorträge bei Versammlungen der Pferdezuchtgenossenschaften,<br />
sowie bei landwirtschaftlichen Versammlungen<br />
überhaupt, wobei sich der Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
in enger Fühlung mit dem Pferdezuchtverband Oberbayern<br />
und mit <strong>den</strong> landwirtschaftlichen Vereinen zu halten<br />
hat.
61<br />
Auch auf die Notwendigkeit der Klauenpflege soll er die Landwirte<br />
aufmerksam machen und sich <strong>für</strong> die Förderung der praktischen<br />
Klauenpflege mit seiner ganzen Kraft einsetzen.<br />
Er soll die beteiligten Kreise auch in der einschlägigen Fachpresse<br />
aufklären und hierin diesbezügliche belehrende Aufsätze veröffentlichen.<br />
[...]<br />
Um sich die notwendige Kenntnis von dem Stande des <strong>Hufbeschlag</strong>es<br />
an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München zu erhalten, hat<br />
der Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> mit derselben in enger fachlicher<br />
Fühlung zu bleiben und vor allem an <strong>den</strong> Hufschmiedeprüfungen<br />
daselbst teilzunehmen 27 . Er soll sich auch mit <strong>den</strong> jeweiligen<br />
Lehrkursteilnehmern der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule während<br />
der viermonatigen Lehrkurse ins Benehmen setzen und <strong>den</strong>selben<br />
die im Aussendienst gesammelten Erfahrungen entsprechend<br />
vermitteln.<br />
Um sich eine eingehende Kenntnis von dem Stande des <strong>Hufbeschlag</strong>es<br />
und der Hufpflege in <strong>den</strong> einzelnen Bezirken zu verschaffen und<br />
daselbst zur Aufklärung der Pferdebesitzer zu wirken, hat sich der<br />
Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> an Stallkontrollen, Stutbuchaufnahmen,<br />
Vorschauen, Prämiierungen 28 , Hengstkörungen, Fohlen- und Pferdemärkten<br />
sowie Ausstellungen zu beteiligen. Hierdurch wird es dem<br />
Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> ermöglicht, bei <strong>den</strong> Pferdebesitzern<br />
und Hufschmie<strong>den</strong> das Interesse <strong>für</strong> eine zweckmäßige Hufpflege<br />
und einen rationellen <strong>Hufbeschlag</strong> zu wecken.<br />
In Bezirken, wo bereits durch strebsame Hufschmiede Verbesserungen<br />
im <strong>Hufbeschlag</strong>e eingeleitet sind, hat er darauf hinzuwirken,<br />
dass dieselben nicht wieder aufgegeben wer<strong>den</strong>.<br />
27 Auf der Oberbayerischen Obermeistertagung am 18. September 1932 in München wurde<br />
bemängelt, dass der Kreiswanderlehrer nicht zu allen Gesellenprüfungen zugezogen wor<strong>den</strong><br />
war. Die Prüfer wur<strong>den</strong> außerdem zu einer strengen Durchführung der Gesellen- und<br />
Meisterprüfungen angehalten (Hagen 1932, 5).<br />
28 Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Schreibweise „Prämiierung“ üblich und wird deshalb<br />
in <strong>den</strong> Zitaten so übernommen. Ansonsten bevorzugt die Autorin die Schreibweise „Prämierung“,<br />
obwohl inzwischen nach dem DUDEN beide Schreibweisen möglich sind.
[...]<br />
62<br />
Die Beratung der Hufschmiede hat sich zu erstrecken:<br />
a.) auf die Aufklärung über Fortschritte und Neuerungen im <strong>Hufbeschlag</strong>;<br />
b.) auf die Mitwirkung bei der Lehrlingsausbildung im <strong>Hufbeschlag</strong>;<br />
29<br />
c.) auf die Teilnahme an <strong>den</strong> Lehrlingsprüfungen;<br />
d.) auf die Uebernahme von belehren<strong>den</strong> Vorträgen bei Innungsversammlungen;<br />
e.) auf die Anleitung und Ueberwachung von Hufkorrekturen und<br />
Beschlagsänderungen;<br />
f.) auf die Mitwirkung bei der Durchführung von <strong>Hufbeschlag</strong>sbewertungen<br />
gelegentlich pferdezüchterischer Veranstaltungen.<br />
Beim Besuche der Beschlagbrücken hat der Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
die noch nicht geprüften Schmiedegehilfen auf <strong>den</strong> Besuch<br />
einer <strong>Hufbeschlag</strong>schule hinzuweisen.“<br />
Außerdem wurde gefordert, dass der Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> über<br />
seine Tätigkeiten ein Tagebuch zu führen und dieses auch jährlich der<br />
Regierung von Oberbayern und dem Staatsministerium <strong>für</strong> Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Forsten vorzulegen habe. Dazu sollten auch Vorschläge<br />
zur Hebung des <strong>Hufbeschlag</strong>s eingereicht wer<strong>den</strong>. Die Dienstanweisung<br />
gab dem Landwirtschaftsrat außerdem das Recht und die Pflicht,<br />
ein Verzeichnis über die selbständigen Hufschmiede in Oberbayern zu<br />
führen, aus dem ersichtlich war, wann und wo jeder Hufschmied seine<br />
Berechtigung zur Ausübung des <strong>Hufbeschlag</strong>gewerbes erworben hatte. Sie<br />
ermächtigte ihn, die dazu notwendigen Akten einzusehen. Des Weiteren<br />
wurde die Abrechnung von Dienstreisen, auch per Fahrrad, berücksichtigt,<br />
und ein „Pauschbetrag“ von 200 RM jährlich zur Bestreitung des<br />
notwendigen Sachbedarfs gewährt. „Der Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> steht<br />
unter der Dienstaufsicht der Regierung von Oberbayern, Verwaltung des<br />
Bezirksverbandes“ (PrivAWJ, ca. 1939).<br />
29<br />
Hans Jöchle beschäftigte sich intensiv mit dem Ausbildungswesen der Hufschmiede. Siehe<br />
dazu Kap. 4.1.1.
63<br />
Abb. 15: Ernennung Jöchles zum Landwirtschaftsrat <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
am 16. Oktober 1927 durch das Staatsministerium <strong>für</strong> Landwirtschaft in<br />
München.
64<br />
Alle diese Aufgaben bewältigte Hans Jöchle in seinen täglichen Dienstgeschäften.<br />
Außerdem hielt er Vorträge bei Tierärztetagungen, Tagungen<br />
der Pferdezuchtinspektoren und auf Pferdezüchterversammlungen in<br />
Bayern, auf Innungsversammlungen der Hufschmiede und an landwirtschaftlichen<br />
Winterschulen in Oberbayern (PrivAWJ). Besonders seine<br />
„Lichtbildervorträge“ über <strong>Hufbeschlag</strong> und Hufpflege waren angesehen<br />
(Anonym 1932e, 156). Außerdem war Jöchle Mitglied der Körkommission<br />
<strong>für</strong> Zuchthengste und Zuchtstuten. Dr. Franz Gentner war oft der<br />
Vorsitzende dieser Körkommission. Jöchles Ziel war, alle wichtigen<br />
Hengste und Stuten in Oberbayern ständig hinsichtlich Hufgesundheit und<br />
<strong>Hufbeschlag</strong> zu überwachen, weshalb er vor <strong>den</strong> Körungen in die Ställe<br />
fuhr und die Pferde untersuchte (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
Das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Landwirtschaft und Arbeit,<br />
Abteilung Landwirtschaft, hatte die Stelle des Kreiswanderlehrers <strong>für</strong><br />
Oberbayern bezuschusst. Doch auch dort wur<strong>den</strong> die finanziellen Mittel<br />
knapper, und so schrieb man an die Regierung von Oberbayern: „Es ist<br />
fraglich, ob zum Aufwand des Jahres 1930 noch ein gleich hoher Zuschuss<br />
bewilligt wer<strong>den</strong> kann. [...] Die anderen Kreise haben Kreiswanderlehrer<br />
nicht aufgestellt und Ausgaben <strong>für</strong> diesen Zweck nicht zu verzeichnen,<br />
weshalb Zuschüsse nicht [mehr] in Frage kommen“ (BayHStA MF 68351).<br />
Auch andere Kreise hätten gerne einen Wanderlehrer <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
aufgestellt, doch war dies häufig, wie beispielsweise in Schwaben, aus<br />
finanziellen Grün<strong>den</strong> nicht möglich. Doch Oberbayern gelang die<br />
Erhaltung dieser Stelle (Anonym 1931a, 41):<br />
Um Hufpflege und <strong>Hufbeschlag</strong> zu fördern hat der „Sachverständige<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, Landwirtschaftsrat Dr. Joehle 30 [...] durch<br />
Ratschläge bei Prämiierungen und Vorträge[n] nach dieser Richtung<br />
in dankenswerter Weise gewirkt, er ist auch bereit, bei der<br />
Hufzubereitung und dem Beschlag an Ort und Stelle die nötigen<br />
Anweisungen zu geben“ (Anonym 1930b, 7).<br />
Mit Fahrrad oder Zug fuhr Jöchle zu <strong>den</strong> Bauern und Hufschmie<strong>den</strong> und<br />
kontrollierte <strong>den</strong> Beschlag. Wenn die Schmiede ihn nicht kannten, stellte er<br />
sich als Zuschauer daneben und beurteilte hinterher die Leistung.<br />
Schmie<strong>den</strong>, die mit <strong>den</strong> Pfer<strong>den</strong> schlecht umgingen oder schlecht beschlugen,<br />
entzog er die Lizenz. Er schreckte auch nicht davor zurück, vorbei-<br />
30<br />
Hier handelt es sich wahrscheinlich um einen Schreibfehler. Es sollte eigentlich Jöchle<br />
heißen.
65<br />
fahrende Bauern anzuhalten und sie darauf hinzuweisen, dass ihr Pferd<br />
lahmte (Neuper 2005, mdl. Mitt.). Anfang 1935 konnte Hans Jöchle dann<br />
ein so genanntes „beamteneigenes Auto“, <strong>den</strong> gerade auf <strong>den</strong> Markt gekommenen<br />
„Opel Olympia“, anschaffen. Es gab gewisse Steuervergünstigungen<br />
unter der Voraussetzung, diese Autos hauptsächlich im Dienst<br />
einzusetzen und sie bei einer Mobilmachung der Wehrmacht zu überlassen.<br />
Als Diensträume dienten Jöchle von 1926 bis 1937 zwei ausgebaute<br />
Dachzimmer im Institut von Professor Moser (Jöchle, W. 2004, mdl.<br />
Mitt.).<br />
Anhand der Zeitschrift „Zucht und Sport“ und der „Bayerischen<br />
Schmiedezeitung“, „Eigentum des Bundes bayerischer Schmiedeinnungen<br />
und Schmiedemeister“ 31 lässt sich die Arbeit von Hans Jöchle recht gut<br />
nachverfolgen. Er nahm regelmäßig an Obermeistertagungen teil, um die<br />
Hufschmiede in fachlichen und organisatorischen Fragen zu beraten und<br />
beurteilte auf Pferdeprämierungen <strong>den</strong> praktischen <strong>Hufbeschlag</strong> 32 .<br />
Die Bayerische Schmiedezeitung entstand unter der „Mitwirkung von<br />
Herrn Universitätsprofessor Dr. Erwin Moser“. Moser war Ehrenmitglied<br />
des Bundes (Impressum Bayerische Schmiedezeitung 1927 31 (1), 1) und<br />
nahm regelmäßig an <strong>den</strong> Schmiedetagungen teil. Ende 1926 besuchte noch<br />
der Landwirtschaftsrat Dr. Eugen Mennel an der Seite von Professor<br />
Moser die Kreistagung in Oberbayern (Hager 1927, 3). Doch mit dem<br />
aufkommen<strong>den</strong> Antisemitismus wurde er in <strong>den</strong> Kreistagungsberichten<br />
immer seltener erwähnt. „Dr. Joehle 33 [sic!] von der <strong>Hufbeschlag</strong>schule“<br />
tauchte erstmals in einem Bericht über die Obermeistertagung des<br />
Oberbayerischen Kreisverbandes im Augustiner-Bierstübl in München am<br />
18. September 1927 auf (Hagn 1927, 4). Dabei gab Prof. Moser bekannt,<br />
dass ab 1. Oktober der neue Kreiswanderlehrer angestellt werde (Hagn<br />
1927, 5). Danach wurde Jöchle regelmäßig bei <strong>den</strong> Obermeistertagungen<br />
unter <strong>den</strong> Ehrengästen gesehen.<br />
Die Bayerische Handwerkskammer stellte fest, dass die gewerbliche<br />
Ausübung des <strong>Hufbeschlag</strong>s durch nicht geprüfte Schmiede und sogar<br />
durch andere Handwerker immer noch viel zu häufig vorkam, und sah sich<br />
veranlasst, die Hufschmiede auf die Berechtigung zum selbständigen<br />
Betrieb des <strong>Hufbeschlag</strong>gewerbes zu überprüfen. Diese Aufgabe fiel im<br />
31<br />
Verbandsblatt der dem Bunde angeschlossenen Kreisverbände und Innungen.<br />
32<br />
Siehe hierzu Tab. 1.<br />
33<br />
Hierbei handelt es sich wohl um einen Schreibfehler, wie er auch in der Zeitschrift „Zucht<br />
und Sport“ vorgekommen ist.
66<br />
Regierungsbezirk Oberbayern dem Kreiswanderlehrer <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, Dr.<br />
Jöchle, zu, während sie in <strong>den</strong> anderen Regierungsbezirken <strong>den</strong> Pferdezuchtinspektoren<br />
zugeteilt wurde. Beschwer<strong>den</strong> und Hinweise dazu sollten<br />
bei <strong>den</strong> oben genannten vorgebracht wer<strong>den</strong> (Anonym 1928a, 1).<br />
Es war ein allgemeines Problem, dass Ungelernte und Gesellen sich ohne<br />
Erlaubnis selbständig machten und durch günstigere Preise <strong>den</strong> Meistern<br />
die Arbeit wegnahmen, wobei die Qualität dieser Arbeiten oft zu wünschen<br />
übrig ließ. Die zuständigen Bezirksämter vernachlässigten solche Angelegenheiten<br />
oder verhängten sehr geringe Geldstrafen von drei bis fünf<br />
Mark. Auch hier war die Zusammenarbeit des Kreiswanderlehrers Jöchle<br />
mit der Handwerkskammer gefordert, um die Regierung zu einer genauen<br />
Anweisung zu solchen Verfahren an die Bezirksämter zu bewegen (Hagn<br />
1928, 1). Die schlechte Auftragslage aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage<br />
und der der Landwirtschaft im Besonderen, ließ eine ungute<br />
Stimmung unter <strong>den</strong> Schmiedemeistern aufkommen. Auch der erst vor<br />
kurzem eingeführte 8-Stun<strong>den</strong>-Tag bereitete in <strong>den</strong> wenigen Phasen mit<br />
höherem Arbeitsaufkommen Probleme, da dann in der „kurzen“ Zeit die<br />
ganze Arbeit nicht zu schaffen war (Hagen 1929, 6).<br />
Auf der Obermeistertagung des Oberbayerischen Kreisverbandes am<br />
19. März 1928 in München wurde der Kreiswanderlehrer Jöchle dann <strong>den</strong><br />
restlichen Obermeistern vorgestellt. Er teilte mit, dass er sich durch die<br />
geforderte allgemeine Kontrolle wohl nur bei <strong>den</strong> Schmiedemeistern<br />
unbeliebt machen würde, er prüfe aber gerne nach, wenn ihm<br />
„verantwortliche, genaue Meldungen“ zugingen. Sein Ziel seien die<br />
Pfuscher, anständige Schmiedemeister hätten nichts zu be<strong>für</strong>chten (Hagn<br />
1928, 1).<br />
Schon 1927 hatte Pferdezuchtinspektor Dr. Hetzel aus Würzburg in einem<br />
Artikel in der „Süddeutschen landwirtschaftlichen Tierzucht“ regelmäßige<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>sbewertungen angeregt, die bis dahin wohl nur in <strong>Ein</strong>zelfällen<br />
durchgeführt wor<strong>den</strong> waren. Er wollte damit das <strong>Hufbeschlag</strong>wesen<br />
fördern und die Wichtigkeit von <strong>Hufbeschlag</strong> und Hufpflege unterstreichen<br />
(Hetzel 1927, 311). Dieser Vorschlag wurde bald in die Tat umgesetzt. Auf<br />
<strong>den</strong> Zuchttier-Prämierungen 1928 waren die Pferde jedoch oft noch als<br />
eher mäßig zu beurteilen und<br />
„Haltung und pflegliche Behandlung ließen ebenfalls zu wünschen<br />
übrig. [...] Das Beschläg war zum größeren Teil befriedigend. Beanstandungen<br />
fan<strong>den</strong> einige schlechte Beschläge, sowie die Unsitte,
67<br />
daß die Hufe häufig mit Wagenschmiere, Stiefelwichse und Ruß<br />
geschwärzt waren. [...] L.-R. Dr. Jöchle hielt [bei <strong>den</strong> Prämierungen]<br />
die Kritik über Hufpflege und Beschläg und gab <strong>den</strong> Züchtern<br />
wertvolle Ratschläge über sachgemäße Hufpflege“ (Anonym 1928b,<br />
369).<br />
Die Pferdebesitzer versuchten, sich durch <strong>Ein</strong>sparungen beim <strong>Hufbeschlag</strong><br />
zu entlasten, was zu einem starken Rückgang des <strong>Hufbeschlag</strong>geschäfts<br />
und zu vernachlässigten Hufen führte. Der bayerische Preissenkungskommissar<br />
ordnete daraufhin eine Senkung der <strong>Hufbeschlag</strong>preise an,<br />
doch die Pferdebesitzer hielten die Senkung <strong>für</strong> zu gering (Anonym 1932b,<br />
56-57). Sie warteten weiterhin viel zu lange, bis sie die Pferde erneut<br />
beschlagen ließen, eine völlig falsch angesetzte Sparsamkeit, die die<br />
Leistung verringerte und sich äußerst nachteilig auf die Gesundheit und<br />
damit die „Nutzungsdauer“ der Pferde auswirkte (Jöchle zit. n. Anonym<br />
1933a, 189).<br />
Um dem Abhilfe zu schaffen, versuchte Jöchle, bei möglichst vielen<br />
Schauen und Prämierungen anwesend zu sein und die Züchter über<br />
Hufpflege und Beschläge anzuleiten. Er überwachte auch die Hufzubereitung<br />
auf <strong>den</strong> Fohlenhöfen Kanzlerhof und Gammerhof und bei<br />
etlichen anderen Züchtern (Gentner 1930, 270), indem er durch die<br />
Gemein<strong>den</strong> reiste und seine „Belehrungen und Anweisungen zur Hufpflege<br />
und Korrektur der Stellungen“ erteilte (Anonym 1932c, 109).<br />
Doch die <strong>Hufbeschlag</strong>sbewertungen bei <strong>den</strong> Pferdeprämierungen wur<strong>den</strong><br />
nicht von jedermann begrüßt. Es wurde be<strong>für</strong>chtet, das damit zu erwerbende<br />
Diplom könnte zu Wettbewerbsverschiebungen führen und die<br />
Kollegialität der Hufschmiede darunter lei<strong>den</strong>. Bei <strong>den</strong> Prämierungen<br />
wür<strong>den</strong> nur erstklassige Pferde mit guten Hufen vorgeführt, während die<br />
Schmiede sonst mit schlechten Hufen und Fehlstellungen zu kämpfen<br />
hätten, die viel schwieriger zu beschlagen seien. „Jeder Schmiedemeister<br />
wird besonders viel Mühe und Zeit opfern, wenn er in die angenehme Lage<br />
versetzt ist, ein Pferd zur Prämiierung zu beschlagen, damit er eben auch<br />
seine Anerkennung und sein Diplom erhält und damit die Kundschaft auch<br />
mehr Respekt vor ihm bekommt“. Für die alltäglichen Beschläge vor<br />
drängender Kundschaft nehme man sich nicht die Zeit. Angebrachter wäre<br />
es, unangemeldet von Dorf zu Dorf zu ziehen und <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> zu<br />
bewerten (Hörndl 1931, 3).
68<br />
Das tat Hans Jöchle auch bereits, allerdings nur in beratender Form. Die<br />
Pferdehufe wur<strong>den</strong> oft längere Zeit nicht korrigiert und dann kurz vor <strong>den</strong><br />
Prämierungen ziemlich heftig zurückgestutzt, was häufig zu Lahmheiten<br />
führte (Anonym 1933a, 189). Deshalb kontrollierte Jöchle, vor allem vor<br />
<strong>den</strong> größeren Prämierungen, schon Wochen vorher die Hufe und führte<br />
gegebenenfalls auch Hufkorrekturen und Beschlagsverbesserungen durch<br />
(Löffler 1931, 354; Anonym 1932d, 155):<br />
„Bei der zweiten Vorschau [<strong>für</strong> <strong>den</strong> Erdiger Zuchthengstmarkt]<br />
nahm auch der Sachverständige <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>wesen, L.-R. Dr.<br />
Jöchle teil, dessen Bemühungen, besonders bei <strong>den</strong> <strong>Ein</strong>zelbesichtigungen,<br />
es gelang, fast bei allen Hengsten einwandfreie<br />
Hufpflege und Beschlag durchzusetzen. Die Auswirkung dieser<br />
Maßnahme war unverkennbar, besonders <strong>für</strong> <strong>den</strong>, der die erste<br />
Vorschau mitzumachen Gelegenheit hatte. Die wenig fehlerhaften,<br />
teilweise sehr korrekten Gänge, auch bei <strong>den</strong> Jährlingshengsten, darf<br />
als Verdienst des Dr. Jöchle und der <strong>den</strong> Ratschlägen Folge<br />
geben<strong>den</strong> Aufzüchter bezeichnet wer<strong>den</strong>“ (Groll 1931, 35).<br />
Für <strong>den</strong> Erdinger Zuchthengstmarkt am 25. und 26. Januar 1932 hatte<br />
Jöchle die Hengste so vorbesichtigt, dass es am Marktag selbst hinsichtlich<br />
Hufpflege und <strong>Hufbeschlag</strong> keine Beanstandungen gab (Anonym 1932a,<br />
40).<br />
Auch Tierzuchtinspektor Löffler honorierte die Förderung des<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>s. Bei Prämierungen, Hengstkörungen, Stutbuchaufnahmen<br />
und Stallbesuchen fielen ihm die gute Hufpflege und die korrekten<br />
Beschläge auf.<br />
„Das H a u p t v e r d i e n s t an der sich immer mehr b e s s e r n -<br />
d e n Hufpflege [ist] der eifrigen, unermüdlichen, leider oft sehr<br />
undankbaren Arbeit des Kreiswanderlehrers <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, Herrn<br />
Dr. Jöchle zuzusprechen.<br />
Es wird wohl in keinem Kreise die H u f p f l e g e so gefördert, wie<br />
in Oberbayern“ 34 (Löffler 1933, 30).<br />
<strong>Ein</strong> erster Platz bei <strong>den</strong> Genossenschaftsprämierungen konnte bis zu<br />
40 RM einbringen. Die Pferde wur<strong>den</strong> nach Warm- und Kaltblut und nach<br />
34 Hervorhebungen wie im Originaltext.
69<br />
Altersklassen getrennt bewertet. Bei der Prämierung der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Ingolstadt 1931 wur<strong>den</strong> beispielsweise 1.200 RM an<br />
Preisen verteilt 35 . Die Richterkommission, darunter Landstallmeister Eugen<br />
Groll, stellte in einer öffentlichen Kritik die Vorzüge und Nachteile der<br />
einzelnen Pferde dar, was <strong>für</strong> die Landwirte besonders interessant war<br />
(Anonym 1931c, 224). Jöchle lobte die Verbesserungen in Hufpflege und<br />
<strong>Hufbeschlag</strong> und forderte die Pferdebesitzer auf, in Zukunft ihre Schmiede<br />
mitzubringen, damit er direkt bei <strong>den</strong> Schmie<strong>den</strong> die Verbesserungsvorschläge<br />
vorbringen könne (Anonym 1931c, 225).<br />
Der Reichsverband der Kaltblutzüchter Deutschlands legte 1933 eine<br />
Mindesthöhe der Preise bei <strong>den</strong> Prämierungen von 10 RM fest, um eine<br />
einheitliche Verwendung der Mittel sicherzustellen. Das Geld sollte <strong>den</strong><br />
Pferdebesitzern zur Verfügung gestellt wer<strong>den</strong>, während die Schmiede<br />
Diplome des Reichsverbandes erhalten sollten (Kern 1933,187-188). Da<br />
die Geldpreise wesentlich besser ankamen als Diplome allein, erhielten<br />
dann auf der Stutenschau der Pferdezuchtgenossenschaft Ingolstadt am<br />
12. Juli 1933 auch besonders gute Schmiede ein Diplom mit Geldprämie.<br />
„Den Schmiedemeistern, die in großer Zahl der Prämiierung<br />
angewohnt haben, um die Belehrungen des Kreiswanderlehrers<br />
entgegenzunehmen, gebührt großer Dank, da sie im Interesse der<br />
Züchter einen ganzen Tag geopfert haben. Dr. Jöchle wies dann<br />
besonders darauf hin, daß bei <strong>den</strong> jungen Pfer<strong>den</strong> immer wieder<br />
rechtzeitig die Hüfe 36 zubereitet und korrigiert wer<strong>den</strong> müssen, um<br />
gute Stellungen zu erzielen, daß bei Arbeitspfer<strong>den</strong> rechtzeitige<br />
Beschlagerneuerung das Pferd in besserem Werte erhält und die<br />
Gebrauchszeit verlängert“ (Wildsfeuer 1933, 178).<br />
Im Februar 1936 wandte sich der Reichsverband der Kaltblutzüchter<br />
Deutschlands an Jöchle. Die Erfolge bei der Verbesserung des <strong>Hufbeschlag</strong>wesens<br />
in Oberbayern waren aufgefallen. Auf Anregung des<br />
bayerischen Vertreters beschlossen die Geschäftsführer der Kaltblutzuchtverbände<br />
auf ihrer Sitzung am 30. Januar 1935, die Richtlinien <strong>für</strong> die<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>sprämierungen Hans Jöchle zur Stellungnahme zu schicken,<br />
bevor sie endgültig beschlossen und bekannt gegeben wer<strong>den</strong> sollten<br />
(BArch R 68I/99, 7.2.1935).<br />
35 <strong>Ein</strong> [Hufschmiede-] Meister erhielt 1931 80 Pfennig Stun<strong>den</strong>lohn, die produktive<br />
Lehrlingsstunde wurde mit 25 Pfennig veranschlagt (Anonym 1931f, 2).<br />
36 Schreibweise im Original.
70<br />
Jöchle war sehr bemüht, das angespannte Verhältnis zwischen Pferdebesitzern<br />
und Hufschmie<strong>den</strong> zu verbessern. Deshalb sollten die Schmiede<br />
mindestens „im gleichen Stimmverhältnis wie die Pferdebesitzer 37 in <strong>den</strong><br />
Prämiierungsausschuß“ aufgenommen wer<strong>den</strong>. Er schlug einen Prämierungsausschuss<br />
bestehend aus „einem mit dem <strong>Hufbeschlag</strong> besonders<br />
vertrauten Tierarzt als Vorsitzen<strong>den</strong>“, einem Pferdezüchter und einem<br />
Hufschmiedemeister vor. Diese Anregung Jöchles wurde allerdings nicht<br />
angenommen. Außerdem war geplant, die <strong>Hufbeschlag</strong>sprämierungen<br />
unangekündigt durchzuführen, um spezielle Hufzubereitungen nur <strong>für</strong> die<br />
Prämierungen und ansonsten weiterhin die Vernachlässigung der<br />
Hufpflege zu vermei<strong>den</strong>. Jöchle hielt jedoch die Anwesenheit der<br />
Hufschmiede und <strong>den</strong> damit verbun<strong>den</strong>en Wettbewerb und die öffentliche<br />
Kritik <strong>für</strong> wichtig, damit sie zu besserem <strong>Hufbeschlag</strong> angeleitet wer<strong>den</strong><br />
konnten. In <strong>den</strong> Richtlinien wurde schließlich ein Kompromiss geschlossen,<br />
mit dem Passus: „um jedoch <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>schmie<strong>den</strong> ebenso<br />
wie <strong>den</strong> Pferdebesitzern zu ermöglichen, an <strong>den</strong> Prämiierungen teilzunehmen,<br />
kann die Bekanntgabe an die Interessenten eine angemessene<br />
Zeit vor der Veranstaltung erfolgen“. Außerdem regte Jöchle die Vergabe<br />
von Geld- und Ehrenpreisen, auch <strong>für</strong> die Hufschmiede und nicht nur <strong>für</strong><br />
die Pferdebesitzer an (BArch R 68I/99 15.2.1935).<br />
Ständiges Thema auf <strong>den</strong> Kreisverbandstagen war auch die Haftpflichtversicherung<br />
der Hufschmiede, die sich oft mit Unfällen aufgrund<br />
von Unachtsamkeit und Unordnung und mit überhöhten Anforderungen<br />
herumzuschlagen hatte (z. B. Hagen 1929, 6; Hagn 1930b, 2; Anonym<br />
1930a, 1). Auch Missstände auf der <strong>Hufbeschlag</strong>brücke und veraltete<br />
Notstände erhöhten die Unfallgefahr in vielen Schmie<strong>den</strong>. Oft wurde Hans<br />
Jöchle von <strong>den</strong> Schmie<strong>den</strong> im Scha<strong>den</strong>sfall gebeten, sich <strong>für</strong> sie<br />
einzusetzen, insbesondere wenn es sich um Scha<strong>den</strong>sfälle der erweiterten,<br />
also der Betriebshaftpflicht handelte, der Betreffende aber nur einfach<br />
versichert war. Das wollte Jöchle aber aus wirtschaftlichen Grün<strong>den</strong> der<br />
Versicherung nicht zumuten (Hagn 1930a, 2).<br />
Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde die berufliche<br />
Tätigkeit Jöchles zunehmend von politischen Elementen beeinflusst:<br />
Auf der Obermeistertagung des Oberbayerischen Kreisverbandes am<br />
26. August 1933 wur<strong>den</strong> die Gäste schon mit einem „Sieg-Heil“ vom<br />
Vorsitzen<strong>den</strong>, Gewerberat M. Bathrey, begrüßt (Anonym 1933b, 5) und<br />
37 Hervorhebung im Original.
71<br />
auf der Kreistagung in München am 27. August 1933 verkündete Bathrey,<br />
dass „der Auftragsmangel und die Schmälerung der Verdienstmöglichkeit<br />
vor der Regierungsübernahme der NSDAP das Erträgliche überschritten<br />
hatten. Die Hauptschuld tragen die Regiebetriebe und die Schwarzarbeit.<br />
Es besteht die Hoffnung, daß es der neuen Regierung gelingen werde, auch<br />
hier gründlich Wandel zu schaffen“ (Anonym 1933c, 6).<br />
Auch die Pferdezuchtveranstaltungen und die Landwirtschaft blieben von<br />
der Politik nicht verschont. Die fachliche Prominenz wurde nun von der<br />
politischen abgelöst und politische Aktivitäten auf Kosten der fachlichen<br />
Berichterstattung in <strong>den</strong> Vordergrund gerückt: „Das Zusammenfallen des<br />
Hengstmarktes mit dem Jahrestag der siegreichen Revolution Hitlers gab<br />
<strong>den</strong> Anlaß zu einer großen Bauernkundgebung mit der Weihe dreier neuer<br />
Bauernfahnen.“ Zum wichtigsten Ereignis auf dem 26. Zuchthengstmarkt<br />
in Erding wurde der Festzug unter der Mitwirkung von SA, HJ und BDM<br />
erhoben (Anonym 1934b, 38). Vom 16. September bis 1. Oktober 1933<br />
wurde nach fünfjähriger Pause erstmals wieder das Zentrallandwirtschaftsfest<br />
in München durchgeführt. Das „erste nationalsozialistische<br />
Bauernfest in Bayern“ wurde durch zahlreiche Reit- und Fahrvorführungen<br />
der Reichswehr, Landespolizei, SA, SS und des Stahlhelms „bereichert“<br />
(Anonym 1933d, 207-208).<br />
Im Sommer 1933 begann außerdem der Aufbau des Reichsnährstandes, der<br />
zukünftigen „Vertretung der deutschen Bauernschaft“ und der Landwirtschaft<br />
als „Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts“.<br />
Der Reichsnährstand trat die Nachfolge des Deutschen Landwirtschaftsrats<br />
und der öffentlich-rechtlichen landwirtschaftlichen Berufsvertretungen, der<br />
Bauernkammern und der Landwirtschaftskammer, an. Auch Vereine und<br />
Verbände wur<strong>den</strong> eingegliedert (Anonym 1934a, 3-4).<br />
Am 17. Februar 1934 sollte auf Anregung des Reichsnährstandes ein<br />
Probehufbeschlag an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
durchgeführt wer<strong>den</strong>. Hierzu war auch Oberregierungsrat Dr. med. vet.<br />
Wilhelm Pschorr von der Regierung von Oberbayern erschienen. Des<br />
Weiteren waren anwesend ein Herr von der Handwerkskammer Nürnberg,<br />
ein Vertreter des Württembergischen Schmiedemeisterverbandes, der Vorstand<br />
des Bayerischen Schmiedebundes Josef Sperber, Gewerberat Bathrey<br />
von der Handwerkskammer München, Prof. Moser und die Landwirtschaftsräte<br />
Dr. Mennel und Dr. Jöchle. Die Vertreter des Reichsnährstandes<br />
waren eine Stunde nach der vereinbarten Zeit immer noch nicht
72<br />
erschienen und so wurde der Probebeschlag ohne sie begonnen. Gefordert<br />
war:<br />
1. ein glatter Beschlag mit selbst geschmiedetem Eisen<br />
2. ein Beschlag mit angeschmiedeten Stollen und Griffen<br />
3. ein Schraubeisenbeschlag mit eingeschweißten Griffen und ein-<br />
geschraubten Stollen<br />
4. ein Steckgriffeisenbeschlag<br />
5. ein Tauhufeisenbeschlag.<br />
Die Beschläge wur<strong>den</strong> von verschie<strong>den</strong>en <strong>Hufbeschlag</strong>smeistern durchgeführt<br />
und Zeit und Materialaufwand berechnet und mit <strong>den</strong> Werten eines<br />
1915 von Professor Moser durchgeführten Probebeschlags verglichen, um<br />
eventuelle Abweichungen (und damit auch andere Kosten) festzustellen.<br />
Zeit- und Materialverbrauch blieben bei diesem Versuch nahezu unverändert.<br />
Die Herren vom Reichsnährstand waren <strong>den</strong> ganzen Tag über nicht<br />
erschienen (Sperber 1934, 1).<br />
Die Gleichschaltung betraf auch die Schmiedeinnungen: Die freien und die<br />
Zwangsinnungen waren Körperschaften des öffentlichen Rechts und nach<br />
demokratischen Grundsätzen aufgebaut. Mit dem Inkrafttreten der ersten<br />
Handwerksverordnung vom 15. Juni 1934 wur<strong>den</strong> auch die Innungen nach<br />
dem Führerprinzip aufgebaut. Der Innungsobermeister wurde nicht mehr<br />
gewählt, sondern von der Handwerkskammer auf unbestimmte Zeit<br />
berufen. Dem Obermeister wurde als ehrenamtlichem „Führer der Innung“<br />
alleine deren Vertretung übertragen. Nur besonders wichtige wirtschaftliche<br />
Entscheidungen sollten von der Innungsversammlung getroffen oder<br />
mussten von der Handwerkskammer genehmigt wer<strong>den</strong> (Berninger 1938,<br />
31). Auf der Gesamtvorstandssitzung des Bayerischen Schmiedebundes am<br />
16. Dezember 1934 in München wurde verkündet, dass ab 1. Januar 1935<br />
auf Anordnung des Reichsverbandes des Deutschen Handwerks die<br />
Kreisverbände aufgelöst wer<strong>den</strong> sollten. Der Rechtsnachfolger der<br />
Kreisverbände sollte der Bayerische Schmiedebund wer<strong>den</strong> (Anonym<br />
1935a, 3). Ab September 1939 gab es keine regelmäßigen Innungsversammlungen<br />
mehr.<br />
„Die Abhaltung von Innungsversammlungen bedarf nach einer<br />
Anordnung des Reichsstandes des deutschen Handwerks in Zukunft<br />
der Genehmigung der zuständigen Handwerkskammer, die nur dann<br />
erteilt wird, wenn die Versammlung zur Durchführung wehr- oder
73<br />
ernährungswirtschaftlicher Aufgaben notwendig erscheint“ (Anonym<br />
1939, 242).<br />
Bei der Novemberwahl 1932 und im März 1933 hatte Hans Jöchle noch die<br />
Bayerische Volkspartei gewählt (PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung,<br />
15.1.1946), doch nach der nationalsozialistischen Machtergreifung<br />
forderte das Reichsgesetz vom 20. August 1934 die Vereidigung<br />
der Beamten der Regierung von Oberbayern auf <strong>den</strong> „Führer“. Auch Jöchle<br />
leistete am 27. August 1934 durch Nachsprechen der Eidesformel unter<br />
Aufheben der rechten Hand <strong>den</strong> Eid:<br />
„Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und<br />
Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten<br />
und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott<br />
helfe“ (BayHStA MK 43826).<br />
Im Juli 1935 wurde dann im Rahmen der „Beurteilung der amtstierärztlichen<br />
Staatsdienstanwärter“ der „Nachweis der arischen Abstammung“<br />
von Jöchle und dessen Ehefrau verlangt. Es dauerte jedoch bis<br />
März 1936, bis sämtliche Geburts-, Tauf- und Heiratsurkun<strong>den</strong><br />
ordnungsgemäß beschafft waren und der Regierung von Oberbayern<br />
vorgelegt wer<strong>den</strong> konnten. Ab 8. Juni 1936 galt die „arische Abstammung“<br />
dann als nachgewiesen (BayHStA MK 43826). Inzwischen war Jöchle<br />
Mitglied des Reichsluftschutzbundes (29.1.1934), der NS-Volkswohlfahrt<br />
(1.3.1935), der NS-Kriegsopferversorgung (1.5.1936) und Blockhelfer<br />
(7.11.1935) gewor<strong>den</strong> 38 , ohne jedoch ein besonderes Amt innerhalb der<br />
Organisationen zu beklei<strong>den</strong> (PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung,<br />
15.1.1946; BayHStA MK 43826, Ergänzung der Personalakten 19.2.1938).<br />
Im März 1936 erhielt Professor Moser ein Schreiben des Wehrbezirkskommandos<br />
München. Hans Jöchle hatte ihn als Vertrauensmann<br />
angegeben, um „über seine persönlichen Verhältnisse Auskunft zu geben“.<br />
Diese Erhebungen wur<strong>den</strong> bei ehemaligen Reserveoffizieren angestellt, die<br />
„allenfalls zu Übungen eingezogen wer<strong>den</strong> sollen“ (PrivAWJ 1936).<br />
„... Ich bitte daher, über die soziale Stellung, Gesinnung, Charakter,<br />
<strong>Leben</strong>sführung in der Nachkriegszeit und, soweit möglich, über<br />
Fähigkeit, Führeranlage und wirtschaftliche Verhältnisse des<br />
38<br />
Die <strong>Ein</strong>trittsdaten zwischen dem Fragebogen 1946 und der Ergänzung zu <strong>den</strong> Personalakten<br />
1938 variieren teilweise geringfügig.
74<br />
genannten Herrn Aufschluss zu erteilen und mir dieses Schreiben<br />
mit Auskunft unter persönlicher Anschrift zurückzusen<strong>den</strong>“<br />
(PrivAWJ 1936).<br />
Die Antwort von Professor Moser fiel <strong>für</strong> Hans Jöchle mehr als positiv aus<br />
(PrivAWJ 1936):<br />
„Herr Dr. Jöchle war mehrere Jahre an meinem Institut Assistent,<br />
wurde dann von mir aufgrund seiner vorzüglichen Dienstleistung,<br />
seines grossen Arbeitseifers, seines stets bewiesenen Pflichtbewusstseins<br />
und Verantwortungsgefühles <strong>für</strong> die selbständige Stelle<br />
eines Kreiswanderlehrers <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern der<br />
Regierung von Oberbayern vorgeschlagen und von ihr hierzu<br />
berufen.<br />
Er steht auch heute noch in engster Verbindung mit der Staatlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule München, so dass ich in der Lage bin, über ihn<br />
ein Urteil abzugeben. Seine Tätigkeit, sein Charakter, seine geschickte,<br />
besonnene Behandlung sowohl der Pferdebesitzer als auch<br />
der Schmiede und seine kameradschaftliche <strong>Ein</strong>stellung auch seinen<br />
Kollegen gegenüber wer<strong>den</strong> allgemein als mustergültig angesprochen<br />
und haben ihm allseitiges Vertrauen und allgemeine Anerkennung<br />
eingebracht. Seine soziale Stellung und seine wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse sind einwandfrei und gesichert, seine Gesinnung und<br />
sein Charakter sind einwandfrei und zuverlässig im Sinne des<br />
Nationalsozialismus, desgleichen war seine <strong>Leben</strong>sführung in der<br />
Nachkriegszeit. In seiner Tätigkeit als Berater der Landwirte und<br />
Handwerker hat er seine Fähigkeit und Anlage zum Führer schon<br />
reichlich unter öffentlichen Beweis gestellt und fand er auch die<br />
behördliche Anerkennung im vollsten Masse. Auch ich halte ihn als<br />
Vorgesetzten <strong>für</strong> tauglich und zuverlässig“ (PrivAWJ 1936).<br />
Der Passus im Bezug auf <strong>den</strong> Nationalsozialismus drückt wohl weniger die<br />
politische <strong>Ein</strong>stellung Jöchles als vielmehr das Wohlwollen Professor<br />
Mosers Hans Jöchle gegenüber aus. An eine weitere berufliche Karriere,<br />
ohne zumindest <strong>den</strong> äußeren Anschein des Parteikonformismus, war nicht<br />
zu <strong>den</strong>ken. Hierbei ist anzumerken, dass Jöchle zu diesem Zeitpunkt noch<br />
kein Mitglied der NSDAP war.<br />
Als Landwirtschaftsrat <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> war Hans Jöchle bis zu 200 Tage<br />
im Jahr im Außendienst tätig, manchmal auch mehr. Seine Dienstan-
75<br />
weisung sah häufige Vorträge <strong>für</strong> Pferdezüchter, Landwirte und Hufschmiede<br />
vor. Nach der Gleichschaltung wur<strong>den</strong> auch diese landwirtschaftlichen<br />
und handwerklichen Veranstaltungen von der Partei durchdrungen.<br />
So kam es, dass 1936 bei einer Versammlung der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Garmisch in Bad Kohlgrub Hans Jöchle seinen bereits<br />
begonnenen Vortrag abbrechen musste, weil der Kreisbauernführer aus<br />
Weilheim vom Versammlungsleiter forderte, die „Vertreter und Angehörigen<br />
der Partei“ vor <strong>den</strong> nicht der Partei angehörigen sprechen zu<br />
lassen. 39 <strong>Ein</strong> anderes Mal lehnte ein Kreishandwerksmeister Jöchles<br />
Mitwirkung bei der Gesellenprüfung <strong>für</strong> Hufschmiede ab, weil Jöchle <strong>für</strong><br />
diese Aufgabe nicht „von der Partei namhaft gemacht wor<strong>den</strong> sei“. 40 Dabei<br />
war die Abnahme der Gesellenprüfung <strong>für</strong> Hufschmiede eine der<br />
wesentlichen Aufgaben des Fachberaters <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>. Andere<br />
Parteianhänger hetzten gegen Jöchle und verlangten, man solle Jöchle „bei<br />
seinen Beschlagbrückenbesuchen kurzerhand die Türe weisen“ (StAM<br />
SpkA K 814 Johannes Jöchle).<br />
Hinzu kam, dass die NSDAP 1937 bekannt gab, „dass bei Jahresende die<br />
Mitgliedschaft in der Partei abgeschlossen werde. Wer diese Gelegenheit<br />
nicht wahrnehme, könne nach Ende 1937 nicht mit Anstellung bzw.<br />
Wiederverwendung beim Staat rechnen“. Hans Jöchle war gläubiger<br />
Katholik und hatte gehofft, durch die Reaktivierung als Reserveveterinäroffizier<br />
1936 der Parteimitgliedschaft entgehen zu können. Doch<br />
nach dem Zwischenfall bei der Pferdezüchterversammlung in Bad<br />
Kohlgrub 1936 war Jöchle schwer beunruhigt. Die Röhm-Affäre 1934 und<br />
Gerüchte über Konzentrationslager im Hinterkopf entschloss er sich, seiner<br />
Familie und seiner Arbeit zuliebe, am 1. Mai 1937 in die NSDAP<br />
einzutreten. Dabei hoffte er immer noch auf ein <strong>Ein</strong>greifen des Militärs 41<br />
(Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt; PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung,<br />
15.1.1946). Nun im Besitz eines vorläufigen Mitgliedsausweises glaubte<br />
sich Hans Jöchle gegen weitere Demütigungen und Drohungen gewappnet,<br />
doch ein Kreisbauernführer erklärte ihm: „Und trotzdem wer<strong>den</strong> Sie nie<br />
ein Nationalsozialist wer<strong>den</strong>“ (StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle).<br />
Hans Jöchle verband noch ein weiteres Erlebnis mit Bad Kohlgrub. Er litt<br />
an „chronischem Ischias“ und machte deshalb von 1933 bis 1938 jährliche<br />
39<br />
Bestätigt durch <strong>den</strong> Bürgermeister und vier Landwirte aus Bad Kohlgrub am 12. März 1946<br />
(StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle).<br />
40<br />
Diese Begebenheit wurde während Hans Jöchles Entnazifizierungsverfahren von Schmiedemeister<br />
Johann Steger bestätigt (StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle).<br />
41<br />
Vgl. hierzu Fortner (1964, 569).
76<br />
Moorbadekuren in Bad Kohlgrub bei Murnau. Dort wohnte er bei einem<br />
Schmiedemeister Brunner, der Zimmer an Kurgäste vermietete und mit<br />
dem er sich, beruflich wie privat, gut verstand. Der andere Schmied am Ort<br />
(G.) be<strong>für</strong>chtete, dass er dadurch benachteiligt wer<strong>den</strong> könnte (PrivAWJ<br />
1937). Die Beschlagsausführung auf der Schmiede G. gab wohl schon<br />
wiederholt Anlass zu Beanstandungen. Bei einer weiteren Kontrolle dieser<br />
Schmiede leitete Hans Jöchle <strong>den</strong> Herrn G. an, die Hintereisen bei dem zu<br />
beschlagen<strong>den</strong> Pferd nicht mehr zu verwen<strong>den</strong>, da diese zu stark<br />
abgelaufen und vor allem viel zu kurz waren. Die Eisen waren schon durch<br />
das letztmalige Aufstollen viel zu kurz gewor<strong>den</strong> und hätten eigentlich<br />
schon beim letzten Mal <strong>für</strong> dieses Pferd nicht mehr verwendet wer<strong>den</strong><br />
sollen. Herr G. erklärte daraufhin, er mache, was die Pferdebesitzer<br />
verlangten. Als Jöchle versuchte, dem Schmied zu erklären, dass es seine<br />
Aufgabe sei, dem Besitzer zu erklären, dass dadurch der „Fuß des Pferdes“<br />
schwer geschädigt werde, kam es zu einer Auseinandersetzung, die die<br />
Leute auf der Straße zusammenlaufen ließ (BayHStA MK 43826) und die<br />
Gendarmerie zu folgendem Strafbefehl veranlasste:<br />
„An Herrn G., Schmiedemeister in Kohlgrub.<br />
Nach einer Anzeige der Gendarmerie [des] Landwirtschaftsrates <strong>für</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong> in Obb. vom 19.7.37 sollen Sie einen anderen öffentl.<br />
beleidigt haben, indem Sie am 7.7.37 in Ihrer Schmiede in Kohlgrub<br />
d. Kreisfachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in Obb. Landwirtschaftsrat Dr.<br />
Jöchle erklärten: ‚Sie können ja so dumm daherre<strong>den</strong>, weil Sie vom<br />
Staate bezahlt wer<strong>den</strong>, Ihnen kann es ja gleich sein, wenn mein<br />
Geschäft ruiniert wird. Sie verstehen vom <strong>Hufbeschlag</strong> überhaupt<br />
nichts; Sie können einen nur dauernd schikanieren u. tun dies<br />
absichtlich, um die ganzen Bauern nur abspenstig zu machen. Sie<br />
ziehen unsere alten Kun<strong>den</strong> weg u. veranlassen sie, zu<br />
Schmiedemeister Brunner zu gehen; bei dem flacken Sie ohnehin<br />
die ganze Woche drinn, da wird dann ausgemacht, wie man uns<br />
wieder schikanieren kann. Wenn Sie ein Mann wären, dann wür<strong>den</strong><br />
Sie die Stuten auch einmal auf unsere Schmiede zum Brennen<br />
bringen lassen 42 .‘ Diese Aeusserungen, die Sie in so lautem Tone<br />
von sich gaben, dass sie von <strong>den</strong> Benutzern der an der Schmiede<br />
vorbeiführen<strong>den</strong> Ortsstrasse gehört wer<strong>den</strong> konnten, waren in hohen<br />
42 Gemeint ist das Zusammenführen der Stuten und Fohlen zur Stutbuchaufnahme. Der Ort<br />
wurde durch <strong>den</strong> Pferdezuchtverband festgelegt und die Schmiede Brunner gewählt, weil die<br />
Schmiede G. an der verkehrsreichen Hauptstraße lag und weder genügend Raum zum<br />
Aufstellen der Tiere noch ein Vormusterungsplatz vorhan<strong>den</strong> waren (BayHStA MK 43826).
77<br />
Masse geeignet, <strong>den</strong> Kreisfachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> Dr. Jöchle, in<br />
seiner Ehre herabzusetzen. Strafantrag ist frist- u. formgerecht<br />
gestellt.<br />
Diese Handlung erfüllt <strong>den</strong> Tatbestand eines Vergehens der<br />
öffentlichen Beleidigung nach § 185, 194, 196, 200 RSTGB“<br />
(BayHStA MK 43826).<br />
Es wurde eine Strafe von 30 RM verhängt und dem Beleidigten das Recht<br />
eingeräumt, <strong>den</strong> Strafbefehl eine Woche an der Gemeindetafel in Kohlgrub<br />
öffentlich bekannt zu geben (PrivAWJ 1937).<br />
1937 arbeitete Hans Jöchle außerdem auf Forderung der Deutschen<br />
Arbeitsfront die Richtlinien <strong>für</strong> die Durchführung des Berufswettkampfes<br />
im Hufschmiedehandwerk aus (PrivAWJ, ca. 1945). Ziel des Handwerkerwettkampfes<br />
der Deutschen Arbeitsfront war die Erziehung und die<br />
Leistungssteigerung im deutschen Handwerk. Die Wettkampfgruppe<br />
„Metall“ wurde in drei Leistungsklassen unterteilt: Meister, Gesellen und<br />
Arbeitsgemeinschaften. Bei <strong>den</strong> Meistern und Gesellen der Beschlagschmiede<br />
hatten jeweils zwei Wettkampfteilnehmer ein Pferd zu beschlagen,<br />
einen Vorderhuf der einen, und einen Hinterhuf der anderen Seite. Der<br />
Huf wurde ausgeschnitten, gerichtet und ein selbst geschmiedetes Eisen<br />
wurde aufgepasst und vernagelt. Der Beschlag musste in zweieinhalb<br />
Stun<strong>den</strong> durchgeführt wer<strong>den</strong>, ansonsten drohte der Ausschluss vom<br />
Wettkampf. Nach jedem Beschlag führte der Teilnehmer das Pferd vor, um<br />
mögliche Lahmheiten festzustellen (Anonym 1938, 270). Die Gaubesten<br />
aus „Großdeutschland“ trafen sich dann in Frankfurt am Main zu einer<br />
Reichsausscheidung um die Auszeichnung „Reichssieger im Handwerkerwettkampf<br />
1939“ und der sollte dann am 1. Mai dem „Führer und Reichskanzler“<br />
persönlich vorgestellt wer<strong>den</strong> (Reichsinnungsverband 1939, 14).<br />
In Vorbereitung auf das „braune Band“ des deutschen Derbys in München-<br />
Riem betreute Hans Jöchle von 1936 bis 1939 die Hufpflege und <strong>den</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong> der Pferde des Präsi<strong>den</strong>ten des deutschen Renn- und<br />
Reitsportverbandes Christian Weber im Gestüt Leutstetten (Jöchle, W.<br />
2004, mdl. Mitt.).
78<br />
Tab. 1: Pferdezuchtveranstaltungen und Schmiedetagungen, die<br />
Hans Jöchle nach <strong>den</strong> Zeitschriften „Zucht und Sport“ und<br />
„Bayerische Schmiedezeitung“ zwischen 1927 und 1935 besuchte.<br />
Jahr Veranstaltung Quelle<br />
1927 Obermeistertagung des Oberbayerischen<br />
Kreisverbandes im Augustiner-Bierstüberl in<br />
München am 18. September 1927<br />
1928 Obermeistertagung des Oberbayerischen<br />
Kreisverbandes am 19. März 1928 in München<br />
Oberbayerischer Kreisverbandstag am 6. Mai<br />
1929<br />
1930<br />
1928 in Bad Reichenhall<br />
Prämierung der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Tölz-Lenggries am 31. Oktober 1928<br />
Bericht über die Obermeistertagung des<br />
Oberbayerischen Kreisverbandes<br />
Obermeistertagung des Oberbayerischen<br />
Kreisverbandes am 19. März 1929 in München<br />
Prämierung der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Friedberg am 5. Mai 1929 in Friedberg<br />
Oberbayerische Kreisverbandstagung in<br />
Fürstenfeldbruck am 26. Mai 1929<br />
Versammlung der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Ingolstadt am 6. November 1929, Referent des<br />
Tages Kreiswanderlehrer Dr. Jöchle hielt einen<br />
„Vortrag über Hufpflege, insbesondere bei<br />
Fohlen, und sachgemäßen <strong>Hufbeschlag</strong>“<br />
Obermeistertagung des Kreisverbandes<br />
oberbayerischer Schmiedeinnungen am 19. März<br />
in München (Augustiner-Bräustüberl)<br />
Pferdepflege- und Vorführungskurs am<br />
Kanzlerhof vom 5. bis 10. Mai 1930<br />
Kreisverbandstagung oberbayerischer<br />
Schmiedeinnungen am 11. Mai 1930<br />
Pferdeschau anlässlich des Bezirksfestes in Bad<br />
Reichenhall am 8. August 1930, veranstaltet von<br />
der Pferdezuchtgenossenschaft Berchtesga<strong>den</strong><br />
Hagn 1927,<br />
4-5.<br />
Hagn 1928,<br />
1-2.<br />
Hagen 1928,<br />
4-5.<br />
Anonym<br />
1928b, 369-<br />
370.<br />
Anonym<br />
1928c, 3-5.<br />
Hagn 1929,<br />
3-4.<br />
Löffler 1929,<br />
177-178.<br />
Hagen 1929, 6.<br />
Wildsfeuer<br />
1929, 373-374.<br />
Hagn 1930a,<br />
2-3.<br />
Anonym<br />
1930c, 173.<br />
Hagn 1930b,<br />
1-3.<br />
Anonym<br />
1930d, 275.
Tab. 1 (Fortsetzung)<br />
79<br />
Obermeistertagung des Kreisverbandes ober- Anonym<br />
bayerischer Schmiedeinnungen im Oktober 1930 1930a, 1-2.<br />
Vorschau <strong>für</strong> <strong>den</strong> Zuchthengstmarkt in Erding Groll 1930,<br />
am 12. und 13. November 1930 in Erding,<br />
Arndorf, Frauenberg und Stammham<br />
329-330.<br />
Mitgliederversammlung in Miesbach-Tegernsee Anonym1930b,<br />
am 14. November 1929<br />
7-9.<br />
Stuten- und Fohlenprämierungen in Tittmoning, Brixner 1930,<br />
24. November 1930; darauf folgte die Züchterversammlung<br />
mit Preisverteilung bei Geiselbrechtinger<br />
und Ankündigung <strong>für</strong> einen Vortrag<br />
Jöchles mit Demonstrationen über Huf- und<br />
Klauenpflege <strong>für</strong> Hufschmiede, Pferdezüchter<br />
und -halter am 14. Dezember bei Geiselbrechtinger<br />
in Titmoning<br />
349-350.<br />
1931 Erdinger Zuchthengstmarkt im Februar 1931 Groll 1931,<br />
35-36.<br />
Generalversammlung des Pferdezuchtvereins Anonym<br />
Markt Oberndorf im Frühjahr 1931, Jöchle hielt<br />
einen Lichtbildervortrag über Hufpflege und<br />
<strong>Hufbeschlag</strong><br />
1931b, 74-75.<br />
Obermeistertagung des Kreisverbandes oberbayerischer<br />
Schmiedeinnungen am 19. März<br />
1931<br />
Hagn 1931, 1.<br />
Oberbayerischer Kreisverband: Tagung der Anonym<br />
oberbayerischen Schmiedeinnungen am 10. Mai<br />
1931 in Traunstein<br />
1931d, 4-6.<br />
Genossenschaftsprämierung der Pferdezucht- Anonym<br />
genossenschaft Ingolstadt am 10. Juli 1931 1931c, 224-<br />
226.<br />
Verbands-Pferdeschau in Höchstädt am 15. Juli Mittel 1931,<br />
1931<br />
231-233.<br />
Obermeistertagung des Kreisverbandes Anonym<br />
Oberbayern am 20. September 1931 in München 1931e, 1.<br />
Sitzung des gesamten Vorstandes (des Bundes Anonym<br />
Bayerischer Schmiedeinnungen und Schmiedemeister)<br />
am 21. November 1931 in München<br />
1931f, 1-4.
Tab. 1 (Fortsetzung)<br />
1932<br />
1933<br />
1934<br />
80<br />
Sitzung des gesamten Vorstandes am 21. Anonym<br />
November 1931 in München (Schluss) 1932f, 1-2.<br />
24. Erdinger Zuchthengstmarkt am 25. und 26. Anonym<br />
Januar 1932<br />
1932a, 39-40.<br />
Oberbayerische Obermeistertagung am 19. März Anonym<br />
1932 im Augustiner-Bierstüberl zu München 1932g, 1-2.<br />
Pferdeprämierung in Freising am 9. September Anonym<br />
1932, Lichtbildervortrag<br />
1932e, 156.<br />
Oberbayerische Obermeistertagung am Hagen 1932,<br />
18. September in München<br />
4-5.<br />
Auf dem vierwöchigen Reit- und Fahrkurs <strong>für</strong> Eichner 1933,<br />
Landwirtssöhne Anfang 1933 hatte Dr. Jöchle<br />
Vorträge über <strong>Hufbeschlag</strong> gehalten<br />
39, 41.<br />
Obermeistertag des Oberbayerischen<br />
Anonym<br />
Kreisverbandes am 12. März 1933 in München<br />
im Sitzungssaal der Handwerkskammer<br />
1933e, 3-4.<br />
Abschlussprüfung des Reit- und Fahrkurses Kattenbeck<br />
Dorfen am 4. Mai<br />
1933, 133.<br />
Stutenprämierung der Pferdezuchtgenossen- Lindner 1933,<br />
schaft Friedberg im Sommer 1933<br />
177.<br />
Stutenschau der Pferdezuchtgenossenschaft Wildsfeuer<br />
Ingolstadt am 12. Juli 1933<br />
1933, 178.<br />
Stutenprämierung der Pferdezuchtgenossen- Anonym<br />
schaft Fürstenfeldbruck am 22. Juli 1933 1933a, 189.<br />
Oberbayerischer Kreisverband: Obermeister- Anonym<br />
tagung am 26. August 1933<br />
1933b, 5-6.<br />
Kreistagung in München am 27. August 1933 Anonym<br />
1933c, 6.<br />
Der 26. Zuchthengstmarkt in Erding, Anfang Anonym<br />
1934<br />
1934b, 37-38.<br />
Probebeschlag in der Staatlichen Huf-<br />
Sperber 1934,<br />
beschlagschule München, Veterinärstraße, am<br />
17. Februar 1934.<br />
1.<br />
Tagung des Oberbayerischen Kreisverbandes am Anonym<br />
18. Februar 1934<br />
1934c, 4.<br />
Haupttagung des 26. Bayerischen Schmiede- Anonym<br />
bundestages in München am 9. und 10. Juni 1934d, 1-6.
Tab. 1 (Fortsetzung)<br />
1935<br />
81<br />
Gesellenprüfung in München am 30. März 1935 Anonym<br />
1935b, 73-74.<br />
„Referat über Hufpflege und sachgemäßen Huf- Groll 1935,<br />
beschlag“ auf der Pinzgauer Stutenprämierung 36-37.<br />
und Jubiläumsversammlung in Traunstein am<br />
22. Oktober 1934 anlässlich des 25jährigen<br />
Jubiläums der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Traunstein<br />
Tab. 2: Berichte über die Arbeit Jöchles in „Zucht und Sport“ und<br />
„Bayerische Schmiedezeitung“.<br />
1928 Erhebung und Nachprüfung der Berechtigung<br />
zur gewerblichen Ausübung des <strong>Hufbeschlag</strong>s<br />
1930 Jahresbericht der Pferdezuchtgenossenschaft <strong>für</strong><br />
das Bayerische Oberland <strong>für</strong> 1929, Überwachung<br />
der Hufzubereitungen bei Prämierungen<br />
und Schauen<br />
1931 Pferdezuchtverband <strong>für</strong> das oberbayerische<br />
Flachland: Jahresbericht <strong>für</strong> das Jahr 1930<br />
1933 Jahresbericht <strong>für</strong> das Jahr 1931 des<br />
Pferdezuchtverbandes <strong>für</strong> das oberbayerische<br />
Flachland<br />
Anonym<br />
1928a, 1.<br />
Gentner 1930,<br />
270-271.<br />
Löffler 1931,<br />
353-354.<br />
Löffler 1933,<br />
29-30.
2.5 Ernennung zum Professor<br />
82<br />
Am 18. September 1937 starb Professor Moser 43 . Daraufhin wandte sich<br />
das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus an <strong>den</strong> Rektor<br />
der Universität München, ob eine Vertretung der Professur <strong>für</strong> das<br />
Wintersemester 1937/38 erforderlich sei. Gegebenenfalls sei ein Vertreter<br />
zu nennen und ein Dreiervorschlag <strong>für</strong> eine Berufung vorzulegen (UAM<br />
Sen-I-145). Das Dekanat (Professor Wilhelm Ernst) der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät der Universität München schlug vor, „bis zur endgültigen<br />
Regelung der verwickelten Angelegenheit <strong>den</strong> derzeitigen Landwirtschaftsrat<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern, Dr. med. vet. Hans Jöchle“ mit<br />
der Abhaltung der Vorlesungen und Übungen sowie der Vornahme der<br />
Prüfungen zu betrauen. Er sei vortragsgewandt und außerdem mit dem<br />
Institut und <strong>den</strong> Anforderungen des Lehr- und Forschungsbetriebes<br />
vertraut. Er geht auch auf die Problematik der Wiederbesetzung der<br />
Professur ein, die im Kapitel 5.2.3 näher erörtert wird. Das Schreiben<br />
wurde auch dem Leiter der Dozentenschaft der Universität München<br />
vorgelegt (UAM Sen-I-145, 19.10.1937). Die Regierung von Oberbayern<br />
forderte hingegen beim Staatsministerium <strong>für</strong> Wirtschaft, Abteilung Landwirtschaft,<br />
<strong>den</strong> Assistenten der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München,<br />
Landwirtschaftsrat Dr. Eugen Mennel, vertretungsweise mit der Leitung<br />
der <strong>Hufbeschlag</strong>schule zu betrauen (BayHStA ML 562). Dr. Mennel<br />
bemühte sich eifrig darum, hatte aber außer seiner Promotionsarbeit keine<br />
wissenschaftlichen Leistungen nachzuweisen. Als dann noch bekannt<br />
wurde, dass Dr. Mennel „durch Heirat jüdisch versippt“ sei und aus dieser<br />
Ehe eine Tochter stamme, war ihm der Aufstieg verwehrt 44 (BayHStA<br />
MInn 87315).<br />
Das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus übertrug<br />
Jöchle am 23. November 1937 „vorbehaltlich der endgültigen Stellungnahme<br />
des Kreistagsausschusses und des Herrn Reichserziehungsministers<br />
<strong>für</strong> das Winterhalbjahr 1937/38 die Vertretung der Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten,<br />
Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungskunde mit<br />
sofortiger Wirkung“ (PrivAWJ 1937). Das beinhaltete die Abhaltung von<br />
Vorlesungen und Übungen über Hufkunde und Hufkrankheiten an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät (PrivAWJ, Jöchle, H. 1952):<br />
43<br />
Hans Jöchle schrieb <strong>den</strong> Nekrolog <strong>für</strong> Prof. Moser in der Zeitschrift „Der Hufschmied“<br />
(Jöchle 1937b, 165-166).<br />
44<br />
Trotzdem leitete Eugen Mennel von 1937 bis Ende Mai 1948 die <strong>Hufbeschlag</strong>schule.<br />
Eigentlich sollte Hans Jöchle auch die Vorstandschaft der <strong>Hufbeschlag</strong>schule übernehmen,<br />
was aber durch <strong>den</strong> Kriegsausbruch nicht mehr vollzogen wurde (BayHStA MInn 87315).
Im WS 1938/39:<br />
Huf-, Klauen- und Beschlagskunde 2 Stun<strong>den</strong><br />
Beurteilungsübungen in der gesamten Hufkunde 1 Stunde<br />
Im SS 1939:<br />
Huf- und Klauenkrankheiten 1 Stunde<br />
Beschirrungskunde 1 Stunde<br />
Übungen in der Huf- und Klauenbeschlagskunde 1 Stunde<br />
(Boessneck 1972, 322, 324).<br />
83<br />
Der Prorektor Wilhelm Ernst war Professor <strong>für</strong> Mikrobiologie und<br />
Hygiene und Vorstand der Veterinäruntersuchungsanstalt in Schleißheim.<br />
Er setzte sich 1937 bis 1939 sehr <strong>für</strong> die Erhaltung von „Prof. Mosers<br />
Erbe“ und die Berufung von Hans Jöchle ein (Jöchle, W. 2005, schriftl.<br />
Mitt.). Erst Ende Januar 1938 erklärte sich der oberbayerische Kreisausschuss<br />
damit einverstan<strong>den</strong>, dass Jöchle die Professur und die Leitung des<br />
Instituts <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der<br />
Universität München nebenamtlich erledigte. Durch diese Regelung war es<br />
dem Staatsministerium auch möglich, Jöchle weiter seine Hauptbezüge als<br />
Landwirtschaftsrat zu bezahlen und <strong>für</strong> die Professur nur eine Vergütung<br />
<strong>für</strong> die Übernahme einer Nebentätigkeit und nicht das volle Gehalt eines<br />
Professors entrichten zu müssen. Diese Vergütung betrug 1000,- RM pro<br />
Semester (PrivAWJ 1938).<br />
Um weiterhin im öffentlichen Dienst tätig sein zu können, musste Jöchle<br />
erneut <strong>den</strong> „Ariernachweis“ erbringen. Am 2. Juli 1938 schrieb er einen<br />
<strong>Leben</strong>slauf und füllte einen Fragebogen mit <strong>den</strong> Daten und der Konfession<br />
seiner Eltern, Großeltern und seiner Frau aus. Außerdem gehörte eine<br />
Aufstellung der Mitgliedschaften in <strong>den</strong> Partei-Unterorganisationen dazu.<br />
Zum Schluss musste er noch eine Erklärung unterzeichen, dass er weder<br />
der kommunistischen Partei, der nationalkommunistischen Bewegung<br />
(Schwarze Front), der sozialdemokratischen Partei noch ihren Hilfsorganisationen<br />
angehörte und sich auch nie in deren Sinne betätigt habe,<br />
mit dem Schlusssatz: „Ich bin mir bewusst, dass ich fristlos entlassen<br />
werde, wenn diese Erklärung nicht der Wahrheit entspricht“.<br />
Der Nachweis fiel <strong>für</strong> Hans Jöchle zufrie<strong>den</strong>stellend aus und er konnte mit<br />
gutem Gewissen unterzeichnen, dass<br />
„trotz sorgfältiger Prüfung keine Umstände bekannt [sind], welche<br />
die Annahme rechtfertigen könnten, dass ich - und meine Frau - von
84<br />
nicht-arischen Eltern oder Großeltern abstammen; insbesondere hat<br />
keiner meiner - und meiner Frau - Elternteile oder Grosselternteile<br />
zu irgend einer Zeit der jüdischen Religion angehört“ (UAM Sen-I-<br />
145, „Fragebogen“ und <strong>Leben</strong>slauf).<br />
Das ermöglichte die weitere Anstellung Jöchles.<br />
Die „Hauptstelle politische Beurteilung“ des Gaupersonalamts erkundigte<br />
sich bei der Ortsgruppe Keuslinstraße der NSDAP anlässlich der<br />
möglichen Berufung über Jöchle. Sein soziales Verhalten stuften die<br />
Parteigenossen als einwandfrei ein und aufgrund der Mitgliedschaft in der<br />
Partei und einiger ihrer Gliederungen, auch der der Kinder beim JV und<br />
beim BDM, wurde folgendes Gesamturteil erstellt:<br />
„Angefragter ist unbedingt positiv zur NSDAP eingestellt. Er<br />
gehörte weder einer anderen Partei noch einer Loge an. Er ist <strong>für</strong> die<br />
Partei einsatzbereit und opferfreudig.<br />
Er ist Bezieher des V. B.<br />
Beflaggt gut, und grüßt nur mit dem Deutschen Gruß 45 .<br />
Obwohl er selbst 3 Kinder hat lädt er wöchentlich 2 mal ein Kind<br />
zum Mittagessen ein“ (BArch DS (ehem. BDC) B 72, Bl. 2366-<br />
2368).<br />
Damit konnte Hans Jöchle am 15. Januar 1939 an das Staatsministerium<br />
<strong>für</strong> Wirtschaft, Abteilung Landwirtschaft, schreiben:<br />
„Der Herr Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung<br />
beabsichtigt, mich auf <strong>den</strong> freien Lehrstuhl <strong>für</strong> Hufkrankheiten,<br />
Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre<br />
an der Universität München zu berufen und meine Ernennung zum<br />
ausseror<strong>den</strong>tlichen Professor zu erwirken.<br />
Im Hinblick auf § 60 DBG [...] stelle ich unter der ausdrücklichen<br />
Voraussetzung, dass meine Ernennung zum ausseror<strong>den</strong>tlichen<br />
Professor vollzogen wird, die Bitte, mich aus dem Dienst des<br />
Bezirksverbandes Oberbayern zu dem Zeitpunkt meiner Neuer-<br />
45 Vgl. hierzu Kap. 2.7.1.
85<br />
nennung zum ausseror<strong>den</strong>tlichen Professor zu entlassen“ (PrivAWJ,<br />
Jöchle, H. 1939).<br />
Die „Nebentätigkeit“ entpuppte sich als sehr zeitaufwendig, und so sah<br />
sich Jöchle im Juli 1939 seinen Aufgaben nicht mehr gewachsen, „es sei<br />
<strong>den</strong>n auf Kosten [... seines] hauptamtlichen Dienstes“. Deshalb bat er <strong>den</strong><br />
Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, ihn <strong>für</strong> das WS 1939/40 von der<br />
Vorstandschaft des Instituts und der Abhaltung der Vorlesungen, Übungen<br />
und Prüfungen zu entlasten (StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle).<br />
Entweder rechnete Jöchle wirklich nicht mehr mit einer Berufung oder er<br />
wollte diese mit seinem Schreiben erst vorantreiben. Obwohl Jöchle im<br />
Juli noch um seine Freistellung von der Universität gebeten hatte, ernannte<br />
ihn der Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in<br />
einem Schreiben vom 23. August 1939 zum Professor 46 (PrivAWJ).<br />
„Der Führer hat Sie zum ausseror<strong>den</strong>tlichen Professor ernannt.<br />
Ich verleihe Ihnen mit Wirkung vom 1. September 1939 ab in der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität München die freie Planstelle<br />
eines ausseror<strong>den</strong>tlichen Professors mit der Verpflichtung, die<br />
Fächer Hufkrankheiten, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und Beschirrungslehre<br />
in Vorlesungen und Uebungen zu vertreten.<br />
Gleichzeitig ernenne ich Sie zum Vorstand des Instituts <strong>für</strong> Huf- und<br />
Beschirrungskunde der Universität München.“<br />
Damit stan<strong>den</strong> Hans Jöchle jährlich 7.700,- RM Grundgehalt, sowie<br />
Wohnungsgeld und Kindergeld zu und es wurde ein Unterrichtsgeld von<br />
2.000,- RM jährlich gewährt. Daraufhin wurde Jöchle wohl auch in <strong>den</strong><br />
NS-Dozentenbund aufgenommen, ohne jemals die Beiträge bezahlt zu<br />
haben. Ob er eine Aufnahmeerklärung eingereicht hatte, vermochte er sich<br />
später nicht mehr zu erinnern (PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung,<br />
15.1.1946).<br />
Als Professor Wilhelm Ernst, der Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, Jöchle<br />
am 18. September 1939 zu seiner Berufung gratulieren wollte, war Hans<br />
Jöchle schon als Stabsveterinär der Reserve in Frankenbach bei Heilbronn<br />
im <strong>Ein</strong>satz (PrivAWJ 1939).<br />
46 Mehr zu <strong>den</strong> Berufungsverhandlungen im Kap. 5.2.3.
86<br />
Die Beratung <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> im Regierungsbezirk Oberbayern sollte<br />
Jöchle weiterhin als Nebentätigkeit <strong>für</strong> 200,- RM monatlich übernehmen.<br />
Allerdings verfügte der Bezirksauschuss, dass diese Auszahlung nur bei<br />
tatsächlicher Ausübung der Nebentätigkeit erfolgen sollte, also nicht<br />
während der Tätigkeit im Feld. In einem Brief vom 24. November 1939<br />
schrieb die Verwaltung des Bezirksverbandes, die Vereinbarung solle in<br />
kraft treten, wenn Jöchle nach Entlassung aus dem Heeresdienst die<br />
Beratungstätigkeit aufnehmen könne (PrivAWJ 1939). So ist es wohl nie<br />
zur Erfüllung dieses Vertrags gekommen.<br />
In einem „Auszug aus der Niederschrift über die Bezirksverbandsausschuss-Sitzung<br />
[des Bezirksverbandes Oberbayern] am 10. Januar 1940“<br />
wird die nebenamtliche Beratertätigkeit Jöchles bestätigt und seine<br />
Aufgaben ähnlich wie oben beschrieben festgelegt. Allerdings fielen ihm<br />
hier auch die Aufgaben zu, die Tierärzte bei besonderen Huferkrankungen<br />
zu beraten und das Gestüt Isarland in allen Fragen der Hufpflege zu<br />
beraten. Darüber hinaus übertrug man ihm „die Aufsicht über die Huf- und<br />
Klauenpflege bei <strong>den</strong> bezirksverbandseigenen Gütern in Eglfing, Gabersee,<br />
Taufkirchen und Kaltenberg, sowie die <strong>Ein</strong>leitung bezw. Beantragung<br />
entsprechender Massnahmen zur Beseitigung von Mißstän<strong>den</strong>“.<br />
Diese Niederschrift wurde von Christian Weber, dem Präsi<strong>den</strong>ten des<br />
Bezirksverbandstags, gezeichnet. Für die Vergütung von Reisekosten<br />
wur<strong>den</strong> bei Reisen von mehr als 12 Stun<strong>den</strong> 9 RM Tagegeld und ein<br />
Übernachtungsgeld von 6 RM veranschlagt (PrivAWJ 1940).<br />
Seine Amtsräume als Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> im Gebäude der<br />
Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule sollte Jöchle weiterhin behalten (PrivAWJ<br />
1940). Den Unterricht an der städtischen Berufschule <strong>für</strong> Schmiede gab<br />
Jöchle mit der Berufung jedoch auf (BayHStA MK 64637, Vormerkung<br />
über die Berufungsverhandlungen). Mit dem <strong>Ein</strong>tritt in die Universität<br />
erhielt Jöchle auch die Kleiderordnung der Universität München. Als<br />
außeror<strong>den</strong>tlicher Professor war er zum Tragen des kleinen Talars<br />
berechtigt und so hatte er das <strong>Ein</strong>trittsgeld von 20 RM und zusätzlich einen<br />
Jahresbeitrag von 6 RM zur Kleiderkasse zu entrichten. Trotzdem blieb die<br />
Amtskleidung Eigentum der Universität und ihre Verwahrung und<br />
Erhaltung erledigte der Verwaltungsausschuss (PrivAWJ, Kleiderordnung<br />
o. Datum).
2.6 Der Zweite Weltkrieg<br />
87<br />
Aufgrund der Verordnung vom 13. Juli 1934 wurde Hans Jöchle im<br />
Namen des Führers und Reichskanzlers am 15. Februar 1935 zur<br />
Erinnerung an <strong>den</strong> Weltkrieg 1914 bis 1918 das vom Reichspräsi<strong>den</strong>ten,<br />
Generalfeldmarschall von Hin<strong>den</strong>burg, gestiftete „Ehrenkreuz <strong>für</strong> Frontkämpfer“<br />
verliehen (BayHStA MK 43826).<br />
Vom 1. Juni bis zum 28. Juni 1937 nahm Hans Jöchle als Veterinär an<br />
Übernahmeübungen zum Reserveveterinäroffizier des Infanterie-Regiments<br />
19 teil (PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946). Als<br />
Nicht-Parteimitglied hatte er am eigenen Leib erfahren, was Diskriminierung<br />
bedeutete. Nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht bot die<br />
freiwillige Teilnahme an militärischen Lehrgängen und die Ernennung zum<br />
Reserveoffizier die Möglichkeit, seine „nationale Gesinnung“ unter Beweis<br />
zu stellen und sich damit weitere Partei-Aktivitäten vom Leib zu halten<br />
(Kunkel 1966, 127; Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Auch bestand weiterhin<br />
die Hoffnung, die Wehrmacht könne doch noch eingreifen und „<strong>den</strong><br />
ganzen Parteistall ausräumen“ (Fortner 1964, 569). Doch schon 1938<br />
wurde Jöchle „im Rahmen des Anschlusses von Österreich“ mobilisiert<br />
und einem Pferdelazarett bei Augsburg zugeteilt (Jöchle, W. 2004, mdl.<br />
Mitt.).<br />
Hans Jöchle verbrachte <strong>den</strong> März 1939 als Stabsveterinär der Reserve bei<br />
Pflichtübungen im Veterinärdienst an der Heereslehrschmiede München.<br />
Sein Vorgesetzter war Oberfeldveterinär Dr. Walter Richter (PrivAWJ,<br />
Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946), der Leiter der Heereslehrschmiede.<br />
Hans Jöchle hatte sich um die Stelle an der Heereslehrschmiede<br />
bemüht, da die neueren Veröffentlichungen Abweichungen und<br />
Gegensätze zwischen Zivil- und Militärhufbeschlag aufdeckten und Jöchle<br />
sich deshalb <strong>den</strong> Militärhufbeschlag genauer ansehen wollte. Das führte zu<br />
einer Auseinandersetzung über die <strong>Hufbeschlag</strong>smethodik und dazu, dass<br />
Jöchle diese Übung auf Anordnung des Veterinärinspekteurs vorzeitig<br />
abbrechen musste (StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle). Der Veterinärinspekteur,<br />
Generaloberstabsveterinär Prof. Curt Schulze, leitete die<br />
Veterinärinspektion, eine Unterabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht.<br />
Er war „Fachvorgesetzter des gesamten Veterinär- und <strong>Hufbeschlag</strong>spersonals“<br />
(Brumme 1981, 103).<br />
Am 1. September 1939 wurde Hans Jöchle endgültig zum Wehrdienst<br />
einberufen. Der Stabsveterinär der Reserve verrichtete <strong>den</strong> Kriegs-
88<br />
veterinärdienst als Staffelführer im Armeepferdelazarett 551 47 (PrivAWJ,<br />
Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946). Hier wurde zur selben Zeit<br />
auch Melchior Westhues eingesetzt, der Ordinarius <strong>für</strong> Chirurgie an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München. Bald darauf erfolgte jedoch dessen<br />
Versetzung zum Heimatpferdelazarett 105 in Ulm (Deutsche Dienststelle<br />
Berlin 2005, schriftl. Mitt.). Hans Jöchle blieb bei seiner <strong>Ein</strong>heit und zog<br />
mit ihr 1939 vom Quartier in Frankenbach (Württemberg) los, über<br />
Stuttgart zum Quartier in Eich 48 , in dem ein „Gaskurs <strong>für</strong> Mensch und<br />
Tier“ abgehalten wurde. Hans Jöchle traf dort auf seinen Freund und<br />
ehemaligen Leibfuchs Franz Mehrle. Nach der Überquerung der<br />
Rheinbrücke wur<strong>den</strong> in Ochtendung (westlich von Koblenz) Fohlen<br />
verla<strong>den</strong>. Die nächste Station war Maria Laach (PrivAMJ).<br />
Am 25. März 1940 erfolgte die Beförderung Jöchles zum Oberstabsveterinär<br />
der Reserve und die Versetzung zum Armeepferdelazarett 572 49 ,<br />
weiterhin als Staffelführer im Kriegs-Veterinärdienst (PrivAWJ, Fragebogen<br />
der Militärregierung, 15.1.1946). <strong>Ein</strong>e Sammelstaffel und zwei<br />
Lazarettstaffeln ergaben ein Armeepferdelazarett (Hörning 1973, 24). Es<br />
gehörten jeweils drei Armeepferdelazarette zu einer Armee (Deutsche<br />
Dienststelle Berlin 2005, mdl. Mitt.). Die Lazarette waren <strong>für</strong> etwa 1.000<br />
Pferde ausgelegt, oft wur<strong>den</strong> sie aber mit bis zu 1.500 Pfer<strong>den</strong> belegt<br />
(Hörning 1973, 24).<br />
Verwundete oder erkrankte Tiere wur<strong>den</strong> aus der Kampfzone herausgebracht<br />
und auf dem Pferdeverbandsplatz untersucht und behandelt.<br />
Schwer verwundete und marschunfähige Pferde, die längere Behandlungen<br />
oder Operationen benötigten, gab man an die Lazarettstaffel der<br />
Veterinärkompanie ab, die mit allem Notwendigen ausgestattet war. Für<br />
eine länger andauernde Erholung wur<strong>den</strong> die Pferde einem Armeepferdelazarett<br />
„und schließlich zur völligen Ausheilung <strong>den</strong> H e i m a t p f e r -<br />
delazaretten 50 zugeführt“ (Richters 1941, 550).<br />
47 Für das Armeepferdelazarett 551 konnte <strong>für</strong> September 1939 der Standort Neuhausen<br />
festgestellt wer<strong>den</strong>. Wahrscheinlich handelt es sich um das Neuhausen im Wehrkreis V<br />
(Stuttgart), „da das Armeepferdelazarett 551 zu dem dort angesiedelten Armeeoberkommando<br />
7 gehört haben dürfte“ (Deutsche Dienststelle Berlin 2005, schriftl. Mitt.).<br />
48 Da es entlang des Rheins mehrere Ortschaften des Namens „Eich“ gibt, ist nicht mehr zu<br />
rekonstruieren, um welche es sich handelt.<br />
49 Das Armeepferdelazarett 572 wurde vermutlich im Rahmen der Heeresgruppe A ab Mai<br />
1940 im Frankreichfeldzug verwendet (Deutsche Dienststelle Berlin 2005, schriftl. Mitt.).<br />
50 Hervorhebung im Original.
89<br />
Abb. 16: Gaskurs <strong>für</strong> Mensch und Tier in Eich, 1939.
90<br />
<strong>Ein</strong> Heimatpferdelazarett war <strong>für</strong> gewöhnlich in eine Lazarettzentrale, eine<br />
Aufnahme- und Abgabeabteilung (gleichzeitig Genesungsabteilung), eine<br />
chirurgische und eine innere Abteilung und eine Absonderungs- und<br />
Seuchenabteilung unterteilt (Seifried 1941, 141). Es gab dort Röntgengeräte,<br />
Zahnstationen und „Apparate zur Aufnahme der Herztätigkeit“.<br />
Über Pferdeparke und Veterinärkompanien gelangten die Pferde schließlich<br />
wieder zur „kämpfen<strong>den</strong> Truppe“. Beim Heer nicht mehr einsetzbare<br />
Pferde wur<strong>den</strong> an die Landwirtschaft abgegeben, „selbstverständlich [...<br />
fan<strong>den</strong>] tierschützerische Gesichtspunkte weitgehende Berücksichtigung“<br />
(Richters 1941, 550).<br />
Reitpferd „Peter“ begleitete Hans Jöchle auf dem Marsch zur belgischen<br />
Grenze. Im Juli 1940 erreichten sie Évigny bei Charleville-Mézières in<br />
Frankreich (PrivAMJ). Jöchle betreute dort eine Vielzahl an Pfer<strong>den</strong> der<br />
französischen Armee und die berühmten Berberhengste der Spahi-<br />
Divisionen aus Nordafrika und sollte diese <strong>für</strong> die Wiederverwendung<br />
vorbereiten (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Der weitere Vormarsch nach<br />
Sü<strong>den</strong> Richtung Dijon führte über Amance und die Vogesen. Der Weg<br />
über Col de la Schlucht nach Saint-Dié führte am „Grenzstein des<br />
deutschen Vorstoßes 1914“ vorbei und weiter nach Straßburg (PrivAMJ).<br />
Hans Jöchles altes Ischiaslei<strong>den</strong> konnte in <strong>den</strong> 30er Jahren durch jährliche<br />
Moorbadekuren unter Kontrolle gehalten wer<strong>den</strong>. Da es nun nicht mehr<br />
behandelt wurde, erlitt er erneut eine Ischiasattacke und wurde von<br />
September bis Dezember 1940 zur Heereskuranstalt Krynica in Polen<br />
verlegt, die zum Kriegslazarett Krakau gehörte (PrivAMJ). Dort verordnete<br />
ihm der Arzt eine Unterwassermassage. Leider war das, wie Jöchle später<br />
vom leiten<strong>den</strong> Arzt in Krakau bestätigt wurde, in seinem Falle gänzlich<br />
unangebracht. Nach der Anwendung brach Jöchle plötzlich zusammen und<br />
musste mit einer Querschnittslähmung zwei Monate liegen (PrivAWJ;<br />
Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).
Abb. 17: Hans Jöchle auf Reitpferd „Peter“, ca. 1939 bei Stuttgart.<br />
91<br />
Abb. 18: Hans Jöchle bei der Behandlung eines Pferdes mit einer<br />
Schusswunde, Évigny 1940.
92<br />
Abb. 19: Hans Jöchle leitet Helfer bei der Behandlung eines verletzten<br />
Pferdes an, Évigny im Juni 1940.<br />
Danach gelangte Jöchle als Veterinäroffizier zum Kommandant (= Truppenteil)<br />
rückwärtiges Armeegebiet 559 (PrivAWJ, Fragebogen der<br />
Militärregierung, 15.1.1946), das am 1. Februar 1941 in Regensburg<br />
aufbrach, dann mit der Zweiten Armee im Balkan (Mai 1941) und 1942 bei<br />
der Vierten Armee in Mittelrussland im <strong>Ein</strong>satz war (Deutsche Dienststelle<br />
Berlin 2005, mdl. Mitt.; Tessin 1980, 168). Am 1. März 1941 erhielt Jöchle<br />
das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern 51 <strong>für</strong> gewissenhafte<br />
Dienstleistung (PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946).<br />
Auch in Belgrad musste er 1941 seine Ischiaserkrankung an der dortigen<br />
Universitäts-Nervenklinik behandeln lassen (PrivAWJ 1952).<br />
Das Elend der Zivilbevölkerung machte Jöchle sehr zu schaffen<br />
(PrivAMJ):<br />
51 Das Kriegsverdienstkreuz galt als „Zeichen der Anerkennung <strong>für</strong> Verdienste [...], die keine<br />
Würdigung durch das Eiserne Kreuz fin<strong>den</strong> können“. Der Zusatz „mit Schwertern“ steht <strong>für</strong><br />
„besondere Verdienste bei <strong>Ein</strong>satz unter feindlicher Waffenwirkung“ (Verordnung über die<br />
Stiftung des Kriegsverdienstkreuzes. In: Westarp 1940, 412).
93<br />
„Im April 1941 war Jöchle als Teil eines Sonderstabes [...] nach der<br />
<strong>Ein</strong>nahme Belgrads, <strong>für</strong> Seuchenschutz von Menschen und Tieren<br />
und Wasser- und Nahrungsmittelversorgung der Truppe im Großraum<br />
Belgrad verantwortlich. Da diese Aufgabe ohne <strong>Ein</strong>beziehung<br />
der Zivilbevölkerung nicht möglich war, hat Jöchle, gegen Befehl,<br />
Kontakte mit dem diesbezüglichen Experten der Universität Belgrad<br />
gesucht, weil die Probleme nur gemeinsam zu lösen waren, was<br />
dann auch rasch gelang. Im Mai 1941 kam es in Belgrad zu einer<br />
Begegnung mit dem Reichsführer SS und Chef der Polizei, Heinrich<br />
Himmler, im Offizierskasino. 52 Himmler bat Jöchle an seinen Tisch<br />
und bestürmte ihn, die Position des leiten<strong>den</strong> Veterinäroffiziers der<br />
Waffen-SS zu akzeptieren. Nein zu sagen war im Kreis des Stabes<br />
von Himmler nicht leicht. Jöchle wusste aber bereits, dass er dem<br />
Sonderstab des Generals von Unruh, dem späteren ‚General<br />
Hel<strong>den</strong>klau‘, als leitender Veterinäroffizier <strong>für</strong> <strong>den</strong> Großraum<br />
Moskau zugeteilt wor<strong>den</strong> war. General Unruh konnte bei Hitler<br />
Jöchles Abwerbung durch Himmler unterbin<strong>den</strong>. Als Folge nahm<br />
Jöchle am Russlandfeldzug 1941 mit der Spitze der Panzerarmee<br />
Guderian teil, die vor Moskau im Dezember 1941 zum Stehen kam.<br />
Jöchle hatte im Fernrohr die Silhouette des Moskauer Stadtrands<br />
erkennen können, ehe er, wie alle, <strong>den</strong> Rückzug zu Fuß antreten<br />
musste. Es gelang dem Sonderstab Unruh, Anschluss an die<br />
vorgerückte, aber ebenfalls zum Stillstand gekommene Infanterie zu<br />
fin<strong>den</strong>, ohne gefangen wor<strong>den</strong> oder erfroren zu sein“ (Jöchle, W.<br />
2004, mdl. Mitt.).<br />
Das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse mit Schwertern <strong>für</strong> gewissenhafte<br />
Dienstleistung erhielt Hans Jöchle am 20. April 1942 und am 1. Juli 1942<br />
folgte das Verwundetenabzeichen in Silber <strong>für</strong> dreimalige Verwundung<br />
(PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946).<br />
Ab Oktober 1942 war Hans Jöchle Leitender Veterinäroffizier <strong>für</strong> Lettland<br />
in Riga bei der Oberfeldkommandatur 394 (PrivAWJ, Fragebogen der<br />
Militärregierung, 15.1.1946; Deutsche Dienststelle Berlin 2005, schriftl.<br />
Mitt.). Nach einem Aufenthalt am Ilmensee 53 Anfang 1943 (PrivAWJ<br />
1952) wurde Jöchle im Mai 1943 zum Oberfeldveterinär befördert und als<br />
Divisionsveterinär zur 47. Infanterie-Division versetzt. Er kam zur 156.<br />
52 Himmler war ein Bundesbruder Jöchles bei der Burschenschaft Apollo. Er schloss sich früh<br />
der NSDAP an und versuchte, Jöchle <strong>für</strong> die Partei zu gewinnen, was ihm jedoch nicht gelang<br />
(Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
53 Der Ilmensee liegt in Nordwestrussland zwischen Moskau und Sankt Petersburg.
94<br />
Reservedivision in Calais (Frankreich) (Deutsche Dienststelle Berlin 2005,<br />
schriftl. Mitt.; PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946).<br />
Das Aufgabengebiet eines Divisionsveterinärs umfasste die Seuchenvorbeuge<br />
und -bekämpfung und die Betreuung der Veterinärkompanien.<br />
Außerdem regelte er die Angelegenheiten des Veterinär- und <strong>Hufbeschlag</strong>personals<br />
der Division und sorgte <strong>für</strong> Pferdeersatz und <strong>den</strong><br />
Nachschub an Veterinärgeräten (Zieger 1973, 73).<br />
Auch in Calais plagte Hans Jöchle wieder der Ischias und er musste 1943<br />
das Luftwaffen-Lazarett in St. Omer aufsuchen (PrivAWJ 1952). Ab 1940<br />
war Jöchle aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung in seiner<br />
Tauglichkeit stark herabgesetzt, was seine Vorgesetzten aber keineswegs<br />
berücksichtigten. 1943 verordnete der Arzt Hans Jöchle „Heimatverwendung“,<br />
doch Jöchle wurde weiterhin an der Front behalten (StAM<br />
SpkA K 814 Johannes Jöchle).<br />
Hans Jöchle war in einem Armeekorps hinter dem Atlantikwall stationiert<br />
und hatte mehrere tausend Pferde zu betreuen, die dort als Fortbewegungsmittel<br />
auf eine mögliche Verlegung oder <strong>den</strong> Rückzug warteten.<br />
Das Personal <strong>für</strong> diese Dienste war völlig ungeschult und auch Beschirrung<br />
und Wagen ließen zu wünschen übrig. Die Pferde waren schlecht trainiert.<br />
Da die Invasion in Calais erwartet wurde, waren alle Anträge auf eine<br />
Verbesserung der Situation vergebens. Niemand rechnete ernsthaft damit,<br />
dass es zu einer Verlegung kommen sollte - bis die Invasion am 6. Juni<br />
1944 die Normandie erreichte. Daraufhin sollte das Armeekorps rasch nach<br />
Sü<strong>den</strong> verlegt wer<strong>den</strong>. Die untrainierten Pferde brachen reihenweise vor<br />
<strong>den</strong> ungeeigneten und überla<strong>den</strong>en Wagen zusammen. Trotzdem erreichte<br />
das Korps <strong>den</strong> Wald von Compiègne, verschoss dort rasch seine Munition<br />
und wurde geschlagen.<br />
Jöchle versuchte mit einigen Kamera<strong>den</strong> die deutsche Grenze zu erreichen,<br />
um einer Gefangennahme zu entgehen. Tagsüber versteckt, nachts<br />
marschierend oder unter der Nutzung zurückgelassener Gefährte, erreichte<br />
er im Herbst 1944 Aachen. Die Truppe hatte bedeutend an Stärke verloren.<br />
Hans Jöchle war nun der dienstälteste und ranghöchste Offizier und führte<br />
<strong>den</strong> Rest der <strong>Ein</strong>heit bei der Verteidigung von Aachen (Jöchle, W. 2004,<br />
mdl. Mitt.). Die Zeit vom 26. Oktober 1944 bis Kriegsende verbrachte<br />
Jöchle bei der 47. Volksgrenadier-Division (PrivAWJ, Fragebogen der<br />
Militärregierung, 15.1.1946). Im Januar 1945 wurde er schwer verwundet<br />
und musste in das Lazarett abtransportiert wer<strong>den</strong> (Jöchle, W. 2004, mdl.
95<br />
Mitt.; PrivAWJ 1952). Später ließ sich Hans Jöchle im Reservelazarett<br />
Heidelberg behandeln (ab 10. März 1945) 54 und am 4. April 1945 verlegte<br />
man ihn in das Reservelazarett Krumbad bei Mindelheim im bayerischen<br />
Schwaben, wo er am 28. Mai 1945 in die Heimat entlassen wurde<br />
(Krankenbuchlager Berlin 2005, schriftl. Mitt.).<br />
Jöchle gelangte in ein amerikanisches Gefangenenlager bei Kaufbeuren.<br />
Die Amerikaner versuchten, die Kriegsverbrecher unter <strong>den</strong> Deutschen zu<br />
ermitteln und Jöchle war ihnen als Parteimitglied und Professor an einer<br />
nationalsozialistischen Hochschule äußerst verdächtig. Er versuchte sich zu<br />
verteidigen und erzählte von seiner Aufgabe in Belgrad. Über Umwege<br />
hatten die Amerikaner von einem jugoslawischen Wissenschaftler und<br />
dessen Zusammenarbeit mit Jöchle erfahren. Aufgrund dessen Berichts<br />
wurde Jöchle am 3. August 1945 freigelassen und zu seiner Familie nach<br />
Erkheim gebracht (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.; UAM E-II-1898). Am<br />
31. Juli 1945 wurde Jöchle „frei von Ungeziefer und anstecken<strong>den</strong> Krankheiten“<br />
aus der Wehrmacht entlassen (Krankenbuchlager Berlin 2005,<br />
schriftl. Mitt.; PrivAWJ 1945).<br />
Die Familie hatte München im Sommer 1943 nach <strong>den</strong> ersten Bombenschä<strong>den</strong><br />
verlassen und war nach Zeitz zu <strong>den</strong> Großeltern gezogen. Die<br />
Tochter Maria wurde zur Erntehilfe herangezogen (UAM E-II-1898). Kurz<br />
vor der Übernahme durch die Russen im Juni 1945 entschloss sich Frau<br />
Jöchle, mit <strong>den</strong> drei jüngeren Kindern nach Erkheim zurückzukehren. Mit<br />
<strong>den</strong> sich zurückziehen<strong>den</strong> amerikanischen Truppen gelangten sie auf<br />
abenteuerlichen Wegen über München nach Erkheim. Die Wohnung in<br />
München war im Juli 1944 völlig zerstört wor<strong>den</strong> (Jöchle, W. 2004, mdl.<br />
Mitt.).<br />
„Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges sah es zunächst aus, als ob in<br />
der Zeit der ‚Blitzkriege‘ dem Pferd nur noch eine nebensächliche<br />
Rolle zufalle. Das gut ausgebaute, feste Straßen- und Wegenetz des<br />
Westens gab im Verein mit der hohen, unverbrauchten Qualität des<br />
Materials dem Motor <strong>den</strong> unbestrittenen Vorrang. Der Ostfeldzug<br />
zeigte aber, daß im weiten russischen Raum mit seinen schlechten<br />
Wegeverhältnissen und dem außergewöhnlichen Klima mit seinen<br />
<strong>Ein</strong>flüssen auf die Bo<strong>den</strong>beschaffenheit sowie im Gebirge eine<br />
Kriegsführung ohne Pferd - sei es als Reit-, Zugpferd oder Tragtier -<br />
54 Nach der Dienstaltersliste der Veterinäroffiziere wurde Jöchle am 8. März im Reservelazarett<br />
Heidelberg eingeliefert (TiHoA o. Sign., Dienstaltersliste der Veterinäroffiziere nach<br />
dem Stand vom 1. Januar 1945, 27).
96<br />
un<strong>den</strong>kbar ist. Mit der Länge des Krieges, der Abnutzung der<br />
Motorisierung, dem Versagen des Nachschubs infolge Ausfall der<br />
Industrie durch feindlichen Lufterror, trat der Pferdezug immer mehr<br />
in <strong>den</strong> Vordergrund. Kamerad Pferd eroberte dort seinen Platz<br />
weitgehend wieder [...] Fast überall mußten auch Panzerverbände<br />
<strong>für</strong> Artillerie und Wirtschaftsfahrzeuge zum Pferdezug greifen, da<br />
selbst Panzer und Zugmaschinen [...] versagten“ (Zieger 1973, 413-<br />
414).<br />
Die Deutschen setzten im Zweiten Weltkrieg etwa 2,75 Millionen Zug-<br />
und Reitpferde sowie Tragtiere ein. Die Verwendung des Pferdes beim<br />
Kampfeinsatz sank drastisch, als Transportmittel war es aber immer noch<br />
von großer Bedeutung. Durch Krankheiten, Seuchen und Kriegseinwirkung<br />
entstan<strong>den</strong> enorme Pferdeverluste, aber auch die eisige Kälte in<br />
Russland und der Futtermangel machten <strong>den</strong> Pfer<strong>den</strong> zu schaffen. Die<br />
größten Verluste an der Pferdepopulation ließen sich schlicht auf die<br />
Erschöpfung der Tiere zurückführen. Viele der Feld- und Gefechtswagen<br />
waren <strong>für</strong> die schlechten Straßenverhältnisse in Russland zu schwer und<br />
überforderten die Pferde. Die großen Feldküchen und Pferdetransportwagen<br />
taten ein Übriges (Brumme 1981, 101-102; Buchner 1998, 137-138,<br />
141).<br />
„Der Zweite Weltkrieg, <strong>den</strong> Jöchle als Stabs-, Oberstabs- und<br />
Oberfeldveterinär mitgemacht hat, und dessen bitteres Ende haben<br />
Jöchle hart zugesetzt“,<br />
schrieb Franz Mehrle, als er <strong>den</strong> Nekrolog <strong>für</strong> seinen besten Freund und<br />
Bundesbruder verfasste (Mehrle 1968, 234).
2.7 Nachkriegszeit<br />
97<br />
Die Wohnung in der Keuslinstraße 4 in München war am 13. Juli 1944 mit<br />
<strong>den</strong> noch vorhan<strong>den</strong>en Teilen der <strong>Ein</strong>richtung <strong>den</strong> Bomben zum Opfer<br />
gefallen. Der im August 1943 nach Zeitz „in Sicherheit gebrachte“<br />
Hauptteil des beweglichen Besitzes befand sich nun in der russischen<br />
Besatzungszone und musste somit als verloren betrachtet wer<strong>den</strong> 55<br />
(BayHStA MK 43826). Der mühsam ersparte Konzertflügel <strong>für</strong> Marta<br />
Jöchle konnte nicht mitgenommen wer<strong>den</strong>. Er ging 1944 in Flammen auf<br />
(Jöchle, M. 2005, mdl. Mitt.).<br />
Bis zum 10. Mai 1945 hatte Hans Jöchle Wehrsold empfangen. Danach<br />
befand er sich in der Kriegsgefangenschaft, aus der er am 3. August 1945<br />
entlassen wurde. Um die Versorgung der Familie zu sichern und um zu<br />
sehen, was von seiner Arbeit noch übrig war, trat er schon am 5. August<br />
1945 seinen Dienst an der Universität (UAM E-II-1898) und der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule wieder an 56 , um Instandsetzungs-, Erhaltungs- und<br />
Ordnungsarbeiten durchzuführen und zu koordinieren.<br />
„Das Institut war zwar 1943 schwer beschädigt wor<strong>den</strong>, hatte aber<br />
wieder ein Dach erhalten, und obwohl Vorlesungsauditorium und<br />
die große Sammlung total ausgebrannt waren, gab es drei<br />
funktionsfähige Räume, das Geschäftszimmer, das Büro des Vorstandes<br />
und einen Laborraum. Zudem war die <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
mit ihren 15 Feuern intakt geblieben. Dort fungierte Dr. Mennel, der<br />
noch aus Professor Mosers Zeiten Assistent war. Er war gerade<br />
soviel älter, um nicht eingezogen wor<strong>den</strong> zu sein und hatte <strong>den</strong><br />
Schmiedebetrieb als Dienstleistungsbetrieb zusammen mit zwei<br />
uralten Werkmeistern <strong>den</strong> ganzen Krieg hindurch aufrechterhalten.<br />
Es hieß, er habe eine halbjüdische Frau und er habe alles unternommen,<br />
sie zu retten bzw. sie zu schützen, was gelungen ist. Da<strong>für</strong><br />
war es aber notwendig, sich in München festzuhalten“ (Jöchle, W.<br />
2004, mdl. Mitt.).<br />
Um in München eine Wohnung zu bekommen, musste Jöchle <strong>den</strong> Rektor<br />
der Universität, Albert Rehm, bitten, beim Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht<br />
und Kultus eine Dringlichkeitsbescheinigung anzufordern (BayHStA MK<br />
43826). Daraufhin gelang es Jöchle, ab Anfang 1946 in der Sonder-<br />
55<br />
Vieles davon hat dann später doch noch <strong>den</strong> Weg zurück gefun<strong>den</strong> (Jöchle, W. 2006,<br />
schriftl. Mitt.).<br />
56<br />
Die Akte BayHStA MK 43826 berichtet vom 6. August 1945.
98<br />
meierstraße 84 in Untermiete bei einem seiner Beschlagmeister unterzukommen<br />
(StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle; Jöchle, W. 2004, mdl.<br />
Mitt.). Der Rest der Familie Jöchle hatte sich nach Erkheim zurückgezogen<br />
(BayHStA MK 43826), da in München die Wohnungsnot sehr groß und<br />
eine Zuzugsgenehmigung nicht zu erwarten war. Sohn Manfred berichtet<br />
über seine Kindheit in Erkheim:<br />
„Meine Mutter, meine bei<strong>den</strong> Schwestern und ich sind nach<br />
Erkheim gekommen. Wir haben gedacht, dass man uns freudig<br />
aufnimmt, weil mein Vater ein Erkheimer war. Aber Erkheim war<br />
voll mit Flüchtlingen aus dem ganzen Ostbereich. Wir haben ein<br />
Austragsstüberl bekommen, was <strong>für</strong> <strong>den</strong> Bauer zu schlecht war, aber<br />
wir hatten wenigstens ein Dach über dem Kopf. Dort haben wir fünf<br />
Jahre gelebt. Mein Vater und mein Bruder kamen aus der<br />
Kriegsgefangenschaft zurück. Mein Bruder hat dann in Memmingen<br />
das Abitur gemacht und ist danach sofort nach München zum<br />
Studieren“ (Jöchle, M. 2005, geb. 5.1.1941, mdl. Mitt.).<br />
Hans Jöchle hatte sich sehr <strong>für</strong> <strong>den</strong> Wiederaufbau der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
und des Hufkundeinstituts eingesetzt und deshalb traf ihn die Enthebung<br />
vom Dienst als Professor durch das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong><br />
Unterricht und Kultus auf Weisung der Militärregierung am 15. November<br />
1945 umso härter. Die Besoldungszahlstelle stellte die Bezüge ein und<br />
Jöchle wurde jede weitere dienstliche Tätigkeit an der Universität oder<br />
angegliederten Instituten untersagt (UAM E-II-1898). Er blieb bis Ende<br />
März 1946 ohne Beschäftigung (PrivAWJ 1948).<br />
Nach der Dienstenthebung suchte Hans Jöchle dringend Arbeit. Ministerialrat<br />
Dr. Wilhelm Pschorr fragte am 2. Januar 1946 beim Landesverband<br />
bayerischer Pferdezüchter <strong>für</strong> Jöchle an, ob der Verband einen<br />
Landwirtschaftsrat <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> und Klauenpflege aufstelle. Er werde<br />
gegebenenfalls <strong>für</strong> eine geeignete Kraft (also Jöchle) sorgen. Die Militärregierung<br />
<strong>für</strong> Oberbayern entschied sich schließlich am 14. März 1946,<br />
„dass Dr. Jöchle vorläufig im Dienst [als Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>]<br />
bleiben darf, abhängig von der Verfügbarkeit passender Beamter oder auf<br />
einer Weisung, ihn zu entlassen“ (BayHStA MInn 87801).<br />
Mit der Entscheidung des Staatsministeriums des Innern vom 17. Juni<br />
1946 wurde Jöchles nebenamtliche Weiterbeschäftigung als Fachberater<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern genehmigt. Er wurde damit rückwirkend<br />
zum 1. April 1946 beim Bezirksverband Oberbayern angestellt, was ihm
99<br />
monatlich 596,- RM plus 154,- RM Wohnungsgeldzuschuss, aber keinen<br />
Anspruch auf Ruhegeld einbrachte (PrivAWJ 1946, 1951). Für eine<br />
hauptamtliche <strong>Ein</strong>stellung als Beamter sollte das Ergebnis des Entnazifizierungsverfahrens<br />
abgewartet wer<strong>den</strong> (BayHStA MInn 87801).<br />
2.7.1 „Und trotzdem wer<strong>den</strong> Sie nie ein Nationalsozialist wer<strong>den</strong>“ -<br />
die Entnazifizierung<br />
Der stellvertretende Militärgouverneur der Amerikaner betrieb in Bayern<br />
eine kompromisslose Entnazifizierungspolitik, „förderte aber auch die von<br />
<strong>den</strong> USA ausgehen<strong>den</strong> Hilfeleistungen <strong>für</strong> die Bevölkerung“ (Röcken<br />
2002, 79). Der alliierte Kontrollrat erstellte Direktiven „über die Befreiung<br />
von Nationalismus und Militarismus“ und ließ alle Bürger umfassende<br />
Fragenbogen ausfüllen. Die sollten die Grundlagen <strong>für</strong> die deutschen<br />
Spruchkammern bil<strong>den</strong>, um die Bürger in fünf Kategorien einzuteilen:<br />
I Hauptschuldige<br />
II Belastete<br />
III Minderbelastete<br />
IV Mitläufer<br />
V Entlastete (Stöckel 2000, 19).<br />
Auch Jöchle wurde am 15. November 1945 durch <strong>den</strong> Bayerischen<br />
Staatsminister <strong>für</strong> Unterricht und Kultus, auf Weisung der Militärregierung,<br />
des Dienstes enthoben (PrivAWJ 1951).<br />
Bei seinen nicht der NSDAP angehören<strong>den</strong> Mitmenschen war Jöchle<br />
„niemals als Nationalsozialist hervorgetreten, weder durch nazistische<br />
Äusserungen, noch durch die Grussform, noch durch irgendwelche<br />
sonstige Wandlungen. [...] Lediglich die <strong>Ein</strong>topfspen<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> auf<br />
Weisung des NSV-Blockwarts [...] eine Zeitlang in seiner Wohnung<br />
abgegeben“ (StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle, Elisabeth Jasinski).<br />
Auch der Lehrlingswart der Schmiedeinnung Freising, Johann Steger, der<br />
bei <strong>den</strong> Gesellenprüfungen oft mit Jöchle in Berührung kam, bezeugte,<br />
dass Jöchle weder auf Versammlungen noch bei Prüfungen jemals<br />
„nazistische Äußerungen“ oder <strong>den</strong> Hitlergruß gezeigt habe. Nach dem<br />
Arzt aus dem Reservelazarett Krumbad war Jöchle sogar ein „absoluter<br />
Gegner des Naziregimes“ - wenigstens im Winter 1945. Es fan<strong>den</strong> sich
100<br />
noch viele weitere Personen, <strong>den</strong>en Jöchle seine Abneigung dem<br />
Nationalsozialismus gegenüber mitgeteilt hatte oder die Zeugen der<br />
Diskriminierung Jöchles im Berufsleben wur<strong>den</strong> und die dies nun zu<br />
Protokoll gaben (StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle).<br />
Die Spruchkammer X in München reihte Hans Jöchle am 18. Dezember<br />
1946 in die Gruppe der Mitläufer ein. Es wurde eine Geldsühne von<br />
1.000,- RM zu einem Wiedergutmachungsfond verhängt. „Anstelle von je<br />
40,- RM Geldsühne tritt <strong>für</strong> <strong>den</strong> Fall der Uneinbringlichkeit eine<br />
Arbeitsleistung von 1 Tag. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens<br />
zu tragen. Streitwert: 12.000,- RM.“ Begründet wurde diese Strafe mit der<br />
Parteimitgliedschaft seit 1937 und weiteren Mitgliedschaften beim NS-<br />
Dozentenbund 1940 bis 1945, der NS-Volkswohlfahrt, der NS-Kriegsopferversorgung,<br />
dem NS-Altherrenbund, dem Reichskriegerbund 57 und<br />
dem Reichsluftschutzbund. Die Zugehörigkeit zum Freikorps Epp wurde<br />
ihm nicht angelastet und die Ernennung zum außeror<strong>den</strong>tlichen Professor<br />
beruhte nach der Aussage von Oberregierungsrat Wilhelm Pschorr vom<br />
Ministerium des Innern nicht auf der Parteizugehörigkeit, sondern darauf,<br />
dass Jöchle „in seinem Spezialfach (<strong>Hufbeschlag</strong>) als erste Autorität“ galt.<br />
Er bekleidete kein Parteiamt und setzte sich auch sonst nicht <strong>für</strong> die Partei<br />
ein, deshalb wurde er lediglich als nominelles Parteimitglied betrachtet.<br />
„Gegen eine Berufung als Professor bestehen bei der Sachlage keinerlei<br />
Be<strong>den</strong>ken“ (UAM E-II-1898).<br />
General Joseph McNarney erließ die Weihnachtsamnestie, die ungefähr<br />
800.000 Personen betraf. Nach der Durchführungsbestimmung fielen alle<br />
vom Befreiungsgesetz betroffenen Personen darunter, deren <strong>Ein</strong>kommen<br />
1943 und 1945 unter 3.600 RM lag und die am 1. Januar 1945 weniger als<br />
20.000 RM an Vermögen besaßen. Außerdem betraf sie auch alle Körperbeschädigten,<br />
die zu 50 % und mehr versehrt waren oder in die<br />
Versehrtenstufen II, III oder IV eingegliedert waren. Die laufen<strong>den</strong><br />
Verfahren wur<strong>den</strong> damit eingestellt. Hauptschuldige und Aktivisten waren<br />
von der Amnestie ausgenommen (StAM LRA 137, 420, „Neue Zeitung“<br />
vom 28.2.1947).<br />
Hans Jöchle erfüllte die Voraussetzungen der Weihnachtsamnestie (StAM<br />
SpkA K 814 Johannes Jöchle). Der Arzt im ehemaligen Reservelazarett<br />
München I teilte ihn am 27. Februar 1946 aufgrund von Ischias- und<br />
57 Hans Jöchle war Mitglied der „Kameradschaft ehemaliger Angehöriger der Bayerischen<br />
Schützenbrigade 21 von 1919“ die im Oktober 1938 korporativ dem NS-Reichskriegsbund<br />
beitrat (PrivAWJ, Fragebogen der Militärregierung, 15.1.1946).
101<br />
Herzbeschwer<strong>den</strong> in die Versehrtenstufe III ein (PrivAWJ 1952) und<br />
wahrscheinlich trafen auch die finanziellen Bestimmungen zu. Im Rahmen<br />
der Weihnachtsamnestie teilte der öffentliche Kläger bei der Spruchkammer<br />
X in München Jöchle am 26. April 1947 mit: „auf Grund der<br />
Angaben in Ihrem Meldebogen sind Sie von dem Gesetz zur Befreiung von<br />
Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 nicht betroffen“<br />
(UAM E-II-1898).<br />
Zwei Tage später (28. April 1947) ging der Antrag um Wiedereinstellung<br />
als außeror<strong>den</strong>tlicher Professor mit beigefügten Spruchkammerbeschei<strong>den</strong><br />
an <strong>den</strong> Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München, der die Angelegenheit<br />
an <strong>den</strong> Rektor der Universität weiterleitete (UAM E-II-1898). Mit der<br />
Weihnachtsamnestie hatten sich die Chancen auf die Professur wieder<br />
deutlich erhöht.<br />
„Die Wiedereinstellung entfernter Beamter, die als Mitläufer 58<br />
erklärt sind, liegt ausschließlich im Ermessen der Verwaltung. Diese<br />
hat sich, wie bei jeder Neuanstellung, von der persönlichen und<br />
sachlichen Eignung des Beamten, vom Ausmaß ihres Personalbedarfs<br />
und vom Vorhan<strong>den</strong>sein geeigneter freier Stellen innerhalb<br />
ihres Bereichs leiten zu lassen. Nur wenn diese Voraussetzungen<br />
erfüllt sind, darf die Wiedereinstellung in Aussicht genommen<br />
wer<strong>den</strong>. [...] Entfernte Beamte, die als vom Gesetz nicht<br />
betroffen 59 erklärt sind, müssen wieder in ihre bisherige Stelle oder,<br />
falls dies nicht möglich ist (z. B. weil die Stelle besetzt, weggefallen<br />
oder verändert ist), in eine andere Stelle mit gleichem Rang und<br />
Gehalt berufen wer<strong>den</strong>“ (StAM LRA 137, 420, 29.03.1947).<br />
„Und trotzdem wer<strong>den</strong> Sie nie ein Nationalsozialist wer<strong>den</strong>“ hatte der<br />
Kreisbauernführer 1937 zu Jöchle gesagt (StAM SpkA K 814 Johannes<br />
Jöchle) und damit nicht die formelle NSDAP-Zugehörigkeit, sondern die<br />
innere <strong>Ein</strong>stellung Jöchles gemeint. Dies hatte auch das Entnazifizierungsverfahren<br />
weitgehend bestätigt. Trotzdem fühlte Hans Jöchle sich<br />
schuldig. Er bereute, nicht <strong>den</strong> Mut aufgebracht zu haben, sich öffentlich<br />
zu seiner <strong>Ein</strong>stellung gegen <strong>den</strong> Nationalsozialismus zu bekennen. Stattdessen<br />
war er zum Mitläufer gewor<strong>den</strong>. Er lastete sich an, seinen jüdischen<br />
Freundeskreis und seinen Glauben verraten zu haben (StAM SpkA K 814<br />
Johannes Jöchle).<br />
58 Keine Hervorhebung im Original.<br />
59 Keine Hervorhebung im Original.
2.7.2 Wiedereinstieg?<br />
102<br />
Die Fakultätssitzung der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München am 2. Mai 1947<br />
hatte unter anderem die Wiedereinstellung Jöchles, die Zurückziehung des<br />
Lehrauftrags von Wilhelm Pschorr und „verschie<strong>den</strong>e neue Verordnungen<br />
über die Wiedereinstellung entlassener Personen, einzureichender Papiere<br />
usw.“ auf dem Plan. Außerdem wurde die Bewerbung von Dr. Walter<br />
Richter um <strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong> Hufkunde besprochen. Anwesend waren<br />
hierbei die wenigen, nicht dem Dienst enthobenen Professoren und<br />
Dozenten Karl Hilz 60 , Eugen Mennel, Hans Kuppelmayr, Reinhard<br />
Demoll, Melchior Westhues und Wilhelm Niklas (PrivAWJ 1947). Staatssekretär<br />
Franz Fischer legte bei Staatsminister Dr. Alois Hundhammer ein<br />
gutes Wort <strong>für</strong> Jöchle ein, ihm seine alte Position zurückzugeben. Er kenne<br />
Jöchle seit dem Jahre 1905 und sei sicher, dass mit Jöchle der Lehrstuhl <strong>für</strong><br />
Hufkunde und Hufkrankheiten richtig besetzt sei. Der kommissarische<br />
Leiter, Dr. Mennel, stehe im 68. <strong>Leben</strong>sjahr und werde über kurz oder lang<br />
von selbst ausschei<strong>den</strong> (BayHStA MK 43826, 4.6.1947).<br />
Doch die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät hatte andere Pläne. Der Dekan teilte über<br />
<strong>den</strong> Rektor der Universität dem Bayerischen Staatsministerium <strong>für</strong><br />
Unterricht und Kultus mit, dass die Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten, Theorie<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre <strong>für</strong> die Fakultät bereits im<br />
Jahre 1939 nicht zu <strong>den</strong> <strong>Leben</strong>snotwendigkeiten gehörte, um so mehr, da<br />
unter allen tierärztlichen Lehranstalten nur München einen derartigen<br />
Lehrstuhl besaß. Damals wurde der Lehrstuhl trotzdem mit Jöchle besetzt,<br />
das Fach Hufkrankheiten sollte nun aber der Chirurgie zugeteilt wer<strong>den</strong>,<br />
die ohnehin schon die Hufoperationen vornehme und dann von einem<br />
Oberassistenten vertreten wer<strong>den</strong>, der sich später auf diesem Gebiet<br />
habilitieren sollte. Die Huf- und Beschirrungskunde werde der Vorstand<br />
der <strong>Hufbeschlag</strong>schule im Rahmen eines Lehrauftrags oder einer Honorarprofessur<br />
lesen. Für die Fakultät sei viel dringender, eine or<strong>den</strong>tliche<br />
Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und tierärztliche <strong>Leben</strong>smittelkunde zu<br />
beantragen, die bei <strong>den</strong> anderen tierärztlichen Bildungsstätten bereits seit<br />
längerer Zeit bestün<strong>den</strong>. Die freiwer<strong>den</strong><strong>den</strong> Mittel und Räumlichkeiten des<br />
Hufkundeinstituts sollten zur Errichtung dieser Professur genutzt wer<strong>den</strong>.<br />
Außerdem werde sich, wie bei anderen Hochschulen schon vorhan<strong>den</strong>,<br />
eine außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Parasitenkunde mit einem Laboratorium<br />
nicht umgehen lassen (BayHStA MK 69637, 28.7.1947).<br />
60 Karl Hilz war von 1946 bis 1949 Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München.
103<br />
Mit der Entschließung Nr. V 350004 vom 26. August 1947 wandelte das<br />
Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus „auf Antrag der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät [...] die ao. Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten in eine<br />
solche <strong>für</strong> Fleischbeschau“ um. Das Institut <strong>für</strong> Hufkunde wurde der<br />
Chirurgischen Tierklinik angegliedert. So konnte die Fakultät keine<br />
<strong>Ein</strong>satzmöglichkeit <strong>für</strong> Professor Jöchle mehr fin<strong>den</strong> (PrivAWJ 1953) und<br />
er bemühte sich um die Leitung der <strong>Hufbeschlag</strong>schule.<br />
Der ehemalige Chef der Heereslehrschmiede München, Generalveterinär<br />
Dr. Walter Richter, bewarb sich ebenfalls <strong>für</strong> die Leitung der Münchner<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule, was Jöchle sehr erboste. <strong>Ein</strong>e Zusammenarbeit mit<br />
Richter an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München und Jöchle als<br />
Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern wäre nicht zu umgehen<br />
gewesen, insbesondere, da sich auch die Büroräume des Fachberaters in<br />
der <strong>Hufbeschlag</strong>schule befan<strong>den</strong>. Dass eine solche Situation <strong>für</strong> Jöchle<br />
untragbar schien, war wohl auf <strong>den</strong> Zwischenfall an der Heereslehrschmiede<br />
1939 61 zurückzuführen. Da die Professur <strong>für</strong> Hufkunde nun<br />
endgültig eingezogen war, kämpfte Professor Jöchle noch verbitterter um<br />
die Position des Leiters der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule, die ihm nach<br />
seiner langjährigen Tätigkeit dort und <strong>den</strong> Vorkriegsverträgen auch<br />
zustand. Schon vor dem Krieg wurde ihm als Professor und Vorstand des<br />
Instituts <strong>für</strong> Hufkunde auch die Leitung der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
schriftlich zugesichert, aber wegen der <strong>Ein</strong>berufung Jöchles nicht mehr<br />
vollzogen (PrivAWJ, Jöchle, H. 1948). In einem Schreiben von 1948<br />
begründete er darüber hinaus:<br />
„Ich halte meine Bewerbung um die Leitung der Staatlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule auch deshalb <strong>für</strong> berechtigt, weil ich <strong>den</strong> ganzen<br />
Betrieb dort von A-Z kenne und die Instandsetzung der einschlägigen<br />
Gebäude noch im Jahre 1945 unter persönlichen Opfern<br />
durchgeführt habe. Ausserdem besteht mit der Leitung der<br />
Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule die Möglichkeit, falls die Professur<br />
wirklich nicht mehr besetzt wer<strong>den</strong> sollte, die genannten Fächer (=<br />
Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>es und Hufkrankheiten) wenigstens im<br />
Lehrauftrag zu vertreten, da bei völliger Loslösung dieser<br />
Disziplinen von der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule und deren<br />
<strong>Ein</strong>richtungen die Ausbildung des tierärztlichen Nachwuchses auf<br />
diesem Gebiete die schwerste <strong>Ein</strong>busse erlei<strong>den</strong> müsste“ (PrivAWJ,<br />
Jöchle, H. 1948).<br />
61 Siehe Kap. 2.6 und 4.4.
104<br />
Am 1. April 1948 berief die Regierung von Oberbayern Jöchle, unter<br />
Ernennung zum Landwirtschaftsrat, wieder in das Beamtenverhältnis. Im<br />
Juni wurde er zusätzlich zu seiner Stellung als Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
stellvertretender Vorstand der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
(PrivAWJ 1948, 1952).
105<br />
Abb. 20: Erneute Ernennung Jöchles zum Landwirtschaftsrat am<br />
1. April 1948 (Urkunde vom 20. April 1948).
106<br />
2.8 Tierzuchtdirektor an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
Während des Krieges und in der Nachkriegszeit, als sich bei Hans Jöchle<br />
das Entnazifizierungsverfahren noch hinzog, hatte Landwirtschaftsrat Dr.<br />
Eugen Mennel die Leitung der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
und stellvertretend auch die außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten,<br />
Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre übernommen.<br />
Da er „jüdisch versippt“ war, war er weder NSDAP-Mitglied noch am<br />
Kriegsgeschehen beteiligt. Er hatte vielmehr während des ganzen Krieges<br />
versucht, seine jüdische Frau zu schützen, und die <strong>Hufbeschlag</strong>schule am<br />
Laufen zu halten (PrivAWJ 1948). So hatte er nach dem Krieg mit seiner<br />
Ausbildung keine Schwierigkeiten, Vorstand der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
zu wer<strong>den</strong>, und behielt diese Position bis zu seinem Ruhestand Ende<br />
Mai 1948. Er war zu diesem Zeitpunkt 68 Jahre alt und musste nach neu<br />
erlassenen Bestimmungen relativ kurzfristig in <strong>den</strong> Ruhestand treten. Da<br />
zu diesem Zeitpunkt wieder einer der viermonatigen Lehrkurse im letzten<br />
Kursmonat stand und die Vorbereitung und Durchführung der Hufschmiedeprüfung<br />
anstand, war eine sofortige Übernahme der Vorstandsgeschäfte<br />
notwendig. Auch <strong>für</strong> <strong>den</strong> nächsten Lehrkurs, der am 1. Juli beginnen sollte,<br />
waren schon 18 Teilnehmer angemeldet. Wer konnte sich <strong>für</strong> diesen Posten<br />
besser eignen, als jemand, der durch langjährige Tätigkeit an dieser Anstalt<br />
und durch spätere ständige Fühlungnahme die Verhältnisse an der<br />
Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule bestens kannte?<br />
So teilte Hans Jöchle der Regierung von Oberbayern am 3. Juni 1948 mit,<br />
dass ihn das Staatsministerium <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und Forsten<br />
(zum 1. Juni 1948) stellvertretend mit der Leitung der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München betraut habe. Er werde jedoch bestrebt sein, seinen<br />
Dienst als Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, so gut es gehe, weiterzuführen.<br />
Oberregierungsrat Dr. Franz Gentner vom Staatsministerium <strong>für</strong> Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Forsten setzte sich da<strong>für</strong> ein, dass Jöchle die<br />
Leitung der <strong>Hufbeschlag</strong>schule endgültig übernehmen sollte und die<br />
Geschäfte als Regierungsfachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern im<br />
Nebenamt mit der gleichen Regelung wie im Jahre 1939, als er die<br />
Professur übernahm, weiterführen sollte. Um diese Aufgabenfülle<br />
bewältigen zu können, wurde ihm ein Wanderlehrschmied beigegeben, der<br />
die zeitraubende praktische Anleitung auf der Beschlagbrücke übernahm<br />
(PrivAWJ 1948).<br />
Der Bezirksverband Oberbayern entließ Jöchle zum 1. Februar 1949 aus<br />
seinen Diensten und gleichzeitig ernannte ihn das Bayerische Staats-
107<br />
ministerium <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unter Berufung in<br />
das Beamtenverhältnis zum Landwirtschaftsrat und Vorstand der Staatlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule München. Die Tätigkeit als Fachberater <strong>für</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong> übte er wieder im Nebenamt aus (PrivAWJ 1952). Am 3. November<br />
1949 wurde auch das Beamtenverhältnis auf Probe in ein solches<br />
auf <strong>Leben</strong>szeit umgewandelt (PrivAWJ 1951).<br />
Abb. 21: Hans Jöchle unterrichtet im Hörsaal der <strong>Hufbeschlag</strong>schule, ca.<br />
1950.<br />
1948 hatten sich an der Berufsschule <strong>für</strong> Schmiede der Kerschensteiner<br />
Gewerbeschule in der Liebherrstraße in München 165 Lehrlinge gemeldet.<br />
Die Schule war bei Kriegsende völlig ausgeplündert wor<strong>den</strong> und konnte<br />
<strong>den</strong> Unterricht nur mit Hilfe zahlreicher Sachspen<strong>den</strong> von Schmiedeinnungen<br />
und einzelner Schmiedemeister wieder aufnehmen. Seit September<br />
1947 wur<strong>den</strong> dort in vier überfüllten Klassen junge Schmiede auf<br />
die Gesellenprüfung vorbereitet. Zusätzlich wur<strong>den</strong> auch noch Meisterkurse<br />
abgehalten. Neben Zeichnen, Rechnen, Deutsch, Sozialkunde,<br />
Religion und fachtechnischem Zeichnen wurde auch praktisches Arbeiten<br />
in <strong>den</strong> Werkstätten gelehrt. Hans Jöchle „von der Veterinärschule“ erteilte
108<br />
dort Unterricht im <strong>Hufbeschlag</strong>. Die Fachklassen waren in Huf-, Auto- und<br />
Formschmiede unterteilt, wobei bei <strong>den</strong> Hufschmie<strong>den</strong> besonders großer<br />
Andrang herrschte. Die Erste Klasse legte <strong>den</strong> Schwerpunkt auf Material-,<br />
Werkzeug- und Maschinenkunde, in der Zweiten Klasse wur<strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>,<br />
Autogen- und Elektroschweißen unterrichtet. Die Dritte Klasse <strong>für</strong><br />
Hufschmiede konzentrierte sich auf <strong>Hufbeschlag</strong> und Wagenbau. Danach<br />
kam die Gesellenprüfung. Der Krieg hatte große Lücken in der Schulbildung<br />
der Lehrlinge hinterlassen und aufgrund des großen Bedarfs an<br />
Schmiedegesellen wur<strong>den</strong> nicht nur geeignete Bewerber ausgebildet<br />
(Anonym 1948a, 10).<br />
Hans Jöchle engagierte sich weiterhin sehr <strong>für</strong> das Hufschmiedehandwerk.<br />
Auch zur Arbeitstagung der Vorstandschaft des Landesverbandes bayerischer<br />
Schmiedemeister am 1. April 1950 in Regensburg wurde er wieder<br />
eingela<strong>den</strong>. Man bereitete <strong>den</strong> Schmiedeverbandstag am 2. und 3. Juni in<br />
München vor, wo die „gesetzliche Ausübung des <strong>Hufbeschlag</strong>es“ besprochen<br />
wer<strong>den</strong> sollte (Anonym 1950c, 15). Auf dem Verbandstag der<br />
bayerischen Schmiedemeister und Fahrzeugbauer im Augustinerkeller in<br />
München (2.-5. Juni 1950) hielt Hans Jöchle dann auf der öffentlichen<br />
Haupttagung ein Referat über „die gesetzliche Gestaltung des <strong>Hufbeschlag</strong>swesens<br />
in Bayern“ (Anonym 1950b, 14-15).<br />
Auf dem Würzburger Schmiedetag (15.-17. Juni 1951) wurde ebenfalls<br />
eine Arbeitstagung abgehalten:<br />
„Als Vertreter der bayerischen Regierung nahm auch Professor Dr.<br />
Hans J ö c h l e, Vorstand der Staatl. <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
das Wort. Er überbrachte die Grüße und guten Wünsche des<br />
bayerischen Landwirtschaftsministers und nahm auch zum H u f -<br />
b e s c h l a g p r o b l e m Stellung. Er warnte davor, durch die<br />
Mitarbeit der Schmiede an der Technisierung der Landwirtschaft<br />
sich über die weiteren Notwendigkeiten und Verpflichtungen des<br />
Schmiedehandwerks im Rahmen des <strong>Hufbeschlag</strong>s ein falsches Bild<br />
zu verschaffen und dadurch zu kurzsichtigen Schlußfolgerungen zu<br />
gelangen. Durch die veränderten Verhältnisse habe der <strong>Hufbeschlag</strong><br />
noch an Bedeutung gewonnen, die Aufgaben der <strong>Hufbeschlag</strong>schulen<br />
seien nun noch verantwortungsvoller gewor<strong>den</strong>“ (Munck<br />
1951, 1).<br />
1952 führte dann der Hauptverband des Schmiedehandwerks in Darmstadt<br />
eine Arbeitstagung über <strong>Hufbeschlag</strong>sfragen durch. Hierzu waren die
109<br />
„Veterinärdezernenten“ der Länderregierungen, der Regierungspräsi<strong>den</strong>t,<br />
die Vertreter der Lehrschmie<strong>den</strong> und einige Landesinnungsmeister<br />
gela<strong>den</strong>. Hans Jöchle berichtete dort über die „Reformbedürftigkeit des<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>gesetzes“. Er kritisierte die Bestrebungen, <strong>den</strong> Klauenbeschlag<br />
wieder aus dem Gesetz herauszunehmen (Anonym 1952, 97-98). Auch an<br />
der zweijährigen Gesellenzeit als Zulassungsvoraussetzung zur Lehrschmiede<br />
wollte er festhalten und die im Schmiedehandwerk diskutierte<br />
Verkürzung der Lehrkurse an <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>schulen lehnte er ab. Da<strong>für</strong><br />
wollte er die Schülerzahl pro Feuer von vier auf drei Schüler verringern<br />
und maximal zwölf Schüler pro Lehrmeister zulassen. Während des<br />
Lehrgangs sollte in Zukunft auch die Vorbereitung <strong>für</strong> die Meisterkurse<br />
möglich sein. Die Prüfungsausschüsse sollten durch einen Pferdezüchter<br />
als Beisitzer ergänzt wer<strong>den</strong> und die Zahl der bei <strong>den</strong> Prüfungen<br />
anzufertigen<strong>den</strong> Hufeisen wollte Jöchle reduzieren. Er plädierte da<strong>für</strong>, dass<br />
ausschließlich der Staat die Trägerschaft der Lehrschmie<strong>den</strong> übernehmen<br />
sollte 62 .<br />
Jöchles Anregungen wur<strong>den</strong> mit großem Beifall aufgenommen und heiß<br />
diskutiert. Nur hinsichtlich der Gesellenzeit zur Zulassung zu <strong>den</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong>slehrgängen wurde man sich nicht ganz einig. Die Versammlung<br />
beschloss, eine Kommission einzusetzen, der neben dem<br />
Landesinnungsmeister und <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>slehrmeistern unter anderen<br />
Hans Jöchle angehören sollte. „Diese Kommission soll die Vorschläge <strong>für</strong><br />
die Abänderung des <strong>Hufbeschlag</strong>gesetzes weiter ausarbeiten.“ Danach<br />
wur<strong>den</strong> die noch immer nicht einheitlichen <strong>Hufbeschlag</strong>stheorien<br />
besprochen und beschlossen einen Ausschuss einzusetzen, der „eine<br />
einheitliche Theorie <strong>für</strong> alle Lehrschmie<strong>den</strong> in Vorschlag bringen“ sollte.<br />
Diese Aufgabe übernahmen Jöchle und die Leiter der anderen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schulen (Anonym 1952, 98).<br />
Auf der Tagung des Landesverbandes des bayerischen Schmiedemeister-<br />
und Fahrzeugbauerhandwerks in Dinkelsbühl 1954 wurde wieder<br />
beantragt, die Ausbildungszeit an <strong>den</strong> Lehrschmie<strong>den</strong> zu verkürzen,<br />
worauf Prof. Jöchle erneut seine Argumente vorbrachte, die bisherige<br />
Lehrzeit unbedingt beizubehalten. Außerdem verlangte er, aufgrund des<br />
Tierschutzgesetzes eine Regelung zur rechtzeitigen Beschlagserneuerung<br />
zu treffen (Anonym 1954, 188-189).<br />
62 1952 gab es im Bundesgebiet 23 Lehrschmie<strong>den</strong> (Anonym 1952, 97).
110<br />
Professor Jöchle bewältigte nun alleine, unter sehr schwierigen Bedingungen,<br />
ein Aufgabengebiet, das sich vor 1937 auf <strong>den</strong> nebenamtlichen<br />
Vorstand der <strong>Hufbeschlag</strong>schule, <strong>den</strong> etatmäßigen Landwirtschaftsrat<br />
(Assistent an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule) und auch auf <strong>den</strong> Assistenten am<br />
Institut <strong>für</strong> Hufkunde verteilte. Das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong><br />
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zog Jöchle zur Bearbeitung aller<br />
<strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, die <strong>Hufbeschlag</strong>schulen und die Hufschmiedprüfungen<br />
betreffen<strong>den</strong> Fragen hinzu 63 . Die Unterabteilung Tierzucht betraute ihn mit<br />
der Oberaufsicht über die bayerischen <strong>Hufbeschlag</strong>schulen, die er mit<br />
Regierungsdirektor Dr. Franz Gentner durchführte. Außerdem war die<br />
Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München mit vier Lehrkursen pro Jahr die<br />
meist besuchte in Bayern. So mussten während vier Monaten des Jahres<br />
Doppel-Lehrgänge durchgeführt wer<strong>den</strong> (PrivAWJ, 19.4.1951). Aufgrund<br />
der pflichtbewussten Erfüllung seiner Aufgaben wurde Jöchle am 30. Januar<br />
1952 rückwirkend zum 1. Januar zum Tierzuchtdirektor ernannt<br />
(PrivAWJ 1952).<br />
Die Familie Jöchle kam erst 1951 wieder nach München und zog in die<br />
Borstei, von Geheimrat Borst gebaute, sehr fortschrittliche bessere<br />
Wohnungen mit Zentralheizung und parkartigen Innenhöfen in der<br />
Dachauerstraße. Die großen gelben Gebäude hatten im Krieg nur geringe<br />
Schä<strong>den</strong> davongetragen und wur<strong>den</strong> nun vom Staat als Wohnungen <strong>für</strong><br />
Staatsangestellte unterstützt (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Wolfgang<br />
studierte inzwischen an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München<br />
Tiermedizin, Dorothea war Lehrling in einer Apotheke und Maria studierte<br />
Germanistik und Theaterwissenschaft in München. Manfred drückte noch<br />
die Schulbank (PrivAWJ 1951). Von 1939 bis 1951 konnte Hans Jöchle<br />
seine Familie, die in Erkheim lebte, nur an Feiertagen oder im Urlaub<br />
besuchen (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
63 In einer Übersicht über die Spezialberater auf Regierungsebene in Bayern (1954) ist „Dr.<br />
Jöchle, <strong>Hufbeschlag</strong>schule München“ <strong>für</strong> die Beratung in Sachen <strong>Hufbeschlag</strong> bestimmt<br />
(StAM RA 100 661).
111<br />
Abb. 22: Am 30. Januar 1952 wurde Hans Jöchle zum Tierzuchtdirektor<br />
befördert.
112<br />
1958 wurde erneut versucht, die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule, die auf dem<br />
Fakultätsgelände stand, zu schließen. Sie sollte abgerissen wer<strong>den</strong> und das<br />
Institutsgebäude anderen Instituten zukommen (Jöchle, W. 2005, schriftl.<br />
Mitt.).<br />
„In seinem Prüfungsbericht empfiehlt der Oberste Rechnungshof die<br />
Auflösung der vier in Bayern noch bestehen<strong>den</strong> Staatlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schulen in München, Augsburg, Nürnberg und Deggendorf<br />
64 . Die Schule in Würzburg ist in der Zwischenzeit bereits<br />
aufgelöst wor<strong>den</strong>. Durch <strong>den</strong> seit Jahren anhalten<strong>den</strong> Rückgang der<br />
Pferdehaltung habe der Besuch dieser Schulen erheblich nachgelassen<br />
und ihr Bestand sei auf die Dauer nicht mehr gesichert“<br />
(Anonym 1958, 140).<br />
Das Landwirtschaftsministerium wollte zwei der vier bayerischen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schulen schließen, München und Nürnberg sollten erhalten<br />
bleiben. Zwei <strong>Hufbeschlag</strong>lehrschmie<strong>den</strong> reichten nach Ansicht des<br />
Ministeriums aus, um <strong>den</strong> Nachwuchs auszubil<strong>den</strong>. Trotzdem plante das<br />
Bayerische Landwirtschaftsministerium <strong>für</strong> 1,5 Millionen Mark eine neue<br />
große <strong>Hufbeschlag</strong>schule an der Dachauer- oder der Infanteriestraße in<br />
München. Dort sollten die Schmiede aber auch in Maschinenkunde<br />
ausgebildet wer<strong>den</strong>. Die Trägerschaft sollte der Landesverband bayerischer<br />
Schmiedemeister und Fahrzeugbauer übernehmen und auch <strong>für</strong> das<br />
Inventar sorgen. „Die alten Räume der Münchner <strong>Hufbeschlag</strong>schule, die<br />
keinen zeitgemäßen Anblick bieten, will die Veterinärmedizinische<br />
Fakultät der Universität München <strong>für</strong> ihre Zwecke ausbauen, wodurch die<br />
Errichtung des oben genannten Neubaues notwendig wird“ (Anonym 1958,<br />
140).<br />
Nachdem Hans Jöchle (1957) in <strong>den</strong> Ruhestand getreten war leitete Anton<br />
Haug die <strong>Hufbeschlag</strong>schule, bis 1961 die <strong>Hufbeschlag</strong>schulen München<br />
und Augsburg in Augsburg zusammengelegt wur<strong>den</strong>. Die Lehrschmiede in<br />
München wurde abgerissen und an ihrer Stelle ein Parkplatz gebaut, es ist<br />
aber bis heute die Plattform, auf der die Lehrschmiede stand, erkennbar.<br />
Die Zufahrten von der Königinstraße wur<strong>den</strong> gesperrt (Jöchle, W. 2005,<br />
schriftl. Mitt.; ASchw 1961).<br />
64 Die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule in Deggendorf wurde erst am 19. August 1950 eröffnet.
113<br />
Abb. 23: Die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München und dahinter das Institut<br />
<strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde (ca. 1910, unverändert bis ca. 1960), in dem<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg das Institut <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde eingerichtet<br />
wurde.<br />
Abb. 24: Wo früher die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München stand, befindet<br />
sich heute ein Parkplatz. Das Gebäude rechts im Bild wurde noch bis vor<br />
kurzem als Institut <strong>für</strong> Hygiene und Technologie der <strong>Leben</strong>smittel tierischen<br />
Ursprungs genutzt. Davor ist noch der Zaun zu erkennen, der früher das Gelände<br />
der <strong>Hufbeschlag</strong>schule begrenzte.
114<br />
Anlässlich des 65. Geburtstags von Hans Jöchle im Jahr 1957 schreibt Dr.<br />
Franz Gentner im Landwirtschaftlichen Wochenblatt:<br />
„Seit dem Jahre 1920 war seine <strong>Leben</strong>sarbeit der Förderung des<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>s und der Hufkunde in verschie<strong>den</strong>en Stellungen<br />
gewidmet und speziell die oberbayerischen Pferdezüchter und<br />
Pferdehalter waren die Nutznießer seiner unermüdlichen Tätigkeit.<br />
Hunderte von <strong>Hufbeschlag</strong>schmie<strong>den</strong> verdanken weiter dem Jubilar<br />
ihre Ausbildung, <strong>den</strong>en er ein äußerst gewissenhafter und gründlicher<br />
Lehrmeister war, der ihnen auch stets mit Rat und Tat<br />
hilfreich zur Seite stand“ (Gentner 1957b, 29).
2.9 Ruhestand<br />
115<br />
Hans Jöchle hatte sich dem „Verband der nicht-amtieren<strong>den</strong> (amtsverdrängten)<br />
Hochschullehrer, Hochschulgruppe München“ angeschlossen.<br />
Er be<strong>für</strong>chtete, mit dem „Bayerischen Gesetz zur Regelung der<br />
Rechtsverhältnisse der unter § 63 des Gesetzes zu Artikel 131 des<br />
Grundgesetzes fallen<strong>den</strong> Personen“ 65 keinen Anspruch auf ein Ruhegehalt<br />
zu erlangen. Auf Antrag der Fakultät und des Hochschulsenats konnten<br />
zwar die akademischen Rechte eines entpflichteten Hochschullehrers<br />
verliehen wer<strong>den</strong>, ein Ruhegehalt sollte aber nur bekommen, wer eine<br />
Dienstzeit von mindestens acht Jahren abgeleistet hatte oder infolge<br />
Krankheit dienstunfähig gewor<strong>den</strong> war (PrivAWJ 1952). In seiner Position<br />
als Vorstand der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München unterstand<br />
Jöchle dem Landwirtschaftsministerium und war damit gehaltlich<br />
schlechter gestellt als ein Professor. <strong>Ein</strong>e Wiederverwendung als Professor<br />
kam aber wegen der Umwandlung der Professur <strong>für</strong> Hufkunde und<br />
Hufkrankheiten in eine Professur <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde nicht in Frage.<br />
So bemühte er sich, nicht die Bezüge des Pensionisten, sondern die Bezüge<br />
des entpflichteten Hochschullehrers zu bekommen (PrivAWJ, Jöchle, H.<br />
1952). Das wurde ihm im Juli 1953 <strong>für</strong> <strong>den</strong> altersbedingten <strong>Ein</strong>tritt in <strong>den</strong><br />
Ruhestand auch zugesichert, doch er musste hart da<strong>für</strong> kämpfen. Das traf<br />
ihn schwer. Die Professur hatte man ihm „weggenommen“, ohne dass er<br />
sich wehren konnte. Durch das Entnazifizierungsverfahren, das sich bis<br />
1947 hinzog, hatte er auch keine Möglichkeit einzugreifen. Möglicherweise<br />
hätten die Verhandlungen sonst eine andere Wendung genommen.<br />
Das führte zu der Äußerung Jöchles: „Ich bin weiter gar nichts als<br />
Parteianwärter vom 1. Mai 1937 gewesen. Es ist jetzt, glaube ich, der<br />
Diskriminierung genug“ (PrivAWJ, Jöchle, H. 1952). Nach dem Bericht<br />
des Sohnes Wolfgang Jöchle stieß Hans Jöchle auch bei <strong>den</strong> Fakultätsmitgliedern<br />
auf eine ablehnende Haltung:<br />
„Die Fakultät ignorierte ihn oder kannte ihn nicht, oder kannte ihn<br />
nicht mehr. Die Freunde starben. Dazu kamen Gesundheitsprobleme<br />
[...], die in <strong>den</strong> letzten <strong>Leben</strong>sjahren immer wieder Krankenhausaufenthalte<br />
notwendig machten“ (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
65 Dieses Gesetz sollte die Rechtsverhältnisse von Personen regeln, die bei Kriegsende im<br />
öffentlichen Dienst stan<strong>den</strong> und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Grün<strong>den</strong> aus<br />
dem öffentlichen Dienst ausgeschie<strong>den</strong> waren und danach nicht entsprechend ihrer früheren<br />
Stellung „Verwendung“ fan<strong>den</strong> (Schweizer 2002, 127, 322).
116<br />
Abb. 25: Hans Jöchle im Ruhestand, um 1964.
117<br />
Ende März 1957 sollte Hans Jöchle mit 65 Jahren in <strong>den</strong> Ruhestand treten.<br />
Doch der Nachfolger Anton Haug übernahm die Leitung der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
erst am 1. Juni 1957 (Anonym 1957b, 179) und das Dienstverhältnis<br />
Jöchles als Tierzuchtdirektor musste bis Ende Mai 1957 verlängert wer<strong>den</strong><br />
(UAM E-II-1898). Danach wurde Jöchle endgültig in <strong>den</strong> Ruhestand<br />
versetzt und am 12. August 1957 verlieh die Universität München<br />
Professor Jöchle „die akademischen Rechte eines entpflichteten außeror<strong>den</strong>tlichen<br />
Professors“ (PrivAWJ 1957). Auch im Ruhestand war Jöchle<br />
noch als „Berater <strong>für</strong> Pferdezucht und Hufschmiedehandwerk tätig“<br />
(Fritsch 1970, 19).<br />
In <strong>den</strong> letzten Jahren seines <strong>Leben</strong>s war Jöchle sehr niedergeschlagen. Mit<br />
dem scheinbaren Niedergang des Pferdes 66 sah er die Bedeutung seines<br />
<strong>Leben</strong>swerks schwin<strong>den</strong> (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Schon in <strong>den</strong> 20er<br />
Jahren konnte man in <strong>den</strong> Fachzeitschriften häufig Artikel über das<br />
Problem „Pferd oder Motor“ lesen. Die Zeitschrift „Der Hufschmied“ gab<br />
1927 sogar eine Sondernummer „Pferd oder Motor“ heraus und die<br />
Staatliche Lehrschmiede Dres<strong>den</strong> nahm das zur Anregung, <strong>den</strong> Film „Pferd<br />
oder Motor“ herzustellen. Vor dem Krieg wurde dieser Film regelmäßig<br />
<strong>den</strong> Lehrgangsteilnehmern gezeigt und darüber berichtet:<br />
„Der Film selbst stellt keineswegs einen Angriff auf die Motorisierung<br />
der verschie<strong>den</strong>en Betriebe dar, sondern soll lediglich<br />
beweisen, daß auch im Zeitalter der Motorisierung das Pferd<br />
unentbehrlich ist und seine Daseinsberechtigung neben dem Auto<br />
hat“ (Fischer 1929, 122).<br />
Anfang der 50er Jahre konnte eine solche Behauptung nicht mehr<br />
aufrechterhalten wer<strong>den</strong>, zumindest nicht im Bezug auf das Pferd als<br />
Verkehrsmittel.<br />
66 Nach einer Pferdezählung gab es am 1. Dezember 1951 in Bayern 20.000 Pferde weniger<br />
als im Jahr zuvor (fast 6 %), nämlich 315.812 Tiere. Das waren 8.843 weniger als im Jahr<br />
1938. Besonders bemerkenswert war der Rückgang der Hengste um fast die Hälfte zwischen<br />
1949 und 1952 (Wolf 1952, 346).
118<br />
Abb. 26: Nach langem Kampf wur<strong>den</strong> Hans Jöchle am 12. August 1957<br />
die akademischen Rechte eines entpflichteten außeror<strong>den</strong>tlichen Professors<br />
an der Universität München eingeräumt.
119<br />
Auch der Schmiede seines Bruders Anton Jöchle in Erkheim, die 1948<br />
dessen Sohn übernahm, machte die einsetzende Mechanisierung der<br />
Landwirtschaft zu schaffen und so wurde der traditionelle Hufschmied<br />
langsam zum Händler und Reparateur <strong>für</strong> Landmaschinen. Die nächste<br />
Generation hatte mit der Hufschmiedekunst nichts mehr zu schaffen,<br />
sondern war auf Landmaschinen spezialisiert (Prestel 2002, 25). Die<br />
Maschine hatte das Pferd verdrängt. Somit war auch der <strong>Hufbeschlag</strong><br />
unwesentlich gewor<strong>den</strong> und Hans Jöchle betrachtete sein <strong>Leben</strong>swerk als<br />
vergebens. Deshalb weigerte er sich, obwohl er im Ruhestand nun endlich<br />
die Zeit dazu gefun<strong>den</strong> hätte, seine vielfältigen zuchthygienischen<br />
Erfahrungen niederzuschreiben, trotz mehrfacher Anregung durch Angehörige<br />
und Kollegen, darunter auch Professor Walter Koch. 67 „Jöchle nahm<br />
Anteil an der ganz anders gearteten beruflichen Tätigkeit seines ebenfalls<br />
Tierarzt gewor<strong>den</strong>en ältesten Sohnes Wolfgang.“ Er war müde gewor<strong>den</strong><br />
(Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Den Aufschwung, <strong>den</strong> das Pferd als<br />
Freizeitbegleiter und damit auch der <strong>Hufbeschlag</strong> erfuhren, erlebte Hans<br />
Jöchle nicht mehr.<br />
Er verbrachte seinen <strong>Leben</strong>sabend mit seiner Frau und Dackel Wasti in der<br />
Borstei in München (Dycke 2005, mdl. Mitt.). „Immer aber blieb Johannes<br />
Jöchle dem schwäbischen Bo<strong>den</strong>, dem er entstammte, aufs engste<br />
verbun<strong>den</strong> und hat dort auch seine letzte Ruhestatt gefun<strong>den</strong>“ (Fritsch<br />
1970, 19).<br />
Jöchle starb am 28. Februar 1968 nach langer Krankheit in der<br />
Universitätsklinik links der Isar in München und wurde wunschgemäß in<br />
seiner Heimat Erkheim in stiller Feier bestattet. Nach seinem Wunsch steht<br />
auf dem Grabstein „Dr. Hans Jöchle“. Er war der Ansicht, „der Professor<br />
sei ihm verliehen wor<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Doktor habe er sich redlich erworben“<br />
(Mehrle 1968, 234; Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
Seine Frau Marta Jöchle verließ München 1969 und zog zurück nach<br />
Erkheim. Aus gesundheitlichen Grün<strong>den</strong> siedelte sie 1979 in ein Altersheim<br />
in Memmingen über, in dem sie 1994 starb (Jöchle, W. 2006, schriftl.<br />
Mitt.).<br />
67 Siehe Kap. 4.3.
120<br />
Abb. 27: Das Grab von Marta und Hans Jöchle in Erkheim.
2.10 Tabellarischer <strong>Leben</strong>slauf<br />
121<br />
29. März 1892 in Erkheim bei Memmingen geboren<br />
1898-1905 Volksschule in Erkheim<br />
1905-1913 Humanistisches Gymnasium in Dillingen an der Donau<br />
14. Juli 1913 Abitur<br />
1913-1919 Studium an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule resp. ab 1914<br />
an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München<br />
28. Okt. 1913 <strong>Ein</strong>tritt in die schlagende, nicht-farbentragende, katholische<br />
Stu<strong>den</strong>tenverbindung Apollo<br />
02. Aug. 1914 Freiwilliger beim Ersten Bayerischen Schweren Reiter-<br />
Regiment München<br />
18. Okt. 1915 Beförderung zum Unteroffizier<br />
22. Juli 1916 <strong>Tierärztliche</strong> Vorprüfung<br />
23. Jan. 1917 Beförderung zum Feldhilfsveterinär (Offizier)<br />
01. Mai 1919 -<br />
31. Aug. 1919<br />
Freikorps Epp<br />
05. März 1920 <strong>Tierärztliche</strong> Approbation<br />
21. Mai 1920 Promotion zum Dr. med. vet.<br />
01. Juli 1920 Assistent an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
01. Juni 1921 Assistent am Institut <strong>für</strong> Hufkunde<br />
Herbst 1922 Prüfung <strong>für</strong> <strong>den</strong> tierärztlichen Staatsdienst in Bayern<br />
17. Juli 1926 Hochzeit mit Marta Pupke aus Zeitz<br />
16. Okt. 1927 Ernennung zum Landwirtschaftsrat <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in<br />
Oberbayern
122<br />
05. Okt. 1927 Geburt des Sohnes Wolfgang<br />
09. April 1929 Geburt der Tochter Dorothea<br />
25. März 1931 Geburt der Tochter Maria<br />
01. Mai 1937 <strong>Ein</strong>tritt in die NSDAP<br />
23. Nov. 1937 Vertretung der Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten, Theorie<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungskunde<br />
März 1939 Pflichtübungen im Veterinärdienst an der Heereslehrschmiede<br />
München<br />
01. Sept. 1939 Ernennung zum außeror<strong>den</strong>tlichen Professor und Vorstand<br />
des Instituts <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde der<br />
Universität München<br />
01. Sept. 1939 <strong>Ein</strong>berufung zum Wehrdienst<br />
25. März 1940 Beförderung zum Oberstabsveterinär der Reserve<br />
05. Jan. 1941 Geburt des Sohnes Manfred<br />
Mai 1943 Beförderung zum Oberfeldveterinär<br />
05. Aug. 1945 Rückkehr an die Universität<br />
15. Nov. 1945 Enthebung vom Dienst als Professor auf Weisung der<br />
Militärregierung<br />
17. Juni 1946 nebenamtliche Weiterbeschäftigung als Fachberater <strong>für</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern rückwirkend zum 1. April<br />
1946<br />
18. Dez. 1946 beim Entnazifizierungsverfahren als Mitläufer eingestuft<br />
26. April 1947 im Rahmen der Weihnachtsamnestie als vom Gesetz zur<br />
Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus<br />
„nicht betroffen“ eingestuft
123<br />
26. Aug. 1947 Umwandlung der ao. Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten in<br />
eine solche <strong>für</strong> Fleischbeschau und Angliederung des<br />
Instituts <strong>für</strong> Hufkunde an die Chirurgische Tierklinik<br />
01. April 1948 Ernennung zum Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> beim<br />
Bezirksverband Oberbayern und Landwirtschaftsrat<br />
unter Berufung in das Beamtenverhältnis (auf Probe)<br />
01. Juni 1948 stellvertretender Vorstand der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München<br />
01. Feb. 1949 Ernennung zum Vorstand der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München<br />
03. Sept. 1949 nebenamtlich Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> beim Bezirksverband<br />
Oberbayern<br />
03. Nov. 1949 Beamtenverhältnis auf <strong>Leben</strong>szeit<br />
1951 Rückkehr der Familie Jöchle nach München<br />
30. Jan. 1952 Ernennung zum Tierzuchtdirektor rückwirkend zum<br />
1. Januar 1952<br />
01. Juni 1957 Ruhestand<br />
12. Aug. 1957 Verleihung der akademischen Rechte eines entpflichteten<br />
außeror<strong>den</strong>tlichen Professors<br />
28. Feb. 1968 Tod von Hans Jöchle in München
3 Bibliographie<br />
124<br />
Die folgende Bibliographie Jöchles umfasst insgesamt 17 Zeitschriftenaufsätze,<br />
eine Buchveröffentlichung und ein Skript <strong>für</strong> die Schüler der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule. Das Buch „Huf- und Klauenpflege“ entstand 1937 auf<br />
Anregung von Professor Fritz Stockklausner. Hans Jöchle schrieb das erste<br />
Kapitel „Die Hufpflege“, während sie das zweite Kapitel „Klauenpflege<br />
beim Rind“ gemeinsam verfassten. Hans Jöchle war ein Praktiker und am<br />
Schreiben, auch aus Zeitgrün<strong>den</strong>, wenig interessiert (Jöchle, W. 2004, mdl.<br />
Mitt.). Dr. Wilhelm Pschorr, Oberregierungsrat im Bayerischen Staatsministerium<br />
des Innern und langjähriger Vorgesetzter Jöchles, berichtete<br />
(in einem Gutachten vom 26. November 1945) über Hans Jöchle und<br />
dessen wissenschaftliche Schriften:<br />
„Freilich ist die Zahl seiner Veröffentlichungen nicht sehr gross,<br />
aber es muss gesagt wer<strong>den</strong>, dass wissenschaftliches Denken und<br />
Arbeiten durchaus nicht immer von zahlreichen literarischen<br />
Erzeugnissen abhängig sind“ (PrivAWJ).<br />
Jöchle, Hans (1920): Versuche zur Bekämpfung der Dasselplage mit<br />
giftigen Gasen. München, Ludwig-Maximilians-Universität, <strong>Tierärztliche</strong><br />
Fakultät, Diss.<br />
Jöchle, Hans (1926): <strong>Ein</strong>iges zur Hufknorpelverknöcherung des Pferdes<br />
und deren Behandlung durch <strong>den</strong> Beschlag. In: <strong>Tierärztliche</strong> Rundschau 32<br />
(52), 916-919.<br />
Jöchle, Hans (1929): Hufpflege und <strong>Hufbeschlag</strong>. In: Zucht und Sport 12<br />
(22), 332-333.<br />
Jöchle, Hans (1932): Pferdezucht, Hufpflege und <strong>Hufbeschlag</strong>. In: Zucht<br />
und Sport 15 (20), 186-187; 15 (21/22), 202-203.<br />
Jöchle, Hans (1933): <strong>Hufbeschlag</strong> und Hufpflege im Winter. In: Zucht und<br />
Sport 16 (24), 280-281.<br />
Jöchle, Hans (1934a): Schlechte <strong>Ein</strong>nahmen beim Pferdeverkauf durch<br />
Vernachlässigung der Hufpflege. In: Wochenblatt der Landesbauernschaft<br />
Bayern 124 (44), 1625-1626.
125<br />
Jöchle, Hans (1934b): Warum ist die Klauenpflege notwendig und wie soll<br />
sie durchgeführt wer<strong>den</strong>? In: Wochenblatt der Landesbauernschaft Bayern<br />
124 (46), 1700-1701; 124 (47), 1734-1735.<br />
Jöchle, Hans (1935): Sachgemäße Pflege der Fohlenhufe. In: Deutsches<br />
Kaltblut 8 (18), 277-280.<br />
Jöchle, Hans (1936): Die Hufpflege beim beschlagenen Pferde. In:<br />
Deutsches Kaltblut 9 (11), 171-175.<br />
Jöchle, Hans (1937a): Was kann der Pferdezüchter und Pferderhalter <strong>für</strong><br />
die Entwicklung leistungsfähiger Hufe und <strong>für</strong> deren Gesunderhaltung tun?<br />
In: Zeitschrift <strong>für</strong> Gestütkunde und Pferdezucht 32, 104-109, und in:<br />
Deutsche landwirtschaftliche Tierzucht 41 (7), 99-101.<br />
Jöchle, Hans, und Fritz Stockklausner (1937): Huf- und Klauenpflege.<br />
Arbeiten des Reichsnährstandes. Band 28. Reichsnährstand Verlags-<br />
GmbH, Berlin.<br />
Jöchle, Hans (1938a): Hufpflege und <strong>Hufbeschlag</strong>, eine Notwendigkeit zur<br />
Werterhaltung und Leistungssteigerung. In: Deutsche landwirtschaftliche<br />
Tierzucht 42 (8), 151-153.<br />
Jöchle, Hans (1938b): Die Mitarbeit des Tierarztes im Huf- und<br />
Klauenbeschlag sowie in der Huf- und Klauenpflege. <strong>Ein</strong> Beitrag zur<br />
Verwirklichung des Tierschutzgedankens. In: Deutsches Tierärzteblatt 5<br />
(24), 482-485.<br />
Jöchle, Hans (1949): Gültigkeit der Hufschmiede-Kriegsprüfungszeugnisse.<br />
In: Die Schmiede-Werkstatt 3 (6), 15-16.<br />
Jöchle, Hans (1950): Die gegenwärtige gesetzliche Gestaltung des <strong>Hufbeschlag</strong>wesens<br />
in Bayern. In: Die Schmiede-Werkstatt 4 (7), 8, 13.<br />
Jöchle, Hans (ca. 1950): Hufkunde, Huf- und Klauenbeschlag. Skript <strong>für</strong><br />
<strong>den</strong> Unterricht an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>sschule München.<br />
Jöchle, Hans (1953a): Bedeutung der <strong>Hufbeschlag</strong>schulen und Lehrschmie<strong>den</strong><br />
<strong>für</strong> das Schmiedehandwerk. In: Die Schmiede-Werkstatt 7 (14),<br />
301-302.
126<br />
Jöchle, Hans (1953b): Unsere Beschlags-Haftpflichtversicherung. In: Der<br />
Bayerische Schmied 6 (1), 6-8.<br />
Jöchle, Hans (1953c): Die Herstellung von Hufeisen an <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>schulen.<br />
In: Die Schmiede-Werkstatt 7 (16), 363.<br />
Jöchle, Hans (1957): <strong>Hufbeschlag</strong> und Tierschutz. In: Das Recht der Tiere.<br />
Organ des Bundes gegen <strong>den</strong> Mißbrauch der Tiere e. V. Landshut. 3 (1-2),<br />
26-29.
127<br />
Abb. 28: Titelbild des Buches von Hans Jöchle und Fritz Stockklausner<br />
(1937): Huf- und Klauenpflege. Arbeiten des Reichsnährstandes. Band 28.<br />
Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin.
128<br />
Abb. 29: Schmutztitel des Buches von Hans Jöchle und Fritz Stockklausner<br />
(1937): Huf- und Klauenpflege. Arbeiten des Reichsnährstandes.<br />
Band 28. Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin.
4 Im Dienste des <strong>Hufbeschlag</strong>s<br />
129<br />
Hans Jöchle war ein praktisch orientierter Wissenschaftler. Er bemühte<br />
sich darum, wissenschaftlich fundierte Kenntnisse an Pferdebesitzer,<br />
Schmiede, Meisterschüler und Stu<strong>den</strong>ten weiterzugeben und <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
in der Praxis zu verbessern (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.). Rudolf<br />
Fritsch, damals Assistent an der Chirurgischen Tierklinik München unter<br />
Professor Westhues, schreibt in der Jahreschronik 1967/68 der Ludwig-<br />
Maximilians-Universität München über Professor Jöchle:<br />
„Die zahlreichen Veröffentlichungen Professor Jöchles befaßten<br />
sich vor allem mit Problemen des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Verbesserung<br />
von Huf- und Klauenpflege sowie der Weiterbildung der<br />
Hufschmiede. Jöchle hat das Ansehen der tierärztlichen Wissenschaft<br />
gegenüber der Landwirtschaft und dem Schmiedehandwerk<br />
bestens gefördert, wozu auch besonders seine stets ruhige und<br />
freundliche Wesensart mithalf. 1957 wurde Jöchle auch zum Ehrenmitglied<br />
des Landesverbandes Bayerischer Schmiedemeister und<br />
Fahrzeugbauer ernannt“ (Fritsch 1970, 19).<br />
Hans Jöchle versuchte in seinen Veröffentlichungen auf die Fehler, die er<br />
täglich an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule sehen musste, einzugehen und Abhilfe zu<br />
schaffen. Hierbei ist besonders auffällig, dass er nicht nur <strong>für</strong> die<br />
Hufschmiede schrieb, sondern seine Aufsätze häufig an die Pferdehalter<br />
und Bauern richtete (Jöchle 1936, 174). Im Herbst 1934 hatte auch der<br />
Hauptgeschäftsführer des Reichsverbandes der Kaltblutzüchter Deutschlands,<br />
Oberregierungsrat Mayer in Berlin, Jöchle und seine Arbeit kennen<br />
gelernt und bat ihn daraufhin, <strong>für</strong> die Zeitschrift „Deutsches Kaltblut“<br />
einen Artikel über die „Sachgemäße Pflege der Fohlenhufe“ zu schreiben<br />
(BArch R 68I/99, 8.5.1935). Jöchle weist in einem Brief an ihn<br />
ausdrücklich darauf hin, dass sein Aufsatz „Sachgemäße Pflege der<br />
Fohlenhufe“ 68 <strong>für</strong> die Zielgruppe der Pferdezüchter verfasst sei (BArch R<br />
68I/99, 17.5.1935). Denn der beste <strong>Hufbeschlag</strong> nütze nichts, wenn die<br />
Pferdebesitzer die Hufpflege vernachlässigten und erst <strong>den</strong> Hufschmied<br />
aufsuchten, wenn die Eisen schon von selbst herunterfielen und die<br />
Hufwände dabei ausgerissen wür<strong>den</strong>, so dass es kaum möglich sei, das<br />
Pferd wieder neu zu beschlagen. Mangelnde Hufpflege und zu lange<br />
Beschlagsintervalle wur<strong>den</strong> in Jöchles Arbeiten immer wieder als tier-<br />
68<br />
Jöchle, Hans (1935): Sachgemäße Pflege der Fohlenhufe. In: Deutsches Kaltblut 8 (18),<br />
277-280.
130<br />
schutzrelevant dargestellt. Er warnte vor zu starkem Ausschnei<strong>den</strong> aus<br />
Sparsamkeitsgrün<strong>den</strong> und dem ständigen Gebrauch von Griffen und<br />
Stollen, um die Hufeisen - auf Kosten der Pferdebeine - zu schonen (Jöchle<br />
1936, 174). Auch der Beschlag bei möglichst billigen Hufschmie<strong>den</strong> mit<br />
zweifelhafter Qualifikation missfiel ihm (Jöchle 1957, 29).<br />
Nicht nur der <strong>Hufbeschlag</strong> an sich, sondern auch der Tierschutzaspekt -<br />
einerseits eine Errungenschaft des Nationalsozialismus 69 , andererseits aber<br />
auch dringende Notwendigkeit - lagen Hans Jöchle sehr am Herzen. So<br />
war er einer der wenigen großen „<strong>Hufbeschlag</strong>slehrmeister“, die sich nicht<br />
nur mit der Erforschung neuer <strong>Hufbeschlag</strong>stheorien an der Universität<br />
beschäftigten, sondern er bemühte sich, diese Erkenntnisse der breiten<br />
Basis nahe zu bringen. Praktisch angewandter Tierschutz bedeutete <strong>für</strong> ihn,<br />
<strong>den</strong> Tierbesitzern klar zu machen, dass auch eine Unterlassung, nämlich<br />
die der Huf- und Klauenpflege, Tierquälerei bedeuten könne, „umsomehr<br />
solche zur offenkundigen Tierquälerei führen<strong>den</strong> Unterlassungen ja außerdem<br />
nur schnödem Geiz und gemeiner Habgier entsprungen sind, um<br />
nämlich die Rechnung beim Schmied möglichst niedrig zu halten“ (Jöchle<br />
1957, 29).<br />
Deshalb veröffentlichte Hans Jöchle im „Deutschen Tierärzteblatt“ einen<br />
Aufruf an die Tierärzte, Pferdezüchter und Schmiede zum Tierschutz<br />
anzuhalten. Er ging in seinen Aufsätzen häufig auf <strong>den</strong> Tierschutz durch<br />
rechtzeitige Beschlagserneuerung und Klauenpflege ein. In diesem Artikel<br />
befasste er sich aber auch intensiv mit <strong>den</strong> Zwangsmitteln <strong>für</strong> ungehorsame<br />
Pferde:<br />
„Ich <strong>den</strong>ke hier an die verschie<strong>den</strong>artigen Zwangsmittel, die mitunter<br />
beim Beschlagsgeschäft sinnlos und brutal in Anwendung<br />
kommen und <strong>den</strong> Vorschriften des Tierschutzgesetzes von vornherein<br />
zuwiderlaufen. So finde ich es z. B. mit <strong>den</strong> dem Reichstierschutzgesetz<br />
zugrunde liegen<strong>den</strong> ethischen Gesichtspunkten und mit<br />
der <strong>Ein</strong>stellung des Nationalsozialismus zum Tierschutz nicht mehr<br />
vereinbar, wenn man bei nicht schmiedefrommen Pfer<strong>den</strong> heute<br />
noch vor dem Beschlagen das Ermü<strong>den</strong> dieser Tiere durch Hunger,<br />
Durst oder tagelanges Hochbin<strong>den</strong> des Kopfes im Stalle empfiehlt.<br />
Als grobe Tierquälerei muß es gleichfalls bezeichnet wer<strong>den</strong>, wenn<br />
junge, an das Beschlagsgeschäft noch nicht gewöhnte Pferde<br />
rücksichtslos mit Klöppel, Hammer oder Zange geschlagen oder mit<br />
69 Das Tierschutzgesetz vom 24. November 1933 trat am 1. Februar 1934 in Kraft.
131<br />
anderen gerade erreichbaren Gegenstän<strong>den</strong> gezüchtigt wer<strong>den</strong>, wenn<br />
vorne aufsteigende Pferde mittels um die Ohren des Tieres gewickelten<br />
Feuerzangen am Kopfe durch handfeste Männer niedergezogen<br />
wer<strong>den</strong>, wenn man bei unruhigen Tieren gleich zur<br />
polnischen Bremse, zur Zungen- oder Mundschnur greift, oder wenn<br />
die Beschlagsdurchführung durch Aufziehen des Hinterschenkels<br />
mittels eines an der Decke oder Wand angebrachten Ringes<br />
vorgenommen wird. - Erlaubt ist bei unruhigen und widersetzlichen<br />
Pfer<strong>den</strong> das Müdemachen durch Arbeit, das Rückwärtstretenlassen,<br />
besonders im weichen Bo<strong>den</strong>, bis zum Schweißausbruch, der<br />
Gebrauch der Nasenstrickbremse an der Oberlippe, des Kappzaumes<br />
und der Schnellkette, besonders bei vorne aufsteigen<strong>den</strong> Tieren, die<br />
Spannmethode nach Kalning, das Spannseil in einfacher und<br />
doppelter Anwendung und schließlich der Notstand, der <strong>für</strong><br />
bösartige und besonders auch <strong>für</strong> kranke Tiere in Gebrauch zu<br />
nehmen ist“ (Jöchle 1938b, 483-484).<br />
Die Pferde in der Schmiede von Hans Jöchle durften nicht übermäßig<br />
gezüchtigt wer<strong>den</strong>. Er konnte von seinem Büro direkt auf die Beschlagbrücke<br />
schauen und wenn ein ungehorsames oder verängstigtes Pferd<br />
beschlagen wer<strong>den</strong> sollte, kam er heraus, lenkte das Pferd mit seinem<br />
Schlüsselbund ab und es blieb stehen und ließ sich beschlagen. So wurde<br />
auch der Beschlagstand wenig genutzt, in <strong>den</strong> anderswo schwierige Pferde<br />
„eingesperrt“ wur<strong>den</strong> (Langwieser 2005, mdl. Mitt.).<br />
Jöchle war ein sehr strenger Lehrer. Die Schmiede kannten ihn oft nicht<br />
persönlich und so stellte er sich in die Schmie<strong>den</strong> und schaute unauffällig<br />
zu. So auch beim Beschlag der Deckhengste im bayerischen Stammgestüt<br />
Schwaiganger 70 . Da ihm der Beschlag nicht zusagte, kritisierte er <strong>den</strong><br />
Schmied, der ihn daraufhin kurzerhand aus der Werkstatt warf. Das kostete<br />
diesen Schmied seine Lizenz (Langwieser 2005, mdl. Mitt.).<br />
Für die Kurse an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule wur<strong>den</strong> die Hufe toter Pferde vom<br />
Schlachthof geholt. Wenn diese nicht korrekt beschlagen waren, konnte<br />
Jöchle toben und sich sehr abfällig über die „Landschmiede“ äußern<br />
(Langwieser 2005, mdl. Mitt.).<br />
Auf einem Pferdemarkt bei Ingolstadt sollte Jöchle die Pferde mustern. Als<br />
ihm ein zweijähriges unbeschlagenes Pferd vorgestellt wurde, erkundigte<br />
70 Das spätere Bayerische Haupt- und Landgestüt Schwaiganger.
132<br />
er sich nach dem zuständigen Schmied. Als ihm dessen Name genannt<br />
wurde, antwortete er darauf: „Jetzt habe ich diesem Mann die Note 1<br />
gegeben und jetzt murkst er weiter wie vorher“ (Langwieser 2005, mdl.<br />
Mitt.). An der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München wur<strong>den</strong> allerdings<br />
hauptsächlich die Noten 1 und 2 erteilt, durchgefallen war eigentlich noch<br />
niemand (ASchw).<br />
Abb. 30: Beschlag- oder Notstand der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule in<br />
München, um 1930.
133<br />
4.1 Die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
1901/02 wurde auf Anregung Friedrich Gutenäckers 71 das Lehrgebäude des<br />
Instituts <strong>für</strong> Hufkunde und Hufkrankheiten und der Staatlichen Lehrschmiede<br />
errichtet. Das Gebäude, ein nüchterner Zweckbau, lag an der<br />
Königinstraße neben der Medizinischen Tierklinik (Boessneck 1972, 306).<br />
Im Erdgeschoss befan<strong>den</strong> sich die Institutsräume und der Kursraum <strong>für</strong> die<br />
Übungen am Huf. Der darüber liegende Hörsaal wurde mit der Pathologie<br />
geteilt. Die angebaute Lehrschmiede war <strong>für</strong> Stu<strong>den</strong>ten und Publikum<br />
meist nicht zugänglich (Koch 1972, 11).<br />
Die geräumige Werkhalle der <strong>Hufbeschlag</strong>schule war von rauchgeschwärzten<br />
Dächern überdeckt und die Hammerschläge waren weithin zu hören.<br />
Die lange Beschlagbrücke ermöglichte es, die Pferde vor und nach dem<br />
Beschlagen auch im Trab zu mustern. An der Außenwand konnten mehrere<br />
Pferde gleichzeitig angebun<strong>den</strong> und beschlagen wer<strong>den</strong>. Vor der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
konnte man die unterschiedlichsten Gefährte und Leute antreffen,<br />
die auf ihre Pferde warteten (Baier 1990, 38).<br />
In der Königinstraße gab es sogar eine Wirtschaft zur „Lehrschmiede“, die<br />
vor allem die Gesellen aus der <strong>Hufbeschlag</strong>schule besuchten. Von der<br />
Königinstraße führten eigene Fahrwege hinunter zur <strong>Hufbeschlag</strong>schule, so<br />
dass die restliche Fakultät von dem Verkehr unbehelligt blieb. Der<br />
Schwabinger Bach führte direkt an der Schmiede vorbei (Baier 1990, 16,<br />
39).<br />
Die Lehrschmiede wurde mit der Angliederung der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Hochschule an die Universität München am 1. Oktober 1914 von der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule getrennt und als „Königliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München“ geführt. Seitdem hatten <strong>Hufbeschlag</strong>schule und Institut <strong>für</strong> Hufkunde<br />
getrennte Haushalte, da die <strong>Hufbeschlag</strong>schule nun der Regierung<br />
von Oberbayern und damit dem Staatsministerium <strong>für</strong> Landwirtschaft<br />
unterstellt war, sie teilten sich jedoch die Räumlichkeiten im Institutsgebäude.<br />
Die <strong>Hufbeschlag</strong>schule musste als Miete jährlich einen Pauschalbetrag<br />
von 1.400 Mark an das Universitätsinstitut abführen. 1934 wurde<br />
dieser Betrag auf 1.000 RM gesenkt. Die Lehrschmiede hatte durch <strong>den</strong><br />
Beschlagsbetrieb ihre eigenen <strong>Ein</strong>nahmen, die die Materialkosten voll-<br />
71 Der Militärveterinär Friedrich Gutenäcker hatte von 1869 bis 1872 an der Zentral-<br />
Tierarzneischule München studiert (Boessneck 1972, 305). 1882 wurde er dort zum<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>lehrer und Vorstand der Lehrschmiede (Moser 1926, 136) und 1898 zum<br />
Professor ernannt. Gutenäcker starb 1906 im Alter von 53 Jahren (Boessneck 1972, 305).
134<br />
kommen deckten. Die Leitung der bei<strong>den</strong> Anstalten oblag weiterhin in<br />
Personalunion Prof. Erwin Moser (BayHStA MK 69684; TiHoA o. Sign.;<br />
Moser 1926, 137-139).<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg waren an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule eine<br />
Assistentenstelle und zwei Lehrschmiedestellen vorhan<strong>den</strong>. Außerdem<br />
wur<strong>den</strong> aus dem Haushalt der <strong>Hufbeschlag</strong>schule zwei geprüfte Hufschmiedegesellen<br />
(Vorschmiede) beschäftigt (Moser 1926, 139). Schulgeld<br />
<strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>skurs wurde nicht verlangt, aber Prüfungsgebühren.<br />
Bedürftige Schüler bekamen Zuschüsse und Stipendien (Anonym 1930a,<br />
1).<br />
Zur Klientel des Instituts und der <strong>Hufbeschlag</strong>schule gehörten die<br />
Münchner Brauereien mit ihren berühmten Hengstgespannen, die<br />
pferdebespannte Müllabfuhr, die 1939 noch 1.100 Pferde hatte, und diverse<br />
Privatkun<strong>den</strong>, insbesondere Rennpferdebesitzer, die ihre Traber und<br />
Galopper brachten, wenn es darum ging, Lahmheiten aufzudecken oder<br />
Spezialhufbeschläge zu erhalten (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.). Trotzdem<br />
gab es Spannungen zwischen <strong>den</strong> Zivilschmie<strong>den</strong> und der Militärlehrschmiede<br />
München. Auf der Kreistagung in Oberbayern Ende 1926<br />
wur<strong>den</strong> die Klagen mehrerer Meister laut, dass an der Militärlehrschmiede<br />
in München zu viele Pferde der Privatkun<strong>den</strong> beschlagen wur<strong>den</strong>. Die<br />
anderen Meister hätten dadurch zu wenig Arbeit und ein schlechtes<br />
<strong>Ein</strong>kommen. Die Beschlagszahlen der Militärlehrschmiede waren 1920<br />
festgelegt wor<strong>den</strong> und wirkten sich erst nach dem drastischen Rückgang<br />
des Pferdebestands so gravierend auf das <strong>Hufbeschlag</strong>sgewerbe aus (Hager<br />
1927, 3). Anfang der 30er Jahre wur<strong>den</strong> die <strong>Hufbeschlag</strong>spreise<br />
herabgesetzt und die Zahl der Fuhrwerke nahm aufgrund der Motorisierung<br />
stetig ab. Daraufhin entwickelte sich ein gewisses Konkurrenz<strong>den</strong>ken<br />
um die Kundschaft zwischen der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule, <strong>den</strong><br />
anderen Hufschmie<strong>den</strong> in München und der Militärlehrschmiede München,<br />
die <strong>den</strong> anderen gegenüber im Vorteil war, da sich in ihrer Nähe „ein<br />
grösserer Geschäftsbetrieb mit Pferdefuhrwerken abspielt“ (UAM VA-AII-<br />
80,7, 19.2.1937).
135<br />
Abb. 31: Lehrschmiedemeister beim Unterrichten in der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München, ca. 1925.
136<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg wur<strong>den</strong> - wie überall - auch an der Staatlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule die Verhältnisse schwierig und das Material<br />
knapp.<br />
„Katastrophal wird sich über kurz oder lang der Mangel an<br />
Hufnägeln auswirken, da viele Schmiede bereits erklärt haben, dass<br />
sie <strong>den</strong> Beschlag der Pferde in Kürze ganz einstellen müssen. Schon<br />
jetzt zeigt sich teilweise eine große Verwahrlosung des Beschlags,<br />
da die Pferde eben von <strong>den</strong> Schmie<strong>den</strong> nicht zum Beschlag aufgenommen<br />
wer<strong>den</strong> können. Sehnenlei<strong>den</strong> und Ausfall vieler Pferde<br />
wegen Lahmheiten wer<strong>den</strong> die Folge sein.<br />
Bei der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Pferdehaltung<br />
(Treibstoffknappheit) wären unbedingt Schritte erforderlich, endlich<br />
durch Wiederingangsetzung von Hufnagelfabriken <strong>für</strong> eine laufende,<br />
geregelte Belieferung von Schmie<strong>den</strong> zu sorgen. Auch der Mangel<br />
an Hufeisen und Schraubstollen ist gross“ (BayHStA MInn 87801;<br />
Auszug aus dem Monatsbericht des Regierungspräsi<strong>den</strong>ten in<br />
München, Februar 1946).<br />
Am 20. Dezember 1946 genehmigte das Bayerische Staatsministerium des<br />
Innern die Wiedereröffnung der <strong>Hufbeschlag</strong>schule München. Die Beschaffung<br />
von Schmiedekohlen und Stabeisen bereitete aber noch erhebliche<br />
Schwierigkeiten. Dadurch verzögerte sich der Beginn der Lehrkurse<br />
(BayHStA MInn 87801) und die <strong>Hufbeschlag</strong>schule konnte erst am<br />
1. November 1947 ihren Betrieb wieder aufnehmen. Die Materialbeschaffung<br />
<strong>für</strong> <strong>den</strong> theoretischen und praktischen Unterricht bereitete aber immer<br />
noch große Schwierigkeiten und so wur<strong>den</strong> maximal 18 Teilnehmer pro<br />
Kurs angenommen. Teilweise überschnitten sich die Kurse und es mussten<br />
36 Schüler angeleitet wer<strong>den</strong>. Die Anmeldungen stauten sich auf, so dass<br />
1948 insgesamt 330 Anmeldungen vorlagen und damit die Lehrgänge <strong>für</strong><br />
die nächsten vier bis fünf Jahre ausgebucht waren. Trotz der Zuzugssperre<br />
<strong>für</strong> München hatten sich, wegen des guten Rufs der <strong>Hufbeschlag</strong>schule,<br />
Schüler aus allen Teilen Bayerns angemeldet. Trotz allem wurde aber auch<br />
nach menschlichen Gesichtspunkten entschie<strong>den</strong> und das Alter und die<br />
familiären Verhältnisse berücksichtigt (Redaktionsmitarbeiter 1948, 10).<br />
„Da bittet ein 40jähriger Mann, ehemaliger Kriegsgefangener, um<br />
baldmögliche Berücksichtigung, <strong>den</strong>n er ist der einzige Sohn und<br />
der Betrieb ruht wegen Todesfall des Vaters. Es geht um die<br />
Existenz, der Mann wartet schon seit Monaten auf <strong>den</strong> nächsten
137<br />
Kursbeginn. <strong>Ein</strong> anderer ist Flüchtling aus Schlesien und er hat alles<br />
verloren, die Eltern, die väterliche Schmiede. Und wiederum ein<br />
anderer ist der letzte von drei im Kriege gefallenen Söhnen, der das<br />
väterliche Geschäft <strong>für</strong> <strong>den</strong> altgewor<strong>den</strong>en, arbeitsunfähigen Vater<br />
übernehmen soll“ (Redaktionsmitarbeiter 1948, 10).<br />
Im Oktober 1948 gefährdeten die „gering bemessenen Betriebsmittel“<br />
erneut ernsthaft die Weiterführung der Lehrkurse (ASchw 1948).<br />
Mitte der 50er Jahre beschlugen die Lehrkräfte und der Vorschmied an der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule monatlich wieder etwa 140 Pferde. Als nebenamtlicher<br />
Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> verbrachte Jöchle etwa sieben Tage pro<br />
Monat im Außendienst (ASchw 1956).<br />
Seine Dienststelle als Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> war mit <strong>den</strong> laufen<strong>den</strong><br />
Fachzeitschriften gut ausgestattet. Die <strong>Bibliothek</strong> enthielt die Zeitschriften<br />
- Deutsche Schmiedezeitung<br />
- Der Deutsche Schmiedemeister<br />
- Deutsche Schlosser- und Schmiedezeitung<br />
- Süddeutsche landwirtschaftliche Tierzucht<br />
- Zucht und Sport<br />
- Der Hufschmied<br />
- Münchner tierärztliche Wochenschrift<br />
und einige Fachbücher (ASchw, Fahrnis-Verzeichnis, 1959).<br />
Hans Jöchle war auch als Gutachter <strong>für</strong> Versicherungen tätig. Bei Vernagelung<br />
und Wundstarrkrampf zahlten die Versicherungen die ersten<br />
bei<strong>den</strong> Scha<strong>den</strong>sfälle eines Schmieds, danach nicht mehr (Langwieser<br />
2005, mdl. Mitt.). So wurde in Zweifelsfällen oft das Gutachten Jöchles<br />
eingeholt, wie folgende Beispiele zeigen:<br />
<strong>Ein</strong> Pferd wurde einer Strahlkrebsoperation unterzogen und zweimal vom<br />
Tierarzt nachbehandelt. <strong>Ein</strong>en Monat später ließ der Tierbesitzer das Pferd<br />
vom Hufschmied „nachbehandeln“ und beschlagen. <strong>Ein</strong>e Woche darauf<br />
wurde wieder der Tierarzt gerufen, weil das Pferd nicht mehr fraß. Der<br />
klinische Untersuchungsbefund ergab Wundstarrkrampf im Endstadium,<br />
woraufhin das Pferd geschlachtet wer<strong>den</strong> musste. Der Streitpunkt war nun,<br />
ob der Tierarzt oder der Hufschmied die Krankheit zu verantworten hätten.<br />
Das Institut <strong>für</strong> Tierpathologie leitete <strong>den</strong> Pferdehuf an Professor Jöchle<br />
weiter und das Tierhygienische Institut wies <strong>den</strong> Erreger Clostridium tetani<br />
nach. Wundstarrkrampf infolge von Vernagelung, was sonst häufiger vor-
138<br />
kam, lag in diesem Fall nicht vor. Alle Nägel saßen korrekt, aber unter dem<br />
am Hufeisen aufgebrachten Deckel konnte sich Erde ablagern, da der<br />
Deckel unzureichend befestigt war. Jöchle vermutete, dass die Erreger mit<br />
der Erde eingedrungen waren. Durch die recht unterschiedlich langen<br />
Inkubationszeiten des Erregers konnte aber letztendlich der Schuldige nicht<br />
eindeutig bestimmt wer<strong>den</strong> (ASchw 1957). Solche Scha<strong>den</strong>sfälle, insbesondere<br />
durch Vernagelung, kamen öfters vor und Jöchle erstellte die<br />
entsprechen<strong>den</strong> Gutachten <strong>für</strong> Pferdebesitzer und Versicherungen.<br />
Als Beiratsvorsitzender der Beschlagshaftpflichtversicherung hatte Jöchle<br />
mit einigen Problemen zu kämpfen. <strong>Ein</strong>erseits wollten viele Hufschmiede<br />
nicht einsehen, dass es auch Grenzen der Haftpflichtversicherung gab. Sie<br />
reichten unter anderem Arztkosten nach Unfällen auf dem Weg zur<br />
Kundschaft ein und wollten nicht verstehen, dass die Versicherung nicht<br />
zahlte (Jöchle 1953b, 6). In anderen Fällen waren Pferde, die nur noch <strong>für</strong><br />
<strong>den</strong> Abdecker taugten, plötzlich wieder unglaublich wertvoll, wenn es um<br />
die Versicherungssumme ging (Anonym 1951b, 2). Andererseits versuchten<br />
auch die Pferdebesitzer bei Pfer<strong>den</strong> mit Starrkrampf, die Schuld auf die<br />
Schmiede abzuwälzen, wenn es die Inkubationszeit irgendwie zuließ.<br />
Jöchle ermahnte die Schmiede, in diesen Fällen die Hufe des Pferdes<br />
grundsätzlich nur an die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München zur Untersuchung<br />
einzuschicken. Keinesfalls sollten die Hufe „an die Landesanstalt<br />
<strong>für</strong> Tierseuchenforschung in Schleißheim, oder an die Veterinärpolizeiliche<br />
Anstalt in Nürnberg, oder an irgend ein Schlachthaus-Laboratorium, oder<br />
an die Chirurgische Tierklinik der Universität München, oder überhaupt an<br />
die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule in München“ geschickt wer<strong>den</strong>. Wiederholt<br />
konnte Jöchle die korrekte Arbeit der Hufschmiede nachweisen und andere<br />
Ursachen wie Nageltritte, Gabelstiche etc. aufdecken (Jöchle 1953b, 6).<br />
Am 20. Mai 1949 übernahm Hans Jöchle die Beratung der Gesamtvorstandschaft<br />
des Landesverbandes bayerischer Schmiedemeister und Fahrzeugbauer<br />
in Fragen der <strong>Hufbeschlag</strong>sversicherung und des <strong>Hufbeschlag</strong>s.<br />
Auf dem Verbandstag 1951 wurde Jöchle zum or<strong>den</strong>tlichen Mitglied der<br />
Vorstandschaft gewählt (Anonym 1951b, 1) und nahm dann regelmäßig an<br />
<strong>den</strong> Gesamtvorstandssitzungen teil, bis er 1957 in <strong>den</strong> Ruhestand trat<br />
(Anonym 1953, 2).<br />
Auf dem Verbandstag am 31. Mai 1957 am Chiemsee wurde offiziell das<br />
Ausschei<strong>den</strong> Hans Jöchle als beratendes Mitglied des Vorstands bekannt<br />
gegeben und Jöchle daraufhin zum Ehrenmitglied ernannt (R. S. 1957, 7-<br />
8).
139<br />
„Infolge seiner großen Verdienste um die Erziehung unseres Nachwuchses<br />
schlug deshalb der Gesamtvorstand des Landesverbandes<br />
der Delegiertenversammlung vor, Herrn Prof. Dr. Jöchle zum Ehrenmitglied<br />
des Landesverbandes zu ernennen. Die Delegiertenversammlung<br />
stimmte diesem Antrag des Gesamtvorstandes einstimmig<br />
zu“ (R. S. 1957, 7-8).<br />
Mit der zunehmen<strong>den</strong> Motorisierung wurde die Vollbesetzung der Lehrkurse<br />
an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München immer schwieriger,<br />
insbesondere in <strong>den</strong> Sommermonaten, wenn es in der Landwirtschaft viel<br />
zu tun gab. Das Interesse am <strong>Hufbeschlag</strong> ließ stetig nach und Hans Jöchle<br />
musste (1955) feststellen:<br />
„Heutzutage wollen alle nur noch in Winterkurse, weshalb mir die<br />
Besetzung des kommen<strong>den</strong> Aprilkurses bereits Schwierigkeiten<br />
macht. Von einem vollbesetzten Lehrgang hat jetzt die Mehrzahl<br />
abgesagt und um <strong>Ein</strong>reihung zum Winter gebeten“ (ASchw, Briefw.<br />
A-Z, Jöchle, H. 1955).<br />
1950 gab es in Bayern noch vier Lehrschmie<strong>den</strong> <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>:<br />
München, Augsburg, Nürnberg und Würzburg (Anonym 1950a, 16). Erst<br />
1949 war die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule Würzburg unter der Leitung<br />
von Dr. Walter Richter 72 wiedereröffnet wor<strong>den</strong>. Während zwischen 1949<br />
und 1954 noch 40 bis 45 Schmiede pro Jahr in Würzburg ausgebildet<br />
wur<strong>den</strong>, waren es 1956 nur noch 9 Schüler. Auch Pferde <strong>für</strong> die<br />
Ausbildung konnten kaum noch beschafft wer<strong>den</strong>. So wurde diese Schule<br />
im August 1957 wegen Schüler- und Pferdemangels wieder geschlossen<br />
und ihr übriges Aufgabengebiet im September auf die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
Nürnberg übertragen (ASchw).<br />
„Der Rückgang der Pferdehaltung und das mangelnde Interesse der<br />
Pferdehalter an einer sachgemäßen Hufpflege zwingen viele<br />
Schmiede, aus Grün<strong>den</strong> der Existenzsicherung, <strong>den</strong> Betrieb auf<br />
Maschinenreparatur und Fahrzeugbau umzustellen“ (ASchw 1957).<br />
Zum 1. Juni 1957 ging Hans Jöchle in <strong>den</strong> Ruhestand und betraute Dr.<br />
Anton Haug mit der Leitung der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
(Anonym 1957b, 179). Anton Haug wurde am 10. Juli 1914 in Bad<br />
Kissingen geboren. Er studierte von 1934 bis 1938 in München Tiermedi-<br />
72 Der ehemalige Leiter der Militärlehrschmiede München.
140<br />
zin und hatte 1939 mit der Arbeit „Der Aufbau der Achselschwanger<br />
Warmblutzucht“ am Institut <strong>für</strong> Tierzucht der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
München bei Prof. Fritz Stockklausner promoviert. Prof. Hans Jöchle war<br />
an dieser Arbeit als zweiter Gutachter beteiligt (Haug 1939, 1). Später<br />
arbeitete Haug <strong>für</strong> <strong>den</strong> Rindergesundheitsdienst in Regensburg. Zum<br />
1. September 1957 wurde Anton Haug zum Landwirtschaftsrat ernannt<br />
(Anonym 1957a, 207).<br />
Trotz Verkürzung der <strong>Hufbeschlag</strong>slehrgänge auf eine Dauer von zwei<br />
Monaten ging die Zahl der Lehrgangsteilnehmer immer weiter zurück und<br />
so wur<strong>den</strong> am 1. April 1961 die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule Nürnberg<br />
und am 1. Mai 1961 die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München geschlossen<br />
73 . Damit war die <strong>Hufbeschlag</strong>schule Augsburg <strong>für</strong> die <strong>Hufbeschlag</strong>sausbildung<br />
in ganz Bayern zuständig (ASchw 1961).<br />
1966 gab es dann auch in Augsburg Lehrgänge mit nur vier und 1967 nur<br />
noch zwei Teilnehmern, bis am 1. Oktober 1968 die <strong>Hufbeschlag</strong>schule in<br />
Augsburg ebenfalls geschlossen (ASchw, 2.10.1968) und als letzte<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule in Bayern nach Schwaiganger verlegt wurde. Aufgrund<br />
der geringen Nachfrage war sie als selbständige Schule nicht mehr zu<br />
erhalten und der Gestütstierarzt Dr. Erwald Wolpert konnte sie neben<br />
seiner tierärztlichen Tätigkeit führen, da in <strong>den</strong> ersten Jahren selten mehr<br />
als ein bis zwei Schüler pro Kurs angemeldet waren. 1973 stieg die<br />
Nachfrage recht unvermittelt wieder an und man führte in <strong>den</strong> 80er Jahren<br />
wieder zwei Kurse pro Jahr ein 74 . Die Nachfrage stieg kontinuierlich<br />
weiter, so dass 1992 mit Wartezeiten bis zu zwei Jahren zu rechnen war<br />
(Karnbaum 1992, 14).<br />
4.1.1 Ausbildung der Hufschmiede<br />
Um gewisse Grundvoraussetzungen im <strong>Hufbeschlag</strong> zu gewährleisten, erließ<br />
der Reichsminister des Innern mit Wirkung vom 1. April 1927 die<br />
„Mindestanforderungen an die Ausbildung und Prüfung von Hufschmie<strong>den</strong>“.<br />
75 Darin wur<strong>den</strong> erstmalig einheitlich im ganzen Reich der Lehr-<br />
73<br />
Baier (1990, 82) berichtet in seinen Erinnerungen, dass die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München erst 1963 aufgelöst wurde.<br />
74<br />
Mit vier bis neun Teilnehmer pro Kurs (ASchw).<br />
75<br />
Bis 1940 war der <strong>Hufbeschlag</strong> auf Landesebene geregelt und es wurde nur der gewerbliche<br />
<strong>Hufbeschlag</strong> erfasst.
141<br />
gangszwang und eine Ausbildungszeit von vier Monaten an einer <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
bestimmt (Fischer 1941, 31).<br />
Daraufhin hielt Hans Jöchle auf dem Oberbayerischen Kreisverbandstag<br />
des Bundes bayerischer Schmiedeinnungen und Schmiedemeister am<br />
6. Mai 1928 in Bad Reichenhall einen Vortrag über die „neuen Vorschriften<br />
bei der Gesellen- und Meisterprüfung im <strong>Hufbeschlag</strong> und<br />
Wagenbau“. 76 Das Ziel dieser Vorschriften war die „Förderung des<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>es und Hebung des Schmiedehandwerks“ (Hagen 1928, 4).<br />
Um die komplizierten Verhältnisse aufzuklären, erläuterte Hans Jöchle<br />
auch in seinem Buch „Huf- und Klauenpflege“ (1937) 77 <strong>den</strong> Ausbildungsweg<br />
zum Hufschmied:<br />
„In der Erkenntnis der Notwendigkeit und des Nutzens eines guten<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>es fordert der Gesetzgeber seit dem Jahre 1927 <strong>für</strong> <strong>den</strong><br />
gewerblichen <strong>Hufbeschlag</strong> neben dem schon seit 1884 bestehen<strong>den</strong><br />
Prüfungszwang im <strong>Hufbeschlag</strong> noch <strong>den</strong> Kurszwang, und zwar<br />
einheitlich <strong>für</strong> das ganze Reich. Wer also heute beabsichtigt, die zur<br />
Ausübung des <strong>Hufbeschlag</strong>gewerbes vorgeschriebene Prüfung im<br />
<strong>Hufbeschlag</strong> abzulegen, muß sich zunächst einem viermonatigen<br />
Ausbildungslehrgang an einer staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule oder<br />
einer staatlich anerkannten Lehrschmiede unterziehen. Ebenso wie<br />
die Ausbildung und Prüfung der Hufschmiede gesetzlich geregelt<br />
ist, so ist auch die Zulassung zu einem Lehrkurs gesetzlich<br />
festgelegt. Zugelassen zu einem Lehrkursus kann nur wer<strong>den</strong>, wer<br />
die ordnungsmäßige Lehrzeit im <strong>Hufbeschlag</strong> zurückgelegt, die<br />
Gesellenprüfung bestan<strong>den</strong> und nach bestan<strong>den</strong>er Gesellenprüfung<br />
noch mindestens drei (in Bayern vier) Jahre als Geselle im<br />
<strong>Hufbeschlag</strong> gearbeitet hat“ (Jöchle, Stockklausner 1937, 7).<br />
Trotz der verbesserten Ausbildungsmöglichkeiten der Hufschmiede zeigte<br />
sich bei <strong>den</strong> Pferdevormusterungen 1939, dass<br />
„viele Pferde infolge grober Vernachlässigung des <strong>Hufbeschlag</strong>s in<br />
ihrer Verwendungsfähigkeit stark behindert waren, ja trotz sonstiger<br />
Brauchbarkeit <strong>für</strong> die Zwecke der Wehrmacht überhaupt ausfallen<br />
76 Auch Professor Moser hatte sich schon um eine Verbesserung der Ausbildung der<br />
Hufschmiede bemüht und wurde zur Mitarbeit im Bayerischen Schmiedebund gebeten und<br />
später zu dessen Ehrenmitglied ernannt (Jöchle 1937b, 166).<br />
77 Jöchle, Hans, und Fritz Stockklausner (1937): Huf- und Klauenpflege. Arbeiten des<br />
Reichsnährstandes. Band 28. Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin.
142<br />
mußten. Aus wehrpolitischen Grün<strong>den</strong> ist auch eine Vereinheitlichung<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>es 78 erstrebenswert, die bislang mangels<br />
gesetzlicher Vorschriften nicht durchzuführen war“ (BArch R<br />
1501/5594, Begründung zu dem Gesetz über <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>).<br />
Nach diesen Erfahrungen bei der Mobilmachung 1939 forderte das Oberkommando<br />
des Heeres eine „reichsrechtliche Regelung des <strong>Hufbeschlag</strong>swesens<br />
als eine <strong>für</strong> die Wehrkraft des Volkes bedeutsame Maßnahme“.<br />
Daraus entstan<strong>den</strong> das „Gesetz über <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>“ und die „Verordnung<br />
über <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>“ (BArch R 1501/5594) und der Reichsminister<br />
des Innern konnte dem Reichskanzler berichten:<br />
„Das Gesetz tritt an die Stelle des gelten<strong>den</strong> Landesrechts und bringt<br />
die im Interesse der Wehrfähigkeit des Deutschen Volkes und<br />
wegen der <strong>Ein</strong>gliederung neuer Gebiete in das Reich notwendige<br />
reichsrechtliche Regelung des <strong>Hufbeschlag</strong>wesens.<br />
Im Hinblick auf <strong>den</strong> Erlaß des Führers und Reichskanzlers über eine<br />
vorübergehende <strong>Ein</strong>schränkung der Rechtssetzung vom 5. Juni 1940<br />
hat das Oberkommando der Wehrmacht das Gesetz über <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
als kriegswichtig bezeichnet und um seine beschleunigte<br />
Verabschiedung gebeten“ (BArch R 55/21000, Bl. 1, 7.10.1940).<br />
Am 1. Januar 1941 trat dann das Gesetz über <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> vom<br />
20. Dezember 1940 in Kraft. Der § 1 legte fest, dass zur Ausübung des<br />
Huf- und Klauenbeschlags die Anerkennung als geprüfter <strong>Hufbeschlag</strong>schmied<br />
notwendig war 79 , außer <strong>für</strong> Gesellen und Lehrlinge, die unter der<br />
Aufsicht eines geprüften Schmieds arbeiteten. Auch die leiten<strong>den</strong><br />
Schmiede der so genannten Regiebetriebe, also Gutsschmie<strong>den</strong> oder<br />
Brauereischmie<strong>den</strong>, mussten neuerdings eine solche „Anerkennung“ vorweisen<br />
(Behrninger 1948, 7). Da<strong>für</strong> waren der Nachweis der Lehrzeit und<br />
einer mindestens zweijährigen Gesellenzeit bei einem geprüften Meister<br />
und ein viermonatiger Lehrgang an einer staatlich anerkannten <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
oder einer Heereslehrschmiede notwendig (Berninger 1948,<br />
8). Die Ausbildung der <strong>Hufbeschlag</strong>slehrmeister fiel in <strong>den</strong> Zuständigkeitsbereich<br />
der Lehrschmiede der Veterinärmedizinischen Fakultät Berlin und<br />
der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München (BayHStA MF 68351).<br />
78 Siehe dazu auch Kap. 4.4.<br />
79 Vorher war nur <strong>für</strong> die gewerbliche Ausübung des <strong>Hufbeschlag</strong>s die Anerkennung als<br />
geprüfter <strong>Hufbeschlag</strong>schmied erforderlich (Fischer 1941, 31).
143<br />
Die Prüfung der Hufschmiede nach dem viermonatigen Lehrkurs nach der<br />
Verordnung über <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> vom 31.12.1940 erstreckte sich über<br />
zwei Tage. An der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München fan<strong>den</strong> freitags<br />
von acht bis eins und von zwei bis sechs Uhr der praktische Teil und am<br />
Samstag von acht bis ein Uhr der theoretische Teil statt. Die fünfköpfige<br />
Prüfungskommission bestand aus einem Regierungsveterinärrat als Vorsitzendem,<br />
einem Schmiedemeister, einem Diplomlandwirt, dem Werkmeister<br />
der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München und Hans Jöchle als<br />
Leiter der <strong>Hufbeschlag</strong>schule (ASchw 1956). Für die Prüfungen wur<strong>den</strong><br />
unter anderem die beschlagsbedürftigen Pferde der berittenen Abteilung<br />
der Münchner Polizei herangezogen (ASchw 1949).<br />
Im allgemeinen Nachkriegschaos war erneut die Frage der Berechtigung<br />
der Berufsausübung der Hufschmiede zu klären, was durch die von <strong>den</strong><br />
Amerikanern propagierte Gewerbefreiheit noch verkompliziert wurde.<br />
Viele Schmiedegesellen hatten anstatt des viermonatigen Lehrkurses eine<br />
auf acht Wochen verkürzte Lehrzeit an einer Heereslehrschmiede absolviert,<br />
die der viermonatigen gleichgestellt war. Damit konnte man <strong>den</strong><br />
Beruf aber noch nicht selbständig ausüben, sondern benötigte noch das<br />
Zeugnis der unteren Verwaltungsbehörde zur „Anerkennung als geprüfter<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schmied“. Das waren meist die Oberbürgermeister der jeweiligen<br />
Standorte der Heereslehrschmie<strong>den</strong>. Diese wiederum mussten die<br />
Anerkennung <strong>den</strong> jeweiligen Truppenteilen zustellen, mit dem Erfolg, dass<br />
die meisten dieser Lehrgangsteilnehmer nach dem Krieg ohne Prüfungszeugnis<br />
und ohne Anerkennung dastan<strong>den</strong> und auch nicht wussten, wo sie<br />
sich diese beschaffen konnten. Prof. Jöchle versuchte mit einem aufklären<strong>den</strong><br />
Artikel in der Zeitschrift „Die Schmiede-Werkstatt“ zu helfen 80<br />
(Jöchle 1949, 15-16).<br />
<strong>Ein</strong>ige Schmiede wandten sich auch persönlich an Jöchle. Oft konnte er<br />
ihre Fragen beantworten und ihre Lehrgangsteilnahme und das Ablegen der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>sprüfung bestätigen, „da von <strong>den</strong> Teilnehmern an der Heereslehrschmiede<br />
München von 1941 bis fast Kriegende ein lückenloses<br />
Verzeichnis vorhan<strong>den</strong> ist“ (ASchw 1957).<br />
Auf dem Verbandstag der bayerischen Schmiedemeister und Fahrzeugbauer<br />
81 im Augustinerkeller in München hielt Hans Jöchle am 3. Juni 1950<br />
ein Referat über „die gesetzliche Gestaltung des <strong>Hufbeschlag</strong>swesens in<br />
80<br />
Jöchle, Hans (1949): Gültigkeit der Hufschmiede-Kriegsprüfungszeugnisse. In: Die<br />
Schmiede-Werkstatt 3 (6), 15-16.<br />
81<br />
Vom 2. bis 5. Juni 1950.
144<br />
Bayern“ (Anonym 1950b, 14-15). <strong>Ein</strong> Auszug dieses Referats wurde unter<br />
dem Titel: „Die gegenwärtige gesetzliche Gestaltung des <strong>Hufbeschlag</strong>swesens<br />
in Bayern“ in der Zeitschrift „Die Schmiede-Werkstatt“ veröffentlicht<br />
(Jöchle 1950, 8, 13). Nach einem Rückblick über die<br />
Schmiedeausbildung berichtete Jöchle über die aktuelle Gesetzgebung. Das<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>gesetz vom 20.12.1940 legte fest, dass „bereits zur Ausübung<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>es die Anerkennung als geprüfter <strong>Hufbeschlag</strong>schmied<br />
erforderlich ist, d. h. also, daß alle die Personen, die Pferde <strong>für</strong> andere<br />
beschlagen, also auch die sog. Regieschmiede, die Anerkennung als<br />
geprüfte <strong>Hufbeschlag</strong>schmiede besitzen müssen“. Zusätzlich wurde auch<br />
<strong>für</strong> <strong>den</strong> Klauenbeschlag die Anerkennung als geprüfter Hufschmied<br />
notwendig, was von <strong>den</strong> Hufschmie<strong>den</strong> schon längere Zeit gefordert<br />
wurde. Jöchle ging weiter auf verschie<strong>den</strong>e Übergangsregelungen ein und<br />
erläuterte dann die aktuelle Situation: ein geprüfter Geselle musste<br />
mindestens zwei Jahre bei einem als geprüften Hufschmied anerkannten<br />
Meister tätig gewesen sein, <strong>den</strong> viermonatigen Lehrkurs an einer<br />
Lehrschmiede absolviert und die <strong>Hufbeschlag</strong>prüfung bestan<strong>den</strong> haben<br />
(Jöchle 1950, 8, 13).<br />
Mit der Verringerung des Pferdebestands kam bei <strong>den</strong> Schmie<strong>den</strong> wieder<br />
der Wunsch nach einer Verkürzung dieser Lehrkurse auf. Doch gerade<br />
dieser Rückgang und die wenigen Gelegenheiten, Pferde zu beschlagen<br />
und in Übung zu bleiben, machten die Lehrkurse <strong>für</strong> die Hufschmiedeausbildung<br />
unersetzlich (Jöchle 1953a, 301). Trotzdem war <strong>für</strong> Hans<br />
Jöchle der Lehrkurs mehr als nur eine Ausbildung im <strong>Hufbeschlag</strong>. Er<br />
hatte sich zum Ziel gesetzt,<br />
„die Lehrkursteilnehmer auch als Menschen zu Persönlichkeiten<br />
auszuformen und zu erziehen. Der Lehrkursteilnehmer soll im Laufe<br />
der Lehrkurswochen spüren, daß das wahre Berufsethos <strong>den</strong> vollen<br />
<strong>Ein</strong>satz seiner fachlichen und auch menschlichen Fähigkeiten<br />
fordert“ (Jöchle 1953a, 302).<br />
Auf die Anfrage von Josef Langwieser im Jahr 1957 nach einer Stelle als<br />
Schmiedemeister an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule, gab Jöchle zur Antwort, bei<br />
<strong>den</strong> staatlichen Stellen sehe es schlecht aus, da Personal abgebaut werde<br />
und sonst alle Stellen mit jungen Schmie<strong>den</strong> besetzt seien. „Hätten Sie<br />
keine Lust, in einen guten Schmiedebetrieb einzuheiraten? Der Betrieb<br />
liegt in Oberbayern in schönster Gegend“ (ASchw, Briefw. A-Z). Das war<br />
in der Nachkriegszeit keine Seltenheit. In <strong>den</strong> Schmiedezeitungen häuften<br />
sich die Anzeigen von Schmie<strong>den</strong>, die „einheiraten“ wollten, oder Damen,
145<br />
die diese Möglichkeit bieten konnten, nach dem Motto „or<strong>den</strong>tlich, ehrlich,<br />
katholisch“. So erkundigte sich auch der eine oder andere Hufschmied, der<br />
nicht mit Söhnen gesegnet war, bei Jöchle, ob er ihm nicht einen Nachfolger<br />
vermitteln könne (Langwieser 2005, mdl. Mitt.).<br />
Obwohl Hans Jöchle auf dem Verbandstag 1953 in Passau noch berichtet<br />
hatte, das Staatsministerium <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und Forsten<br />
halte es <strong>für</strong> unerlässlich, an <strong>den</strong> viermonatigen <strong>Hufbeschlag</strong>lehrgängen<br />
festzuhalten 82 , fand im Oktober 1956 an der Münchner <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
der erste Kurzlehrgang mit zehn Teilnehmern seinen Abschluss (ASchw<br />
1956). Neben <strong>den</strong> regulären <strong>Hufbeschlag</strong>skursen gab es 1956/57 auch<br />
Kurzlehrgänge <strong>für</strong> Kriegsteilnehmer und Spätheimkehrer. Danach sollten<br />
die <strong>Hufbeschlag</strong>prüfungen auf Grund des Gesetzes über <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
vom 20.12.1940 wieder nur noch im Anschluss an die gesetzlich<br />
festgelegten viermonatigen <strong>Hufbeschlag</strong>lehrgänge durchgeführt wer<strong>den</strong><br />
(ASchw, Briefw. A-Z, Haug). Doch auch das änderte sich mit sinkender<br />
Teilnehmerzahl und Anton Haug musste im Januar 1961 bekannt geben:<br />
„Das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft<br />
und Forsten hat mit Anordnung vom 20.12.60 bestimmt, dass an <strong>den</strong><br />
bayerischen staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schulen ab 1.1.1961 bis auf<br />
weiteres zweimonatige <strong>Hufbeschlag</strong>lehrgänge abzuhalten sind“<br />
(ASchw, Briefw. A-Z). 83<br />
Franz Mehrle, Bundesbruder und Freund Hans Jöchles, fasste dessen<br />
Bemühungen um die Hufschmiede folgendermaßen zusammen:<br />
„In zahlreichen Veröffentlichungen hat er auf die Verbesserung des<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>s, der Huf- und Klauenpflege und der Weiterbildung der<br />
Hufschmiede hingearbeitet“ (Mehrle 1957, 442).<br />
4.1.2 Widakstollen<br />
Die sog. Widakstollen, an deren Entwicklung Hans Jöchle intensiv<br />
mitwirkte, waren eine herausragende Neuerung auf dem Gebiet des Gleit-<br />
82<br />
Die Hufschmiede sollten in dieser Zeit auch die Grundkenntnisse im autogenen und<br />
elektrischen Schweißen in Halbtags- und Abendkursen erlernen (Anonym 1953, 5).<br />
83<br />
In Ba<strong>den</strong>-Württemberg wur<strong>den</strong> immer noch viermonatige Lehrgänge abgehalten (ASchw,<br />
Briefw. A-Z).
146<br />
schutzes, die durch die gesamte Fachpresse ging. Viele einzelne spitze<br />
Widiakörner 84 waren in <strong>den</strong> Stollen eingeschweißt 85 und verliehen ihm<br />
damit eine hervorragende Haltbarkeit und Bo<strong>den</strong>griffigkeit. Später gab es<br />
auch Widakstollen mit einem Hartmetallstift in der Mitte (Bachofer 2005,<br />
mdl. Mitt.). Die raue Oberfläche gab selbst auf vereisten Straßen einen<br />
guten Halt. Widakstollen kosteten doppelt so viel wie herkömmliche<br />
Stollen, hielten aber vier bis sechs Mal so lange. Durch diese lange<br />
Verwendbarkeit rechneten sie sich trotz des höheren Anschaffungspreises<br />
und die Stollen hielten oft länger als die Hufeisen selbst. Die Widakstollen<br />
wur<strong>den</strong> bis 2004 noch bei der Firma Mack & Schneider in Stuttgart<br />
hergestellt (Schrempp 1949, 16; Bachofer 2005, mdl. Mitt.). Im Gebirge<br />
wer<strong>den</strong> sie immer noch verwendet (Neuper 2005, mdl. Mitt.).<br />
Wolfgang Jöchle erinnert sich aus der Zeit um 1956 an Gespräche mit<br />
seinem Vater Hans Jöchle über <strong>den</strong> Widakstollen. Von Vorteil war die<br />
Möglichkeit, <strong>den</strong> Stollen auf da<strong>für</strong> vorbereiteten Eisen rasch aufschrauben<br />
zu können, ohne deswegen die Eisen abnehmen zu müssen. Insbesondere<br />
<strong>für</strong> die Zugpferde der Münchner Brauereigespanne, aber auch <strong>für</strong> die<br />
Polizeipferde waren die Widakstollen ein schnell einsetzbarer Gleitschutz<br />
auf regennassen oder vereisten Straßen (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).<br />
„Ich hatte <strong>den</strong> <strong>Ein</strong>druck, dass die Firma an Hans Jöchle herangetreten<br />
war“, um die Vorteile des Stollens weiter auszubauen und die Nachteile zu<br />
minimieren (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.; Jöchle, J. 2005, mdl. Mitt.).<br />
Auch an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule Augsburg wur<strong>den</strong> die Widakstollen<br />
getestet und <strong>für</strong> gut befun<strong>den</strong>. Bisher wur<strong>den</strong> hauptsächlich Steckgriffe<br />
und herkömmliche Stollen verwendet. Durch das ungleichmäßige<br />
Ablaufen und der daraus folgen<strong>den</strong> unterschiedlichen Höhen dieser Stollen<br />
wur<strong>den</strong> die Hufe und damit die Gelenke ungleichmäßig belastet. Das<br />
führte mit der Zeit zu Huf-, Sehnen- und Gelenkerkrankungen. Diese<br />
Probleme gab es bei <strong>den</strong> neuen harten Widakstollen nicht. Durch <strong>den</strong><br />
geringen Verschleiß konnten die Widakstollen vier bis sechs Mal so lange<br />
wie herkömmliche Stollen verwendet wer<strong>den</strong> und die Pferde konnten drei<br />
bis vier Mal umbeschlagen wer<strong>den</strong>, ohne die Stollen auszutauschen. Die<br />
ursprünglichen Widak-Schraubstollen waren bald überholt, doch die<br />
Widak-Steckstollen mit ihrer „spitzdachartigen“ Form gewährten einen<br />
sicheren Gleitschutz. Auch die geringe Höhe der neuen Stollen kam der<br />
84 Widia (wie Diamant) ist ein Hartmetall, das härter ist als Stahl (Schrempp 1949, 16).<br />
85 Schmelzmasse mit Hartmetallkörnern (Bachofer 2005, mdl. Mitt.).
147<br />
Physiologie des Hufs entgegen (Wolfer 1949, 5-7). Rudolf Wolfer, Leiter<br />
der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule Augsburg, stellte fest:<br />
„Die bisherigen Gebrauchsstollen haben nur deswegen eine so<br />
unnatürliche Höhe erreicht, damit sie nicht so schnell bis auf das<br />
Hufeisen abgelaufen sind und normalerweise eine Beschlagsperiode<br />
aushalten, was aber noch lange nicht immer der Fall ist! [...] Die<br />
Pferde kommen dadurch endlich einmal von ihren viel zu hohen<br />
Stöckeln herunter, wodurch der Huf wieder in eine mehr natürliche<br />
Bo<strong>den</strong>nähe gebracht wird!“ (Wolfer 1949, 7).<br />
Mit dem Gabelmeißel ließen sich die Stollen recht einfach und ohne<br />
Abnehmen der Hufeisen wieder entfernen (Wolfer 1949, 7-8). Der<br />
Widakstollen wurde in drei Ausführungen gefertigt: als flacher Nietstollen<br />
und als Steckstollen in je vier Größen und als Schraubstollen mit 13 und<br />
15 mm in drei Größen (Anonym 1951a, 16).<br />
Abb. 32: Kombinierter Widak-Beschlag mit Widakkornstollen im Zehenteil<br />
und Widakstiftstollen in <strong>den</strong> Schenkelen<strong>den</strong>.
148<br />
Abb. 33: Widakkorn-Steckstollen. Abb. 34: Widakstift-Schraubstollen.
4.2 Das Institut <strong>für</strong> Hufkunde<br />
149<br />
Die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule München war 1914 zur Universitätsfakultät<br />
erhoben wor<strong>den</strong>, um die Tierärzte wissenschaftlich ausbil<strong>den</strong> zu können.<br />
Trotzdem wur<strong>den</strong> weiterhin Schmiede an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule ausgebildet,<br />
aus deren Handwerk der tierärztliche Berufsstand vor nicht allzu<br />
langer Zeit entstan<strong>den</strong> war. „Viele Tierärzte haben damals nicht verstan<strong>den</strong>,<br />
wie abträglich die Existenz dieser <strong>Hufbeschlag</strong>schule dem Ansehen<br />
der Fakultät im Allgemeinen und in der Universität war.“ Auch die Entstehung<br />
der Professur <strong>für</strong> Hufkunde war unglücklich: Schon vor dem<br />
Ersten Weltkrieg gab es an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule einen Fachlehrer<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, was schon damals nicht mehr zeitgemäß war. Von <strong>den</strong><br />
Tierärzten wurde nicht mehr verlangt, dass sie ein Hufeisen schmie<strong>den</strong><br />
konnten. Sie sollten nur die erforderlichen Operationen am Huf durchführen.<br />
Mit dem Anschluss an die Universität wurde aus dem Lehrauftrag<br />
eine Professur (Koch 1972, 44).<br />
Professor Erwin Moser 86 hatte aus dem kleinen Fachgebiet das Beste<br />
gemacht. Im ersten Stock befand sich eine sehr umfangreiche Sammlung<br />
von Hufpräparaten und verschie<strong>den</strong>en Beschlägen. Daneben wurde der<br />
Beschirrungskunde Rechnung getragen. Man konnte Geschirre und Spannzeuge<br />
<strong>für</strong> Pferd und Rind, Halfter, Gebisse und Sättel aller Variationen und<br />
aus verschie<strong>den</strong>en Ländern bewundern (Baier 1990, 39). Auch die Vorlesung<br />
über Hufkrankheiten war sehr gut und umfassend. Operationen am<br />
Huf durfte Moser aber weder durchführen noch demonstrieren. Da<strong>für</strong> war<br />
der Chirurg zuständig. So konnte dieses praktische Fach bis auf das<br />
Ausschnei<strong>den</strong> vom Schlachthof stammender Hufe nur theoretisch gelehrt<br />
wer<strong>den</strong> (Koch 1972, 45).<br />
Das Institut <strong>für</strong> Hufkunde wurde nach der Trennung von der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
mit einem Röntgenapparat, einem Projektions- und Kinoapparat,<br />
mikro- und makrophotographischen Apparaten und Mikroskopen<br />
ausgestattet. Außerdem waren ein eigener Hörsaal, ein Übungsraum, ein<br />
Mikroskopierzimmer mit Dunkelkammer, ein Betriebsbureau und ein Vorstandzimmer<br />
im Institutsgebäude untergebracht. Dem Institut stan<strong>den</strong> ein<br />
86 Prof. Dr. phil. Erwin Moser erhielt nach seiner Assistenzzeit an der Lehrschmiede und im<br />
Tieranatomischen Institut der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule München 1906 einen Lehrauftrag<br />
und wurde 1907 Vorstand der Lehrschmiede. Im darauf folgen<strong>den</strong> Jahr wurde er zum<br />
außeror<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> Hufkrankheiten und Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s ernannt.<br />
Dieses Amt übte er bis zu seinem Tod am 18. September 1937 aus (Baier 1990, 82;<br />
Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch 1990, 12, 320).
150<br />
„wissenschaftlich vorgebildeter Assistent“ (von 1921 bis 1927 Hans<br />
Jöchle) und ein Diener zur Verfügung (Moser 1926, 139-140). Walther<br />
Baier, Anfang der 20er Jahre Stu<strong>den</strong>t der Veterinärmedizin in München,<br />
beschrieb die Situation am Hufkundeinstitut später wie folgt:<br />
„Mosers Auftreten war von einem nicht allzu geringen Selbstbewußtsein<br />
getragen, das mitunter einen gestrengen Herrn vermuten<br />
ließ. Der äußerst menschliche Assistent Dr. Hans Jöchle, - wie schon<br />
vom Namen her zu erkennen, - ein biederer Schwabe, wußte jedoch<br />
einen begütigen<strong>den</strong> Ausgleich zu fin<strong>den</strong>“ (Baier 1990, 39).<br />
Abb. 35: Museum der <strong>Hufbeschlag</strong>schule bzw. des Instituts <strong>für</strong> Hufkunde<br />
um 1905. Die Sammlung wurde im Zweiten Weltkrieg völlig vernichtet.
151<br />
Abb. 36: <strong>Ein</strong> Teil der Sammlung des Instituts <strong>für</strong> Hufkunde, ca. 1925.<br />
Obwohl Sammlung und Hörsaal im Institut <strong>für</strong> Hufkunde im Zweiten<br />
Weltkrieg ausgebrannt waren, konnten das Gebäude mit seinem Hörsaal<br />
und verschie<strong>den</strong>en Nebenräumen und die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule bei<br />
der Wiedereröffnung <strong>für</strong> <strong>den</strong> Unterricht der Studieren<strong>den</strong> genutzt wer<strong>den</strong><br />
(Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch 1990, 19-20). „Das Aufgabengebiet des<br />
Instituts <strong>für</strong> Hufkunde ist im Jahre 1946 der chirurgischen Klinik zugeteilt<br />
wor<strong>den</strong>“ (Mehrle 1957, 442). Melchior Westhues übernahm einen Teil der<br />
Mitarbeiter der früheren <strong>Hufbeschlag</strong>schule, darunter drei Schmiede und<br />
eine Assistentenstelle (Fritsch 2005, schriftl. Mitt.).<br />
Schon in <strong>den</strong> 30er Jahren hatte Melchior Westhues intensive Forschungen<br />
über die Podotrochlitislahmheit des Pferdes und über <strong>den</strong> Hufkrebs<br />
betrieben (Westhues 1965, 66), die er auch veröffentlichte. 87 Die Hufkunde<br />
der Chirurgie war nach 1945 am Oberwiesenfeld in ehemaligen Wehrmachtsräumen<br />
untergebracht und umfasste auch eine Schmiede. Westhues<br />
beschäftigte sich eingehend mit Lahmheiten und sie machten einen großen<br />
87 Beispielsweise Westhues, Melchior (1937): Über das Wesen und die Behandlung des<br />
Hufkrebses. In: Berliner tierärztliche Wochenschrift 53 (28), 436-440.
152<br />
Teil seiner chirurgischen <strong>Ein</strong>griffe aus, insbesondere die Hufkrebsbehandlungen<br />
(Müller 2005, mdl. Mitt.) 88 . 1950 vergab Westhues sogar<br />
eine Dissertation über <strong>den</strong> Hufkrebs 89 . Überschneidungen mit <strong>den</strong> Interessen<br />
des Hufkundeinstituts waren dabei kaum zu vermei<strong>den</strong> und<br />
verstärkten die Spannungen zwischen Hans Jöchle und Melchior Westhues<br />
noch. So kam Westhues die Auflösung des Hufkundeinstituts sicherlich<br />
gelegen, um endlich <strong>den</strong> Konkurrenten loszuwer<strong>den</strong>.<br />
Der „Leitfa<strong>den</strong> der Huf- und Klauenkrankheiten“, Erstausgabe von Prof.<br />
Moser 90 , wurde 1950 als zweite verbesserte Auflage von Moser und<br />
Westhues herausgegeben 91 . Da Erwin Moser 1937 gestorben war, handelt<br />
es sich eigentlich um die Überarbeitung von Mosers Buch durch Westhues.<br />
Westhues brachte die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse ein, insbesondere<br />
auf dem Gebiet des Hufkrebses wur<strong>den</strong> einige Änderungen vorgenommen.<br />
Eugen Mennel hatte bis einschließlich WS 1950/51 die Vorlesungen und<br />
Übungen am Institut <strong>für</strong> Huf- und Klauenkunde gehalten, danach<br />
übernahm sie Westhues. Seit 1952 war das Institut im Vorlesungsverzeichnis<br />
wieder ausgewiesen und „führte noch bis 1968 92 ein Schattendasein“.<br />
Da die Beschirrungskunde immer mehr an Bedeutung verlor,<br />
während die Zehenerkrankungen der Klauentiere in <strong>den</strong> Vordergrund<br />
traten, erfolgte 1951 die Umbenennung des „Instituts <strong>für</strong> Huf- und<br />
Beschirrkunde“ in „Institut <strong>für</strong> Huf- und Klauenkunde“ (BayHStA MK<br />
69645). Unter Prof. Horst Schebitz wurde es dann endgültig aufgelöst<br />
(Boessneck 1972, 339).<br />
Unter Prof. Westhues erhielt die Chirurgische Klinik eine eigene Beschlagbrücke<br />
<strong>für</strong> dort behandelte Pferdepatienten (Dahme 2004, schriftl.<br />
Mitt.). 1984 errichtete die Fakultät eine neue Schmiede im Innenhof des<br />
Stammgeländes (Matis 1990, 154).<br />
88<br />
Kommilitone von Wolfgang Jöchle, der 1953 in München das Staatsexamen ablegte und<br />
dann zweieinhalb Jahre am Pathologischen Institut der Fakultät arbeitete.<br />
89<br />
Drexl, Hans (1950): Der <strong>Ein</strong>fluß der Sulfonamide auf die Heilung des Hufkrebses.<br />
München, Ludwig-Maximilians-Universität, <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät, Diss.<br />
90<br />
Moser, Erwin (1934): Leitfa<strong>den</strong> der Huf- und Klauenkrankheiten. Ferdinand Enke Verlag,<br />
Stuttgart.<br />
91<br />
Moser, Erwin, und Melchior Westhues (1950): Leitfa<strong>den</strong> <strong>für</strong> Huf- und Klauenkrankheiten,<br />
2. verbesserte Auflage. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart.<br />
92<br />
Das Todesjahr Jöchles.
4.3 Der Hengst Maximilian<br />
153<br />
In Bayern wurde das Süddeutsche Kaltblut 93 als bäuerliches Arbeitspferd<br />
gezüchtet. Diese Pferde waren beweglich, anspruchslos, hart und langlebig.<br />
Die Zucht war in <strong>den</strong> 20er Jahren recht ungeordnet und die Herkunft der<br />
meisten Pferde nicht genau bekannt. Es gab sogar Zuchthengste mit<br />
ungewisser Abstammung, da das Zuchtbuch noch nicht sehr lange bestand<br />
(Koch 1973, 155, 158).<br />
Dem Hufkrebs fielen jährlich tausende von Kaltblütern zum Opfer, was<br />
immense volkswirtschaftliche Schä<strong>den</strong> mit sich brachte (Henkels 1935,<br />
180). Hufkrebs an sich ist nicht vererbbar, „wohl aber naturgemäß die<br />
Prädisposition zu Hufkrebs, in Form schlechter Hornqualität [...], wozu<br />
unter Umstän<strong>den</strong> noch schlechte Stallpflege und schlechter Beschlag<br />
hinzukommen“ (Henkels 1935, 185). Auch Prof. Wilhelm Zorn von der<br />
Landesanstalt <strong>für</strong> Tierzucht in Grub bei München berichtete später von der<br />
Anfälligkeit der Kaltblutpferde gegenüber Hufkrebs und dass man „eine<br />
gewisse Vererbbarkeit“ beobachtet habe. Man könne zwar nicht die vielen<br />
Stuten, die an der Krankheit litten, von der Zucht ausschließen, doch ein an<br />
Hufkrebs erkrankter Hengst dürfe keinesfalls als Vatertier verwendet<br />
wer<strong>den</strong> (Zorn 1948, 247). Wolfgang Jöchle, der Sohn Hans Jöchles,<br />
erinnert sich an einen solchen Vorfall:<br />
„Um 1930 erkannte Hans Jöchle, dass der Hengst Maximilian, das<br />
Idealbild des Süddeutschen Kaltblutes, der deswegen <strong>für</strong> die damals<br />
astronomische Summe von 17.500 Reichsmark von der bayerischen<br />
Staatsregierung ersteigert wor<strong>den</strong> war und auf dem Staatsgestüt<br />
Achselschwang ausgelesene Stuten bediente, nicht nur vorzeitig aus<br />
dem Deckgeschäft wegen unheilbarem Hufkrebs ausschei<strong>den</strong><br />
musste, sondern die Disposition <strong>für</strong> Hufkrebs an die meisten seiner<br />
Nachkommen vererbt hatte. Auf Jöchles Betreiben, dem sich die<br />
Zuchtleitung lange widersetzte, musste jedoch, als der Skandal nicht<br />
mehr zu vertuschen war, die gesamte Blutlinie Maximilian aus dem<br />
Zuchtbetrieb verbannt wer<strong>den</strong>. So berühmt war einst dieser Hengst,<br />
dass der Präsi<strong>den</strong>t der Kunstakademie München, Professor Ernst<br />
Strützel, <strong>den</strong> Auftrag akzeptierte, <strong>den</strong> Hengst Maximilian zu<br />
portraitieren. Das Bild dieses prachtvollen Tieres, einem Fuchs mit<br />
93 Damals war <strong>für</strong> das Süddeutsche Kaltblut die Bezeichnung „Noriker“ gebräuchlich und<br />
innerhalb dieser Rasse wurde zwischen Pinzgauern und Oberländern differenziert. In Bayern<br />
war hauptsächlich der Oberländer vertreten.
154<br />
vier weißen Fesseln und weißem Hufhorn, ist heute noch in Familienbesitz“<br />
(Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt).<br />
„Hans Jöchle bekam <strong>für</strong> diese Aktion einen Verdienstor<strong>den</strong>, dessen<br />
weiß-blaues Or<strong>den</strong>sband auf seiner Uniform-Or<strong>den</strong>sschnalle herausstach<br />
und von Vorgesetzten regelmäßig angesprochen wurde, da sie<br />
<strong>den</strong> meisten unbekannt war. Die gerahmte Urkunde hing in der<br />
elterlichen Wohnung“ (Jöchle, W. 2005, schriftl. Mitt.).<br />
Abb. 37: Der Hengst Maximilian, portraitiert von Professor Ernst Strützel<br />
aus München, ca. 1925.<br />
Die Urkunde muss wohl im Zweiten Weltkrieg mit der Wohnungseinrichtung<br />
verloren gegangen sein. Auch in dem wenigen erhaltenen<br />
Archivmaterial zur Pferdezucht fehlt von Maximilian jede Spur und in <strong>den</strong>
155<br />
Standardwerken über die Oberländer in Bayern 94 bleibt Maximilian<br />
unerwähnt.<br />
Walter Koch je<strong>den</strong>falls, (seit 1956) Direktor des Instituts <strong>für</strong> Tierzucht und<br />
Erbpathologie der Freien Universität Berlin, interessierte sich sehr <strong>für</strong> die<br />
Erbpathologie des Hufkrebses im Bezug auf Maximilian 95 , doch Hans<br />
Jöchle sah bei dem Niedergang der Pferdezucht keinen Sinn mehr, diese<br />
Angelegenheiten schriftlich festzuhalten (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt). In<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Umschau würdigte Koch die Verdienste Jöchles um die<br />
Tierzucht:<br />
„<strong>Ein</strong>en besonders segensreichen <strong>Ein</strong>fluß auf die bayerische<br />
Pferdezucht hat Prof. Dr. Hans Jöchle 96 genommen, der schon seit<br />
1926 zunächst als Wanderlehrer und weiterhin als Fachberater <strong>für</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong> und Hufpflege tätig war und ist. Er hat klar erkannt,<br />
daß die wichtigsten Zucht- und Erbkrankheiten bei Kaltblutpfer<strong>den</strong><br />
Fehler des Hufes sind. In unermüdlicher und zäher Arbeit hat er die<br />
Erblichkeit verschie<strong>den</strong>er Huflei<strong>den</strong> erforscht und konsequent<br />
bekämpft. Diese Krankheiten, die früher, wie bei allen Kaltblütern,<br />
auch bei <strong>den</strong> Norikern häufig waren, sind heute selten gewor<strong>den</strong>“<br />
(Koch 1959, 40).<br />
Auch Franz Mehrle, Bundesbruder und enger Freund Hans Jöchles, geht in<br />
dessen Nekrolog auf die Pferdezucht ein:<br />
„Er hat als früher Zuchthygieniker auf die Erblichkeit von Hufmängeln<br />
hingewiesen und in der bayerischen Pferdezucht die Ausmerzung<br />
solcher Mängel mit Erfolg betrieben“ (Mehrle 1968, 234).<br />
94 Landesverband bayerischer Pferdezüchter (Hrsg. 1940): Männliche Blutlinien des Oberländers.<br />
Hengstbuch <strong>für</strong> <strong>den</strong> Bereich der Landesbauernschaft Bayern, Bayerische Ostmark,<br />
Württemberg, Ba<strong>den</strong>, Saarpfalz und Sudetenland. Reichsnährstand Verlags-GmbH, Zweigniederlassung<br />
Bayern, München. - Gentner, Franz (1957a): Die männlichen Blutlinien des<br />
bayerischen Kaltblutpferdes, Herausgegeben vom Landesverband bayerischer Pferdezüchter<br />
München. Obst- und Gartenbauverlag, München.<br />
95 Walter Koch war Assistent und später Professor an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München<br />
und wurde dort auf Hans Jöchle und seine Arbeit aufmerksam. Siehe auch Kap. 5.3.2 „Walter<br />
Koch“.<br />
96 Hervorhebung im Original.
4.4 Die <strong>Hufbeschlag</strong>sfrage<br />
156<br />
Nach der Aufforderung zu „freiwilligen“ Reserveübungen im Heeresveterinärwesen<br />
durch die vorgesetzte Zivildienststelle, die Regierung von<br />
Oberbayern, versuchte Hans Jöchle, die Zeit so gut wie möglich zu nutzen<br />
und meldete sich 1939 zur Heereslehrschmiede München. Die neueren<br />
Veröffentlichungen hatten Unterschiede zwischen dem Zivil- und Militärhufbeschlag<br />
aufgedeckt, deshalb wollte sich Hans Jöchle <strong>den</strong> Militärhufbeschlag<br />
genauer ansehen (StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle). Sein<br />
Sohn Wolfgang Jöchle berichtete später:<br />
„Mit dem Wiedererstehen der Wehrmacht brach ein lange schwelender<br />
Konflikt auf. Der Generalinspekteur des Veterinärwesens,<br />
Schulze, führte eine verbindliche neuere Art des <strong>Hufbeschlag</strong>s ein,<br />
die er wohl selbst entwickelt hatte, bzw. an deren Entwicklung er<br />
beteiligt war. Diese wurde an <strong>den</strong> Militärhufbeschlagschulen <strong>den</strong><br />
Fahnenschmie<strong>den</strong>, das heißt <strong>den</strong> Militär-<strong>Hufbeschlag</strong>meistern gelehrt<br />
und bei allen <strong>Ein</strong>heiten praktiziert. Dieser Beschlag basierte<br />
auf Vorstellungen über Bewegungsaktionen beim Pferd, die <strong>den</strong>en<br />
diametral gegenüberstan<strong>den</strong>, die an <strong>den</strong> zivilen <strong>Hufbeschlag</strong>schulen<br />
und die <strong>den</strong> Veterinärstu<strong>den</strong>ten gelehrt wur<strong>den</strong> und zu einer ganz<br />
anderen Beschlagsform geführt hatten. Junge staatlich geprüfte<br />
Hufschmiedemeister mussten beim Militär umlernen. Jöchle war<br />
über diese Entwicklung entsetzt, da sie seiner Auffassung nach die<br />
Leistungsfähigkeit bespannter bzw. berittener <strong>Ein</strong>heiten gefährdete“<br />
(Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
In <strong>den</strong> Fachzeitschriften gab es einige Veröffentlichungen, die die unterschiedlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>stheorien jeweils als die einzig richtige hervorhoben<br />
und die anderen als absolut unhaltbar darstellten. Rudolf Wolfer,<br />
Leiter der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule Augsburg, berichtete später in<br />
der „<strong>Tierärztliche</strong>n Umschau“ über die Theorien der Hufzubereitung:<br />
„<strong>Ein</strong>e Reihe von Theorien, die sich vielfach widersprechen, wur<strong>den</strong><br />
im Laufe der Zeit aufgestellt und manchmal geradezu mit starrer<br />
Unerbittlichkeit verfochten“ (Wolfer 1948, 272).<br />
1936 hatte der Veterinärinspekteur an <strong>den</strong> Heereslehrschmie<strong>den</strong> Berlin I,<br />
Hannover und München Versuche veranlasst um zu überprüfen, ob im Anhang<br />
I zur Heeresveterinärvorschrift die „plane Fußung“ weiterhin die<br />
Grundlage <strong>für</strong> die Hufzubereitung bil<strong>den</strong> sollte (Richter 1936, 291). Nach
157<br />
dem Anhang I zur Heeresveterinärvorschrift von 1931 sollten die Hufe<br />
noch unter Berücksichtigung „des Verlaufes der Zehenachse und der<br />
Fußung“ gekürzt wer<strong>den</strong>. Die Hufe passten zum Fesselstand, wenn die<br />
Zehenachse, eine durch die Mitte des Fessel-, Kron- und Hufbeins gelegte<br />
Hilfslinie, gerade verlief und von hinten „die verlängerte Kötenzopflinie in<br />
die Mitte der Ballengrube fällt“. Plane Fußung bedeutet in diesem Fall<br />
gleichmäßige Fußung. Dabei sollte das Pferd beim Auftreten <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong><br />
mit allen Teilen des Huftragerands bzw. des Hufeisens gleichmäßig und<br />
gleichzeitig berühren (Anhang I HVV 1931, 21-22, 27, 29-30).<br />
Abb. 38: Die verlängerte<br />
Kötenzopflinie fällt in die<br />
Mitte der Ballengrube.<br />
Aufgrund dieser Versuche wurde die Hufzubereitung nach der Fesselstandstheorie<br />
als Richtlinie <strong>für</strong> <strong>den</strong> Heereshufbeschlag übernommen und<br />
die Hufzubereitung nach der Fußungstheorie grundsätzlich abgelehnt<br />
(Richter 1936, 301). Die Metho<strong>den</strong> des Militärhufbeschlags wur<strong>den</strong> im<br />
„Anhang I zur Heeresveterinärvorschrift, Grundsätze <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>“<br />
(1937) und im „Handbuch des <strong>Hufbeschlag</strong>es“ von Theodor Bauer (1938)<br />
<strong>für</strong> die Schüler der Heereslehrschmie<strong>den</strong> festgehalten 97 . Im Anhang I zur<br />
Heeresveterinärvorschrift von 1937 wurde die Fesselstandstheorie erläutert:<br />
97 Oberfeldveterinär Theodor Bauer war Chefveterinär der Heereslehrschmiede Berlin I und<br />
Lehrbeauftragter an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Berlin.
158<br />
„Die Hufe passen zum Fesselstand, wenn, von der Seite gesehen, die<br />
verlängerte Fessellinie (eine durch die Mitte des Fessels gedachte<br />
gerade Linie) mit der Zehenlinie des Hufes in gleicher Richtung<br />
verläuft, wenn, von vorn gesehen, die verlängerte Halbierungslinie<br />
des Fessels die Mitte der Hufzehe trifft und, wenn, von hinten<br />
gesehen, die verlängerte Halbierungslinie des Mittelfußes in die<br />
Mitte der Ballengrube fällt [siehe Abb. 39]“ (Anhang I HVV 1937,<br />
21-22).<br />
„<strong>Ein</strong>e Berücksichtigung der Fußung kommt <strong>für</strong> <strong>den</strong> Neubeschlag<br />
nur dann in Frage, wenn Fußung und Passen des Hufes zum<br />
Fesselstand sich in Übereinstimmung bringen lassen“ (Anhang I<br />
HVV 1937, 27).<br />
a b c<br />
Abb. 39:<br />
a) Fessellinie und Zehenlinie verlaufen in der gleichen Richtung.<br />
b) Die verlängerte Halbierungslinie der Fessel trifft auf die Mitte der Hufzehe.<br />
c) Die verlängerte Halbierungslinie des Mittelfußes fällt in die Mitte der<br />
Ballengrube.<br />
Die zivilen Lehrschmie<strong>den</strong> in Dres<strong>den</strong>, München (also Jöchle) und Wien<br />
bevorzugten die Zehenachsentheorie (Vollbach 1954, 27): „Die Zehenachse<br />
(eine durch die Mitte des Fessel-, Kron- und Hufbeins gelegte
159<br />
gedachte Linie) muß von der Seite und von vorn gesehen g e r a d e 98<br />
(= gestreckt) verlaufen“. Die Fesselstandstheorie stimmt damit vom<br />
Grundgedanken her mit der Zehenachsentheorie überein. 99 Beide gehen<br />
davon aus, dass die Zehenknochen, mit Ausnahme der bärenfüßigen<br />
Stellung, gestreckt verlaufen sollen, um eine gleichmäßige Belastung zu<br />
gewährleisten. Der Unterschied der Theorien liegt in der Methodik. In der<br />
Fesselstandstheorie wird jedoch der Ausdruck „Zehenachse“ 100 bewusst<br />
vermie<strong>den</strong> (Wolfer 1948, 272-273, 277).<br />
Die Zehenachsentheorie richtet <strong>den</strong> Huf nach der Zehenachse und je nach<br />
Autor auch nach der Lage des Kronrands aus. Dabei wird berücksichtigt,<br />
dass das Fesselgelenk ein Scharniergelenk ist und seitliche Abweichungen<br />
kaum zulässt. Deshalb ist die Fesselachse die Richtschnur, nach der die<br />
Hufachse ausgerichtet wer<strong>den</strong> muss, auch wenn die Zehenachse dann bei<br />
Fehlstellungen, von vorne gesehen schräg zum Bo<strong>den</strong> verläuft. Diese<br />
Theorie lässt sich bei etwa 75 % der Pferde anwen<strong>den</strong>, bei extremen Fehlstellungen<br />
sind die Kriterien aber nicht zu erfüllen und die Hufzubereitung<br />
erfolgt nach empirischen Gesichtspunkten (Wolfer 1948, 272, 275, 277).<br />
Abb. 40: A) spitzer, B) regelmäßiger und C) stumpfer Huf mit gerader<br />
Zehenachse. 101<br />
98 Hervorhebung im Original.<br />
99 Vgl. Vollbach 1954, 15.<br />
100 Während im Anhang I zur Heeresveterinärvorschrift von 1931 noch der Begriff „Zehenachse“<br />
gebraucht wird, um die Hufzubereitung zu erläutern, wird er im Anhang I zur Heeresveterinärvorschrift<br />
von 1937 streng vermie<strong>den</strong>.<br />
101 Abbildung aus: Jöchle, Hans, und Fritz Stockklausner (1937): Huf- und Klauenpflege.<br />
Arbeiten des Reichsnährstandes. Band 28. Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin, 49.
160<br />
Abb. 41:<br />
a) Huf falsch zubereitet, der Kronrand liegt nicht waagrecht und die<br />
Zehenachse ist gebrochen.<br />
b) Huf passend zubereitet. 102<br />
Nach der Fesselstandstheorie gilt als einzige Richtlinie <strong>für</strong> die Hufzubereitung,<br />
<strong>den</strong> Huf von der Seite, von vorne und von hinten zum Fesselstand<br />
passend zu machen. Dabei wird die Halbierungslinie des Mittelfußes als<br />
Beurteilungskriterium herangezogen, was nach Wolfer der Fehler an dieser<br />
Theorie ist. Bei korrekt gestellten Pfer<strong>den</strong> geht die Medianebene des<br />
Mittelfußes zwar direkt in die Medianebene der Zehenknochen über, bei<br />
der zehenengen, der zehenweiten und anderen Fehlstellungen sagt die<br />
Mittelfußlinie jedoch nichts über das Passen des Hufes zum Fesselstand<br />
aus. 103 Die Vertreter der Fesselstandstheorie 104 bezeichneten diese Fehlstellungen<br />
eher als Ausnahmefälle, während die Anhänger der Zehenachsentheorie<br />
die Ansicht vertraten, dass die meisten Fehlstellungen zu<br />
diesen „Ausnahmen“ gehörten und unter diesen Umstän<strong>den</strong> die Fessel-<br />
102<br />
Abbildung aus Jöchle, Hans, und Fritz Stockklausner (1937): Huf- und Klauenpflege.<br />
Arbeiten des Reichsnährstandes. Band 28. Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin, 36.<br />
103<br />
Vgl. Ruthe, Müller, Reinhard 1997, 53-54.<br />
104<br />
Wie z. B. Walter Richter.
161<br />
standstheorie nicht haltbar sei (Wolfer 1948, 277). So geht der Anhang I<br />
der Heeresveterinärvorschrift von 1937 auch nicht weiter auf die<br />
Zubereitung der bo<strong>den</strong>engen und bo<strong>den</strong>weiten Hufe ein 105 (Anhang I HVV<br />
1937, 25).<br />
Nachdem sich im <strong>Hufbeschlag</strong> so grundlegende Dinge geändert hatten,<br />
beauftragte der Veterinärinspekteur im Oberkommando des Heeres,<br />
Professor Curt Schulze, <strong>den</strong> Oberstveterinär Professor Theodor Bauer,<br />
Chefveterinär der Heereslehrschmiede Berlin I und Lehrbeauftragter an der<br />
Universität Berlin, mit der Erstellung eines Lehrbuchs <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>schmiede<br />
nach <strong>den</strong> Anforderungen des Anhangs I zur Heeresveterinärvorschrift<br />
von 1937. Es sollte die Unterrichtsgrundlage <strong>für</strong> das <strong>Hufbeschlag</strong>personal<br />
der Wehrmacht schaffen. Bauer übernahm weitgehend die<br />
Gliederung der Veterinärvorschrift, baute <strong>den</strong> Text aus und fügte weitere<br />
Abbildungen hinzu. Auch die Chefveterinäre der anderen Heereslehrschmie<strong>den</strong>,<br />
Friedrich Zschocke aus Hannover, Walter Richter aus<br />
München und Emil Meller aus Berlin (II) beteiligten sich an dem<br />
Lehrbuch. Der Inhalt wurde vom Veterinärinspekteur überprüft und nach<br />
dessen Ansichten ergänzt (Bauer 1944, V, Vorwort zur ersten Auflage von<br />
1938). Der gesamte Heereshufbeschlag richtete sich nach dem Buch von<br />
Professor Bauer. Jöchle fand es nicht gut, musste sich aber daran halten<br />
(Langwieser 2005, mdl. Mitt.).<br />
Der Veterinärinspekteur versuchte mit aller Kraft, die Vereinheitlichung<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>s und die von ihm favorisierte Theorie durchzusetzen. Im<br />
Beiheft 1 zum Anhang I der Heeresveterinärvorschrift von 1938, die von<br />
Schulze unterzeichnet wurde (Beiheft 1 1938, 2), ordnete er an, „der<br />
Gebrauch anderer Ausdrücke im Unterricht, als der in diesem Beurteilungsgang<br />
angegebenen, ist verboten“ (Beiheft 1 1938, 4).<br />
1939 entwarf Schulze sogar eine neue Kriegsveterinärvorschrift 106 , in der<br />
er bestimmte,<br />
„Beschlagarten, die unerprobte Neuerungen oder willkürliche<br />
Abänderungen der in <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Nummern festgelegten Richtlinien<br />
darstellen, sind verboten“ (Kriegsveterinärvorschrift 1939, 6).<br />
105 Er gibt nur <strong>den</strong> wenig hilfreichen Hinweis, der bo<strong>den</strong>enge Huf „nähert sich in seiner<br />
inneren Hälfte dem weiten, in seiner äußeren Hälfte dem engen Huf“ und umgekehrt (Anhang<br />
I HVV 1937, 25).<br />
106 Kriegsveterinärvorschrift (1939), Entwurf. H. Dv. 56/6, Teil 6, Grundsätze <strong>für</strong> <strong>den</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong>. Gedruckt in der Reichsdruckerei, Berlin.
162<br />
Die Vereinheitlichung des <strong>Hufbeschlag</strong>s war ihm also äußerst wichtig, und<br />
so kam es während der Übung an der Heereslehrschmiede München (1939)<br />
zu folgendem Vorfall:<br />
„Jöchle demonstrierte [dem Chefveterinär der Heereslehrschmiede<br />
München] Walter Richter anhand von Beispielen auf der Beschlagsbühne<br />
vor versammelter Mannschaft, warum der Beschlag à la<br />
Schulze unakzeptabel, ja schädlich sei. Das war ein Skandal, der<br />
sofort nach Berlin gemeldet wurde. Jöchle wurde innerhalb von 24<br />
Stun<strong>den</strong> zum benachbarten Infanterieregiment Liszt Nr. 19 abkommandiert,<br />
wo er <strong>den</strong> Rest seiner Dienstzeit von dreieinhalb Wochen<br />
zumeist mit Reiten im Englischen Garten verbrachte.<br />
Generalinspekteur Schulze hat das Jöchle nie vergessen. Als die<br />
Fakultät bei Kriegsbeginn, ebenso wie die Fakultäten in Leipzig und<br />
Gießen, geschlossen wurde, kamen in München Gerüchte in<br />
Umlauf, wonach sich Schulze damit <strong>für</strong> die Berufung von Jöchle,<br />
entgegen <strong>den</strong> von Schulze gemachten Berufungsvorschlägen, gerächt<br />
hat“ (Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
Die Archivalien des Universitätsarchivs München, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs<br />
und der Bundesarchive in Berlin geben keine Hinweise auf<br />
einen solchen Zusammenhang. Die genauen Umstände wer<strong>den</strong> im Kapitel<br />
5.2.6 erörtert.<br />
Rudolf Wolfer befasste sich nach dem Krieg wieder mit <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>stheorien:<br />
„Ich habe während des Krieges die Möglichkeit gehabt, an einer<br />
Heeres-Lehrschmiede die Anwendung der Fesselstandstheorie in<br />
praxi zu verfolgen. Die Häufigkeit der Falschkürzungen, die sich<br />
zwangsnotwendig aus dem Gebrauch der Mittelfußlinie ergaben, hat<br />
mich auch empirisch von der Gefährlichkeit dieser Theorie<br />
überzeugt [...]. B a u e r 107 selbst gab mir gegenüber 1943 zu, daß<br />
die Mittelfußlinie wieder verschwin<strong>den</strong> muß“ (Wolfer 1948, 277).<br />
Während des Krieges wurde diese Schwachstelle der Fesselstandstheorie<br />
an der Heereslehrschmiede Hannover erkannt und versucht, eine neue<br />
Theorie zu entwickeln, die Theorie vom Trachtenlängenverhältnis.<br />
107 Hervorhebung im Original.
163<br />
Doch auch diese <strong>Hufbeschlag</strong>stheorie war auf Dauer nicht haltbar (Wolfer<br />
1948, 277-278).<br />
Dr. Thomas Kratz, selbst Tierarzt und Hufschmied, hält die Angelegenheit<br />
eher <strong>für</strong> <strong>den</strong> allgemein verbreiteten Streit um die <strong>Hufbeschlag</strong>stheorien<br />
zwischen Nord und Süd. Dabei ging es um unterschiedliche Metho<strong>den</strong> des<br />
Ausschnei<strong>den</strong>s, die Fußungstheorie und <strong>den</strong> Fesselstand. Grundlegend<br />
waren aber vor allem persönliche Streitigkeiten, die Unterschiede im<br />
<strong>Hufbeschlag</strong> waren eher unbedeutend. Heute wird versucht, einen<br />
Kompromiss zwischen bei<strong>den</strong> Theorien zu fin<strong>den</strong> (Kratz 2005, mdl. Mitt.).<br />
Letztendlich ist es keinem der Autoren gelungen, allgemein gültige Richtlinien<br />
<strong>für</strong> die Hufzubereitung zu erstellen. Jede hat ihre Schwächen (Vollbach<br />
1954, 27). Es gibt bis heute keine Theorie, die <strong>für</strong> alle Fälle<br />
anwendbar ist. Stanek in Wien (2006, 1015-1016) beispielsweise legt bei<br />
der Hufzubereitung Wert auf eine ungebrochene Zehenachse und strebt an,<br />
„dass der Huf zum Fesselstand passt“. Generell empfiehlt er eine möglichst<br />
„korrekte Gliedmaßen- und Zehenstellung bei planer Fußung“. Die<br />
Trennungen der Begriffe sind in der neueren Literatur nicht mehr so streng.<br />
„Gerade Zehenachse“ und „zum Fesselstand passend“ wer<strong>den</strong> eher<br />
synonym verwendet.<br />
Die Auffassung Staneks stimmt mit der Jöchles, die in seinem Lehrbuch<br />
von 1937 abgedruckt ist, weitestgehend überein 108 :<br />
„Nach Beendigung der Hufzubereitung sollen die Hufe wieder<br />
passend, also frei von Fehlern sein. Dies ist im allgemeinen erreicht,<br />
wenn die Fußung jetzt eine möglichst gleichmäßige ist, die<br />
Zehenachse von der Seite und auch von vorne gerade ist und die<br />
Krone waagerecht liegt“ (Jöchle 1937, 36-37).<br />
Auch nach Vollbach (1954, 24) sind die Grundzüge der Zehenachsentheorie<br />
„heute“ (1954) noch anzuerkennen und „entsprechen im wesentlichen<br />
der Fesselstandstheorie“.<br />
Wilhelm Zieger 109 (1973, 271-272) stellte fest, der Heereshufbeschlag habe<br />
sich bewährt. Es seien keine Fälle bekannt, in <strong>den</strong>en die Truppe durch<br />
schlecht beschlagene oder lahmende Pferde marschunfähig wurde. Auch<br />
108 Jöchle, Hans, und Fritz Stockklausner (1937): Huf- und Klauenpflege. Arbeiten des<br />
Reichsnährstandes. Band 28. Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin.<br />
109 Wilhelm Zieger war Stabsveterinär an der Heereslehrschmiede Berlin I.
164<br />
seien in der „Zeitschrift <strong>für</strong> Veterinärkunde“, in der die Probleme des<br />
Veterinärdienstes besprochen wur<strong>den</strong>, in <strong>den</strong> ganzen Kriegsjahrgängen nur<br />
zwei Artikel über <strong>Hufbeschlag</strong> erschienen. Das zeuge von einem zufrie<strong>den</strong>stellen<strong>den</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong> (Zieger 1973, 271-272).<br />
Auch nach dem Krieg waren die Heereshufeisen bei <strong>den</strong> Schmie<strong>den</strong> noch<br />
angesehen und deren „Güte und Zweckmäßigkeit“ geschätzt (Wolfer 1949,<br />
7). Noch Ende der 50er Jahre kaufte die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München unter Prof. Jöchle sowie unter Dr. Haug das Militärhufeisen 32 110<br />
an (ASchw 1957).<br />
Abb. 42: Heereshufeisen 32 mit vier<br />
Schraubstollenlöchern, Bo<strong>den</strong>fläche.<br />
Abb. 43: Heereshufeisen 32,<br />
Tragefläche.<br />
Trotz aller Differenzen zwischen Jöchle und Schulze wur<strong>den</strong> im Runderlass<br />
des Reichsministers des Innern vom 4.4.1941 zum <strong>Hufbeschlag</strong>sgesetz<br />
<strong>für</strong> die Ausbildung der <strong>Hufbeschlag</strong>slehrmeister, die <strong>für</strong> die Ausbildung<br />
des Hufschmie<strong>den</strong>achwuchses zuständig waren, die Lehrschmie<strong>den</strong><br />
der Veterinärmedizinischen Fakultät Berlin und die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München bestimmt (Anonym 1941, 69).<br />
110 Das Heereshufeisen 32 wurde am 1. Januar 1934 bei der Wehrmacht eingeführt.
165<br />
Weder Jöchle noch Schulze haben zu diesem Vorfall an der Heereslehrschmiede<br />
München etwas veröffentlicht. Außer <strong>den</strong> Heeresveterinärvorschriften<br />
hat Schulze selbst fast nichts veröffentlicht 111 (Herter 1951,<br />
385) und von Jöchle selbst gibt es keine Darstellung zu diesem Vorfall.<br />
Welche Zeitschrift hätte es 1939 noch gewagt, einen Artikel zu veröffentlichen,<br />
in dem der gesamte Heereshufbeschlag in Frage gestellt wurde? Es<br />
war allseits bekannt, dass Schulze sich persönlich mit der <strong>Hufbeschlag</strong>sfrage<br />
befasst hatte 112 .<br />
Im November 1943 fiel das Gebäude der Veterinärinspektion in Berlin<br />
dem Feuer zum Opfer. Dabei verbrannte fast das gesamte Aktenmaterial.<br />
Beim <strong>Ein</strong>treffen der amerikanischen Truppen im Quartier in Bad<br />
Reichenhall, wohin die Veterinärinspektion kurz vor Kriegsende verlegt<br />
wurde, waren die letzten Unterlagen der Veterinärinspektion vernichtet<br />
wor<strong>den</strong>, darunter das Kriegstagebuch (Zieger 1973, 44-45). So gibt es auch<br />
von dieser Seite keine Akten mehr über die Auseinandersetzung.<br />
111<br />
Er gab jedoch zahlreiche Forschungsaufträge an die Heereslehrschmie<strong>den</strong>, deren Ergebnisse<br />
dann auch veröffentlicht wur<strong>den</strong>.<br />
112<br />
Siehe Kap. 4.5.
166<br />
4.5 Veterinärinspekteur Curt Schulze<br />
Der Veterinärinspekteur Curt Schulze übte einen weitreichen<strong>den</strong> <strong>Ein</strong>fluss<br />
auf das <strong>Leben</strong> Jöchles aus. Ob die Besetzung des Hufkundelehrstuhls mit<br />
Jöchle wirklich entgegen <strong>den</strong> Willen des Veterinärinspekteurs durchgesetzt<br />
wurde, ist heute im Detail nicht mehr rekonstruierbar. 113 Tatsache bleibt<br />
jedoch, dass Jöchle aufgrund dieser Gerüchte von Seiten der anderen<br />
Fakultätsmitglieder <strong>für</strong> die Schließung der Fakultät verantwortlich gemacht<br />
wurde und damit ins gesellschaftliche Abseits gedrängt wurde. Auch die<br />
Strafversetzung Jöchles aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen über<br />
die <strong>Hufbeschlag</strong>smetho<strong>den</strong> im März 1939 wurde durch Schulze veranlasst<br />
und trug dazu bei, diese Gerüchte zu schüren. Die Person Curt Schulze soll<br />
hier kurz skizziert wer<strong>den</strong>, um seine Macht und <strong>Ein</strong>flussmöglichkeiten und<br />
damit auch die schwierige Situation Hans Jöchles als dessen Gegner<br />
darzulegen.<br />
Curt Schulze (geboren am 19. November 1881 in Wittenberg) durchlief<br />
eine steile Militärkarriere mit zahlreichen Beförderungen. Nachdem er<br />
(1900) seine einjährige Militärausbildung absolviert hatte, wurde Schulze<br />
schon vor dem Studium <strong>für</strong> ein Jahr an die Heereslehrschmiede Berlin<br />
kommandiert. Im Oktober 1901 begann er das Studium an der Militärveterinärakademie<br />
Berlin (BArch R 4901/13276, Fi. 184; Zieger 1981,<br />
449). Seine Dissertation beschrieb die „Untersuchungen über das Wachstum<br />
des Hufhorns der Pferde unter Berücksichtigung des <strong>Ein</strong>flusses<br />
äußerer und innerer Reize“ 114 . Im Oktober 1910 kam er als Assistent<br />
wieder an die Heereslehrschmiede Berlin (Herter 1939, 433), an der er bis<br />
zum Beginn seines <strong>Ein</strong>satzes im Ersten Weltkrieg blieb (BArch R<br />
4901/13276, Fi. 184). 1919 wurde Schulze Referent der Veterinärinspektion<br />
im Reichswehrministerium und 1927 schließlich Chef des<br />
Stabes der Veterinärinspektion (Mießner 1939, 621). Als nach dem Ersten<br />
Weltkrieg das Militär auf ein „100.000-Mann-Heer“ abgebaut wurde,<br />
gelang es ihm, trotz erheblicher Widerstände, die Erhaltung des Heeresveterinäruntersuchungsamtes<br />
in Berlin und der Heereslehrschmie<strong>den</strong> in<br />
Berlin, Hannover und München durchzusetzen (Zieger 1981, 450).<br />
Am 1. Juni 1934 wurde Schulze zum Veterinärinspekteur ernannt. Er war<br />
seit diesem Jahr Vorsitzender des wissenschaftlichen Senats <strong>für</strong> das<br />
113 Siehe auch Kap. 5.2.6.<br />
114 Schulze, Curt (1911): Untersuchungen über das Wachstum des Hufhorns der Pferde unter<br />
Berücksichtigung des <strong>Ein</strong>flusses äußerer und innerer Reize. Berlin, Königlich-<strong>Tierärztliche</strong><br />
Hochschule, Diss.
167<br />
Heeresveterinärwesen (Zieger 1981, 449-450), dem er schon seit 1928<br />
angehörte. Die Landwirtschaftlich-<strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der Universität<br />
Berlin ernannte ihn am 3. Juni 1936 zum Honorarprofessor (Mießner 1939,<br />
621). Mit der Beförderung zum Generaloberstabsveterinär 1938 erlangte er<br />
<strong>den</strong> höchsten Dienstgrad, <strong>den</strong> jemals ein Veterinäroffizier erlangt hatte. Er<br />
war maßgeblich am Aufbau des Veterinärdienstes der Wehrmacht beteiligt<br />
(Zieger 1981, 449-450), indem er das Veterinärgerät weiterentwickelte und<br />
das Pferdelazarettwesen ausbaute (Herter 1951, 384). Schon während des<br />
Ersten Weltkriegs hatte sich Schulze mit dem Veterinärgerät befasst und<br />
einige Neuerungen hervorgebracht, die später von der Wehrmacht übernommen<br />
wur<strong>den</strong>, darunter ein Veterinärkoffer und -verbandsmittelkasten<br />
und ein Veterinärarzneikasten (Zieger 1981, 450).<br />
Abb. 44: Generaloberstabsveterinär Professor Dr. Curt Schulze, um 1939.<br />
Trotz seiner Verwaltungstätigkeiten versuchte Schulze, immer in der<br />
Praxis zu bleiben, insbesondere was Chirurgie und <strong>Hufbeschlag</strong> betraf. So<br />
behandelte er vor allem auf <strong>den</strong> Rennbahnen, wo er ohnehin viel Zeit
168<br />
verbrachte, die Pferde (Herter 1951, 383). Er befasste sich früh mit <strong>den</strong><br />
Problemen des Heereshufbeschlags und beteiligte sich maßgeblich an der<br />
Entwicklung des Heereshufeisens 32 (Herter 1939, 435). Außerdem<br />
ordnete er Forschungsaufträge an <strong>den</strong> Heereslehrschmie<strong>den</strong> an und<br />
überarbeitete die <strong>Hufbeschlag</strong>svorschriften <strong>für</strong> das Militär. Zweimal im<br />
Jahr beteiligte er sich an <strong>den</strong> Prüfungen der Heereslehrschmie<strong>den</strong><br />
(Rathsmann 1936, 124). Das veranlasste Rudolf Herter über Schulze zu<br />
berichten:<br />
„Schulze 115 galt als unbestrittene Autorität auf dem Gebiete des<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>s. Sein großes Ziel, eine Vereinheitlichung des <strong>Hufbeschlag</strong>s<br />
im ganzen Deutschland herbeizuführen und alle <strong>Hufbeschlag</strong>mittel<br />
zu normen, hat er allerdings infolge der auseinanderstreben<strong>den</strong><br />
Interessen der beteiligten Kreise nicht erreichen können“<br />
(Herter 1951, 384).<br />
Selbst Schüler der nach dem Ersten Weltkrieg aufgelösten Militärveterinärakademie<br />
Berlin, setzte sich Schulze <strong>für</strong> die Errichtung einer neuen<br />
Heeresveterinärakademie ein, die dann 1935 in Hannover eröffnet<br />
wurde. 116 Der Offiziersnachwuchs war in einer Kaserne in der Möckernstraße<br />
untergebracht und wurde täglich mit Bussen zum Studium an die<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Hochschule Hannover gefahren. In der Veterinärakademie<br />
selbst fan<strong>den</strong> nur Sport und militärischer Unterricht statt (König 1936,<br />
119-120). Ab 1936 wur<strong>den</strong> auch Reserveveterinäroffiziere in der sog.<br />
Lehrgruppe II ausgebildet, während die Lehrgruppe I <strong>den</strong> aktiven Veterinäroffiziersanwärtern<br />
vorbehalten blieb. Der Kommandeur der Heeresveterinärakademie<br />
war ein Veterinäroffizier in Generalsstellung, der die<br />
Akademie nach <strong>den</strong> Weisungen des Veterinärinspekteurs führte (König<br />
1939, 622-623).<br />
Der Veterinärinspekteur war Vorgesetzter der Veterinärtruppen des Ersatzheeres<br />
„in disziplinarer und fachlicher Hinsicht“. Er hatte die Aufsicht über<br />
das Heeresveterinäruntersuchungsamt, die Heereslehrschmie<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Heereshauptveterinärpark,<br />
die Lehr- und Versuchsveterinärkompanie und das<br />
Lehr- und Versuchspferdelazarett. Auch die fachliche Ausbildung des<br />
Veterinär- und <strong>Hufbeschlag</strong>personals sowie der Ersatz des Veterinärgeräts<br />
115 Hervorhebung im Original.<br />
116 Nach einer Bestimmung, die von der Reichswehr der Weimarer Republik übernommen<br />
wurde, durften die Berufsangehörigen der Wehrmacht (Unteroffiziere, Offiziere und Beamte)<br />
nicht der NSDAP angehören (Lessing 1998, 130). Das Militär galt als „politisch unabhängig<br />
und sauber“ und die Offizierslaufbahn war sehr begehrt (Maier 1966, 94).
169<br />
fielen in seinen Aufgabenbereich (Zieger 1973, 36). Zu Kriegsbeginn kam<br />
Schulze nach dem Mobilmachungsplan zum Oberkommando der Wehrmacht<br />
und leitete <strong>den</strong> Kriegsveterinärdienst in Feld- und Ersatzheer (Zieger<br />
1981, 450). In seiner Hand liefen alle Fä<strong>den</strong> zusammen. Wenn es im<br />
tierärztlichen Bereich Probleme gab, wurde Schulze um Rat gefragt und<br />
aufgrund seiner weit reichen<strong>den</strong> Beziehungen konnte er oft mit Material<br />
oder Arbeitskräften aushelfen (Herter 1951, 385).<br />
Abb. 45: Die Heeresveterinärakademie in Hannover in der Möckernstraße,<br />
um 1935.<br />
Aus seiner „preußisch-konservativen Haltung“ heraus lehnte Schulze <strong>den</strong><br />
Nationalsozialismus ab, was auch bekannt war (Zieger 1981, 451). Trotzdem<br />
blieb er bis Kriegsende in seiner Position als Veterinärinspekteur und
170<br />
wohl einzigem Veterinäroffizier, der <strong>den</strong> Dienstgrad eines kommandieren<strong>den</strong><br />
Generals erreichte (Zieger 1973, 237). 117<br />
Rudolf Lessing, ehemaliger Wehrmachtsangehöriger und Stu<strong>den</strong>t an der<br />
Heeresveterinärakademie berichtet:<br />
„Beim <strong>Ein</strong>tritt in die Heereslehrschmiede Anfang September 1939<br />
ist mir ein Ereignis in besonderer Erinnerung. Der Veterinärinspekteur,<br />
dem die angetretenen Unterveterinäre gemeldet wur<strong>den</strong>,<br />
sagte wörtlich: ‚Der Hitler hat einen Krieg angefangen, der geht so<br />
sicher verloren, wie das Amen in der Kirche.‘ Wir waren über diese<br />
Äußerung erstaunt, aber auch hier fand sich keiner, der ihn<br />
<strong>den</strong>unzierte. Nach dem 20. Juli 1944 wurde Schulze inhaftiert, dann<br />
aber wegen erwiesener Unschuld freigesprochen“ 118 (Lessing 1998,<br />
131).<br />
Schulze wurde als Mitverschwörer gegen Hitler vom 20. Juli 1944 von der<br />
Gestapo verhaftet. Die Vermutungen der SS ließen sich jedoch nicht<br />
bestätigen und so wurde der Veterinärinspekteur nach etwa zehn Tagen<br />
wieder aus der Haft entlassen und konnte seine Stellung behalten (Zieger<br />
1973, 44; Zieger 1981, 451). Er gab 1946 der amerikanischen Militärregierung<br />
gegenüber eine eidesstattliche Versicherung ab, aufgrund der<br />
Freundschaft mit Claus Graf Schenk von Stauffenberg, dem Kopf der<br />
Verschwörer vom 20. Juli 1944, und <strong>den</strong> Generälen Friedrich Olbricht und<br />
Erich Hoepner verhaftet wor<strong>den</strong> zu sein. Nach der Entlassung sei er<br />
weiterhin vom Sicherheitsdienst überwacht wor<strong>den</strong>. Über eine direkte<br />
Beteilung an der Verschwörung steht in dieser Erklärung nichts (siehe<br />
Abb. 46; Deutsche Dienststelle, Berlin).<br />
117<br />
Zieger (1981, 451) berichtet, Schulze habe nur Uniform getragen, wenn es unbedingt nötig<br />
war.<br />
118<br />
Loibl (2005, mdl. Mitt.) dagegen berichtet, Schulze sei am Verschwörerkreis des 20. Juli<br />
beteiligt gewesen. Er habe dort keine Position inne gehabt, sei aber Sympathisant gewesen<br />
und wusste, was geplant war.
171<br />
Abb. 46: Eidesstattliche Versicherung von Curt Schulze 119 vom 18. Oktober<br />
1946.<br />
119 Obwohl Schulze hier die Schreibweise „Kurt“ <strong>für</strong> seinen Vornamen verwendete, wurde in<br />
sämtlichen Archivalien, Veröffentlichungen, Ehrungen und in seiner Dissertation immer die<br />
Schreibweise „Curt“ gewählt. Möglicherweise liegt es daran, dass seine mündliche Versicherung<br />
von der amerikanischen Militärregierung in dieser Weise schriftlich festgehalten<br />
wurde und Schulze in der gleichen Weise unterzeichnen musste.
172<br />
Am 30. April 1945 geriet Schulze in US-Gefangenschaft, aus der er erst<br />
am 16. Januar 1947 wieder entlassen wurde (Deutsche Dienststelle Berlin<br />
2005, schriftl. Mitt.). Er stand ausgebombt und ohne Arbeit auf der Straße<br />
und ging deshalb mit 64 Jahren wieder in die Praxis (Herter 1951, 385). Er<br />
verdiente sein Geld als Rennbahntierarzt in München-Riem 120 und Berater<br />
der Kommission <strong>für</strong> Vollblutzucht und Rennen <strong>für</strong> Bayern. „Ob ich mich<br />
daneben um eine Lehrtätigkeit an der Fakultät in München bemühe, weiß<br />
ich selbst noch nicht. Angeschnitten ist die Frage“ (UA HUB Vet. med.<br />
Fak. Nr. 549, Curt Schulze). Da Schulze 30 Jahre lang eigene Traber besaß<br />
(Herter 1951, 383) schien er bestens dazu geeignet, <strong>den</strong> Rennstall und das<br />
Gestüt Isarland der Stadt München zu leiten (1948-1964) (König 1961,<br />
448; Zieger 1981, 450). Am 11. Oktober 1966 verstarb Curt Schulze in<br />
München, wo er seit dem 24. Juli 1948 gemeldet war (Stadtarchiv München<br />
2004, schriftl. Mitt.).<br />
<strong>Ein</strong>erseits höchster Veterinäroffizier im Oberkommando der Wehrmacht<br />
und Leiter des Kriegsveterinärdienstes in Feld- und Ersatzheer und andererseits<br />
bekannter Nazigegner, spiegelt Schulze die traditionell nationalkonservative<br />
Haltung des Militärs des Kaiserreichs wider.<br />
Die <strong>Hufbeschlag</strong>sfrage, die <strong>den</strong> Konflikt zwischen Jöchle und Schulze<br />
schürte, ist aus heutiger Sicht von geringer fachlicher Bedeutung. Schulze<br />
war jedoch, wie Jöchle auch, eine Autorität auf dem Gebiet des <strong>Hufbeschlag</strong>s,<br />
und beide duldeten keine Kritik an ihren <strong>Hufbeschlag</strong>smetho<strong>den</strong>.<br />
Die Strafversetzung muss als Machtdemonstration Schulzes angesehen<br />
wer<strong>den</strong> und Jöchle blieb keine Möglichkeit, seine Ansichten zu verteidigen.<br />
Mit der Kriegsveterinärvorschrift von 1939 121 wurde die Schulzesche<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>smethode <strong>für</strong> Jöchle verbindlich.<br />
Nach 1945 ist keine Verbindung zwischen Schulze und Jöchle mehr<br />
rekonstruierbar, obwohl sich beide in München aufhielten und wichtige<br />
Persönlichkeiten in Pferdehalterkreisen darstellten. Immerhin hatte Schulze<br />
in Erwägung gezogen, sich an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München um<br />
einen Lehrauftrag zu bewerben (siehe oben), wozu es aber nach der<br />
Aktenlage doch nie gekommen ist.<br />
120 Zur damaligen Situation auf der Rennbahn und zur Pferdebehandlung in München-Daglfing<br />
(unmittelbar neben Riem) existieren Zeitzeugeninterviews mit <strong>den</strong> Trainern Richard<br />
Haselbeck und Rolf Luff (TiHoA o. Sign. 2005).<br />
121 Siehe Kap. 4.4: Kriegsveterinärvorschrift (1939), Entwurf. H. Dv. 56/6, Teil 6, Grundsätze<br />
<strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>. Gedruckt in der Reichsdruckerei, Berlin, 6.
173<br />
5 Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät in München<br />
5.1 Vorgeschichte<br />
Die Hälfte der Stu<strong>den</strong>ten an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule München im<br />
19. Jahrhundert begann dort das Studium, weil sie das Abitur, das <strong>für</strong><br />
andere Studiengänge als Zugangsvoraussetzung verlangt wurde, nicht<br />
bestan<strong>den</strong> hatte. Die Folgen waren sehr lange Studienzeiten, und nur 25 %<br />
der Stu<strong>den</strong>ten erlangten die Approbation als Tierarzt. Deshalb wurde ab<br />
dem 1. April 1903 das Abitur als Zulassungsvoraussetzung zum Studium<br />
der Tiermedizin gefordert. Bereits im Jahr 1892 waren die Professoren der<br />
Königlich-<strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule <strong>den</strong> Universitätsprofessoren in Rang<br />
und Uniform gleichgestellt wor<strong>den</strong>, und 1910 wurde neben dem Promotionsrecht<br />
auch eine Habilitationsordnung <strong>für</strong> die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule<br />
in München erlassen. Die erste Habilitation erfolgte am 5. April 1912.<br />
Habilitand war der Leiter des Schlachthoflaboratoriums München, Dr. Max<br />
Müller (Eichhorn 1951, 2-7, 15, 20, 31, 39).<br />
Die Überfüllung der Hochschulen in <strong>den</strong> 20er Jahren verschlechterte die<br />
Studienbedingungen. Auch die ohnehin schlechten Berufsaussichten <strong>für</strong><br />
Akademiker wur<strong>den</strong> nach dem Ersten Weltkrieg durch die miserable<br />
Wirtschaftslage noch ungünstiger (Böhm 1995, 29) und der klinische<br />
Unterricht an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät litt ständig unter dem Mangel an<br />
Patienten (Koch 1972, 65).<br />
Die Mehrzahl der Menschen trauerte noch dem Kaiserreich nach und<br />
akzeptierte gezwungenermaßen die Demokratie der Weimarer Republik.<br />
Sie wurde jedoch eher als die Auswirkung des verlorenen Krieges als eine<br />
erstrebenswerte Staatsform betrachtet und der Versailler Vertrag allgemein<br />
als „Versailler Diktat“ oder „Versailler Schandfrie<strong>den</strong>“ bezeichnet (Schimanski,<br />
Schäffer 2001a, 380-381). Auch die Mehrheit der Hochschullehrer<br />
entwickelte kein positives Verhältnis zur Weimarer Republik. Dazu kam<br />
noch das traditionell unpolitische Verhalten der Professorenschaft in der<br />
Öffentlichkeit, die im Grunde liberal-konservativ bis deutschnational<br />
eingestellt war (Böhm 1995, 42-43), „wenn [sie] nicht gar eine gähnende<br />
Passivität gegenüber <strong>den</strong> damals schon be<strong>den</strong>klich aufleuchten<strong>den</strong> Zeichen<br />
der Zeit“ erkennen ließ (Baier 1990, 42). Die meisten Professoren konzentrierten<br />
sich auf die sachliche Argumentation und ließen kaum ihre<br />
politische Gesinnung erkennen (Baier 1990, 41).
174<br />
Abb. 47: Durch das <strong>Ein</strong>gangstor zur <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München sieht<br />
man auf das efeuumrankte Verwaltungsgebäude, <strong>den</strong> dahinter liegen<strong>den</strong><br />
Hauptbau und die Medizinische Tierklinik (1932). Der Haupteingang liegt<br />
heute links des Tores.
175<br />
<strong>Ein</strong>e gewisse Überalterung des Lehrkörpers an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
München war nicht zu übersehen. Stoß, Voit 122 , Giesenhagen, Brandl,<br />
Jodlbauer, Kitt, Pächtner, Vogel, Mayr und Schmitt waren Anfang der 20er<br />
Jahre bereits über 55 Jahre alt. Stoß, Kitt und Mayr entstammten der<br />
Münchner Schule und auch diejenigen, die aus dem Staatsdienst kamen,<br />
hatten in München studiert (Vogel, Ernst und Müller). Auch die Humanmediziner<br />
Brandl, Voit, Jodlbauer und Süpfle hatten ihre Ausbildung in<br />
München absolviert, allerdings an der (Human-) Medizinischen Fakultät.<br />
Aus anderen Städten berufen waren lediglich Giesenhagen, Schmitt, Pächtner<br />
und Demoll (Koch 1972, 59-60). 123<br />
Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät hatte immer noch mit dem alten Streit zwischen<br />
<strong>den</strong> humanmedizinischen und <strong>den</strong> tierärztlichen Dozenten zu kämpfen. Der<br />
ewige Krieg zwischen tierärztlichen und nicht-tierärztlichen Professoren<br />
lähmte das Fakultätsleben in <strong>den</strong> 20er Jahren. Den Tierärzten wurde ein zu<br />
enger Gesichtskreis vorgeworfen und dass sie zu wenig Kontakt zu <strong>den</strong><br />
anderen Fakultäten suchten. Der Grund wurde darin gesehen, dass sie sich<br />
vom Stu<strong>den</strong>ten zum Professor an der gleichen Stelle „heraufgedient“<br />
hatten. Bei manchem Professor konnte man die Absicht nicht verleugnen,<br />
dass er sich einen bestimmten Assistenten als Nachfolger „heranzuziehen“<br />
versuchte (Koch 1972, 25, 60).<br />
Viele der tierärztlichen Professoren waren nicht habilitiert, da das <strong>für</strong><br />
Tierärzte erst seit 1910 möglich war. Doch auch nach dem Krieg bemühte<br />
sich kaum einer, die Habilitation nachzuholen, wenn er als Nachfolger<br />
eines Professors eingesetzt wor<strong>den</strong> war. So galten die Tierärzte als<br />
„Schmalspurakademiker“. Die tierärztlichen Professoren kritisierten wiederum,<br />
dass die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät zum „Ablageplatz <strong>für</strong> ältere Münchner<br />
medizinische Privatdozenten verkommen sei, die keinen Ruf mehr<br />
erhalten konnten“ (Koch 1972, 60-61). Die Folgen dieses Streits<br />
erstreckten sich auch auf die Stu<strong>den</strong>ten. Berufungen wur<strong>den</strong> zusätzlich<br />
erschwert und hinausgezögert und Habilitationen erwiesen sich beinahe als<br />
unmöglich, da die jeweilige „Gegenseite“ grundsätzlich <strong>Ein</strong>spruch erhob.<br />
122 „Voit war von 1911 bis 1914 Rektor der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule und anschließend<br />
erster Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät. Als letzter Mediziner auf dem Lehrstuhl <strong>für</strong><br />
Physiologie und Diätetik emeritierte er 1926“ (Gieseke 1990, 68).<br />
123 Anton Stoß, Erwin Voit, Karl Giesenhagen, Joseph Brandl, Albert Jodlbauer, Theodor<br />
Kitt, Johannes Pächtner, Leonhard Vogel, Josef Mayr, Franz Schmitt, Wilhelm Ernst, Max<br />
Müller, Karl Süpfle und Reinhard Demoll. Der Übersicht halber wurde im Text auf die<br />
Vornamen verzichtet.
176<br />
Diejenigen Veterinärmediziner, die als Assistenten bei einem Humanmediziner<br />
arbeiteten, wur<strong>den</strong> wie Verräter behandelt (Koch 1972, 57, 62).<br />
Es war allgemein beliebt, einen Assistenten möglichst lange zu behalten,<br />
wenn er einmal eingearbeitet war, um ihn als Helfer im Unterricht<br />
einsetzen zu können. Wissenschaftliche Initiativen der Assistenten wur<strong>den</strong><br />
nicht gefördert und auch Habilitationen waren unerwünscht (Koch 1972,<br />
67). Das führte zu Nachwuchsproblemen an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät,<br />
was Oskar Seifried zu einem Vortrag auf der Tagung der Reichstierärztekammer<br />
in Jena im März 1938 veranlasste:<br />
„Die Nachwuchsfrage [Wissenschaftlicher Nachwuchs an <strong>den</strong><br />
tierärztlichen Fakultäten] ist in der Hauptsache ein wirtschaftliches<br />
Problem, <strong>den</strong>n die Jahre nach dem Weltkrieg und der Inflationszeit<br />
haben gezeigt, in welchem Maße junge Leute, die aus Neigung und<br />
Begabung ein wissenschaftliches Fach zu ergreifen Lust hatten, in<br />
ihrem Vorhaben gehemmt oder gar gehindert wur<strong>den</strong>. Auf der<br />
anderen Seite hatten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zur Folge,<br />
daß die Ergreifung des Berufes als akademischer Lehrer nicht weiter<br />
Vorrecht begüterter und wirtschaftlich unabhängiger Kreise bleiben<br />
konnte und führte zur Beseitigung eines Zustandes, der früher<br />
ebenso selbstverständlich hingenommen wurde, wie er heute bewußt<br />
abgelehnt wird“ (Seifried 1938, 172). 124<br />
Diese Entwicklung machte eine wirtschaftliche Besserstellung der Assistenten<br />
notwendig (Seifried 1938, 172).<br />
124 Das Referat wurde im Deutschen Tierärzteblatt abgedruckt: Seifried, Oskar (1938): Die<br />
Frage des Wissenschaftlichen Nachwuchses. In: Deutsches Tierärzteblatt 5 (9), 171-175.
177<br />
5.2 Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München im Dritten Reich<br />
„Nichts gibt mir mehr Glauben an die Richtigkeit unserer Idee als<br />
die Siege des Nationalsozialismus auf der Hochschule“ (Aussage<br />
Hitlers 1930, zit. n. Brumme 1981, 107).<br />
Abb. 48: Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München 1933: 1/2 Chirurgische Klinik.<br />
2 Tierzucht, Zoologie, Botanik (bis 1928), Hygiene (3. Obergeschoß<br />
seit 1923), Dekanat und <strong>Bibliothek</strong>. 2/3 Medizinische Klinik. 4 Hufkunde,<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule. 5 Anatomie, Pathologie. 6 Geburtshilfe, Klinik <strong>für</strong><br />
kleine Haustiere. 7 Physiologie, Pharmakologie. 8 Verwaltung.<br />
5.2.1 Personalpolitik an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München<br />
Nach der Niederschlagung des Hitler-Putsches am 9. November 1923<br />
beruhigte sich die politische Situation in München. Der Senat der<br />
Universität sah sich nicht veranlasst, die im Hitlerprozess angeklagten<br />
Universitätsmitglieder in ihre Schranken zu weisen (Seifert 1972, 351,<br />
337). Der aufkommende Nationalsozialismus wurde vielerorts als Möglichkeit<br />
der politischen Stabilisierung betrachtet.
178<br />
Die bisher auf Länderebene geregelten Habilitationsangelegenheiten<br />
wur<strong>den</strong> nach der Machtübernahme durch die Reichshabilitationsordnung<br />
vom 13. Dezember 1934 abgelöst (Böhm 1995, 185) und die Privatdozentur<br />
abgeschafft. Man erlangte mit <strong>den</strong> wissenschaftlichen Leistungen der<br />
Habilitationsschrift <strong>den</strong> Grad eines Dr. habilitatus (Schweizer 2002, 41).<br />
Um aber die Erteilung der Lehrerlaubnis im nationalsozialistischen Staat<br />
zu erlangen, die sog. Dozentur, mussten die angehen<strong>den</strong> Hochschullehrer<br />
die erfolgreiche Absolvierung einer Lehrprobe, die Bewährung im Gemeinschaftslager<br />
125 und in der Dozentenakademie nachweisen. Dazu kam -<br />
meistens von Seiten der Dozentenschaft - eine politische Beurteilung<br />
(Böhm 1995, 185-186). Der Dekan hatte bei Berufungsvorschlägen und in<br />
Habilitationsangelegenheiten <strong>den</strong> Rat der engeren Fakultät einzuholen<br />
(Böhm 1995, 417).<br />
Das „Gesetz über die Wiederherstellung des deutschen Berufsbeamtentums“<br />
vom 7. April 1933 bestimmte die Vorgehensweise <strong>für</strong> die „Säuberung<br />
des Lehrkörpers“ (Böhm 1995, 146). Aufgrund des § 2 wur<strong>den</strong><br />
sämtliche seit dem 9. November 1918 ernannten Beamten entlassen, wenn<br />
sie nicht die nötige Vorbildung aufweisen konnten. Insbesondere galten<br />
kommunistische Beamte als völlig ungeeignet (Maier 1966, 81). § 3<br />
versetzte die „nicht-arischen“ Professoren in <strong>den</strong> Ruhestand oder entzog<br />
ihnen die Lehrerlaubnis (Seifert 1972, 356).<br />
„<strong>Ein</strong>e Ausnahme wurde zunächst wiederum <strong>für</strong> Beamte gemacht,<br />
die ununterbrochen seit dem 1. August 1914 Beamte gewesen waren<br />
oder die im Weltkrieg an der Front gekämpft hatten oder deren<br />
Väter oder Söhne im Weltkrieg gefallen waren. War die arische<br />
Abstammung zweifelhaft, so sollte ein Gutachten des beim<br />
Reichsministerium des Inneren bestellten Sachverständigen <strong>für</strong><br />
Rasseforschung eingeholt wer<strong>den</strong>“ (Maier 1966, 81).<br />
Doch mit dem Erlass der „Nürnberger Gesetze“ 1935 konnten sich auch<br />
die „nicht-arischen Frontkämpfer“ ihrer Stellung nicht mehr sicher sein, da<br />
das grundsätzliche Recht auf Belassung im Dienst wegfiel und recht willkürlich<br />
„von Fall zu Fall“ entschie<strong>den</strong> wurde (Möllers 2002, 55-56).<br />
Nach § 4 des Gesetzes über die Wiederherstellung des deutschen Berufsbeamtentums<br />
von 1933 konnten außerdem Beamte entlassen wer<strong>den</strong>, die<br />
nach ihrer bisherigen politischen Gesinnung „nicht die Gewähr da<strong>für</strong><br />
125 Schweizer (2002, 41) berichtet von einem Wehrsportlager.
179<br />
boten, daß sie sich jederzeit rückhaltlos <strong>für</strong> <strong>den</strong> neuen Staat einsetzten“.<br />
Dazu zählten beispielsweise die Mitglieder des Reichsbanners, des<br />
Republikanischen Richterbundes, der Liga <strong>für</strong> Menschenrechte, des<br />
Bundes republikanischer Beamter oder der Eisernen Front. „Zur<br />
Vereinfachung der Verwaltung“ räumte § 6 ein, Beamte ohne weitere<br />
Begründung in <strong>den</strong> Ruhestand versetzen zu können, auch wenn diese noch<br />
voll einsatzfähig waren (Maier 1966, 81-82). „An der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät [München] gab es 1933 keine jüdischen Dozenten“ (Böhm 1995,<br />
146) und danach sollte es auch bis 1945 zu keiner solchen Berufung mehr<br />
kommen. Die Berufung von Hugo Grau 1934 auf <strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong><br />
Anatomie scheiterte an dessen „nicht-arischer Abstammung“. Die<br />
Universität Leipzig dagegen ernannte ihn noch im selben Jahr zum nichtbeamteten<br />
außeror<strong>den</strong>tlichen Professor (Möllers 2002, 59, 153).<br />
Mit dem „Gesetz über die Entpflichtung und Versetzung von Hochschullehrern<br />
aus Anlaß des Neuaufbaus des deutschen Hochschulwesens“ vom<br />
21. Januar 1935 sollte die personelle Erneuerung der Hochschulen erfolgen.<br />
Die älteren Hochschullehrer, die eher unpolitisch waren und die<br />
nationalsozialistische Idee nicht mittrugen, sollten <strong>den</strong> Platz <strong>für</strong> junge<br />
Lehrkräfte räumen, die die Stu<strong>den</strong>ten im „nationalsozialistischen Sinn<br />
erziehen“ sollten. Die Professoren, die in Bayern bisher oft bis zum Alter<br />
von 70 Jahren oder mehr im Amt waren, sollten nun mit 65 Jahren von<br />
ihren Verpflichtungen entbun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, was der Universität mit ihrer<br />
überalterten Professorenschaft an sich nicht abträglich gewesen wäre<br />
(Böhm 1995, 186-187).<br />
„Offiziell konnte erst nach dem Erlaß des Deutschen Beamtengesetzes<br />
vom 26. Januar 1937 Beamter und damit auch beamteter<br />
Hochschullehrer nur wer<strong>den</strong>, wer - wie die berüchtigte und nach<br />
dem Kriege viel mißbrauchte Formel in § 26 lautete - die Gewähr<br />
da<strong>für</strong> bot, daß er jederzeit rückhaltlos <strong>für</strong> <strong>den</strong> nationalsozialistischen<br />
Staat eintreten würde. Das wurde so verstan<strong>den</strong>, daß der Betreffende<br />
Mitglied der Partei oder einer ihrer Gliederungen sein mußte,<br />
obwohl das in dieser klaren Form erst eine Verordnung vom<br />
29. Februar 1939 verlangt hat“ (Heiber 1991, 341).<br />
Nach <strong>den</strong> Aussagen von Dedié und Mitscherlich war der Beitritt zum NS-<br />
Dozentenbund bzw. zur NSDAP Voraussetzung <strong>für</strong> eine Habilitation<br />
(Schimanski 1997, 167).
180<br />
„<strong>Ein</strong>mal vorliegende negative politische Gutachten wur<strong>den</strong> meist<br />
‚fortgeschrieben‘ und begleiteten die Betroffenen über Jahre als<br />
unsichtbares und in <strong>den</strong> allermeisten Fällen unüberwindbares<br />
Karrierehindernis“ (Böhm 1995, 35).<br />
Noch 1932 war an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät - im Gegensatz zur Universität<br />
- wenig von der allgemeinen Radikalisierung zu spüren. „Die Fakultät<br />
verhielt sich bis auf wenige Assistenten und einen Famulanten<br />
zunächst abwartend“ (Gylstorff 1990, 32, 34). 1933 waren an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät nur die Professoren Anton Otto Stoß jun. und<br />
Wilhelm Ernst Parteimitglieder. Ernst löste 1935 Stoß jun. als Dekan ab<br />
und behielt dieses Amt bis 1945. Stoß entwickelte keine politischen<br />
Aktivitäten und übte sein Amt recht sachlich aus, wie ab 1935 auch sein<br />
Nachfolger Ernst, der als Mitglied des Verwaltungsausschusses und<br />
Rektor-Stellvertreter (ab Februar 1936) über große <strong>Ein</strong>flussmöglichkeiten<br />
verfügte (Böhm 1995, 400).<br />
Der 1926 gegründete Nationalsozialistische Deutsche Stu<strong>den</strong>tenbund<br />
(NSDStB) fand anfangs wenig Zulauf (Seifert 1972, 353), da die<br />
korporierten Stu<strong>den</strong>ten, insbesondere die katholischen Verbindungen, die<br />
Organisation ablehnten. Doch das stetige Anwachsen des NS-Stu<strong>den</strong>tenbundes<br />
(Kuhn 1966, 34) erlaubte 1931 die Vereinnahmung der Deutschen<br />
Stu<strong>den</strong>tenschaft. Nach der Machtergreifung 1933 war der NS-Stu<strong>den</strong>tenbund<br />
in seinen Krawall- und Boykottaktionen nicht mehr eingeschränkt<br />
(Seifert 1972, 353, 356).<br />
Schon vor Beginn des Sommersemesters 1933 erließ der Reichsminister<br />
<strong>für</strong> Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ein Gesetz, um die angeblich<br />
überfüllten Hochschulen zu entlasten. Die Hochschulen sollten nur noch<br />
<strong>den</strong> Prozentsatz „nicht-arischer“ Stu<strong>den</strong>ten aufnehmen, der deren Anteil an<br />
der Gesamtbevölkerung entsprach. Stu<strong>den</strong>ten, deren Väter im ersten<br />
Weltkrieg <strong>für</strong> Deutschland oder seine Verbündeten gekämpft hatten oder<br />
die aus „Mischehen“ stammten, die vor Veröffentlichung des Gesetzes<br />
geschlossen wur<strong>den</strong>, sollte diese Regelung nicht betreffen (Pascher 1966,<br />
51). Nach der neuen Prüfungsordnung wur<strong>den</strong> im Sommer 1934 nur<br />
diejenigen Stu<strong>den</strong>ten zum Vorphysikum in der Tiermedizin zugelassen, die<br />
einen Nachweis <strong>für</strong> die Ableistung eines Arbeitsdienstes erbringen<br />
konnten. Ju<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> zu diesem Arbeitsdienst nicht zugelassen und<br />
konnten somit auch die Prüfung nicht ablegen (Möllers 2002, 299).
181<br />
Im Wintersemester 1938/39 kamen durch die neue Studien- und Bestallungsordnung<br />
neue Vorlesungen hinzu: Tierschutz und Tierschutzgesetz<br />
und „Die Stellung des Tierarztes in Volk und Staat (Berufskunde)“<br />
(BayHStA MK 69896).<br />
5.2.2 Die „Führer“ der Universität München<br />
Die Kultusministerielle Entschließung vom 28. Juni 1933 verfügte, von<br />
Rektor-, Dekan- und Senatswahlen „bis auf weitere Weisung“ abzusehen,<br />
da die Verfassungen der bayerischen Universitäten bald geändert wür<strong>den</strong>.<br />
Diese Weisung wurde am 28. August veröffentlicht, sollte aber erst zum<br />
15. Oktober in Kraft treten (Böhm 1995, 153). Daraufhin wur<strong>den</strong> im Juli<br />
1933 die Neuwahlen des Rektors storniert, da mit der neuen Universitätsverfassung<br />
der Rektor in Zukunft vom Minister ernannt wer<strong>den</strong> sollte<br />
(Heiber 1994, 211). Am 15. Oktober 1933 folgte die endgültige Umstellung<br />
zum Führerprinzip. Der Senat schlug aus der Reihe der or<strong>den</strong>tlichen<br />
Professoren einen oder mehrere geeignete Kandidaten als Rektor vor, die<br />
Ernennung erfolgte aber durch <strong>den</strong> Staatsminister <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus (Böhm 1995, 153, 158).<br />
Da die Staatswirtschaftliche Fakultät 1927/28 letztmals einen Rektor gestellt<br />
hatte entsprach die Ernennung Escherichs in etwa auch dem Turnus.<br />
Karl Leopold Escherich war zwar nicht in der NSDAP, galt aber als<br />
national eingestellter Mann (Böhm 1995, 154). Er war von 1921 bis zur<br />
Auflösung 1923 in der Partei gewesen, hatte sich aber danach nicht mehr<br />
politisch betätigt (Heiber 1994, 211).<br />
Das Reichserziehungsministerium ordnete zum Ende des WS 1934/35<br />
einen reichseinheitlichen Rektoratswechsel an. Am 15. Februar 1935<br />
sollten im ganzen Reich Dozenten und Professoren auf einem Zettel <strong>den</strong><br />
Rektorenvorschlag <strong>für</strong> ihre Hochschule notieren und das Ergebnis in Berlin<br />
bekannt geben. Dabei handelte es sich aber keinesfalls um eine Wahl,<br />
sondern eben nur um einen Vorschlag, <strong>den</strong> das Ministerium annehmen<br />
konnte, aber nicht annehmen musste (Schimanski 1997, 148-149). Die<br />
Selbstverwaltung wurde durch das Führerprinzip ersetzt. Der vom<br />
Reichskultusminister zum Rektor ernannte beamtete Professor wurde zum<br />
„Führer der Universität“ und ernannte wiederum die Dekane (Maier 1966,<br />
80, 90).
182<br />
„Der Rektor [...] erhielt die Aufgabe, die Hochschulgemeinschaft zu<br />
führen, indem er die wissenschaftliche Gestaltung in Verbindung<br />
mit <strong>den</strong> Dekanen der Fakultäten festlegte und die Erfüllung der<br />
politischen Aufgaben im <strong>Ein</strong>vernehmen mit <strong>den</strong> Führern der<br />
Parteigliederungen an der Hochschule sicherte. Die Stellung des<br />
Senats schrumpfte auf eine rein beratende Tätigkeit zusammen. [...]<br />
Erstaunlich ist, daß die Fakultäten das Recht auf Berufungsvorschläge<br />
behielten, wenngleich das Ministerium oft sehr selbstherrlich<br />
über ihre Vorschläge hinwegging“ (Maier 1966, 90).<br />
Die Funktionäre des NS-Dozentenbundes kontrollierten Rektor und<br />
Dekane. „Selbst die Hochschulabteilung des Reichskultusministeriums war<br />
gehalten, in Berufungsangelegenheiten jeweils das Votum des Reichsdozentenführers<br />
einzuholen“ (Kunkel 1966, 114).<br />
1935 wurde der Professor <strong>für</strong> Angewandte Zoologie, Karl Leopold<br />
Escherich, wieder zum Rektor ernannt (Heiber 1994, 211; Böhm 1995,<br />
154). Doch schon im Oktober trat Escherich, angeblich aus gesundheitlichen<br />
Grün<strong>den</strong>, zurück und Altparteigenosse und Geologe Professor<br />
Leopold Kölbl, der gegen <strong>den</strong> Willen seiner Fakultät berufen wurde und es<br />
schon bis zum Prorektor gebracht hatte, übernahm das Rektorat (Heiber<br />
1994, 211-213). Am 14. Dezember 1935 wurde Professor Kölbl zum<br />
Rektor der Universität München ernannt. Er hatte als „verdienter aktiver<br />
Nationalsozialist“ einen guten Draht zu <strong>den</strong> wichtigen Parteistellen und<br />
auch zum Kultusministerium (Böhm 1995, 539). Im Oktober 1938 zog sich<br />
Kölbl dann von seinem Amt zurück. Jede Fakultät machte Vorschläge <strong>für</strong><br />
die Neubesetzung und so schlug die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät Wilhelm Ernst,<br />
zu dieser Zeit Prorektor, <strong>für</strong> das Amt vor (Heiber 1994, 214).<br />
Kölbls späterer Abgang war recht spektakulär. Er wurde am 10. Februar<br />
1939 wegen „fortgesetzter Vergehen der Unzucht zwischen Männern“<br />
verhaftet und sofort aus SA und Partei ausgeschlossen. Außerdem hatte er<br />
eine empfindliche Strafe zu erwarten. Man sprach von einer „Hirnerkrankung“,<br />
„periodisch auftreten<strong>den</strong> krankhaften Störung der Geistestätigkeit“<br />
und einer „erheblichen Schwächung seiner Nervenkraft“ und wies ihn in<br />
die Münchner Psychiatrie und Nervenklinik ein. Nach mehreren Urteilen<br />
und Revisionsverfahren entschied schließlich am 21. August 1941 die<br />
1. Strafkammer des Landgerichts München II: Gefängnis <strong>für</strong> zwei Jahre
183<br />
und drei Monate. Außerdem kostete es Kölbl sein Amt und seine Pension<br />
(Heiber 1992, 539-540; Heiber 1994, 764-765). 126<br />
Der Mediziner Philipp Broemser wurde von der Medizinischen Fakultät<br />
vorgeschlagen und Dozentenschaft und Dozentenbund schlossen sich an.<br />
Er genoss „in hohem Maße das Vertrauen der Partei“ und war<br />
Parteigenosse seit Mai 1937. So wurde Broemser zum 1. November 1938<br />
neuer Rektor. Doch schon am 11. November 1940 starb Broemser „nach<br />
mehrwöchiger Krankheit“. In <strong>den</strong> Akten ist über seine Amtszeit kaum<br />
etwas zu fin<strong>den</strong> (Heiber 1994, 214-215).<br />
Bei <strong>den</strong> darauf folgen<strong>den</strong> Berufungsverhandlungen war auch wieder Wilhelm<br />
Ernst mit im Spiel (Heiber 1994, 215). Doch schließlich schlug Ernst,<br />
der als Prorektor das Rektorat übernommen hatte, Walther Wüst und <strong>den</strong><br />
Juristen Marian San Nicolò als Kandidaten vor. Schließlich wurde Wüst<br />
auserkoren und die Anfragen des Reichserziehungsministeriums zu Wüst<br />
bei verschie<strong>den</strong>en Parteigrößen ließen <strong>den</strong> SS-Standartenführer als <strong>den</strong><br />
besseren Kandidaten erscheinen. Wüst war seit Oktober 1935 or<strong>den</strong>tlicher<br />
Professor <strong>für</strong> „arische Kultur- und Sprachwissenschaft“ und Direktor des<br />
gleichnamigen Instituts (Seifert 1972, 358; Heiber 1994, 224). 127 Nach<br />
seiner Ernennung zum Rektor am 12. März 1941 ersetzte er Ernst bald<br />
durch <strong>den</strong> Physiologen Friedrich von Faber, <strong>den</strong> bisherigen Dekan der<br />
Naturwissenschaftler. Wüst war im „Ahnenerbe“ tätig, wo er auch die<br />
Bekanntschaft Himmlers machte. Er blieb bis Kriegsende Rektor der LMU<br />
(Heiber 1994, 216-217, 220, 232).<br />
Die Dekane und Senatoren <strong>für</strong> das Studienjahr 1933/34 waren noch<br />
ordnungsgemäß gewählt wor<strong>den</strong>. Prof. Johannes Nörr war als Dekan der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät vorgesehen. Doch die Wahlvorgänge wur<strong>den</strong> am<br />
28. Juni 1933 gestoppt. Der Rektor zog es vor, Anton Stoß jun. als Dekan<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät einzusetzen (Böhm 1995, 152, 158-159).<br />
Mit dem neuen Reichsgesetz zur Hochschulverfassung von 1935 fan<strong>den</strong><br />
endgültig keine Rektor- und Dekanatswahlen mehr statt, sondern die<br />
„Führer der Hochschulen“, die auch viele Senatsrechte erhalten hatten,<br />
126<br />
„Professor Dr. Wilhelm Ernst wird <strong>für</strong> seine Vernehmung als Zeuge in dem Verfahren<br />
gegen Professor Dr. Kölbl wegen widernatürlicher Unzucht von der Verpflichtung zur<br />
Wahrung des Amtsgeheimnisses [durch das Kultusministerium] entbun<strong>den</strong>“ (BayHStA MK<br />
43573).<br />
127<br />
Walther Wüst war von 1935 bis 1940 Dekan der Philosophischen Fakultät der LMU<br />
München (Seifert 1972, 358).
184<br />
ernannten nun die Dekane. Der Senat, bestehend aus <strong>den</strong> Dekanen und <strong>den</strong><br />
Führern der Dozenten- und der Stu<strong>den</strong>tenschaft, war nur noch beratend<br />
tätig (Seifert 1972, 357; Böhm 1995, 161). Die meisten Dekane waren<br />
Parteigenossen, so Otto Koellreutter (Juristische Fakultät), Heinz Kürten<br />
(Medizinische Fakultät), Wilhelm Ernst (<strong>Tierärztliche</strong> Fakultät), Walther<br />
Wüst (Philosophische Fakultät) und Leopold Kölbl (Naturwissenschaftliche<br />
Fakultät), also fünf der sieben Dekane 1935 (Heiber 1994, 212). „Der<br />
Ordinarius <strong>für</strong> Hygiene in der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, Wilhelm Ernst,<br />
wurde im Februar 1936 zum Prorektor ernannt. Ernst war ‚formell<br />
ebenfalls als Nationalsozialist ausgewiesen: Pg. 1.5.1933, SA, NSDB, NS-<br />
Ärztebund‘“ (Böhm 1995, 539).<br />
Böhm (1995, 399) berichtet, dass an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät bis 1939<br />
die Berufungen der Professoren in traditionellen Bahnen verliefen und<br />
politische Gesichtspunkte dabei nicht im Vordergrund stan<strong>den</strong>.<br />
„Zur Zufrie<strong>den</strong>heit der Fakultät verliefen offensichtlich auch die<br />
Berufungsverhandlungen 1938 und 1939 um die Nachfolge der<br />
Professoren Jodlbauer und Moser. So konnte sich die Fakultät bis<br />
1939 mit Unterstützung von Rektor und Senat auch gegenüber<br />
abweichen<strong>den</strong> Vorstellungen der ‚Dozentenschaft‘ durchsetzen“<br />
(Böhm 1995, 442).<br />
5.2.3 Professor Mosers Erbe<br />
Nach dem Tod von Professor Erwin Moser am 18. September 1937 wandte<br />
sich das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus an <strong>den</strong><br />
Rektor der Universität München, um zu erfahren, ob eine Vertretung der<br />
Professur <strong>für</strong> das Wintersemester 1937/38 erforderlich sei. Gegebenenfalls<br />
sei ein Vertreter zu benennen und ein Dreiervorschlag <strong>für</strong> eine Berufung<br />
vorzulegen (UAM Sen-I-145). Das Dekanat der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der<br />
Universität München (Professor Wilhelm Ernst) schlug vor, „bis zur<br />
endgültigen Regelung der verwickelten Angelegenheit <strong>den</strong> derzeitigen<br />
Landwirtschaftsrat <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in Oberbayern, Dr. med. vet. Hans<br />
Jöchle“, mit der Abhaltung der Vorlesungen und Übungen sowie der<br />
Vornahme der Prüfungen zu betrauen. Er sei „vortragsgewandt“ und<br />
außerdem mit dem Institut und <strong>den</strong> Anforderungen des Lehr- und<br />
Forschungsbetriebs vertraut. Ernst erklärte dem Rektor der Universität die<br />
Verhältnisse an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule und dem Institut <strong>für</strong> Hufkunde:
185<br />
„Bei der Umwandlung der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule zur Fakultät<br />
der Universität im Jahr 1914 wurde die staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>sschule<br />
München vom Institut <strong>für</strong> Hufkunde abgetrennt und ab 1915<br />
mit gesondertem Etat geführt von Professor Moser, der Vorstand der<br />
bei<strong>den</strong> Institute war. Bis dahin gab es nur eine staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>sschule,<br />
die dem damaligen Ministerium <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus unterstand. Von 1915 ab war das Institut <strong>für</strong> Hufkunde als<br />
Fakultätsinstitut im Bereich des Ministeriums <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus, die ‚Zivillehrschmiede‘ aber (die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>sschule)<br />
der Regierung von Oberbayern (in Sonderheit seit 1919 dem<br />
Staatsministerium <strong>für</strong> Landwirtschaft, jetzt dem Staatsministerium<br />
<strong>für</strong> Wirtschaft, Abteilung Landwirtschaft) unterstellt.<br />
Vor 1914 hatte die damalige staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>sschule 2 Assistenten.<br />
Nach der Teilung hatte jedes Institut nur einen. 1921 wurde<br />
die Assistentenstelle der staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>sschule eine etatmäßige<br />
Beamtenstelle mit dem Titel ‚Landwirtschaftsrat‘. Sie hat<br />
seit 1921 Dr. Mennel inne.<br />
Ferner besteht an der Regierung von Oberbayern eine Landwirtschaftsratstelle<br />
(Kreiswanderlehrerstelle), die seit Ende 1927 und<br />
derzeit Dr. Jöchle bekleidet.<br />
Am Institut <strong>für</strong> Hufkunde (der Fakultät) ist seit 1. Januar 1937 Herr<br />
Tierarzt Gerhard Schröter als Assistent tätig.<br />
Soweit die Instituts- und Personalverhältnisse.<br />
Zur Zeit wer<strong>den</strong> die Verhältnisse noch weiter verwickelt dadurch,<br />
dass<br />
1.) München die einzige Universität (Hochschule) des Reiches ist,<br />
die noch über eine eigene Professur <strong>für</strong> Huf- und Klauenkunde, Huf-<br />
und Klauenkrankheiten und Beschirrungslehre verfügt. Aus Kreisen<br />
der Wehrmacht wird auf Intensivierung und Ausbau des einschlägigen<br />
Unterrichts besonderer Wert gelegt. Das würde <strong>für</strong> die Notwendigkeit<br />
der Beibehaltung der einzigen Forschungsstätte akademischen<br />
Gepräges in Deutschland und einer eigenen Professur<br />
sprechen.
186<br />
2.) Gleichzeitig betonen aber gleiche maßgebende Militärveterinäre,<br />
es bestün<strong>den</strong> zur Zeit sehr verbesserungsbedürftige Verhältnisse im<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>wesen der Zivilbevölkerung. Ich vermag als Nichtfachmann<br />
die Verhältnisse nicht zu übersehen, möchte auch hier die<br />
Frage nicht beantworten und darf mir dies <strong>für</strong> die Vorschläge zur<br />
endgültigen Regelung vorbehalten.<br />
Wichtig ist, dass die Besserung erwartet wird von einer ‚Vereinheitlichung<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>es‘. Diese im Interesse der Landesverteidigung<br />
<strong>für</strong> notwendig erachtete Vereinheitlichung will dadurch<br />
erreicht wer<strong>den</strong>, dass an aktive Veterinäroffiziere, die durch<br />
mehrjährige Ausbildung und Tätigkeit an Heereslehrschmie<strong>den</strong> ihre<br />
Eignung erwiesen haben, ein Lehrauftrag gegeben wird. Die Besetzung<br />
einer Professur käme dabei nicht in Frage. Die Lehrbeauftragten<br />
sollten Militärpersonen bleiben.<br />
Diese Fragen bedürfen reiflichster Überlegung, zumal die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Fakultät noch Mangel an anderen sehr wichtigen<br />
Professuren hat (Lehrstuhl <strong>für</strong> Parasitologie, <strong>für</strong> tierärztliche<br />
<strong>Leben</strong>smittelkunde ...). Ich bitte auch hier die endgültigen Vorschläge<br />
mir nach Anhören des Berufungsausschusses vorbehalten zu<br />
dürfen.<br />
Aus vorstehen<strong>den</strong> Grün<strong>den</strong> halte ich eine vorläufige Zwischenlösung<br />
<strong>für</strong> das Gegebene. Wenn ich Dr. Jöchle <strong>für</strong> die Vertretung<br />
vorschlage, so geschieht das deswegen, weil alle Erkundigungen<br />
über ihn, seine Person, seinen Charakter, seine Leistung und seine<br />
Familie ausgezeichnet ausgefallen sind. Dr. Jöchle untersteht<br />
unmittelbar der Regierung von Oberbayern. Ich bitte <strong>den</strong> Vorschlag<br />
als besonders eilig zu behandeln“ (UAM Sen-I-145, 19.10.1937).<br />
Das Schreiben wurde auch dem Leiter der Dozentenschaft der Universität<br />
München vorgelegt (UAM Sen-I-145, 19.10.1937). Die Regierung von<br />
Oberbayern forderte beim Staatsministerium <strong>für</strong> Wirtschaft, Abteilung<br />
Landwirtschaft, dass der Assistent der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München, Landwirtschaftsrat Dr. Eugen Mennel, vertretungsweise mit der<br />
Leitung der Anstalt betraut werde (BayHStA ML 562).<br />
Am 1. November 1937 teilte die Dozentenschaft der Universität München<br />
dem Rektor mit, dass sie mit der vertretungsweisen Abhaltung der<br />
Vorlesungen und Übungen in Hufkunde durch Hans Jöchle einverstan<strong>den</strong>
187<br />
sei. Es dürften ihm aber keine Hoffnungen auf die Nachfolge Professor<br />
Mosers gemacht wer<strong>den</strong>, da Professor Westhues als Fakultätsmitglied und<br />
Fachmann auf dem Gebiet der Hufkrankheiten wohl die geeignetste<br />
Persönlichkeit <strong>für</strong> die Abhaltung der Prüfung und der Vorlesung über<br />
Hufkunde und Hufkrankheiten sei. Insbesondere sein hervorragender<br />
Vortrag über Hufkrebs vor der „Münchener <strong>Tierärztliche</strong>n Gesellschaft“<br />
und seine überragende klinische Betätigung auf diesem Gebiet prädestinierten<br />
ihn <strong>für</strong> diese Aufgabe (UAM Sen-I-145).<br />
So gab Rektor Kölbl an das Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus<br />
weiter, dass Jöchle als Vertreter bestellt wer<strong>den</strong> solle. Auch der Dozentenschaftsleiter<br />
(Ernst Bergdolt, Naturwissenschaftliche Fakultät) sei damit<br />
einverstan<strong>den</strong>. Gleichzeitig wurde der Dekan Ernst (zu dieser Zeit auch<br />
Prorektor) gefragt, ob er die Auffassung der Dozentenschaft teile. Und falls<br />
ja, ob die außeror<strong>den</strong>tliche Lehrkanzel <strong>für</strong> andere Zwecke außerhalb der<br />
Fakultät zur Verfügung gestellt werde (UAM Sen-I-145, 3.11.1937; Vorlesungsverzeichnis<br />
WS 1937/38).<br />
Dem könne das Dekanat der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät unter keinen Umstän<strong>den</strong><br />
zustimmen, gab Ernst zur Antwort. An der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
fehlten ohnehin Lehrstühle, die andere tierärztliche Fakultäten und Hochschulen<br />
besäßen, z. B. Parasitologie und Fleisch- und <strong>Leben</strong>smittelkunde.<br />
Und Fächer, die an anderen Bildungsstätten or<strong>den</strong>tliche Professuren wären,<br />
wie Geburtshilfe und Ambulatorische Klinik, seien an der Münchner<br />
Fakultät nur als außeror<strong>den</strong>tliche Professuren eingestuft (UAM Sen-I-145,<br />
12.11.1937).<br />
Sechs Tage später drängte der Reichs- und Preußische Minister <strong>für</strong> Wissenschaft,<br />
Erziehung und Volksbildung das Bayerische Staatsministerium<br />
<strong>für</strong> Unterricht und Kultus, die<br />
„Vorschläge zur Wiederbesetzung der or<strong>den</strong>tlichen Professur <strong>für</strong><br />
Hufkrankheiten, <strong>Hufbeschlag</strong> und Beschirrungskunde (früher Prof.<br />
Erwin Moser) einzureichen. Ferner sehe ich Ihrem Antrag wegen<br />
der Vertretung der freien Professur entgegen“ (BayHStA MK<br />
64637).<br />
Am 23. November 1937 übertrug das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong><br />
Unterricht und Kultus Hans Jöchle <strong>für</strong> das Winterhalbjahr 1937/38 die<br />
Vertretung der Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s<br />
und der Beschirrungslehre - vorbehaltlich der endgültigen Stellungnahme
188<br />
des Kreistagsausschusses und des Herrn Reichserziehungsministers (UAM<br />
Sen-I-145). Da im Winter die Außentätigkeit sowieso eingeschränkt war,<br />
erklärte sich der Oberbayerische Kreisausschuss bereit, Jöchle <strong>für</strong> die sechs<br />
Wochenstun<strong>den</strong> freizugeben, allerdings „unter der ausdrücklichen Voraussetzung,<br />
dass dadurch die hauptamtliche Tätigkeit Dr. Jöchle’s als Kreisfachberater<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> nicht beeinträchtigt wird“ (BayHStA MK<br />
43826). Auch die Leitung des Instituts <strong>für</strong> Hufkunde fiel in seinen Aufgabenbereich.<br />
Die Vertretung der Vorstandsstelle der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
wurde Landwirtschaftsrat Dr. Eugen Mennel übertragen.<br />
Der Dekan setzte einen Berufungsausschuss ein, der ihn in der Frage der<br />
Nachfolge Professor Mosers beraten sollte. Oskar Seifried (Pathologie),<br />
Fritz Stockklausner (Tierzucht), Melchior Westhues (Chirurgie und Augenheilkunde),<br />
Wilhelm Pschorr (Oberregierungsrat mit Lehrauftrag <strong>für</strong><br />
Staatstierheilkunde) und Hubert von Obernberg (Pharmakologie) traten<br />
dreimal zur Beratung zusammen: am 25. Oktober, am 9. November und am<br />
23. Dezember 1937 (UAM Sen-I-145, 28.12.1937; Vorlesungsverzeichnis<br />
WS 1937/38). Sie kamen zu dem Entschluss, dass das Lehrgebiet des<br />
verstorbenen Professor Mosers nicht als selbständiges Lehrgebiet weitergeführt<br />
wer<strong>den</strong> sollte. Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der Universität München<br />
war die einzige in Deutschland, die eine außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong><br />
Hufkunde besaß. An der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität Berlin<br />
wurde (seit 1936) die Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s (Hufkunde) von einem<br />
Veterinäroffizier im Lehrauftrag erteilt. Er war auch <strong>für</strong> die Ausarbeitung<br />
von Gutachten zuständig, die jedoch von dem Fachvertreter <strong>für</strong> Chirurgie<br />
bestätigt wer<strong>den</strong> mussten. Auch an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule<br />
Hannover bestand eine ähnliche Regelung. 128 In Gießen und Leipzig<br />
gehörten die Hufkunde sowie die Lehre der Huf- und Klauenkrankheiten<br />
zum Lehrgebiet der Chirurgie (UAM Sen-I-145, 28.12.1937).<br />
<strong>Ein</strong>e ähnliche Regelung strebte nun auch München an. Die Lehre der Huf-<br />
und Klauenkrankheiten gehörten ohnehin schon zum Fachgebiet der<br />
Chirurgie. Wenn die Krankheiten der Hufe und Klauen von der Chirurgie<br />
abgetrennt wür<strong>den</strong>, so müsste auch deren Behandlung von der Chirurgischen<br />
Klinik getrennt wer<strong>den</strong>. Da aber die Hufkrankheiten einen bedeuten<strong>den</strong><br />
Anteil des Patientenguts der Chirurgischen Klinik ausmachten,<br />
konnte die Klinik eine solche Abtrennung nicht vertragen. Auch die<br />
128 Bis 1937 unterrichtete der Honorarprofessor und Direktor der Zentrallehrschmiede Dr.<br />
Otto Scheibner das Fach <strong>Hufbeschlag</strong> an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover. Nachdem<br />
er aus Altersgrün<strong>den</strong> zurückgetreten war, übernahm der Chefveterinär der Heereslehrschmiede<br />
Hannover, Dr. Friedrich Zschocke, <strong>den</strong> Lehrauftrag (TiHoA 1.7.2.1.11).
189<br />
Behandlung von Lahmheiten fiel in <strong>den</strong> Bereich der Chirurgie, während<br />
Huflahmheiten eine Sache des Instituts <strong>für</strong> Hufkunde waren. Um aber die<br />
Diagnose „Huflahmheit“ stellen zu können, waren wieder chirurgischklinische<br />
Untersuchungsmetho<strong>den</strong> nötig, was zu einem ständigen Kompetenzgerangel<br />
führte. <strong>Ein</strong>ige der Huflahmheiten bedurften der stationären<br />
klinischen Behandlung, was wiederum nur in der Chirurgischen Klinik<br />
möglich war. Hier gab es auch ein Labor und eine Röntgenstation. Nach all<br />
diesen Überlegungen erschien es <strong>den</strong> Herren als „untunlich“, die<br />
außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Hufkunde zu erhalten, da das übrig<br />
bleibende Gebiet <strong>für</strong> ein selbständiges Extraordinariat viel zu klein wäre<br />
(UAM Sen-I-145, 28.12.1937). Das Reichskriegsministerium wünschte,<br />
dass Veterinäroffiziere im Lehrauftrag mit der Vorlesung über die Theorie<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>s betraut wür<strong>den</strong>. Doch auch diese Lösung lehnte der<br />
Ausschuss ab, da dadurch die Lehre und Forschung auf diesem Gebiet<br />
ganz dem <strong>Ein</strong>fluss der Fakultät entzogen wür<strong>den</strong>, weil der Inhaber des<br />
Lehrauftrags der Veterinärinspektion und nicht der Fakultät unterstellt<br />
wäre. Außerdem wur<strong>den</strong> ein ständiger Wechsel der Lehrauftragsinhaber<br />
und Probleme bei der Materialbeschaffung <strong>für</strong> Unterrichtszwecke be<strong>für</strong>chtet<br />
(UAM Sen-I-145, 28.12.1937).<br />
So sahen Westhues, Seifried und von Obernberg die beste Lösung darin,<br />
die Huf- und Klauenkrankheiten mitsamt dem <strong>Hufbeschlag</strong> dem Fachvertreter<br />
<strong>für</strong> Chirurgie in Form eines nicht selbständigen Lehrauftrags zu<br />
unterstellen. Der Lehrauftragsinhaber wäre in diesem Fall ein Abteilungsvorsteher<br />
der Chirurgischen Klinik und dieser unmittelbar unterstellt. Er<br />
sollte sich <strong>für</strong> das Fach <strong>Hufbeschlag</strong> im Rahmen der Chirurgie habilitieren.<br />
Da das Gebiet so klein war, kam eine selbständige Habilitation außerhalb<br />
der Chirurgie nicht in Betracht. Auch Professor Fritz Stockklausner<br />
erklärte sich damit einverstan<strong>den</strong>, allerdings nur unter der Bedingung, dass<br />
dieser Lehrauftrag Landwirtschaftsrat Hans Jöchle angeboten würde. Sollte<br />
dieser ablehnen, sollte ihm ein selbständiger Lehrauftrag auf diesem Gebiet<br />
angeboten wer<strong>den</strong>. 129 Oberregierungsrat Pschorr sprach sich dagegen <strong>für</strong><br />
einen selbständigen Lehrauftrag <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> aus, der organisatorisch<br />
nicht an eine bestimmte Professur gebun<strong>den</strong> sei. Der Ausschuss erkundigte<br />
sich bei <strong>den</strong> anderen tierärztlichen Bildungsstätten nach geeigneten Kandidaten,<br />
konnte aber keinen fin<strong>den</strong>. So war man sich darüber einig, dass <strong>für</strong><br />
<strong>den</strong> Lehrauftrag, in welcher Form auch immer, nur Landwirtschaftsrat<br />
129 Hans Jöchle hatte 1937 zusammen mit Fritz Stockklausner das Lehrbuch „Huf- und<br />
Klauenpflege“ <strong>für</strong> <strong>den</strong> Reichsnährstand verfasst. Vielleicht setzte er sich deshalb so <strong>für</strong> Jöchle<br />
ein.
190<br />
Hans Jöchle in Betracht komme, der ohnehin schon mit der Vertretung der<br />
Vorlesungen und Übungen betraut war.<br />
„Die über ihn eingezogenen Erkundigungen lauten sowohl was sein<br />
berufliches Können und seine Leistungen, als auch seine Person,<br />
seinen Charakter und seine Familie angeht, gleich günstig und<br />
einwandfrei. Auch in politischer Hinsicht ist über Dr. Jöchle nichts<br />
Nachteiliges bekannt. Er ist Kriegsteilnehmer, Freikorpskämpfer<br />
und Stabsveterinär d. R.“ (UAM Sen-I-145, 28.12.1937, Seifried).<br />
Der Dekan schrieb am 11. März 1938 an <strong>den</strong> Rektor der Universität, der<br />
Ausschuss <strong>für</strong> die Wiederbesetzung des Lehrstuhls habe vorgeschlagen,<br />
die Selbständigkeit des Instituts <strong>für</strong> Hufkunde aufzuheben, die Professur<br />
nicht mehr zu besetzen und <strong>den</strong> Lehrbeauftragten sowie das Institut dem<br />
Ordinarius <strong>für</strong> Chirurgie zu unterstellen, der in Zukunft auch das Gebiet<br />
der Hufkrankheiten lesen sollte. Auf dem Gebiet der Hufkunde, der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>s- und Klauenbeschlagslehre sollte der Lehrbeauftragte<br />
weitestgehende Selbständigkeit erlangen. Es sei sinnvoll, wenn der<br />
jeweilige Lehrbeauftragte gleichzeitig Vorstand der Zivillehrschmiede<br />
würde, um die Zusammenarbeit und das notwendige Pferdematerial zu<br />
sichern. Das in der Bestallungsordnung vom 16. Februar 1938 als<br />
Prüfungsfach IV - Huf- und Klauenkrankheiten sowie Huf- und Klauenbeschlagskunde<br />
- wür<strong>den</strong> zwar in Lehre und Forschung in „Huf- und<br />
Klauenkrankheiten“ und „Huf- und Klauenbeschlagskunde“ getrennt, aber<br />
insgesamt durch <strong>den</strong> Lehrbeauftragten geprüft wer<strong>den</strong>. Das Fach<br />
Beschirrungskunde werde nicht mehr geprüft, aber weiterhin gelehrt. Da<strong>für</strong><br />
wurde Landwirtschaftsrat Hans Jöchle vorgeschlagen. Die Nachweise über<br />
die „arische Abstammung“ lägen bei seiner vorgesetzten Stelle, der<br />
Regierung von Oberbayern, vor (UAM Sen-I-145, 11.3.1938). Die<br />
Dozentenschaft war gleicher Meinung und lehnte eine Übertragung des<br />
Lehrauftrags an Veterinäroffiziere grundsätzlich ab.<br />
„Eventuell wäre dem mit dem Lehrauftrag <strong>für</strong> Hufkunde zu<br />
betrauen<strong>den</strong> Herrn Dr. Jöchle (er ist der einzige, der <strong>für</strong> einen<br />
derartigen Lehrauftrag in Betracht kommen kann), eine Habilitation<br />
auf dem Gebiete der Chirurgie nahezulegen. Charakterlich ist uns<br />
Jöchle wenig bekannt. <strong>Ein</strong>en übermässigen Gemeinschaftssinn<br />
scheint er aber nicht aufbringen zu können. Sonst macht er in jeder<br />
Weise einen beschei<strong>den</strong>en und durchaus nicht aufdringlichen<br />
<strong>Ein</strong>druck. Gegen seine politische Zuverlässigkeit bestehen keine<br />
Be<strong>den</strong>ken.
191<br />
Der Leiter der Dozentenschaft, Bergdolt“ an <strong>den</strong> Rektor der<br />
Universität (UAM Sen-I-145).<br />
Doch die Pläne stießen auf Widerstand. Die Zivillehrschmiede hatte nur<br />
eine etatmäßige Stelle, die mit Landwirtschaftsrat Eugen Mennel besetzt<br />
war. Der kam aber „aus persönlichen Grün<strong>den</strong>“ <strong>für</strong> einen Lehrauftrag oder<br />
eine leitende Stelle nicht in Frage. Jöchle als Kreisbeamter unterstand dem<br />
Wirtschaftsministerium, Abteilung Landwirtschaft, und konnte auf Dauer<br />
die Stelle auch nicht besetzen, da der „Kreis eine weitere etatmäßige und<br />
leitende Stelle an der Zivillehrschmiede ablehnt“. So blieb keine andere<br />
Möglichkeit, als die außeror<strong>den</strong>tliche Professur und das Institut <strong>für</strong> Hufkunde<br />
doch zu erhalten (UAM Sen-I-145, 16.5.1938). Dekan Ernst hielt<br />
Rücksprache mit dem Reichstierärzteführer Dr. Friedrich Weber und beide<br />
kamen überein, die Verhältnisse wie unter Professor Moser zu belassen:<br />
Jöchle sollte zum außeror<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> Hufkrankheiten, Theorie<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre berufen wer<strong>den</strong> und<br />
gleichzeitig die Vorstandschaft des Instituts <strong>für</strong> Hufkunde und der<br />
Zivillehrschmiede übernehmen. Auch die <strong>Ein</strong>heit in der Lehre entspreche<br />
dann der Bestallungsordnung (UAM Sen-I-145, 2.6.1938). Doch die<br />
Dozentenschaft vertrat Rektor Kölbl gegenüber die Meinung, das ganze<br />
Institut <strong>für</strong> Hufkunde solle in seiner derzeitigen Form als außeror<strong>den</strong>tliche<br />
Professur der Chirurgischen Tierklinik als Unterabteilung zugewiesen und<br />
in Personalunion von dem Professor <strong>für</strong> Chirurgie geleitet wer<strong>den</strong>. <strong>Ein</strong><br />
„Abteilungsvorstand“ der „Abteilung <strong>für</strong> Hufkunde“ (außeror<strong>den</strong>tlicher<br />
Professor) könne dann Vorlesungen und Übungen halten. Damit sei auch<br />
das vom Reichstierärzteführer geforderte Weiterbestehen des „in Deutschland<br />
einzig bestehen<strong>den</strong> Institutes <strong>für</strong> Hufkunde“ gesichert (UAM Sen-I-<br />
145).<br />
Dekan Ernst dagegen wies in seinem Brief vom 22. Juli 1938 an Rektor<br />
Kölbl auf die Wichtigkeit der Hufkunde <strong>für</strong> die „Erhaltung der Nutzbarkeit<br />
und Arbeitsfähigkeit der Huf- und Klauentiere“ hin. Die Hufprophylaxe<br />
und der richtige Beschlag seien wichtig <strong>für</strong> „die Wehrhaftigkeit des<br />
Volkes“ und um die Heerespferde auf Höchstleistung zu halten. Deshalb<br />
erscheine die Spezialisierung des Fachs und die Herausnahme aus der<br />
allgemeinen Chirurgie notwendig und „die Erhaltung der selbständigen<br />
Professur <strong>für</strong> Hufkunde, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und Beschirrungskunde<br />
vollbegründet“ (UAM Sen-I-145). Auch der Rektor schloss sich dieser<br />
Meinung an und gab das an das Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus weiter, welches dem Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung<br />
und Volksbildung die Gegebenheiten schilderte:
192<br />
„Der Rektor [...] ist der Auffassung, daß die Professur nicht aufgegeben<br />
wer<strong>den</strong> soll. Der Reichstierärzteführer teilt diese Ansicht.<br />
Mangels geeigneter Persönlichkeiten kann der übliche Dreiervorschlag<br />
nicht gemacht wer<strong>den</strong>. Für die Professur kommt nach <strong>den</strong><br />
Berichten des Dekans und des Rektors nur der derzeitige Vertreter<br />
Landwirtschaftsrat Dr. med. vet. Jöchle in Betracht. Er hat sich<br />
während der Vertretungszeit durchaus bewährt. Ich bitte mich daher<br />
zu ermächtigen, mit Dr. Jöchle Berufungsverhandlungen zu führen“<br />
(BayHStA MK 69637, 1938).<br />
Die Frage der Vorstandschaft der Zivillehrschmiede wurde wieder aufgeworfen.<br />
Dr. Mennel bemühte sich eifrig darum, hatte aber außer seiner<br />
Promotionsarbeit keine wissenschaftlichen Leistungen nachzuweisen. Als<br />
dann noch bekannt wurde, dass Dr. Mennel „durch Heirat jüdisch versippt“<br />
sei und aus dieser Ehe eine Tochter hatte, war <strong>für</strong> ihn das Rennen verloren<br />
(BayHStA MInn 87315).<br />
Am 25. März 1939 teilte das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht<br />
und Kultus dem Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung<br />
mit, dass Jöchle bereit sei, <strong>den</strong> Ruf auf die offene außeror<strong>den</strong>tliche<br />
Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der<br />
Beschirrungslehre an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität München<br />
anzunehmen. Seine „deutschblütige Abstammung und die seiner Ehefrau“<br />
habe er nachgewiesen. Es folgte eine Aufzählung der Mitgliedschaften in<br />
<strong>den</strong> Parteigliederungen und die besondere Betonung des Fronteinsatzes<br />
und der Teilnahme an <strong>den</strong> Kämpfen des Freikorps Epp. Die Ernennung<br />
zum planmäßigen außeror<strong>den</strong>tlichen Professor wurde zum 1. April 1939<br />
beantragt, erfolgte aber dann doch erst am 14. August 1939 130 (BayHStA<br />
MK 43826).<br />
Dr. Wilhelm Pschorr, Oberregierungsrat im Bayerischen Staatsministerium<br />
des Innern und unmittelbarer Fachvorgesetzter von Hans Jöchle während<br />
seiner Tätigkeit als Landwirtschaftsrat <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, schrieb in seinem<br />
Gutachten über Hans Jöchle am 26. November 1945:<br />
„Die Besetzung ging nicht glatt vor sich, da mächtige Gegenspieler<br />
vorhan<strong>den</strong> waren, aber der Zivilist Jöchle wurde doch vorgezogen<br />
130 Im März 1939 muss sich auch der Zwischenfall mit dem Veterinärinspekteur ereignet<br />
haben (siehe Kap. 4.4). Möglicherweise war das der Grund <strong>für</strong> das Hinauszögern der Ernennung.
193<br />
und somit die einzige hauptamtliche Professur <strong>für</strong> diesen Zweig in<br />
Deutschland gerettet. Es ist hier ausdrücklich zu betonen, dass - wie<br />
ich ganz genau weiss - die Mitgliedschaft zur NSDAP in keinerlei<br />
ursächlichem Zusammenhang zur Berufung stand, sondern lediglich<br />
die sachliche Geeignetheit <strong>den</strong> Ausschlag gab. Es wäre also<br />
durchaus falsch, die Berufung des Dr. Jöchle auf parteipolitische<br />
<strong>Ein</strong>flüsse oder Bindungen zurückzuführen oder ihn gar zum<br />
Nutzniesser des ‚3. Reiches‘ stempeln zu wollen. Ich halte diese<br />
Feststellung <strong>für</strong> besonders wichtig, da derartige Fehlschlüsse auch<br />
bei der Berufung eines anderen Mitgliedes der tierärztlichen<br />
Fakultät gezogen wur<strong>den</strong>“ (StAM SpkA K 814 Johannes Jöchle,<br />
Oberregierungsrat im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Dr.<br />
Pschorr, 26.11.1945).<br />
Die Ernennung von Hans Jöchle zum Professor erfolgte zum einen aus<br />
finanzpolitischen Grün<strong>den</strong>, zum andern, weil keine tierärztliche Ausbildungsstätte<br />
einen geeigneten Kandidaten vorweisen konnte, der habilitiert<br />
oder zumindest zur Habilitation bereit war. Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät<br />
konnte aber letztlich doch ihren Kandidaten durchsetzen, was bei <strong>den</strong><br />
vielfachen <strong>Ein</strong>flussversuchen durch verschie<strong>den</strong>e parteikonforme Instanzen<br />
wie dem Reichskriegsministerium, dem Reichstierärzteführer und dem<br />
Leiter der Dozentenschaft nicht selbstverständlich war, wenn auch aus<br />
finanzpolitischen Grün<strong>den</strong> der Lehrstuhl <strong>für</strong> Hufkunde weitergeführt<br />
wer<strong>den</strong> musste, obwohl die Fakultät dessen Auflösung angestrebt hatte und<br />
<strong>den</strong> Lehrstuhl anderweitig nutzen wollte. In fachlicher Hinsicht war Hans<br />
Jöchle mit seiner langjährigen Erfahrung im <strong>Hufbeschlag</strong> sicher bestens<br />
geeignet. Angesichts der dringend benötigten Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau<br />
und Nahrungsmittelkunde ist es aber unverständlich, dass auf diese<br />
Professur verzichtet wurde, zugunsten einer Professur <strong>für</strong> Hufkunde, die<br />
eigentlich niemand haben wollte.<br />
An <strong>den</strong> tierärztlichen Ausbildungsstätten Berlin und Hannover wurde der<br />
Lehrauftrag <strong>für</strong> Hufkunde an Veterinäroffiziere vergeben und somit auch<br />
der Militärhufebeschlag still und leise in <strong>den</strong> zivilen Bereich übernommen.<br />
Diese Methode wurde in München durch die geplante Berufung Hans<br />
Jöchles vereitelt und schuf erst die Bedingungen <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>streit<br />
im März 1939 an der Heereslehrschmiede München. 131<br />
131 Siehe Kap. 4.4.
194<br />
5.2.4 Fleischbeschau, <strong>Leben</strong>smittelkunde und Parasitologie<br />
Seit dem 1. April 1903 verlangte das Reichsgesetz eine regelmäßige<br />
Schlachtvieh- und Fleischbeschau und damit auch eine umfassendere<br />
Ausbildung der angehen<strong>den</strong> Tierärzte in der Fleischbeschau. So wurde<br />
1905 die Fleischbeschau Prüfungsfach (Eichhorn 1951, 42-43). 1913<br />
wurde dieses Prüfungsfach erweitert und umfasste nunmehr „Fleischbeschau<br />
und sonstige Kunde der vom Tiere stammen<strong>den</strong> Nahrungsmittel“.<br />
Die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule in München veranstaltete als erste tierärztliche<br />
Bildungsstätte einen regelmäßigen Unterricht in <strong>Leben</strong>smittelkunde.<br />
Da es aber an Räumlichkeiten mangelte, „konnte das Fach lange nicht<br />
seiner Bedeutung entsprechend ausgebaut wer<strong>den</strong>“. Auch eine „<strong>Ein</strong>gabe“<br />
der Stu<strong>den</strong>ten 1922 <strong>für</strong> eine Verbesserung der Ausbildung in der Fleischbeschau<br />
scheiterte an der Raumfrage (Krauße, Zaadhof 1990, 85).<br />
Der Pathologe Kitt hatte neben seinen vielen anderen Fächern auch die<br />
Nahrungsmittelhygiene gelesen. Nachdem die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule<br />
München das Habilitationsrecht erlangt hatte, nutzte als erster 1912 132 der<br />
Schlachthoftierarzt Dr. Max Müller die Gelegenheit sich zu habilitieren<br />
und erhielt <strong>den</strong> Lehrauftrag an der Fakultät. Für <strong>den</strong> Unterricht stellte er<br />
Räume und Material des Schlachthofs zur Verfügung. Jedes Jahr versuchte<br />
Müller erneut, die Errichtung einer Professur <strong>für</strong> Nahrungsmittelhygiene<br />
zu erreichen, jedoch ohne Erfolg. 1923 stellte er schließlich ein Ultimatum:<br />
Entweder die Professur und ein Institut wür<strong>den</strong> errichtet, oder er trete<br />
zurück. Das ließen sich das Ministerium <strong>für</strong> Kirchen- und Schulangelegenheiten<br />
und die Fakultät nicht gefallen und entließen ihn. Von <strong>den</strong><br />
Münchner Amtstierärzten wollte verständlicherweise keiner die Stelle<br />
antreten, und schließlich wurde der Lehrauftrag <strong>für</strong> <strong>Leben</strong>smittelkunde<br />
(von Tieren stammende <strong>Leben</strong>smittel, ausgenommen Milch, mit Lehrauftrag<br />
<strong>für</strong> Fleischbeschau) dem Oberveterinärrat und späteren Direktor des<br />
Augsburger Schlachthofs Dr. Georg Stroh erteilt (Koch 1972, 58-59;<br />
Krauße, Zaadhof 1990, 85). Stroh fuhr einmal wöchentlich mit der Bahn<br />
nach München, um die Vorlesung „Fleischbeschau“ bzw. „Fleischbeurteilungsübungen“<br />
zu halten. Seine Objekte brachte er in einem Koffer mit.<br />
Um die Stu<strong>den</strong>ten mit dem Schlachthof vertraut zu machen, wur<strong>den</strong> sie<br />
einmal im Semester nach Augsburg eingela<strong>den</strong> (Baier 1990, 55). Doch die<br />
Zeit <strong>für</strong> die Vorlesungen war viel zu knapp. Außerdem fehlte es an<br />
Demonstrationsmaterial und die Praxis musste man außerhalb der Fakultät<br />
132 Koch (1972, 58) berichtet irrtümlich von einer Habilitation im Jahr 1914. 1916 wurde Max<br />
Müller außeror<strong>den</strong>tlicher Professor und 1934 Honorarprofessor (Krauße, Zaadhof 1990, 84).
195<br />
erlernen. 133 <strong>Ein</strong>e solche Ausbildung war <strong>für</strong> die tierärztliche Praxis völlig<br />
unzureichend (Koch 1972, 58-59).<br />
Dieser Zustand wurde auch von Seiten der Praktiker bemängelt und so<br />
wandte sich 1925 Generalstabveterinär a. D. Dr. med. vet. Göbel aus<br />
München an das Bayerische Staatsministerium des Innern mit dem<br />
„Betreff: Notwendigkeit der Schaffung eines neuen Ordinariates und<br />
Institutes <strong>für</strong> animalische Nahrungsmittelkunde an der tierärztlichen<br />
Fakultät der LMU zu München.<br />
Bei <strong>den</strong> Verhandlungen des Staatshaushaltsausschusses über <strong>den</strong><br />
bayerischen Kultusetat 1921/22 hat der Herr Abgeordnete Dr.<br />
Wohlnuth <strong>den</strong> alten Wunsch der Tierärzte nach Schaffung eines<br />
Ordinariates <strong>für</strong> Fleischbeschau an der Münchner tierärztlichen<br />
Fakultät vorgebracht. […]<br />
Schlachthoftierärzte, die bestrebt waren und noch sind, die Lücke<br />
auszufüllen, die durch <strong>den</strong> Mangel eines Lehrstuhles <strong>für</strong> animalische<br />
Nahrungsmittelkunde immer noch vorhan<strong>den</strong> ist. Diese haben im<br />
Gegenteil das Menschenmögliche geleistet mit dem, was ihnen an<br />
Zeit und Mitteln zur Verfügung gestan<strong>den</strong> ist; [...]<br />
Die Studieren<strong>den</strong> der Tiermedizin wie auch die Tierärzte haben<br />
daher bis heute immer wieder <strong>den</strong> Wunsch geäußert, dass ihnen in<br />
der Fleischbeschau an ihrer Hochschule, an ihrer Fakultät eine<br />
bessere Ausbildung zu teil werde - eine Ausbildung, die der Wichtigkeit<br />
und der immer mehr steigen<strong>den</strong> Bedeutung der animalischen<br />
Nahrungsmittelkunde in hygienischer und volkswirtschaftlicher<br />
Hinsicht gerecht werde.<br />
Die Gesamtvertretung der deutschen Tierärzte, der Deutsche<br />
Veterinärrat, hat die Schaffung or<strong>den</strong>tlicher Professuren <strong>für</strong> Fleisch-<br />
und Milchhygiene, <strong>für</strong> sonstige animalische Nahrungsmittelkunde<br />
und <strong>für</strong> Schlacht- und Viehhofwesen an <strong>den</strong> tierärztlichen Hochschulen<br />
und Fakultäten als dringend notwendig erklärt. [...]<br />
133 Erst 1934 wurde mit der 5. Prüfungsordnung auch eine dreimonatige praktische Ausbildung<br />
in der Fleischbeschau an einem zugelassenen Schlachthof eingeführt (Eichhorn 1951,<br />
71).
196<br />
Ordinariate <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde befin<strong>den</strong> sich schon in Berlin<br />
und Leipzig; in Hannover sind die Schritte dazu getan [...]“<br />
(BayHStA MInn 87315, 9.12.25).<br />
1932 wurde Oskar Seifried Nachfolger von Prof. Kitt. Am Institut gab es<br />
bei Seifrieds Berufung zwei Assistenten: Dr. Ernst Heidegger und Dr.<br />
Hans Sedlmeier. Um eine Rufabwendung zu erreichen, wurde am<br />
12. Oktober 1934 das Extraordinariat in ein Ordinariat umgewandelt. Dabei<br />
wurde Seifried „vom Dekanat der Universität zu einem Memorandum<br />
über die Situation der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät eingela<strong>den</strong>“. Er verlangte die<br />
Errichtung eines Lehrstuhls <strong>für</strong> Parasitologie und eines Lehrstuhls <strong>für</strong><br />
<strong>Leben</strong>smittelkunde, „Lehrstühle, die an anderen Fakultäten bereits<br />
florierten“ (Hermanns, Dahme 1990, 182). Aufgrund dieser Forderungen<br />
konnten sich der Assistent am Tierhygienischen Institut, Hans Sedlmeier<br />
(1936), bei Prof. Wilhelm Ernst <strong>für</strong> Hygiene, Bakteriologie, Fleischbeschau<br />
und Milchhygiene (Krauße, Zaadhof 1990, 85) 134 und Ernst Heidegger<br />
<strong>für</strong> Parasitologie habilitieren (Hermanns, Dahme 1990, 182). Bei<strong>den</strong><br />
wurde 1937 die Dozentur übertragen.<br />
1933 wurde außerdem Georg Stroh zum Honorarprofessor ernannt, der bis<br />
zum Ende des Zweiten Weltkriegs an der Fakultät lehrte. Im WS 1938/39<br />
hielt Stroh einen „Lehrgang und Übungen in der Schlachtvieh- und<br />
Fleischbeschau“ (4 Wochenstun<strong>den</strong>) und Privatdozent Sedlmeier die<br />
Vorlesung „Von Tieren stammende <strong>Leben</strong>smittel und ihre Haltbarmachung“<br />
(1 Wochenstunde). Im SS 1939 unterrichtete Prof. Dr. Stroh<br />
„Schlachtvieh- und Fleischbeschau“ (3 Wochenstun<strong>den</strong>) und „<strong>Tierärztliche</strong><br />
<strong>Leben</strong>smittelkunde“ (3 Wochenstun<strong>den</strong>). Privatdozent Dr. Sedlmeier las<br />
wieder „Von Tieren stammende <strong>Leben</strong>smittel und ihre Haltbarmachung“<br />
(1 Stunde) (Krauße, Zaadhof 1990, 85-86).<br />
Anfang 1939 erging an das Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus<br />
wieder ein Brief, der das Fehlen einer Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und<br />
<strong>Leben</strong>smittelkunde in München bemängelte. Der Absender ist nicht zu<br />
entziffern. Der Brief zeigt aber, wie schlecht es in München immer noch<br />
um die Ausbildung in der <strong>Leben</strong>smittelhygiene stand:<br />
„Das Fehlen einer Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und tierärztliche<br />
<strong>Leben</strong>smittelkunde an der tierärztl. Fakultät München wirkt sich<br />
134<br />
Hermanns und Dahme (1990, 182) berichten von einer Habilitation <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde.
197<br />
schon seit Jahren nachteilig in der Praxis und in der Veterinärverwaltung<br />
aus. Die Tierärzte, die aus der Münchener Fakultät<br />
hervorgehen, gehen nicht mit der gründlichen Ausbildung in die<br />
Praxis wie die Tierärzte aus <strong>den</strong> übrigen Fakultäten.<br />
Besonders brennend ist die Frage gewor<strong>den</strong> seit dem Erlass des<br />
<strong>Leben</strong>smittelgesetzes im Jahre 1927 und insbesondere seit dem<br />
Erlass der VO. v. 7.5.1937 […] über die Durchführung des<br />
<strong>Leben</strong>smittelgesetzes. Diese VO. ist bereits am 1. Oktober 1937 in<br />
Kraft getreten. Nach dieser VO. sind die Amtstierärzte u. a.<br />
Sachverständige <strong>für</strong> die Überwachung des Verkehrs mit frischem<br />
und zubereitetem Fleisch warmblütiger Tiere (ausgenommen Fett)<br />
sowie mit Erzeugnissen aus solchem Fleisch, mit Fischen, Weich-,<br />
Schalen- und Krustentieren und deren Zubereitungen sowie mit<br />
Eiern.<br />
Da <strong>den</strong> Veterinärbeamten von der Hochschule her die notwendigen<br />
Kenntnisse in der tierärztlichen <strong>Leben</strong>smittelüberwachung fehlten,<br />
mussten <strong>für</strong> diese kostspielige Sonderlehrgänge abgehalten wer<strong>den</strong>,<br />
um ihnen wenigstens das allernotwendigste Rüstzeug zu geben. In<br />
4tägigen Kursen kann natürlich von einer eingehen<strong>den</strong> Behandlung<br />
der Materie keine Rede sein.<br />
Von Seiten der Veterinärverwaltung wird schon seit Jahren darauf<br />
hingewirkt, dass doch endlich auch die Münchener Fakultät eine<br />
or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und <strong>Leben</strong>smittelkunde<br />
erhält. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, wie wichtig gerade die<br />
<strong>Leben</strong>smittelkunde und Fleischbeschau bei der heutigen Vorratswirtschaft<br />
und bei dem grossen Bedarf der Wehrmacht an<br />
<strong>Leben</strong>smitteln tierischer Herkunft ist. Weiterhin stellt der grosse<br />
Verbrauch und Verkehr mit Fischen und Fischerzeugnissen neue<br />
Anforderungen an die Kenntnis und das Wissen der Tierärzte.<br />
Aus allen diesen Grün<strong>den</strong> kann, insbesondere auch von Standpunkt<br />
der gesundheitlichen Betreuung der Volksgenossen gesehen, nicht<br />
mehr verantwortet wer<strong>den</strong>, wenn <strong>den</strong> Tierärzten <strong>für</strong> die grossen<br />
Aufgaben in der Ausübung der Fleischbeschau und der <strong>Leben</strong>smittelüberwachung<br />
nicht die notwendige Ausbildung an der Fakultät<br />
zuteil wird. <strong>Ein</strong> Lehrauftrag kann diesen Zweck nicht erfüllen. Nur<br />
eine Professur, bei der Lehre und Forschung vereinigt sind, kann die<br />
notwendige Ausbildung gewährleisten. Ich erachte deshalb die
198<br />
Errichtung einer Professur an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der<br />
Universität München <strong>für</strong> unbedingt erforderlich“ (BayHStA MInn<br />
87315).<br />
Michael Apfelbeck vom Bayerischen Staatsministerium des Innern quittierte<br />
diesen Brief mit der Bemerkung:<br />
„Von Seiten der Veterinärverwaltung laufen schon seit Jahren<br />
Bemühungen, dass endlich auch die Münchener Fakultät eine<br />
Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und <strong>Leben</strong>smittelkunde erhält, jedoch<br />
bisher ohne Erfolg“ (BayHStA MInn 87315).<br />
So wandte sich das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus am 14. Februar 1939 an das Staatsministerium der Finanzen<br />
betreffs der „Errichtung einer Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und tierärztliche<br />
<strong>Leben</strong>smittelkunde in der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität<br />
München“. Die anderen tierärztlichen Bildungsstätten verfügten bereits<br />
über entsprechende Professuren, nur in München wurde das Fach bisher<br />
nebenamtlich durch Honorarprofessor Dr. Georg Stroh, Direktor des<br />
städtischen Schlacht- und Viehhofs Augsburg, versehen. Doch die neue<br />
Studienordnung machte die Errichtung einer eigenen Professur notwendig.<br />
Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät, der Leiter der Dozentenschaft und der Rektor<br />
der Universität München beantragten deshalb die Schaffung einer neuen<br />
Professur, mit angegliedertem Institut, zwei Assistenten und einer technischen<br />
Assistentin. Das Staatsministerium des Innern wies darauf hin, dass<br />
„sich das Fehlen einer Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und tierärztliche<br />
<strong>Leben</strong>smittelkunde in der tierärztlichen Fakultät der Universität München<br />
schon seit Jahren nachteilig in der Praxis und in der Veterinärverwaltung<br />
ausgewirkt hat“ (BayHStA MF 71323).<br />
Auch eine Professur <strong>für</strong> Parasitologie wurde dringend benötigt, <strong>den</strong>n<br />
inzwischen wurde von <strong>den</strong> Studieren<strong>den</strong> <strong>für</strong> die Zulassung zur Prüfung der<br />
Nachweis der Teilnahme an einem parasitologischen Kurs und an einer<br />
Vorlesung über Parasitenkunde gefordert. Aber auch eine solche Professur<br />
fehlte - im Gegensatz zu anderen Hochschulen - in München. So beantragten<br />
der Rektor und der Leiter der Dozentenschaft die Schaffung einer<br />
neuen Professur, der ein Institut mit planmäßigem Assistenten angegliedert<br />
wer<strong>den</strong> sollte. Auch das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus hielt dies <strong>für</strong> dringend geboten und forderte, ebenfalls am<br />
14. Februar 1939, unterstützt durch das Staatsministerium des Innern, vom<br />
Staatsministerium der Finanzen auch noch die
199<br />
„Errichtung einer Professur <strong>für</strong> Schmarotzerkunde in der tierärztlichen<br />
Fakultät der Universität München. [...] Die unbedingt notwendige<br />
Bekämpfung der Schmarotzerkrankheiten, die dem deutschen<br />
Volksvermögen ungeheuere Verluste zufügten, sei nur dann<br />
wirksam, wenn die durch Schmarotzer hervorgerufenen Krankheiten<br />
rechtzeitig festgestellt und in ihrer Natur und Ursache richtig<br />
erkannt wür<strong>den</strong>. Das setze aber eine entsprechende Ausbildung<br />
voraus“ (BayHStA MF 71323).<br />
Diesen Argumenten konnte das Staatsministerium der Finanzen nichts<br />
entgegensetzen und stimmte der Errichtung der bei<strong>den</strong> Professuren zu<br />
(BayHStA MF 71323). Bei Kriegsende gab es in München nun immerhin<br />
ein Extraordinariat <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde und eines <strong>für</strong> Parasitologie<br />
(Hermanns, Dahme 1990, 182).<br />
5.2.5 Die Theologische Fakultät in München<br />
Im WS 1938/39 wurde die Theologische Fakultät München durch die<br />
bayerische Regierung wegen Differenzen um eine Lehrstuhlbesetzung<br />
geschlossen. Die Münchner Theologieprofessoren wur<strong>den</strong> emeritiert oder<br />
versetzt und die Lehrstühle eingezogen (Heiber 1994, 205-207).<br />
Die Universität nahm die Schließung einer ihrer Fakultäten 135 zur<br />
Kenntnis, von einem von der Regierung ernannten „Führer-Rektor“ war<br />
auch kein <strong>Ein</strong>spruch zu erwarten (Pascher 1966, 60). Der Rest der<br />
Universität war vielmehr bemüht, das Erbe der Theologischen Fakultät<br />
unter sich aufzuteilen, das heißt, der Kampf um die Lehrstühle begann.<br />
Auch die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät bemühte sich, zwei Lehrstühle zu erhalten.<br />
Die Sitzung des Akademischen Senats am 15. Mai 1939 hatte die<br />
Schließung der Theologischen Fakultät zum Thema. Die Dekane wur<strong>den</strong><br />
angehalten, baldmöglichst ihre Anträge <strong>für</strong> neue Lehrstühle einzureichen.<br />
„Es soll unter allen Umstän<strong>den</strong> verhindert wer<strong>den</strong>, dass vom Ministerium<br />
ein theologischer Lehrstuhl an eine andere Hochschule abgegeben wird“<br />
(UAM D-III-106).<br />
135<br />
Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München wurde erst am 13. September 1939 geschlossen (siehe<br />
Kap. 5.2.6).
200<br />
Auf der Sitzung am 26. Oktober 1939 wurde dann die Verwendung der<br />
freigewor<strong>den</strong>en Lehrstühle diskutiert und man kam zu folgender Rangliste<br />
der neu zu errichten<strong>den</strong> Ordinariate:<br />
1. Lehrstuhl <strong>für</strong> Rechtsvergleich<br />
2. Betriebswirtschaftslehre<br />
3. Gerichtliche Medizin<br />
4. Zahnheilkunde<br />
5. Schlachtvieh- und Fleischbeschau sowie tierärztliche <strong>Leben</strong>smittelkunde<br />
6. Physikalische Chemie<br />
7. Steuerrecht<br />
8. Wirtschaftsgeschichte<br />
9. Osteuropäische Geschichte<br />
Reihenfolge der außeror<strong>den</strong>tlichen Lehrstühle:<br />
1. Chirurgie des Kindesalters<br />
2. <strong>Tierärztliche</strong> Parasitologie<br />
3. Völkerkunde mit besonderer Berücksichtigung der Kolonien<br />
4. Angewandte Physik<br />
5. Vererbungswissenschaft (UAM D-III-106).<br />
Dem Ministerium sollten nach Auflösung der Theologischen Fakultät acht<br />
or<strong>den</strong>tliche und acht außeror<strong>den</strong>tliche Lehrstühle vorgeschlagen wer<strong>den</strong><br />
(UAM D-III-106). Der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, die hier noch eifrig um<br />
neue Lehrstühle kämpfte, sollte bald ein ähnliches Schicksal widerfahren.<br />
5.2.6 Schließung und Wiedereröffnung?<br />
Bei Ausbruch des Krieges 1939 war es die Absicht des Reichserziehungsministeriums,<br />
eine möglichst große Anzahl an Hochschulen zu schließen<br />
und nur einige wenige <strong>für</strong> <strong>den</strong> nötigsten Bedarf offen zu halten (Eichhorn<br />
1951, 74). Die Universität München war eine der wenigen, die - bis auf die<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Fakultät - nicht geschlossen wurde. Die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Hochschule Hannover mit der Heeresveterinärakademie und die Fakultät in<br />
Berlin sollten <strong>den</strong> Bedarf des Heeres und <strong>den</strong> Zivilbedarf an Tierärzten<br />
decken (TiHoA o. Sign.). Dies führte aber zu einem Ansturm auf die<br />
offenen tierärztlichen Hochschulen, die ihre Aufgaben in überfüllten
201<br />
Parallelkursen und doppelt gehaltenen Vorlesungen erfüllen mussten. Mit<br />
der Zeit wurde ein Großteil der deutschen Universitäten und auch der<br />
tierärztlichen Hochschulen wieder eröffnet (Eichhorn 1951, 75). Die<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Hochschule Wien wurde am 1. Oktober 1939 wieder<br />
geöffnet, die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät in Gießen am 8. Januar 1940<br />
(Schimanski 1997, 238). Nur die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München blieb<br />
geschlossen.<br />
Zu Beginn des Krieges wur<strong>den</strong> die meisten Institutsvorstände und<br />
Assistenten der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München, bis auf die Professoren<br />
Reinhard Demoll, Wilhelm Ernst und Karl Hilz, auf einen Streich zum<br />
Wehrdienst eingezogen und damit stan<strong>den</strong> Lehrbetrieb und Forschung an<br />
<strong>den</strong> Instituten still (von Obernberg 1965, 59; Westhues 1965, 66). Am<br />
13. September 1939 erließ der Dekan Ernst <strong>den</strong> offiziellen Schließungsbescheid,<br />
womit Lehr- und Forschungstätigkeit endgültig eingestellt wur<strong>den</strong><br />
(siehe Abb. 49). Die meisten Kliniken wur<strong>den</strong> geschlossen. Nur der<br />
Klinikbetrieb der Medizinischen Klinik und der Untersuchungsbetrieb des<br />
Instituts <strong>für</strong> Tierpathologie konnten notdürftig aufrechterhalten wer<strong>den</strong>.<br />
Insbesondere der Ausfall der Chirurgischen und der Ambulatorischen<br />
Tierkliniken führte <strong>für</strong> Landwirte und andere Tierbesitzer zu großen<br />
Verlusten, da kranke Tiere nicht behandelt wur<strong>den</strong> und deshalb teilweise<br />
getötet wer<strong>den</strong> mussten. Privatkliniken gab es sowieso keine mehr, da<br />
42 % der bayerischen Tierärzte im Feld stan<strong>den</strong> und „von <strong>den</strong> zurückgebliebenen<br />
Tierärzten ist ein grosser Teil nur mehr beschränkt<br />
verwendungsfähig“ (BayHStA MInn 87315, Februar 1940; Boessneck<br />
1972, 324).
202<br />
Abb. 49: Schließungsbescheid <strong>für</strong> die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München. Es<br />
handelt sich hier um einen Bogen Durchschlagpapier, das oft verwendet<br />
wurde, um Schriftstücke zu vervielfältigen. Das Papier ist sehr dünn, die<br />
Schrift, bedingt durch das Durchschlagverfahren, sehr dick bis verschwommen.<br />
Auffällig ist der letzte Halbsatz, der sich deutlich von der andern<br />
Schrift abhebt, weil die Linien der Buchstaben schmal, klar und nicht<br />
verschwommen sind. Das führt zu der Vermutung, dass dieser Satz<br />
nachträglich hinzugefügt wurde.
203<br />
Schon Ende Oktober 1939 wurde der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München die<br />
Wiedereröffnung in Aussicht gestellt. Das nächste Trimester 136 begann am<br />
8. Januar 1940 - allerdings ohne die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät, <strong>den</strong>n der Antrag<br />
der Fakultät auf Freistellung von Professoren und Assistenten vom<br />
Heeresdienst wurde am 1. Februar 1940 vom Oberkommando der Wehrmacht<br />
abgelehnt. Dadurch war auch die Wiedereröffnung im nächsten<br />
Sommertrimester in Frage gestellt. Die Begründung, die laufen<strong>den</strong> Entlassungen<br />
von Veterinäroffizieren zur Deckung des dringendsten Bedarfs der<br />
Veterinärverwaltung und der Wirtschaft seien so zahlreich, dass es nicht<br />
möglich sei, auch noch Lehrpersonal <strong>für</strong> die Universität München<br />
freizustellen, wirkt fa<strong>den</strong>scheinig. Denn schon mit fünf bis sechs<br />
Veterinäroffizieren wäre eine Aufnahme des Unterrichts möglich gewesen<br />
(BayHStA MInn 87315, Februar 1940).<br />
Der Reichsminister des Innern wies auf die wirtschaftlichen und<br />
militärischen Nachteile hin, die die Schließung mit sich brachte: Die<br />
Stu<strong>den</strong>ten aus dem süddeutschen Raum waren gezwungen, in Norddeutschland<br />
zu studieren, was <strong>für</strong> viele große finanzielle Opfer bedeutete.<br />
Mancher Stu<strong>den</strong>t überlegte sich, ob er wirklich Tiermedizin studieren oder<br />
lieber ein anderes Studium ergreifen sollte, das mit weniger Aufwand zu<br />
bestreiten war. Das verstärkte <strong>den</strong> Mangel an Veterinäroffizieren insbesondere<br />
im süddeutschen Armeekorps, da viele, die in <strong>den</strong> Nor<strong>den</strong> zogen,<br />
um dort zu studieren, auch dort zum Heeresdienst eingezogen wur<strong>den</strong><br />
(BayHStA MInn 87315, Februar 1940).<br />
Der Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wies<br />
die Heeresveterinärinspektion darauf hin, dass die Sicherstellung der<br />
tierärztlichen Versorgung in der Heimat nicht mehr gewährleistet sei und<br />
eine erhebliche Seuchengefahr <strong>für</strong> die Haustiere bestehe. Insbesondere die<br />
Pferdezucht mit <strong>den</strong> Vollblutgestüten in Planegg, Leutstetten, Heimathausen<br />
und Buchhof hatte darunter zu lei<strong>den</strong> (BayHStA MInn 87315).<br />
Die elf or<strong>den</strong>tlichen und außeror<strong>den</strong>tlichen Professoren der Münchner<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät hatten sich schon vor dem Krieg freiwillig zu<br />
militärischen Übungen zur Verfügung gestellt und auch die Assistenten<br />
stan<strong>den</strong> im Heer. So stellten das Bayerische Staatsministerium des Innern<br />
136 Schon 1939/40 wurde deutlich, dass es kriegsbedingte Nachwuchsprobleme unter <strong>den</strong><br />
Akademikern geben würde. So beschleunigte das Reichserziehungsministerium die<br />
Studiengänge, indem es das Studienjahr in drei Trimester anstatt der bisherigen zwei Semester<br />
einteilte. Die Vorlesungszeit wurde von siebeneinhalb auf zehneinhalb Monate pro Jahr<br />
angehoben, die Semesterferien entsprechend gekürzt (Schimanski 1997, 243).
204<br />
und der Reichsdozentenführer die Forderung, wenigstens die über 45 Jahre<br />
alten Professoren freizustellen: Ernst, Stoß, Seifried, Abelein und<br />
Stockklausner. Professor Westhues, der als Chirurg im Pferdelazarett in<br />
Ulm tätig war, sollte nach München versetzt wer<strong>den</strong>. Professor Jöchle, der<br />
zu diesem Zeitpunkt die 45 bereits überschritten hatte, wird hier nicht<br />
erwähnt (BayHStA MInn 87315, Februar 1940).<br />
Auch die Errichtung einer tierärztlichen Fakultät in Posen, die Lehrkräfte<br />
benötigte, war im Gespräch, doch das Bayerische Staatsministerium des<br />
Innern wollte erfahren haben, dass „nach dem Willen des Führers vorerst<br />
von der Errichtung der Universität in Posen abgesehen wer<strong>den</strong> muss“. Das<br />
Ministerium und der Reichsdozentenführer wandten sich an <strong>den</strong> Reichsminister<br />
<strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung mit der Bitte, beim<br />
Oberkommando der Wehrmacht vorzusprechen und richteten auch selbst<br />
ein Schreiben dorthin. Auch das Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus, das Reichsministerium des Innern und der Generaloberstabsveterinär<br />
Dr. Curt Schulze persönlich wur<strong>den</strong> gebeten, die Freistellung der<br />
Professoren zu erwirken (BayHStA MInn 87315, Februar 1940):<br />
„Trotz aller Bemühungen auch von seiten des RMdI. 137 und des<br />
StMdI. 138 ist es bisher nicht gelungen, dass die Münchner Tierärztl.<br />
Fakultät ihren Betrieb wieder aufnehmen konnte. Alle tierärztl.<br />
Hochschulen und Fakultäten sind offen. Es wäre [eine] Härte<br />
sondergleichen, wenn die Münchner Bildungsstätte da<strong>für</strong> bestraft<br />
würde, dass eine sehr grosse Anzahl ihrer Professoren, Dozenten<br />
und Assistenten im Felde steht. Es ist mehr als einfach <strong>für</strong> das<br />
Oberkommando des Heeres, 6 Veterinäroffiziere vom Wehrdienst<br />
freizustellen. Die Ablehnung des Generaloberstabsveterinärs ist<br />
nicht überzeugend begründet (BayHStA MInn 87315, Februar<br />
1940).“<br />
Nach einem Bericht von Dr. Friedrich Weber sah das Reichserziehungsministerium<br />
die Ursache allein darin, dass<br />
„der Rektor der Universität im Gegensatz zu dem viel lebendigeren<br />
und stosskräftigeren Rektor der Technischen Hochschule München<br />
es nicht verstan<strong>den</strong> hat, entsprechende Beziehungen zum Wehrkreiskommando<br />
VII anzuknüpfen und zu erreichen, dass ihm wenigstens<br />
137 Reichsministerium des Innern.<br />
138 Bayerisches Staatsministerium des Innern.
205<br />
einige der älteren Dozenten der Fakultät wieder zur Verfügung<br />
gestellt wer<strong>den</strong>“ (BayHStA MInn 87315).<br />
Danach sei es nach <strong>den</strong> bisherigen Erfahrungen viel einfacher, auch die<br />
anderen Professoren vom Heer zurückzuerhalten. Gießen und Wien<br />
konnten nach diesem Rezept innerhalb eines halben Jahres ihre Fakultät<br />
bzw. Hochschule wieder eröffnen. Entschei<strong>den</strong>d sei, dass neben dem<br />
Anatomen vielleicht noch zwei oder drei der älteren Münchner Professoren<br />
im Laufe des Spätherbstes freigestellt wür<strong>den</strong> und die Universität dann die<br />
Eröffnung der Fakultät zum 1. Januar 1941 bekannt gebe - die Genehmigung<br />
hier<strong>für</strong> würde sie vom Reichserziehungsministerium erhalten.<br />
Daraufhin könne man auch <strong>den</strong> Rest der Professoren mit der Unterstützung<br />
des Reichserziehungsministeriums loseisen. Nach einem Abkommen<br />
zwischen der Veterinärverwaltung und der Veterinärinspektion sollten die<br />
beamteten Tierärzte der Geburtsjahrgänge 1898 und älter im Laufe des<br />
Herbstes bis auf einige ganz wenige Ausnahmen restlos wieder der<br />
Zivilverwaltung zur Verfügung gestellt wer<strong>den</strong>. Entschei<strong>den</strong>d seien<br />
nunmehr die Energien des Münchner Rektors (BayHStA MInn 87315).<br />
Reichstierärzteführer Dr. Friedrich Weber schrieb am 1. Oktober 1940 an<br />
Oberregierungsrat Dr. Michael Apfelbeck im Staatsministerium des<br />
Innern, dass von seiner Seite aus alles geschehen sei, um eine Wiedereröffnung<br />
der Münchner Fakultät zu erwirken. Nun sei es Sache des<br />
Rektors, alles daran zu setzen, dass die Fakultät in München wieder<br />
eröffnet werde (BayHStA MInn 87315). Der Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät München teilte diese Meinung und bat <strong>den</strong> Rektor, beim<br />
Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zu beantragen,<br />
dass der Lehr- und Forschungsbetrieb der Münchner <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät zum 1. Januar 1941 wieder eröffnet werde und dass der<br />
Reichsminister auch beim Oberkommando des Heeres da<strong>für</strong> eintrete, dass<br />
wenigstens alle <strong>für</strong> die Eröffnung des vollen Lehr- und Forschungsbetriebs<br />
nötigen Kräfte der Geburtsjahrgänge 1898 und älter spätestens bis zum<br />
1. Dezember 1940 <strong>für</strong> ihren Zivilberuf freigestellt wür<strong>den</strong> (BayHStA MInn<br />
87315, 5.10.1940). Dieser Personenkreis bestand aus folgen<strong>den</strong> Dozenten:<br />
Dr. Wilhelm Ernst, o. Prof. (1879) Oberstabs- u. Chefveterinär,<br />
Wehrkreis-Veterinär-<br />
Untersuchungsstelle VII<br />
Dr. Joannes Nörr, o. Prof. (1886) Oberstabsveterinär,<br />
Feldpostnummer ...
206<br />
Dr. Anton Otto Stoß, o. Prof. (1888) Oberstabsveterinär,<br />
Heimatpferdelazarett<br />
Frankfurt a. M.<br />
Dr. Fritz Stockklausner, o. Prof. (1889) Oberstabsveterinär,<br />
Feldpostnummer ...<br />
Dr. Melchior Westhues, o. Prof. (1896) Oberveterinär,<br />
Heimatpferdelazarett 105 in<br />
Ulm a. D., unterer Kuhberg<br />
Dr. Oskar Seifried, o. Prof. (1896) Stabsveterinär,<br />
Heimatpferdelazarett 105 in<br />
Ulm a. D., unterer Kuhberg<br />
Dr. Richard Abelein, pla. ao. Prof. (1891) Oberstabsveterinär,<br />
Feldpostnummer ...<br />
Dr. Hans Jöchle, pla. ao. Prof. (1892) Oberstabsveterinär,<br />
Feldpostnummer: 14773<br />
Dr. Rudolf Stetter, außerpla. Prof. (1890) z. Zt. noch nicht eingerückt,<br />
war bis jetzt nach Ankara<br />
beurlaubt<br />
Dr. Eduard Heidegger, Dozent (1898) Veterinär,<br />
Feldpostnummer ...<br />
(BayHStA MInn 87315, 5.10.1940).<br />
Trotz mehrfacher Anträge war es bisher nicht geglückt, auch nur einen der<br />
zum Heeresdienst eingezogenen Professoren, Dozenten oder Assistenten<br />
freizustellen. Organisationen des Reichsnährstandes, Züchter und Tierhalter<br />
waren recht verärgert, dass gerade im viehzuchtreichen Süddeutschland<br />
die bewährte Hilfe der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München fehlte,<br />
während alle übrigen Fakultäten in Deutschland geöffnet waren (BayHStA<br />
MInn 87315, 5.10.1940).<br />
Im darauf folgen<strong>den</strong> Januar 1941 empfahl auch der Reichstierärzteführer<br />
Friedrich Weber, Kontakt mit dem Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft,<br />
Erziehung und Volksbildung aufzunehmen, damit dieser persönlich die<br />
Sache in die Hand nehmen könne.<br />
„Das Oberkommando des Heeres - Veterinärinspektion - ist an der<br />
Angelegenheit weitgehend desinteressiert. Es ist bereit, die Kräfte<br />
<strong>für</strong> 4 Ausbildungsstätten zur Verfügung zu stellen und hat kein<br />
Interesse an <strong>den</strong> Fakultäten in Leipzig und Giessen, wie der<br />
Veterinärinspekteur mir persönlich erklärt hat. Welche Ausbildungsstätten<br />
aber in Betrieb genommen bezw. gelassen wer<strong>den</strong> sollen,
207<br />
überläßt er dem Erziehungsministerium, wenn er auch persönlich,<br />
wie die Inspektion keine Be<strong>den</strong>ken gegen die Inbetriebnahme der<br />
Münchener Fakultät hat, allerdings unter der Voraussetzung, daß<br />
da<strong>für</strong> die dort erforderlichen Kräfte an anderen Stellen (Leipzig,<br />
Giessen) eingespart wer<strong>den</strong>“ (BayHStA MInn 87315).<br />
Obwohl der Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung,<br />
Bernhard Rust, im Herbst 1940 noch die Wiedereröffnung der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München zum ersten Trimester 1941 in Aussicht<br />
gestellt hatte (BayHStA MInn 87315, 25.9.1940), lehnte er am 14. März<br />
1941 plötzlich die Wiedereröffnung der Münchner Fakultät ab. Daraufhin<br />
stellte der Bayerische Staatminister des Innern, Adolf Wagner, am 20.<br />
März einen weiteren Antrag, der am 7. April wiederum abgelehnt wurde.<br />
Trotzdem versuchte er schon am 18. April wieder, von der Notwendigkeit<br />
der Wiedereröffnung zu überzeugen. Als Haupthindernis war seiner<br />
Ansicht nach die Veterinärinspektion beim Oberkommando des Heeres<br />
anzusehen.<br />
Als weiterer Grund gegen die Wiedereröffnung Münchens wurde die<br />
Tatsache angeführt, dass sämtliche Professoren sich schon vor dem Krieg<br />
freiwillig zu Übungen zur Verfügung gesellt hatten. Außerdem vertrat die<br />
Veterinärinspektion die Ansicht, dass es bei dem außeror<strong>den</strong>tlich hohen<br />
Bedarf auf je<strong>den</strong> einzelnen Tierarzt ankam, insbesondere auf je<strong>den</strong>, dem<br />
eine leitende Stelle übertragen wer<strong>den</strong> konnte. Wagner sah kein größeres<br />
Problem darin, zugunsten Münchens eine andere Lehrstätte zu schließen<br />
(BayHStA MInn 87315, 18.4.1941). Er wollte sogar Dozenten aus anderen<br />
Fakultäten, insbesondere Leipzig, <strong>für</strong> München heranziehen. „Der Herr<br />
Reichstierärzteführer Min. Dir. Prof. Dr. Weber hat ebenfalls bereits<br />
zugesagt, dass er auch die notwendige Zahl von Assistenten zur Verfügung<br />
stellen wird […]“ (BayHStA MInn 87315, 19.3.1941).<br />
Auch Christian Weber, Präsi<strong>den</strong>t des Bezirksverbandes Oberbayern, setzte<br />
sich <strong>für</strong> die Wiedereröffnung ein:<br />
„Es ist wirklich unverständlich, dass ausgerechnet Bayern in einer<br />
solchen Weise behandelt wird, dass hier nicht ein einziger Professor<br />
der Schule verbleiben könnte. Professor Westhues sitzt in Ulm, hat<br />
dort nichts zu tun und darf einfach nicht nach München. Den Dienst<br />
in Ulm könnte auch ein weniger fähiger und geringerer Tierarzt<br />
versehen. In anderen und kleineren Städten wie in Gießen, Hannover<br />
usw. hat man die tierärztliche Hochschule bestehen lassen. Die
208<br />
Klagen nehmen immer mehr zu und zwar berechtigterweise“<br />
(BayHStA MInn 87315, 11.8.1942).<br />
Im Herbst 1942 gab der Reichsminister des Innern dem Bayerischen<br />
Staatsministerium des Innern in München wenig Anlass zur Hoffnung auf<br />
eine baldige Wiedereröffnung:<br />
„Nach meiner Kenntnis der Ersatzlage und der Stellungnahme des<br />
Oberkommandos des Heeres zur Frage der Uk-Stellung von<br />
Lehrkräften der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität<br />
München halte ich einen Antrag auf Entlassung des Professors Dr.<br />
Westhues aus dem Heeresdienst sowie alle Bemühungen um die<br />
baldige Wiedereröffnung der Fakultät in München <strong>für</strong> aussichtslos.<br />
Ihre Auffassung, dass die im Heeresdienst befindlichen Professoren<br />
dieser Fakultät in ihren Stellungen durch Veterinäroffiziere, die<br />
nicht Professoren sind, ersetzt wer<strong>den</strong> können, wird meines Wissens<br />
von der Veterinärinspektion nicht geteilt“ (BayHStA MInn 87315,<br />
23.9.1942).<br />
Die Ausbildung der Heeresveterinäre war in Berlin und Hannover zusammengefasst,<br />
um die volle Ausnutzung der dort vorhan<strong>den</strong>en guten <strong>Ein</strong>richtungen<br />
und Lehrkräfte zu gewährleisten. So studierten im ersten Trimester<br />
1940 in Berlin 312, in Hannover 749 und in Gießen, Leipzig und Wien<br />
zusammen 294 Veterinäre. Durch neue <strong>Ein</strong>ziehungen war die Zahl der<br />
Stu<strong>den</strong>ten weiter zurückgegangen, so dass neben Berlin und Hannover<br />
zwei weitere tierärztliche Ausbildungsstätten <strong>für</strong> <strong>den</strong> zivilen Bedarf<br />
wirklich genügten. In Wien lagen die Verhältnisse insofern günstig, als es<br />
dort möglich war, eine große Zahl von Professoren einzuziehen, sie aber<br />
vor Ort zu beschäftigen, so dass sie auch die Vorlesungen abhalten<br />
konnten. Für München sprach zwar die geographische Lage, um eine<br />
gleichmäßige Verteilung der tierärztlichen Bildungsstätten im „Großdeutschen<br />
Reich“ zu gewährleisten, die äußeren Vorraussetzungen <strong>für</strong> das<br />
Studium wur<strong>den</strong> aber in Gießen und Leipzig als wesentlich besser angesehen.<br />
Daneben wur<strong>den</strong> auch die Auswirkungen auf die Gesamtuniversität<br />
berücksichtigt: In München wie in Leipzig stellte die Veterinärmedizinische<br />
Fakultät nur einen Teil einer bedeuten<strong>den</strong> Universität dar, während in<br />
Gießen die Schließung der Veterinärmedizinischen Fakultät praktisch die<br />
Schließung der Hälfte der Universität bedeutet hätte. Aus diesen Grün<strong>den</strong><br />
entschied Bernhard Rust im März 1941, <strong>für</strong> <strong>den</strong> zivilen Bereich Wien und<br />
Gießen zu erhalten. Da die Zahl der Veterinärmedizinstu<strong>den</strong>ten noch<br />
weiter zurückging, betrachtete die Heeresveterinärinspektion schon die
209<br />
Erhaltung zweier ziviler Lehrstätten als besonderes Entgegenkommen,<br />
eigentlich genüge eine (BayHStA MInn 87315, 25.7.1941).<br />
„Die Wiedereröffnung der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität<br />
München scheitert immer wieder an dem ablehnen<strong>den</strong> Standpunkt<br />
des OKH (Veterinärinspektion). <strong>Ein</strong>e derartige Benachteiligung<br />
Süddeutschlands und insbesondere Bayerns gegenüber Mittel- und<br />
Norddeutschland kann und darf nicht mehr länger hingenommen<br />
wer<strong>den</strong>“ (BayHStA MInn 87315, Bemerkung von Michael<br />
Apfelbeck unter einem Brief an das Bayerische Staatsministerium<br />
<strong>für</strong> Unterricht und Kultus, 10.9.1942).<br />
Reichstierärzteführer Friedrich Weber vom Reichsministerium des Innern<br />
berichtete im Mai 1943 von einer Aussprache mit dem Chef des Stabes der<br />
Veterinärinspektion, Oberstveterinär Dr. Rudolf Herter, bei dem Ministerialdirektor<br />
Dr. Rudolf Mentzel und dem mit der Fakultät betrauten Sachbearbeiter.<br />
Dabei wurde festgestellt, dass die geplante Wiedereröffnung der<br />
Münchner Fakultät <strong>für</strong> das Sommersemester daran gescheitert war, dass<br />
das Reichserziehungsministerium die von der Veterinärinspektion verlangte<br />
Schließung der Fakultät Gießen, gegebenenfalls auch Leipzig, gegen<br />
die Ablehnung der in Frage kommen<strong>den</strong> Reichsstatthalter nicht durchzusetzen<br />
wagte. Das Reichserziehungsministerium erkannte die Argumente<br />
<strong>für</strong> München an und sagte zu, die Gießener Fakultät zu schließen, zumal,<br />
wie Reichstierärzteführer und Veterinärinspektion festgestellt hatten, nur<br />
wenige Kräfte zur Verfügung gestellt wer<strong>den</strong> müssten, um die Münchener<br />
Fakultät eröffnen zu können. Es handelte sich nur um Ersatz der<br />
Professoren Stockklausner, Abelein, Jöchle und Stoß. Die anderen Herren<br />
könnten laut Veterinärinspektion <strong>den</strong> Lehrbetrieb neben dem militärischen<br />
Dienst zur gegebenen Zeit aufnehmen. Die Wiedereröffnung könne jedoch<br />
erst zum 1. Oktober 1943, also zum Wintersemester stattfin<strong>den</strong>. Dennoch<br />
blieb Weber nach <strong>den</strong> bisherigen Erfahrungen skeptisch, ob die Wiedereröffnung<br />
tatsächlich gelinge. Seiner Meinung nach war die Wiedereröffnung<br />
der Münchner Fakultät am 1. Juni nicht an der Haltung der<br />
Veterinärinspektion gescheitert, sondern die Veterinärinspektion tue alles<br />
im Rahmen ihrer Möglichkeiten, um die auch von ihr <strong>für</strong> notwendig<br />
erachtete Eröffnung verwirklichen zu können. Der Reichserziehungsminister<br />
zeige wohl kein sonderliches Interesse an München. Weber<br />
hingegen versprach, nochmals alles zu versuchen, um die Wiederaufnahme<br />
der Vorlesungen zu erreichen (BayHStA MInn 87315).
210<br />
Im Zuge des „totalen Kriegseinsatzes“ wollte der Reichswissenschaftsminister<br />
(am 12. Oktober 1944) auch <strong>den</strong> Betrieb der Rechtswissenschaftlichen,<br />
der Staatswirtschaftlichen und der Philosophischen Fakultät<br />
der Universität München einstellen. Die Naturwissenschaftliche Fakultät<br />
sollte das erste bis vierte Semester einbüßen und die Medizinische Fakultät<br />
das erste bis dritte und das fünfte bis siebte Semester (UAM D-III-111).<br />
Zum Studium waren ohnehin nur noch Kriegsbeschädigte (etwa 500),<br />
Wehrmachtkommandierte (ca. 3.500) und Abschlusssemester zugelassen.<br />
Als Auffanguniversität <strong>für</strong> München und Würzburg war Erlangen geplant,<br />
obwohl die Universität München in einem fast völlig zerstörten Stadtteil<br />
lag und so <strong>für</strong> weitere Luftangriffe eher uninteressant war, während in dem<br />
noch unversehrten Erlangen die Rüstungsindustrie als Angriffsziel lockte.<br />
Die Kapazität der Universität in Erlangen war schon ohne die Münchner<br />
Stu<strong>den</strong>ten ausgereizt und die Wohnungslage dort äußerst schwierig. Berlin<br />
und Leipzig wur<strong>den</strong>, trotz schwerer Bombenschä<strong>den</strong>, in vollem Umfang<br />
weitergeführt (UAM D-III-111, 18.10.1944).<br />
Über die Hintergründe, weshalb ausgerechnet die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät<br />
München während des gesamten Kriegs geschlossen blieb, gibt es<br />
zahlreiche Ansichten. In der Festschrift zum 200jährigen Jubiläum der<br />
tierärztlichen Ausbildungsstätte in München wird nach <strong>den</strong> mündlichen<br />
Mitteilungen von Irmgard Gylstorff 139 folgender Sachverhalt geschildert:<br />
„Die Berufung von Jöchle auf <strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong> Hufkunde ohne<br />
Rücksicht auf <strong>den</strong> vom Veterinärinspekteur Schulze vorgeschlagenen<br />
Kandidaten verärgerte diesen maßlos und gilt als einer der<br />
ausschlaggeben<strong>den</strong> Gründe <strong>für</strong> die Schließung der Fakultät während<br />
des ganzen Krieges“ (Gylstorff 1990, 34-35).<br />
Hermann Röcken, in <strong>den</strong> 50er Jahren Assistent unter Professor Westhues,<br />
berichtet hingegen:<br />
„Es ist sicher angebracht, an dieser Stelle einen Hinweis zu geben,<br />
der mir mündlich überbracht wor<strong>den</strong> ist, <strong>den</strong> ich bisher an keiner<br />
Stelle schriftlich niedergelegt gefun<strong>den</strong> habe. Von der Sektion der<br />
Staatsregierung, die <strong>für</strong> die Hochschulen im Deutschen Reich<br />
zuständig war, erging an die Münchner <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät das<br />
dringende Ersuchen, <strong>den</strong> damalig höchsten Offizier des Veterinär-<br />
139 Gylstorff, Irmgard (1990): Die Fakultät im Dritten Reich. In: Angela von <strong>den</strong> Driesch<br />
(Hrsg.): 200 Jahre tierärztliche Lehre und Forschung in München. Schattauer, Stuttgart und<br />
New York, 31-38.
211<br />
wesens [Curt Schulze] zum Professor zu ernennen. In der durch <strong>den</strong><br />
damaligen Dekan einberufenen Fakultätssitzung, in der das Ersuchen<br />
der Reichsregierung vorgetragen wor<strong>den</strong> ist, hat sich Westhues<br />
mit aller Vehemenz gegen <strong>den</strong> Antrag gestemmt und soll das<br />
Vorgehen des Staatsministeriums <strong>für</strong> Unterricht und Kultus aufs<br />
Schärfste verurteilt haben. Dem Ersuchen wurde nicht stattgegeben.<br />
Der Vorgang, die Fakultät zu schließen, und der Weg, wie das<br />
geschah, wurde als ein Racheakt angesehen“ (Röcken 1999, 31-32).<br />
Nach der Aktenlage ist es eher unwahrscheinlich, dass Schulze selbst die<br />
Professur in München anstrebte. Curt Schulze war am 1. Juni 1934 zum<br />
Veterinärinspekteur ernannt wor<strong>den</strong> und am 3. Juni 1936 ernannte ihn die<br />
Landwirtschaftlich-<strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der Universität Berlin zum<br />
Honorarprofessor (Anonym 1936, 130; Mießner 1939, 621). Als am<br />
1. April 1938 die Beförderung zum Generaloberstabsveterinär erfolgte<br />
(Deutsche Dienststelle Berlin 2005, schriftl. Mitt.), hatte Schulze <strong>den</strong><br />
höchsten Dienstgrad erlangt, <strong>den</strong> jemals ein Veterinäroffizier erreicht hatte<br />
(Zieger 1981, 449-450). Damit dürfte <strong>für</strong> ihn eine (Honorar-) Professur in<br />
München nicht sonderlich interessant gewesen sein. Ob er einen<br />
bestimmten Kandidaten vorgeschlagen hatte, ist aus <strong>den</strong> Archivalien des<br />
Universitätsarchivs München, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und der<br />
Bundesarchive in Berlin nicht ersichtlich. Das Gebäude der Veterinärinspektion<br />
in Berlin fiel im November 1943 dem Feuer zum Opfer. Dabei<br />
verbrannte fast das gesamte Aktenmaterial. Kurz vor Kriegsende war die<br />
Veterinärinspektion dann in ein Quartier in Bad Reichenhall geflohen, wo<br />
beim <strong>Ein</strong>treffen der amerikanischen Truppen die letzten Unterlagen der<br />
Veterinärinspektion vernichtet wur<strong>den</strong>, darunter das Kriegstagebuch<br />
(Zieger 1973, 44-45). Auch das Bundesarchiv (Militärarchiv) in Freiburg<br />
erklärt in seiner Beständeübersicht, die schriftliche Hinterlassenschaft der<br />
Heeresveterinärinspektion müsse als verloren gegangen oder befehlsgemäß<br />
vernichtet angesehen wer<strong>den</strong>. Lediglich acht Akten mit allgemeinen<br />
Inhalten zum Veterinärwesen seien noch erhalten. 140 Somit gibt es wohl<br />
keine Unterlagen mehr, die die Gerüchte bestätigen oder widerlegen<br />
könnten.<br />
Prof. Erwin Dahme berichtet, nach Erzählungen von Hans Sedlmeier, dass<br />
Hitler persönlich verfügt hatte, <strong>den</strong> gesamten Gebäudekomplex an der<br />
Königinstraße abzureißen, um nach Nor<strong>den</strong> hin genügend Raum <strong>für</strong> eine<br />
140 Bundesarchiv, Beständeübersicht: Bestand RH 12-24 Veterinärinspektion (VIn) 1931-<br />
1943: http://www.bundesarchiv.de/bestaende_findmittel/bestaendeuebersicht/index_frameset.<br />
html.
212<br />
breite Aufmarschstraße zu gewinnen, auf der sich die Siegesfeier nach dem<br />
„gewonnenen“ Krieg abspielen sollte. Zwischen 1936 und 1938 waren<br />
bereits sämtliche Häuser auf der Seite des Englischen Gartens zwischen<br />
Prinzregenten- und Veterinärstraße beseitigt wor<strong>den</strong>. Schon 1937 wurde<br />
die dadurch erheblich verbreiterte Königinstraße <strong>für</strong> Festzüge genutzt.<br />
„Hitler soll ja auf die Fakultät ohnedies nicht gut zu sprechen gewesen<br />
sein, da sein Schäferhund dort nicht seinen Vorstellungen entsprechend<br />
behandelt wurde“ (Dahme 2004, schriftl. Mitt.). 141<br />
Folgt man der Aktenlage, so ergibt sich aus heutiger Sicht folgender<br />
Ablauf: Die Ausbildung in der Veterinärmedizin konzentrierte sich an der<br />
Heeresveterinärakademie in Hannover und Berlin, dort wur<strong>den</strong> sämtliche<br />
Veterinäroffiziere ausgebildet. Für die Stu<strong>den</strong>tenzahlen im zivilen Bereich<br />
genügten zwei tierärztliche Ausbildungsstätten. Weshalb ausgerechnet die<br />
Münchner <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät geschlossen wurde, bleibt unklar. Dass<br />
die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät in Gießen einen erheblichen Anteil der Gesamtuniversität<br />
ausmachte, während die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München ein<br />
relativ unbedeutender Teil einer großen Universität darstellte und dass die<br />
anderen tierärztlichen Ausbildungsstätten einfach wesentlich besser<br />
ausgestattet waren als die Münchner Fakultät, mögen Gründe da<strong>für</strong><br />
gewesen sein. Die Gießener und Leipziger Fakultät wehrten sich natürlich<br />
vehement, als auf ihre Kosten die Münchner Fakultät wieder eröffnet<br />
wer<strong>den</strong> sollte. Für die Gießener und Leipziger Professoren hätte dies<br />
möglicherweise Militärdienst anstatt Lehrtätigkeit oder zumindest eine<br />
Versetzung an eine andere Universität bedeutet, da die Veterinärinspektion<br />
nicht bereit war, <strong>für</strong> die Eröffnung der Münchner Fakultät, an der ohnehin<br />
„nur Zivilisten“ studierten, weitere Veterinäroffiziere (Professoren) vom<br />
Wehrdienst zu entlassen. Das Reichserziehungsministerium wagte nicht,<br />
die Schließung der Veterinärmedizinischen Fakultät Gießen, gegebenenfalls<br />
auch Leipzig, gegen die Ablehnung der in Frage kommen<strong>den</strong> Reichsstatthalter<br />
durchzusetzen.<br />
141 Vgl. dazu Wippermann (1998, 200-202): „Wie - fast - jeder weiß, liebte Hitler Schäferhunde<br />
[...]“. So hatte Hitler bis zum Schluss im Bunker der Reichskanzlei seinen Schäferhund<br />
Blondi bei sich gehabt.
213<br />
5.2.7 Die Heeresveterinärakademie Hannover und andere tierärztliche<br />
Fakultäten<br />
Nach Kriegsbeginn wur<strong>den</strong> alle einberufenen Tiermedizinstu<strong>den</strong>ten zum<br />
dienstlichen Studium an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover und der<br />
Heeresveterinärakademie 142 abkommandiert. 143 Neben <strong>den</strong> 166 aktiven<br />
Veterinäroffiziersanwärtern studierten nun auch die Reserveveterinäroffiziersanwärter<br />
in Hannover und die Gesamtzahl der Stu<strong>den</strong>ten stieg<br />
somit von 538 im SS 1939 auf 877 im Herbst 1939 an. Die<br />
Ausbildungskapazität der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule war aber auf 550<br />
Stu<strong>den</strong>ten beschränkt, deshalb wurde ein Teil der Reserveveterinäroffiziersanwärter<br />
als „Abteilung Berlin der Lehrgruppe II“ nach Berlin<br />
zum Studium an der dortigen, nicht ausgelasteten Veterinärmedizinischen<br />
Fakultät verlegt (Schulze 1985, 17, 21; Schimanski 1997, 240-242).<br />
Circa 75 % der männlichen Stu<strong>den</strong>ten in Hannover waren Wehrmachtsangehörige.<br />
An <strong>den</strong> veterinärmedizinischen Fakultäten in Leipzig, Wien<br />
und anfangs auch Berlin studierten nur Zivilisten, Frauen und Ausländer.<br />
So blieb die absolute Zahl der Veterinärstu<strong>den</strong>ten weitgehend konstant,<br />
obwohl die militärischen Kommandos und die Schließung der tierärztlichen<br />
Fakultäten in Gießen und München zu einer völligen Umverteilung<br />
der Stu<strong>den</strong>ten führten. Trotz der seit 1938 eingeführten einheitlichen<br />
Studienordnung kam es bei der <strong>Ein</strong>gliederung der Stu<strong>den</strong>ten zu gewissen<br />
Schwierigkeiten, da sich nicht alle Universitäten an die Studienordnung<br />
gehalten hatten (Schimanski 1997, 242).<br />
Nachdem man zu Kriegsbeginn zunächst alle Hochschulen geschlossen<br />
hatte, wurde die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule in Wien kurz nach Hannover,<br />
Berlin und Leipzig, am 1. Oktober 1939, wiedereröffnet. Die meisten<br />
Professoren und Assistenten der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität<br />
Gießen wur<strong>den</strong> zur Wehrmacht einberufen. Trotzdem konnte im Januar<br />
1940 die gesamte Universität Gießen wiedereröffnet wer<strong>den</strong>, die<br />
Stu<strong>den</strong>tenzahlen waren jedoch auf ein Drittel zurückgegangen, da auch die<br />
Zulassungsbedingungen erschwert wor<strong>den</strong> waren. Zu Beginn des zweiten<br />
142 Zur Heeresveterinärakademie siehe auch Kap. 4.5.<br />
143 Die Offiziere und Veterinäroffiziersanwärter der Heeresveterinärakademie Hannover<br />
hatten sich freiwillig zum Kriegseinsatz gemeldet, was der Veterinärinspekteur Curt Schulze<br />
allerdings ablehnte, da er einen Nachwuchsmangel an Veterinäroffizieren wie 1914<br />
vermei<strong>den</strong> wollte (Schimanski 1997, 238). Bis Anfang 1940 waren die meisten Professoren<br />
nach ihrer <strong>Ein</strong>berufung zur Wehrmacht an die Hochschule zurückgekehrt und blieben im<br />
Allgemeinen auch bis Kriegsende (Schimanski 1997, 259).
214<br />
Trimesters 1940 wurde in Berlin wieder darüber verhandelt, ob einige der<br />
tierärztlichen Bildungsstätten geschlossen wer<strong>den</strong> sollten. Außerdem war<br />
im Juni 1940 der Reichstierärzteführer Friedrich Weber der Ansicht, dass<br />
nach der Gründung der Reichsuniversität Posen, die eine veterinärmedizinische<br />
Fakultät erhalten sollte, die Fakultät in Gießen überflüssig<br />
sei. Zur Beschleunigung schlug er eine Überführung der Gießener Fakultät<br />
nach Posen vor. Auch die personelle Situation in Gießen war problematisch,<br />
da weiterhin etwa die Hälfte der Professoren eingezogen war und<br />
die Emeriti Ersatz leisten mussten. So bemühte sich Gießen, eine<br />
Abteilung der Heeresveterinärakademie zu bekommen, was aber nicht<br />
gelang. 1944 wurde erneut die Schließung in Betracht gezogen, um die<br />
Gebäude <strong>für</strong> das Heeresveterinäruntersuchungsamt Berlin nutzen zu<br />
können. <strong>Ein</strong> Bombenabwurf im Juni 1944 zerstörte jedoch einen großen<br />
Teil der Gebäude der Gießener Fakultät (Schimanski 1997, 288-290).<br />
Schon im Dezember 1942 wurde in einem geheimen Lagebericht des<br />
Sicherheitsdienstes der SS über die katastrophale Nachwuchssituation in<br />
der Tiermedizin berichtet. Durch die besetzten Ostgebiete sei der Bedarf an<br />
Tierärzten noch größer, und weder die Zahl der Tierärzte noch der<br />
Studieren<strong>den</strong> genüge, diesen Bedarf auch nur annähernd zu decken.<br />
Problematisch sei auch der Nachwuchsmangel an <strong>den</strong> Universitäten selbst,<br />
da diese Laufbahn <strong>für</strong> die jungen Leute wenig Anreize bot. So wurde<br />
be<strong>für</strong>chtet, dass die Lehre und Forschung derart vernachlässigt wür<strong>den</strong>,<br />
dass eine vollwertige Ausbildung <strong>für</strong> <strong>den</strong> Nachwuchs bald nicht mehr<br />
möglich sei (Schimanski 1997, 294).<br />
Dies hinderte das Reichserziehungsministerium nicht daran, im Rahmen<br />
des totalen Kriegseinsatzes <strong>für</strong> das WS 1944/45 die Schließung von 77<br />
Fakultäten im ganzen Reich zu planen und deren Stu<strong>den</strong>ten anderen<br />
Fakultäten zuzuweisen. An anderen Fakultäten sollte der Lehrbetrieb nur<br />
noch <strong>für</strong> die höheren Semester stattfin<strong>den</strong> und 12 Fakultäten sollten sogar<br />
ganz geschlossen wer<strong>den</strong>. Die tierärztliche Ausbildung sollte nur noch in<br />
Berlin und Hannover erfolgen, Gießen und Wien sollten mit Hannover,<br />
Leipzig und München mit Berlin zusammengelegt wer<strong>den</strong>. An <strong>den</strong><br />
geschlossenen Fakultäten sollten nur die Kliniken geöffnet bleiben.<br />
Aufgrund des Wohnraummangels und weil durch die kriegsbedingt<br />
verlängerten Postlaufzeiten die betroffenen Hochschulen erst sehr spät von<br />
<strong>den</strong> bevorstehen<strong>den</strong> Veränderungen erfuhren, zog das Ministerium diesen<br />
Runderlass wieder zurück. Es wurde beschlossen, nur in <strong>den</strong> frontnahen<br />
Hochschulen <strong>den</strong> Betrieb aufzugeben. Die übrigen Hochschulen brachen<br />
mit Kriegsende zusammen (Schimanski 1997, 294). Von April bis Oktober
215<br />
1945 war dann auch die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule Hannover geschlossen<br />
(Hohmann 2000, 138).
5.3 Nachkriegszeit in München<br />
216<br />
Mit der „Proklamation Nr. 1 der Militärregierung-Deutschland“ wur<strong>den</strong> im<br />
März 1945 „alle deutschen Gerichte, Unterrichts- und Erziehungsanstalten<br />
innerhalb des besetzten Gebietes bis auf Weiteres geschlossen“ (Orlob<br />
2000, 155).<br />
Die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule Hannover, britische Besatzungszone, wurde<br />
als erste zum WS 1945/46 wiedereröffnet. Danach begann auch an <strong>den</strong><br />
tiermedizinischen Fakultäten in der sowjetischen Besatzungszone wieder<br />
der Unterricht: Ende Januar 1946 in Ost-Berlin und wenige Tage später in<br />
Leipzig. Die „Justus-Liebig-Hochschule <strong>für</strong> Bo<strong>den</strong>kultur und Veterinärmedizin“<br />
in Gießen wurde im Mai 1946 wieder eröffnet (Schweizer 2002,<br />
51-52). Die zweite tierärztliche Bildungsstätte in der amerikanischen<br />
Besatzungszone, die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät in München, konnte <strong>den</strong> Lehrbetrieb<br />
erst im WS 1946/47 und zunächst auch nur <strong>für</strong> die vorklinischen<br />
Semester wieder aufnehmen (Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch 1990, 19).<br />
Die Theologische Fakultät in München war schon im Februar 1946 wieder<br />
eröffnet wor<strong>den</strong>, die anderen Münchner Fakultäten folgten zum SS 1946<br />
(Boehm 1972, 369). So war die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät auch unter <strong>den</strong><br />
Münchner Fakultäten die letzte, die <strong>den</strong> Lehrbetrieb wieder aufnahm<br />
(Boessneck 1972, 326).<br />
5.3.1 Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät nach 1945<br />
Am 30. April 1945 wurde die Stadt München übergeben und am 4. Mai die<br />
Fortführung der Verwaltungstätigkeit angeordnet. An der ersten Sitzung<br />
der Dekane und einiger weiterer Professoren am 15. Mai 1945 nahm als<br />
Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät Geheimrat Anton Otto Stoß jun. teil.<br />
Albert Rehm, als letzter erreichbarer Altrektor aus der Zeit vor 1933,<br />
wurde mit <strong>den</strong> Rektoratsgeschäften betraut (Boehm 1972, 369).<br />
Die Gebäude der tierärztlichen Institute und Kliniken in der Veterinärstraße<br />
6 144 waren zu 80 bis 90 % zerstört bzw. unverwendbar (Vollmerhaus<br />
1999, 59). 145 In <strong>den</strong> letzten bei<strong>den</strong> Kriegsjahren waren die Gebäude der<br />
144 Heute Veterinärstraße 13.<br />
145 Zur baulichen Situation der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät siehe auch: <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der<br />
LMU München (Hrsg. 1965): 175 Jahre tierärztliche Ausbildungsstätte in München. Kief-
217<br />
Fakultät durch Bomben stark in Mitlei<strong>den</strong>schaft gezogen wor<strong>den</strong><br />
(Boessneck 1972, 324). Bei Kriegsende war die Chirurgische Tierklinik<br />
das einzige brauchbare Gebäude der Fakultät. Dort sollten vorläufig die<br />
vorklinischen Fächer unterkommen (Westhues 1965, 66-67). Das Institut<br />
<strong>für</strong> Hufkunde und die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule befan<strong>den</strong> sich in einem<br />
Gebäude und waren durch Druckwellen und Brände stark beschädigt.<br />
Trotzdem konnte in einigen Räumen die Arbeit wieder aufgenommen<br />
wer<strong>den</strong> (IGTM o. Sign. 1945).<br />
Die Chirurgische Tierklinik kam im ehemaligen Wehrkreispferdelazarett<br />
auf dem Oberwiesenfeld unter, das kaum Schä<strong>den</strong> davongetragen hatte.<br />
Prof. Richard Abelein war bei Kriegsende in diesem Heimatpferdelazarett<br />
stationiert und hatte weiterhin die etwa 100 Pferde versorgt, bis Prof.<br />
Westhues im November 1945 die Leitung übernahm. Unter dem Namen<br />
„Münchner Tierklinik“ wurde dort die Arbeit weitergeführt, weil es<br />
chirurgisch eingerichtet und erhalten war (Westhues 1965, 66-67).<br />
„Für die Wahrung der Fakultätsinteressen an diesem Gebäuderestbestand<br />
[Oberwiesenfeld] sorge Frau Dr. I. SASSENHOFF 146 ,<br />
die als Mitarbeiterin im umgesiedelten Pathologischen Institut tätig<br />
war. Mit Unterstützung von Dr. H. KUPPELMAYR 147 und Dr. C.<br />
HÄUTLE 148 , erwirkte sie bei der amerikanischen Militärregierung<br />
ein Zutrittsverbot (off limits) auf dem Areal des Oberwiesenfelds,<br />
um weitere Plünderungen, die im Nachkriegschaos an der Tagesordnung<br />
waren, zu verhindern“ (Vollmerhaus 1999, 59).<br />
Die Fakultät bemühte sich, auf Dauer das Nutzungsrecht der Räume zu<br />
erhalten, da dort auch Räumlichkeiten <strong>für</strong> die Tierpathologie und<br />
Stallungen <strong>für</strong> die Medizinische Klinik vorhan<strong>den</strong> waren (IGTM o. Sign.,<br />
1945). Oskar Seifried forderte die Militärregierung auf, das Pferdelazarett<br />
an die Universität zu überschreiben. Er erhielt mehrere mündliche Zusagen,<br />
aber keine schriftliche Genehmigung (IGTM o. Sign., 3.12.1945).<br />
An <strong>Ein</strong>richtungsgegenstän<strong>den</strong> waren erhebliche Verluste anzuführen.<br />
Trotzdem konnten einige Apparate, Instrumente und Handbücher gerettet<br />
haber, Kiefhaber & Elbl, München. - Boessneck, Joachim (1972): Chronik der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät. In: Laetitia Boehm und Johannes Spörl (Hrsg.): Die Ludwig-Maximilians-Universität<br />
in ihren Fakultäten. Erster Band. Duncker und Humblot, Berlin, 281-346.<br />
146<br />
Hervorhebung im Original.<br />
147<br />
Hervorhebung im Original.<br />
148<br />
Hervorhebung im Original.
218<br />
wer<strong>den</strong>. Die sehr umfangreiche und wertvolle Fakultätsbibliothek, die<br />
extra nach Schloss Wässerndorf in Unterfranken ausgelagert wor<strong>den</strong> war,<br />
ging verloren. Sie war eine der größten Fachbibliotheken Deutschlands.<br />
Als Grundstock <strong>für</strong> eine neue Fakultätsbibliothek wurde „von der<br />
Militärregierung unter treuhänderischer Übernahme von Herrn Ministerialrat<br />
Dr. Wilhelm Pschorr 149 “ die <strong>Bibliothek</strong> der ehemaligen Tierärzteburg<br />
Hoheneck bei Nürnberg (früher Eigentum der Reichstierärztekammer) zur<br />
Verfügung gestellt (BayHStA MK 69087).<br />
Abb. 50: Das <strong>Ein</strong>gangstor zur <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München am<br />
22. April 1949. Im Hintergrund sind die im Wiederaufbau befindlichen<br />
Gebäude der Fakultät zu sehen.<br />
Der Bayerische Staatsminister des Innern, Josef Seifried, <strong>für</strong>chtete angesichts<br />
der weit verbreiteten und teilweise auch auf <strong>den</strong> Menschen<br />
übertragbaren Tierseuchen um die Volksgesundheit und Volksernährung.<br />
Da die einzige tierärztliche Fakultät in Süddeutschland immer noch ge-<br />
149 Vom Staatsministerium des Innern, Veterinär-Abteilung.
219<br />
schlossen war und sich eine gewisse Überalterung in der Tierärzteschaft<br />
abzeichnete, war ein Nachwuchsmangel an Tierärzten zu be<strong>für</strong>chten.<br />
Dieser Mangel wurde wohl teilweise durch Flüchtlingstierärzte wieder<br />
ausgeglichen, was aber aufgrund der Sprachbarriere zu Problemen mit <strong>den</strong><br />
bayerischen Bauern führte, so dass Seifried schon von „Überfremdung“<br />
sprach und dringend die Eröffnung der Münchner <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
forderte (BayHStA MK 69087, 26.4.1946).<br />
Im Frühjahr 1946 arbeitete der Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, Prof.<br />
Karl Hilz, einen neuen Plan <strong>für</strong> die Besetzung der durch Dienstenthebungen<br />
vakanten Lehrstühle aus. Das Zoologische Institut sollte Prof.<br />
Reinhard Demoll leiten. Der Vorstand des Anatomischen Instituts, Prof.<br />
Anton Otto Stoß jun., seines Dienstes enthoben, sollte durch Dr. habil.<br />
Walther Baier aus Markthei<strong>den</strong>feld vertreten wer<strong>den</strong>. 150 Der Vorstand des<br />
Instituts <strong>für</strong> Tierphysiologie, Prof. Johannes Pächtner, war, nahezu erblindet,<br />
in die Schweiz verzogen. An seine Stelle sollte Prof. Arthur Scheunert<br />
treten, früher am Tierphysiologischen Institut der Universität Leipzig und<br />
Direktor der Reichsanstalt <strong>für</strong> Vitaminforschung. Auch Prof. Fritz Stockklausner<br />
vom Institut <strong>für</strong> Tierzucht wurde seines Dienstes enthoben. Zu<br />
seiner Vertretung wurde Oberveterinärrat Dr. Hans Gutbrod, Tierzuchtdirektor<br />
a. D. vorgeschlagen. Die Tierpathologie sollte weiterhin Prof.<br />
Oskar Seifried unterrichten, aus Raumgrün<strong>den</strong> allerdings am Oberwiesenfeld.<br />
Am Hygienischen Institut waren sowohl der Vorstand Prof. Wilhelm<br />
Ernst wie auch der wissenschaftliche Oberassistent Prof. Hans Sedlmeier<br />
des Dienstes enthoben und sollten durch Oberveterinärrat Dr. Eduard<br />
Hölzl, Leiter der bakteriologischen Fleischbeschau in München, ersetzt<br />
wer<strong>den</strong> (BayHStA MK 69087, Hilz). Schlachtvieh- und Fleischbeschau<br />
sowie die Beurteilung von Tieren stammender <strong>Leben</strong>smittel wur<strong>den</strong> dem<br />
Städtischen Veterinärdirektor a. D. in München, Dr. Hans Kuppelmayr,<br />
übertragen (BayHStA MK 69880, 28.5.1946). Die Pharmakologie blieb bei<br />
Prof. Karl Hilz und die Medizinische Tierklinik unter der Leitung von<br />
Prof. Johannes Nörr. Die Chirurgische Tierklinik unter Prof. Melchior<br />
Westhues hatte sich im Oberwiesenfeld etabliert. Da an der politischen<br />
Korrektheit Prof. Richard Abeleins gezweifelt wurde, sollte Walther Baier<br />
auch das Institut <strong>für</strong> Geburtshilfe übernehmen. Prof. Hans Jöchle, seines<br />
Amtes als Vorstand des Instituts <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde enthoben,<br />
wurde durch Landwirtschaftsrat Dr. Eugen Mennel vertreten, der<br />
außerdem die Vorstandschaft der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
übernahm (BayHStA MK 69087, Hilz).<br />
150 Siehe Kap. 5.3.2 „Walther Baier“.
220<br />
Am 13. August 1946 konnte dann der Antrag auf Wiedereröffnung der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät gestellt wer<strong>den</strong>. Bei <strong>den</strong> klinischen Semestern gab<br />
es noch einige Personalschwierigkeiten, aber da die Fakultät nun immerhin<br />
sieben Jahre geschlossen war, hatten sich vorwiegend Erstsemester und<br />
Vorkliniker gemeldet, die schon einige Vorlesungen an der Naturwissenschaftlichen<br />
Fakultät gehört hatten. So wurde vorläufig nur ein Lehrbetrieb<br />
in <strong>den</strong> vorklinischen Fächern geplant (BayHStA MK 69087, 13.8.1946).<br />
Die Genehmigung der Militärregierung wurde allerdings erst zum 19. Oktober<br />
1946 erteilt (BayHStA MK 69087, 6.11.1946). Zum WS 1946/47<br />
wur<strong>den</strong> 191 deutsche und 26 ausländische Stu<strong>den</strong>ten zugelassen und das<br />
Stu<strong>den</strong>tenwerk sorgte <strong>für</strong> die Unterbringung der Stu<strong>den</strong>ten in Privatwohnungen<br />
in der Stadt (BayHStA MK 69087).<br />
Anfangs lehrten nur die Professoren Karl Hilz, Melchior Westhues und<br />
Reinhard Demoll, da die von Hilz eingeplanten Professoren zum großen<br />
Teil von der Militärregierung nicht genehmigt wor<strong>den</strong> waren. Die<br />
vorklinischen Fächer wur<strong>den</strong> teilweise außerhalb gehört: Anorganische<br />
Chemie im Chemischen Institut in der Luisenstraße, Organische Chemie<br />
bei Geheimrat Heinrich Wieland, einem Nobelpreisträger, in der Pettenkoferstraße<br />
und Physik und Botanik im Universitätshauptgebäude (Röcken<br />
2000, 311).<br />
Im SS 1947 wur<strong>den</strong> das 2., 4. und 5. Semester gelesen (Anonym 1947,<br />
140). Im Juli 1947 hatte die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München etwa 500<br />
Studierende (TiHoA o. Sign.). Das nächste WS sollte schon am 15. September<br />
1947 beginnen und „in der kältesten Jahreszeit beendet sein, um zu<br />
erwarten<strong>den</strong> Heizungsschwierigkeiten vorzubeugen“ (Anonym 1947, 140).<br />
Im Winter 1947 musste der Vorlesungsbetrieb tatsächlich wegen Mangel<br />
an Heizmaterial vorübergehend eingestellt wer<strong>den</strong> (Boehm 1972, 371). Die<br />
Vorlesungen und Übungen litten anfangs sehr unter dem Mangel an<br />
Räumen und <strong>Ein</strong>richtungsgegenstän<strong>den</strong> und unter <strong>den</strong> unsäglichen<br />
hygienischen Verhältnissen (Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch 1990, 20). 151<br />
Im Sommer 1947 war die Wegberufung des Chirurgen Melchior Westhues<br />
im Gespräch. Er hatte viel an der Fakultät geleistet, und ein geeigneter<br />
Ersatz <strong>für</strong> ihn war nicht in Sicht. An der Fakultät waren nur vier Ordinarien<br />
tätig, darunter der zur Weiterführung seines bisherigen Amtes beurlaubte<br />
Staatsrat im Landwirtschaftsministerium, Wilhelm Niklas. Damit war der<br />
Aufbau der klinischen Semester wieder ernsthaft bedroht, <strong>den</strong>n die Innere<br />
151 Näheres hierzu bei Boessneck und von <strong>den</strong> Driesch (1990, 20-23).
221<br />
sowie die Geburtshilfliche und Ambulatorische Klinik waren ebenfalls<br />
nicht besetzt. So sah Dekan Hilz sich gezwungen, das Bayerische<br />
Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus zu bitten, „alle geeignet<br />
erscheinen<strong>den</strong> Mittel und Wege zu versuchen, um Professor Westhues der<br />
Münchener Fakultät zu erhalten“ (BayHStA MK 44516, 28.7.1947), was<br />
dann auch gelang. Der Rektor der Universität 152 war sogar der Ansicht,<br />
„ein Weggang des Herrn Professor Dr. Westhues wäre <strong>für</strong> die Universität<br />
München ein grosser Verlust und würde sogar die Schliessung der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät zur Folge haben“ (BayHStA MK 44516,<br />
11.8.1947).<br />
Im Frühjahr 1948 wollte man mit dem Wiederaufbau der Gebäude in der<br />
Königinstraße beginnen, um <strong>den</strong> vollen Lehrbetrieb aufnehmen zu können.<br />
Für die höheren Semester sollte bis zur Erstellung entsprechender Neubauten<br />
der Unterricht in Baracken stattfin<strong>den</strong>. Da das Fakultätsgelände<br />
hier<strong>für</strong> zu klein war, sollten sie teilweise auf dem Gelände nördlich des<br />
Schwabinger Baches untergebracht wer<strong>den</strong>, das der Verwaltung der<br />
staatlichen Schlösser, Gärten und Seen unterstand (BayHStA MF 71323,<br />
1.3.1948). Der Englische Garten war im Laufe der Jahre von Sü<strong>den</strong> her<br />
immer weiter beschnitten wor<strong>den</strong> und nun drohte auch noch die<br />
Besatzungsmacht, Anspruch auf die große Reitwiese an der Königinstraße<br />
zu erheben. So hatte das Universitätsbauamt zum Ziel, „die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Hochschule 153 , sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse dies irgendwie<br />
gestatten, aus dem Englischen Garten zu entfernen“ und nur eine vorübergehende<br />
pachtweise Überlassung eines kleinen Teils des Geländes an der<br />
Königinstraße längs des Schwabinger Baches zu gestatten (BayHStA MF<br />
71323, 11.3.1948).<br />
152 Prof. Aloys Wenzl.<br />
153 Gemeint ist hier die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der LMU.
222<br />
Abb. 51: Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät in <strong>den</strong> 30er Jahren: 1/2 Chirurgische<br />
Klinik. 2 Tierzucht, Zoologie, Botanik (bis 1928), Hygiene (3. Obergeschoß<br />
seit 1923), <strong>Bibliothek</strong>. 2/3 Medizinische Klinik. 4 Hufkunde,<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule. 5 Anatomie, Pathologie. 6 Geburtshilfe, Klinik <strong>für</strong><br />
kleine Haustiere. 7 Physiologie, Pharmakologie. 8 Verwaltung.<br />
An der „Planungssitzung der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München“ am<br />
3. März 1949 nahmen sämtliche Fakultätsmitglieder sowie einige Mitglieder<br />
der Bayerischen Staatsministerien und der Baubehör<strong>den</strong> teil. Thema<br />
sollte die „räumliche Notlage“ der Fakultät sein (Anonym 1949, 3). Dabei<br />
wurde auf die katastrophalen hygienischen Verhältnisse in dem ehemaligen<br />
Pferdelazarett auf dem Oberwiesenfeld hingewiesen. Im „Anatomischen<br />
Institut“ waren keine Garderobenräume vorhan<strong>den</strong>, was zur Folge hatte,<br />
dass „die Stu<strong>den</strong>ten die Garderobe in direkter Nachbarschaft der Kadaver<br />
ablegen“ mussten und sogar „von dem benachbarten Depot der<br />
Militärregierung [wur<strong>den</strong>] wiederholt Klagen über diese Zustände<br />
geführt“. Auch im Pathologischen Institut ließen die beengten Verhältnisse<br />
angemessene Hygienemaßnahmen nicht zu. Die Kadaver mussten quer<br />
über <strong>den</strong> Hof transportiert wer<strong>den</strong> und „eine hochinfektiöse Brühe mit<br />
stärkstem Verwesungsgeruch [quoll] unter der Türe des Ablageraumes ins
223<br />
Freie“ hervor. Auch dass die größeren Kadaverteile bei <strong>den</strong> Sektionen auf<br />
dem Bo<strong>den</strong> abgelegt wer<strong>den</strong> mussten und die Stu<strong>den</strong>ten in der sich<br />
absondern<strong>den</strong> Flüssigkeit stan<strong>den</strong>, stellte eine enorme Infektionsgefahr dar<br />
(Westhues zit. n. Anonym 1949, 15-16). Außerdem bereitete die große<br />
räumliche Trennung von Oberwiesenfeld und Fakultätsgelände Probleme,<br />
da der Weg „wenigstens 1 Stunde“ betrug und „der Weg zum Schlachthof<br />
wiederum eine Stunde“ (Westhues zit. n. Anonym 1949, 17-18). „Ganze<br />
Institute (Nahrungsmittelkunde, Parasitologie) fehlen der Fakultät überhaupt,<br />
ebenso ein landwirtschaftliches Lehrgut. [...] <strong>Ein</strong>e Verlegung der<br />
Fakultät nach auswärts oder gar die Lostrennung von der Universität<br />
lehnen alle Teilnehmer der Sitzung einstimmig ab“ (Anonym 1949, 25-26).<br />
Trotzdem wurde in <strong>den</strong> nächsten Jahren versucht, ein geeignetes baureifes<br />
Gelände oder ein fertiges Gebäude zu fin<strong>den</strong>, das die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät<br />
aufnehmen konnte. Die Errichtung der Fakultät auf einem neuem Gelände<br />
scheiterte an <strong>den</strong> astronomischen Kosten von 30 Millionen DM, die da<strong>für</strong><br />
veranschlagt wur<strong>den</strong>. Die bisherige Trennung in einen Komplex am Oberwiesenfeld,<br />
der die Anatomie und zwei Kliniken enthielt, und in einen<br />
zweiten Komplex an der Veterinärstraße mit Physiologie, Pathologie und<br />
anderen Instituten schien auf Dauer untragbar, ganz zu schweigen von<br />
weiteren Bauten an einer dritten Stelle. So blieb nur der Wiederaufbau an<br />
der Königinstraße. Dazu war aber die Hinzunahme der Hofbaumschule<br />
Voraussetzung und die Existenz der Fakultät hing nun von der<br />
Bereitstellung der Hofbaumschule als Baugelände ab. Dekan Demoll<br />
wollte ansonsten die Schließung der Fakultät beantragen, da im bisherigen<br />
Rahmen <strong>den</strong> Stu<strong>den</strong>ten nicht das geforderte Wissen vermittelt wer<strong>den</strong><br />
konnte. Daraufhin wur<strong>den</strong> ERP-Mittel 154 zur Errichtung von zwei Kliniken<br />
zugesichert (BayHStA MK 69128).<br />
In einer Verhandlung zwischen der Verwaltung der Staatlichen Schlösser,<br />
Gärten und Seen, dem Kultusministerium, dem Universitätsbauamt und<br />
Prof. Demoll wurde die Abgabe des umstrittenen Geländes an die Fakultät<br />
erwirkt, allerdings mit der Auflage, dass <strong>für</strong> später notwendige Erweiterungen<br />
der Fakultät kein weiteres Gelände des Englischen Gartens in<br />
Anspruch genommen werde. Demoll versicherte, das Gelände der Hofbaumschule<br />
decke auf absehbare Zeit, „etwa auf 100 Jahre hinaus“, <strong>den</strong><br />
Bedarf der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät. Demoll forderte zusätzlich noch die<br />
Verlegung der <strong>Hufbeschlag</strong>schule, die dem Landwirtschaftsministerium<br />
154 Im Rahmen des ERP (European Recovery Program), des so genannten Marshallplans,<br />
erhielten die veterinärmedizinischen Bildungsstätten in Deutschland später 1,5 Millionen DM<br />
und München mit 800 000 DM <strong>den</strong> größten Anteil davon (Schweizer 2002, 86).
224<br />
unterstand, da sie in der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät einen „Fremdkörper“<br />
darstelle und das Gesamtbebauungsbild störe. Wahrscheinlich ging es ihm<br />
aber eher um <strong>den</strong> damit verbun<strong>den</strong>en Raum- und Gebäudegewinn <strong>für</strong> die<br />
Fakultät. Je<strong>den</strong>falls wollte Demoll versuchen, <strong>den</strong> Leiter der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
155 selbst <strong>für</strong> eine Verlegung der Schule zu gewinnen (BayHStA MK<br />
69128, 21.9.1951).<br />
„Die Tiermediziner knabbern am Englischen Garten“ lautete eine Schlagzeile<br />
im Münchner Merkur 156 . Vorausgegangen war eine Bürgerversammlung<br />
in Schwabing am 31. Mai 1952, auf der scharf gegen <strong>den</strong><br />
Wiederaufbau der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät Stellung genommen wurde. Die<br />
Bürger sahen in der Bebauung eine Gefahr <strong>für</strong> <strong>den</strong> Englischen Garten.<br />
Geplant war „eine dreigeschossige (von der Hofseite aus fünfgeschossige)<br />
Klinik entlang der Königinstraße auf dem Gelände der ehemaligen<br />
Hofbaumschule mit drei rechtwinklig an <strong>den</strong> Hauptbau stoßen<strong>den</strong> flachen<br />
Stallungsgebäu<strong>den</strong>“. Die Gegner bezeichneten die ganze Fakultät von<br />
Anfang an als „landschaftliche Fehlplanung“ und die Tiermedizin gehöre<br />
„hinaus aus der Stadt“. Geheimrat Demoll 157 entgegnete, dass diese Lösung<br />
nicht finanzierbar und die Aufteilung der Fakultät auf drei Standorte<br />
untragbar sei. Der Rektor der Universität, Prof. Michael Schmaus, sorgte<br />
sich um die „universitas“. Die Tiermediziner brauchten einen „umfassen<strong>den</strong><br />
Blick“ und dürften <strong>den</strong> Zusammenhang mit der Universität nicht<br />
verlieren (BayHStA MK 69128). Die Nähe zur Alma mater müsse erhalten<br />
bleiben (Boessneck 1972, 329).<br />
In München wurde 1952 offen über die mögliche Schließung der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät gesprochen, da staatliche Mittel <strong>für</strong> einen Ausbau<br />
oder die aus Platzgrün<strong>den</strong> angestrebte Verlegung der Fakultät fehlten<br />
(Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch 1990, 23, 26). Die Süddeutsche Zeitung<br />
zitierte am 21. November 1952 sogar einen Brief des Dekans Prof.<br />
Johannes Brüggemann an <strong>den</strong> Rektor der Universität, aus dem hervorging,<br />
dass die Fakultät noch schlechter dastehe als vor 1914 und die Dozenten es<br />
nicht weiter verantworten könnten, noch weiterhin Stu<strong>den</strong>ten aufzunehmen.<br />
Es bliebe keine andere Möglichkeit, als <strong>den</strong> Unterrichtsbetrieb an<br />
Ostern einzustellen. Das veranlasste <strong>den</strong> Kultusminister vier Wochen<br />
später, einen beschleunigten Wiederaufbau und eine „angemessene Ausstattung“<br />
der Fakultät zu versprechen (Schweizer 2002, 54).<br />
155 Zu diesem Zeitpunkt Hans Jöchle.<br />
156 Münchner Merkur, 9.6.52, Nummer 138, S. 3 (BayHStA MK 69128).<br />
157 Der Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät.
225<br />
5.3.2 Professorenschaft und Entnazifizierung in München<br />
Die Besatzungsmächte lasteten <strong>den</strong> Professoren und Dozenten schwer an,<br />
dass sich die deutschen Hochschulen dem Nationalsozialismus nicht<br />
vehementer entgegengesetzt hatten und nach der Machtergreifung mit dem<br />
Regime kooperierten. Deshalb wurde nun eine Umerziehung „von unten<br />
nach oben“ angestrebt, die in <strong>den</strong> Schulen beginnen sollte. Man wollte die<br />
Hochschulen nach Kriegsende sogar <strong>für</strong> zwei Jahre schließen. Doch die<br />
Alliierten merkten schnell, dass die Lehr- und Forschungsarbeiten der<br />
Hochschulen unverzichtbar waren (Schweizer 2002, 46-47).<br />
Das Bayerische Staatsministerium des Innern gab im Sommer 1945<br />
bekannt, „mit einer Eröffnung der tierärztlichen Fakultät der Universität<br />
München [sei] in absehbarer Zeit zu rechnen“, was auch über Rundfunk<br />
bekannt gegeben wurde. „Doch ist es leider noch nicht möglich, einen<br />
genauen Zeitpunkt anzugeben“ (BayHStA MInn 87315).<br />
Am 15. Oktober 1945 genehmigte die Militärregierung Bayern, dass die<br />
bayerischen Hochschulen mit sofortiger Wirkung <strong>den</strong> Lehrbetrieb wieder<br />
aufnehmen sollten. Dazu wurde ein Ausschuss gegründet, der die<br />
Wiedereröffnung der Universität vorzubereiten hatte. Er sollte aus Rektor,<br />
Prorektor und je zwei Vertretern der einzelnen Fakultäten bestehen.<br />
Mitglied durfte nur sein, wer weder der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen<br />
angehört hatte und politisch unbelastet war. Die Organisation<br />
wurde dem Rektor übertragen. Maßgebend sollten nicht Amt und Würde<br />
sein, sondern nur, dass von der jeweiligen Person eine tatkräftige<br />
Förderung der Arbeiten zu erwarten war. Auch Professoren, die aus<br />
politischen, weltanschaulichen oder rassischen Grün<strong>den</strong> ausgeschie<strong>den</strong><br />
waren und mit deren Rückkehr zu rechnen war, zog man in Betracht. Der<br />
Rektor hatte schon am 12. Oktober eine solche Liste erstellt: Von jeder<br />
Fakultät wur<strong>den</strong> je nach Eignung ein bis drei Professoren vorgeschlagen.<br />
An der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät handelte es sich um Prof. Karl Hilz und<br />
Prof. Melchior Westhues (BayHStA MK 69087, 12.10.1945), die am<br />
5. November 1945 auch von der Militärregierung bestätigt wur<strong>den</strong><br />
(BayHStA MK 69087). Der Ausschuss war auch <strong>für</strong> die Wiederbesetzung<br />
derjenigen Lehrstühle zuständig, deren Inhabern ihr Amt entzogen wor<strong>den</strong><br />
war. Die neuen Lehrkräfte wur<strong>den</strong> ausdrücklich nur vorübergehend und
226<br />
nach Genehmigung der Militärregierung und des Staatsministeriums <strong>für</strong><br />
Unterricht und Kultus eingesetzt (BayHStA MK 69087). 158<br />
Außerdem fiel die „politische Säuberung“ der Universitätsprofessoren in<br />
<strong>den</strong> Aufgabenbereich des Ausschusses. Es sollten Berichte über alle<br />
Professoren verfasst wer<strong>den</strong>, die die Mitgliedschaft in der Partei und ihren<br />
Gliederungen erfassten. Auch Verwandte, die bekannte Nazis waren, sowie<br />
sämtliche Veröffentlichungen waren von Interesse. Hinzu kamen noch die<br />
„Karriere“ im Heer und Hinweise auf eine mögliche „Anti-Nazi-Tätigkeit“<br />
(BayHStA MK 69087, 24.10.1945). Darüber hinaus mussten „Personal,<br />
Studienpläne und Stu<strong>den</strong>tenschaft völlig von Nationalsozialismus und<br />
Militarismus gesäubert wer<strong>den</strong>“. Forschung war grundsätzlich verboten,<br />
nur einzelne, von der Militärregierung genehmigte Projekte konnten<br />
durchgeführt wer<strong>den</strong>. Zur Ergänzung des Lehrkörpers sollte wieder das<br />
alte Vorschlagsrecht über Fakultät und Senat hergestellt wer<strong>den</strong>. Später<br />
wur<strong>den</strong> auch im Rahmen des Planungsausschusses erstellte „Reinigungsausschüsse“<br />
zur Durchführung der Entnazifizierung in Erwägung gezogen<br />
(BayHStA MK 69087, 9.11.1945). 159<br />
Anfangs bestätigte die Militärregierung nur die Professoren Westhues, Hilz<br />
und Demoll, letzterer wurde jedoch bald ans Bayerische Kultusministerium<br />
berufen (Boessneck 1972, 325). Später kamen Landwirtschaftsrat Eugen<br />
Mennel, der städtische Veterinärdirektor a. D. Hans Kuppelmayr und<br />
Ministerialrat Dr. Wilhelm Pschorr als Lehrkräfte an der Fakultät hinzu<br />
(Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch 1990, 19). Der Prüfungssausschuss<br />
„genehmigte“ am 21. Februar 1946 an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät Oskar<br />
Seifried, Melchior Westhues, Johannes Nörr und Irmgard Sassenhoff 160 ,<br />
während Wilhelm Ernst, Eduard Heidegger, Hans Jöchle, Rudolf Stetter,<br />
Fritz Stockklausner, Anton Stoß (Vater und Sohn) und Hans Sedlmeier<br />
entlassen wur<strong>den</strong> (UAM Sen-III-1b). 161<br />
In <strong>den</strong> nächsten Kapiteln soll das Umfeld Hans Jöchles an der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät München skizziert wer<strong>den</strong>. Dabei fin<strong>den</strong> auch die anderen<br />
Berufungsverfahren (bzw. Ernennungen) an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
158 Brief von Dr. Hans Meinzolt aus dem Bayerischen Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus an die Rektoren der drei Landesuniversitäten sowie <strong>den</strong> Rektor der Technischen<br />
Hochschule München vom 15. Oktober 1945.<br />
159 Brief des Bayerischen Staatsministeriums <strong>für</strong> Unterricht und Kultus an die Rektoren der<br />
drei Landesuniversitäten sowie <strong>den</strong> Rektor der Technischen Hochschule München vom 9. November<br />
1945.<br />
160 Später verheiratete Gylstorff.<br />
161 Zur Entnazifizierung siehe auch Schimanski (2000, 34-49).
227<br />
München in der Zeit des Nationalsozialismus Berücksichtigung. Um die<br />
berufliche Entwicklung Hans Jöchles nach dem Zweiten Weltkrieg besser<br />
einschätzen zu können, wird kurz die Entnazifizierung und weitere<br />
Laufbahn der Kollegen an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München dargestellt.<br />
Der Verlust einer Professur war durchaus kein <strong>Ein</strong>zelschicksal. <strong>Ein</strong>ige<br />
Professoren erlangten, obwohl sie erst nach mehreren Verfahren endgültig<br />
entnazifiziert wor<strong>den</strong> waren, auf <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>sten Wegen wieder eine<br />
Professur. <strong>Ein</strong>zigartig ist sicherlich, dass der Lehrstuhl Hans Jöchles als<br />
nicht mehr zeitgemäß betrachtet und deshalb eingezogen wurde. Die<br />
schlechte Finanzlage und der dringende Bedarf an anderen Instituten<br />
(Parasitologie und Nahrungsmittelkunde) taten ein Übriges.<br />
In der Zeit von 1937 bis 1939 hatte Hans Jöchle offensichtlich gute<br />
Beziehungen zu Dekan Ernst und <strong>den</strong> Professoren Nörr, Stockklausner,<br />
Demoll und Sedlmeier. Der Umgang mit Westhues war sehr distanziert<br />
(Jöchle, W. 2004, mdl. Mitt.).<br />
Reinhard Demoll<br />
Dr. phil. Reinhard Demoll (geboren am 3. Dezember 1882 in Kenzingen in<br />
Ba<strong>den</strong>) war seit 1917/18 Leiter des Zoologischen Instituts (Boessneck<br />
1972, 315; Ahne u. a. 1990, 125) und wirkte über 40 Jahre an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München (Koch 1972, 25). 1931/32 wurde er der<br />
erste Rektor der LMU, der aus der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät kam (Boessneck<br />
1972, 315).<br />
Demoll hatte sich von NSDAP-Gliederungen ferngehalten und war auch<br />
wenig in angeschlossenen Verbän<strong>den</strong> tätig. Er erwarb lediglich<br />
Mitgliedschaften im Reichsluftschutzbund, in der NS-Volkswohlfahrt<br />
(1935) und der NS-Stu<strong>den</strong>tenkampfhilfe (1937) (UAM E-II-1114,<br />
20.7.1939). Deshalb wurde er ab Oktober 1945 an das Bayerische<br />
Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus berufen und konnte weiterhin<br />
seine or<strong>den</strong>tliche Professur versehen. Der öffentliche Kläger der<br />
Spruchkammer VI in München ließ ihm am 5. Mai 1947 noch <strong>den</strong><br />
Bescheid zukommen, dass er aufgrund der Angaben in seinem Meldebogen<br />
vom Gesetz zu Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom<br />
5.3.1946 nicht betroffen sei (UAM E-II-1114).
228<br />
Im Dezember 1951 gab Demoll in der Fakultät bekannt, dass er, immerhin<br />
schon 69 Jahre alt, um seine Emeritierung bitten wolle. Daraufhin schrieb<br />
Prodekan Prof. Westhues im Januar 1952 an <strong>den</strong> Rektor der Universität<br />
und das Bayerische Kultusministerium, dass Demoll in diesem Jahr Dekan<br />
und damit auch Vertreter der Fakultät im Senat sei. Die schwierige Lage<br />
der Fakultät und die neu zu besetzen<strong>den</strong> Lehrstühle machten einen<br />
sofortigen Wechsel des Dekans unmöglich. „Die Fakultät bittet daher, das<br />
Gesuch von Herrn Geheimrat Demoll nicht zu genehmigen, solange er<br />
Dekan der Fakultät ist“. So wurde Professor Demoll erst zum 1. Oktober<br />
1952 emeritiert (UAM E-II-1114). Trotzdem leitete er das Zoologische<br />
Institut noch bis 1954 und übernahm auch die Vorlesungen in<br />
Parasitologie, so dass das Institut 1951 offiziell in Zoologisch-Parasitologisches<br />
Institut umbenannt wurde (Boessneck 1972, 333).<br />
Wilhelm Ernst<br />
Dr. med. vet. Wilhelm Ernst (geboren am 16. Mai 1879 in Augsburg)<br />
wurde am 1. Oktober 1927 zum or<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> Hygiene an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München und Vorstand des gleichnamigen Instituts<br />
ernannt (UAM E-II-1254; Boessneck 1972, 317). 162 Er wurde schon 1933<br />
NSDAP-Mitglied und erlangte später auch Mitgliedschaften in zahlreichen<br />
NS-Unterorganisationen: Förderndes Mitglied des Allgemeinen SS-Reitersturms<br />
(1933), SA-Reserve (1933), NS-Dozentenbund (1933), NS-Altherrenbund,<br />
NS-Volkswohlfahrt (1934), NS-Ärztebund (1934), Reichsschrifttumskammer<br />
(1934), Reichsluftschutzbund (1934), Volksbund <strong>für</strong><br />
das Deutschtum im Ausland (1936) und NS-Stu<strong>den</strong>tenkampfhilfe (1936).<br />
Am 5. Oktober 1939 wurde Ernst als Oberstabsveterinär der Reserve zur<br />
Wehrkreisveterinär-Untersuchungsstelle VII in München-Neuherberg einberufen,<br />
anfangs aber noch <strong>für</strong> die Durchführung der Examina beurlaubt<br />
(UAM E-II-1254; BayHStA MK 43573). Da „die Untersuchungsstelle im<br />
Bereich des Standorts München liegt“, konnte er seine Aufgaben als<br />
Prorektor, Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät und Institutsvorstand weiterhin<br />
erfüllen (UAM E-II-1254).<br />
162 1935 wurde Ernst als Dekan eingesetzt und, entgegen früheren Gebräuchen, behielt er<br />
diese Funktion bis Kriegsende bei. 1936 bis 1941 war er sogar Prorektor der Universität und<br />
konnte deshalb bei Kriegsbeginn und der damit verbun<strong>den</strong>en Schließung der Fakultät in der<br />
Nähe Münchens bleiben (Eichhorn 1951, 51; Boessneck 1972, 317).
229<br />
Schon im Januar 1945 bat Wilhelm Ernst, aus gesundheitlichen Grün<strong>den</strong>,<br />
um die Entlassung aus dem Amt des Dekans der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
zum 1. Februar. Rektor Walther Wüst bestimmte Anton Stoß jun. zum<br />
Nachfolger Ernsts, der nun Prodekan wer<strong>den</strong> sollte (UAM E-II-1254).<br />
Am 15. November 1945 wurde Prof. Ernst vorläufig vom Dienst enthoben.<br />
Da er am 20. August 1948 (StAM SpkA K 375 Wilhelm Ernst) in die<br />
Gruppe der Mitläufer eingestuft wor<strong>den</strong> war (UAM E-II-1254), verlangte<br />
Ernst im September 1948 seine Wiedereinstellung mit gleichzeitiger<br />
Versetzung in <strong>den</strong> Ruhestand (BayHStA MK 43573). <strong>Ein</strong>en Monat später<br />
wurde seine Dienstenthebung endgültig bestätigt (UAM E-II-1254).<br />
Wilhelm Ernst war inzwischen ein alter, kranker Mann, durch Kriegsverluste<br />
und die Währungsreform um alle Reserven gebracht (UAM E-II-<br />
1254, 8.8.1951). Am 31. Dezember 1951 (UAM E-II-1254) starb er im<br />
Alter von 72 Jahren in Schleißheim (Boessneck 1972, 317).<br />
Oskar Seifried<br />
Am 1. April 1932 erfolgte die Berufung von Prof. Dr. Oskar Seifried aus<br />
Gießen (geboren am 16. August 1896 in Schwäbisch-Hall) auf die<br />
außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> allgemeine Pathologie und pathologische<br />
Anatomie in München (BayHStA MK 69629; UAM E-II-3132). 1933<br />
erhielt er Amtsbezeichnung und akademische Rechte eines or<strong>den</strong>tlichen<br />
Professors und 1934 im Rahmen der Rufabwendung dann auch das<br />
entsprechende Gehalt (UAM E-II-3132). Nach der Aufforderung des<br />
Rektors, dem Senat einen Überblick über die Verhältnisse an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät zu geben, schrieb Seifried im Januar 1934 einen<br />
neunseitigen Bericht, in dem er massiv die baulichen Missstände an der<br />
Fakultät anprangerte. Auch die veraltete <strong>Ein</strong>richtung und die hygienischen<br />
Verhältnisse wur<strong>den</strong> kritisiert. Schließlich berichtete er, einen Ruf auf <strong>den</strong><br />
or<strong>den</strong>tlichen Lehrstuhl <strong>für</strong> Veterinärpathologie an der Gießener Fakultät<br />
erhalten zu haben. Die Verhältnisse dort seinen soviel besser, dass er <strong>den</strong><br />
Ruf annehme, wenn München nicht auf seine Forderungen einginge,<br />
insbesondere „bin<strong>den</strong>de Versprechungen <strong>für</strong> <strong>den</strong> Neubau eines Institutes<br />
<strong>für</strong> Tierpathologie“ gebe (UAM E-II-3132, 24.1.1934).<br />
Ab 1. November 1939 absolvierte Seifried seinen Wehrdienst als Führer<br />
des Heimatpferdelazaretts 105 in Ulm an der Donau, wo Prof. Westhues
230<br />
Chef der chirurgischen Abteilung wurde (Gylstorff 1990, 36). Nach dem<br />
Krieg kehrte auch Seifried an die Fakultät zurück und beteiligte sich am<br />
Wiederaufbau auf dem Oberwiesenfeld, wo er am Nachmittag des<br />
4. Dezember 1945 von der Militärregierung abgeholt wurde,<br />
„da er übersehen hat, auf seinem Fragebogen die Zugehörigkeit zu<br />
einigen kleineren Organisationen anzugeben (Reichskriegerbund,<br />
Verein <strong>für</strong> das Deutschtum im Ausland, NS-Lehrerbund und NS-<br />
Altherrenbund). Wie mir Herr Westhues mitteilte, wurde Herr<br />
Seifried in <strong>den</strong> vorausgegangenen 14 Tagen 2 x einem Verhör<br />
unterzogen. Die Tatsache kam bei einem Vergleich der Parteikarteikarte<br />
mit dem Fragebogen ans Licht“ (UAM E-II-3132; Mitteilung<br />
von Dekan Karl Hilz an <strong>den</strong> Rektor der Universität, 7.12.1945).<br />
Seifried wurde ins Gefängnis Stadelheim gebracht. Melchior Westhues und<br />
Walther Baier bemühten sich von Anfang an um seine Entlassung (Röcken<br />
2002, 83).<br />
Als Mitglied der NSDAP (1937), des NS-Deutschen Stu<strong>den</strong>tenbundes<br />
(1937) und der NS-Stu<strong>den</strong>tenkampfhilfe (1937) wurde Seifried am<br />
13. November 1946 aus dem Dienst entlassen, da er „im Hinblick auf die<br />
verlangten positiven politischen liberalen und sittlichen Eigenschaften“<br />
<strong>den</strong> Ansprüchen der Militärregierung nicht entsprach (UAM E-II-3132).<br />
Am Vormittag des 13. Dezember 1947 starb Professor Seifried, im Alter<br />
von 51 Jahren, unerwartet an Herzversagen (Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch<br />
1990, 19; UAM E-II-3132). <strong>Ein</strong> Monat zuvor war ihm die endgültige<br />
Amtsenthebung mitgeteilt wor<strong>den</strong> (UAM E-II-3132) 163 . Melchior Westhues<br />
schilderte <strong>den</strong> Vorfall 1948 in einem Brief an einen Tierarzt aus<br />
Schussenried folgendermaßen:<br />
„Professor Seifried befand sich in ausgezeichneter Gesundheit,<br />
bekam aber einen Herzinfarkt und starb morgens in meiner Klinik,<br />
innerhalb einer Stunde an Dyspnoe. Wir trauern ihm sehr nach“<br />
(IGTM o. Sign.).<br />
163 Der somit frei wer<strong>den</strong>de or<strong>den</strong>tliche Lehrstuhl <strong>für</strong> Pathologische Anatomie wurde erst im<br />
Mai 1952 mit Prof. Sedlmeier wieder besetzt (UAM E-II-3132).
Hans Sedlmeier<br />
231<br />
Im Jahr 1925 wurde Dr. Hans Sedlmeier 164 (geboren am 14. Juni 1900 in<br />
Vel<strong>den</strong>, Vils) unter Prof. Theodor Kitt Assistent am Pathologischen Institut<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München und blieb dort auch, als 1932 Oskar<br />
Seifried die Nachfolge Kitts antrat (BayHStA MK 69629). Der Parteiobmann<br />
an der Fakultät drängte Sedlmeier, in die Partei oder eine ihrer<br />
Gliederungen einzutreten, da ansonsten eine Habilitation nicht möglich sei.<br />
Auch unter dem Dozentenbundführer hatte Sedlmeier zu lei<strong>den</strong>. Deshalb<br />
trat er 1933, wenig begeistert, in die SA ein, wo er 1937 automatisch in die<br />
Partei überführt wurde (StAM SpkA K 1500 Hans Sedlmeier). Hinzu<br />
kamen noch einige Mitgliedschaften in <strong>den</strong> harmloseren Gliederungen wie<br />
Reichsluftschutzbund (UAM E-II-3117), NS-Volkswohlfahrt (1934) und<br />
NS-Dozentenbund (1939). 1939 trat Sedlmeier wieder aus der SA aus<br />
(StAM SpkA K 1500 Hans Sedlmeier).<br />
Es gelang ihm im Jahr 1935, eine Stelle als Oberassistent am Hygienischen<br />
Institut zu bekommen, und er habilitierte sich 1936 <strong>für</strong> Hygiene, Bakteriologie<br />
und Nahrungsmittelhygiene (BayHStA MK 69629). Am 21. Juni<br />
1937 wurde Hans Sedlmeier die Dozentur <strong>für</strong> „Hygiene, Bakteriologie,<br />
Fleischbeschau und Milchhygiene“ übertragen. Zum Dozenten wurde er<br />
erst zwei Jahre später ernannt. Im September 1942 setzte sich Dekan Ernst<br />
<strong>für</strong> seine Ernennung zum außerplanmäßigen Professor ein (BayHStA MK<br />
44324), die der Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung<br />
am 13. Mai 1943 auch vollzog (UAM E-II-3117).<br />
Auf Weisung der Militärregierung wurde Sedlmeier am 15. Oktober 1945<br />
vom Dienst enthoben (BayHStA MK 69629), im Dezember 1945 erhielt er<br />
die Genehmigung zur Niederlassung als Tierarzt. Daraufhin arbeitete er als<br />
praktischer Tierarzt (StAM SpkA K 1500 Hans Sedlmeier).<br />
Im Tierhygienischen Institut gab es nach Kriegsende keinerlei wissenschaftliches<br />
Personal, da Dekan Hilz keine unbelastete, geeignete Vertretung<br />
<strong>für</strong> Prof. Sedlmeier fin<strong>den</strong> konnte, und so teilte Hilz am 18. September<br />
1946 dem Staatsministerium <strong>für</strong> Sonderaufgaben mit, „auch Prof.<br />
Sedlmeier bedeutet keine Gefahr <strong>für</strong> die öffentliche Sicherheit“, und er bat<br />
um eine beschleunigte Entnazifizierung Sedlmeiers (StAM SpkA K 1500<br />
Hans Sedlmeier).<br />
164 Studium und Promotion in München (1921-1925) (BayHStA MK 69629).
232<br />
Am 8. Mai 1947 wurde das Entnazifizierungsverfahren eingestellt und<br />
Hans Sedlmeier als vom Gesetz nicht betroffen eingestuft (StAM SpkA K<br />
1500 Hans Sedlmeier). Nachdem er bereits im Herbst 1947 eine<br />
Assistentenstelle an der Universität erhalten hatte, ernannte ihn das<br />
Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus am 1. April 1948<br />
zum außerplanmäßigen Professor <strong>für</strong> „Hygiene, Bakteriologie, Fleischbeschau<br />
und Milchhygiene“ (UAM E-II-3117). Gleichzeitig wurde er zum<br />
kommissarischen Vertreter der or<strong>den</strong>tlichen Professur <strong>für</strong> allgemeine<br />
Pathologie und pathologische Anatomie ernannt (BayHStA MK 69629;<br />
UAM E-II-3117). Am 1. Februar 1951 wurde Sedlmeier außeror<strong>den</strong>tlicher<br />
Professor <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde an der Universität München (UAM E-<br />
II-3117).<br />
Die außeror<strong>den</strong>tliche Professur, die Sedlmeier nun erhalten hatte, war<br />
ursprünglich diejenige von Prof. Hans Jöchle <strong>für</strong> Hufkrankheiten, Theorie<br />
des <strong>Hufbeschlag</strong>s und Beschirrungslehre. Im August 1947 war die<br />
Umwandlung in die außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau erfolgt,<br />
die im Januar 1951 wiederum in „außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde“<br />
umbenannt wurde (UAM E-II-3117). Doch schon im<br />
Mai 1952 wurde Sedlmeier zum or<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> allgemeine<br />
Pathologie und pathologische Anatomie berufen (BayHStA MK 44324)<br />
und führte das neu eingerichtete Institut <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde nur<br />
kommissarisch weiter (Krauße, Zaadhof 1990, 86) 165 .<br />
Anton Otto Stoß<br />
Anton Otto Stoß jun. 166 (geboren am 3. Juni 1888 in München) arbeitete<br />
seit 1918 an einer anatomischen Aufgabenstellung, mit der er sich 1920 <strong>für</strong><br />
Anatomie habilitieren wollte. „Aus aeusseren Grün<strong>den</strong> gab Stoß diesen<br />
Plan auf“ (BayHStA MK 69630, Ernst). Genauer betrachtet wollte Anatom<br />
Anton Stoß sen. seinen Sohn zu seinem Nachfolger machen. Doch die<br />
Fakultät wehrte sich gegen eine solche Hausberufung, und so ging Anton<br />
165 Zusätzlich wurde der frühere Präsi<strong>den</strong>t der Bayerischen Tierärztekammer und Münchner<br />
Schlachthofdirektor, Dr. Hans Kuppelmayr, 1947 zum Honorarprofessor <strong>für</strong> Schlachtvieh-<br />
und Fleischbeschau berufen und später auch <strong>für</strong> <strong>Leben</strong>smittelkunde (Krauße, Zaadhof 1990,<br />
86).<br />
166 Nach der Approbation 1912 war Stoß Assistent an der Chirurgischen Tierklinik der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Berlin, wo er 1913 promovierte. Danach erhielt er eine Assistentenstelle<br />
in der Münchner Chirurgie. Von 1915 bis 1918 leistete er Heeresdienst (BayHStA<br />
MK 69630).
233<br />
Stoß jun. mit seiner in München vorbereiteten, anatomischen Habilitationsschrift<br />
nach Berlin (Koch 1972, 46). Dort erfolgte seine Habilitation <strong>für</strong><br />
„Geburtshilfe innerhalb der Chirurgie“ am 29. Juli 1919 (BayHStA MK<br />
69630).<br />
Bis zum Jahr 1917 wur<strong>den</strong> in München die Fächer Geburtshilfe und<br />
Tierzucht von einer Professur vertreten. Erst 1917 wur<strong>den</strong> die Gebiete<br />
getrennt. Für zwei Ordinariate fehlten aber die finanziellen Mittel, und so<br />
wurde aus Grün<strong>den</strong> der Personalpolitik das Ordinariat an die Tierzucht<br />
unter Leonhard Vogel gegeben. Für die Geburtshilfe stand nur noch ein<br />
Extraordinariat zur Verfügung, auf das der Landestierarzt Gustav von<br />
Vaerst berufen wurde. Von Vaerst verstarb aber nach kurzer Zeit, und<br />
Anton Otto Stoß jun. trat seine Nachfolge an (Koch 1972, 45-46): Im<br />
August 1923 wurde er zum außeror<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> Geburtshilfe<br />
und Ambulatorische Klinik an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München<br />
ernannt und 1930 zum or<strong>den</strong>tlichen Professor „befördert“ (BayHStA MK<br />
69630).<br />
Anton Stoß sen. ließ sich 1933 im Alter von 75 Jahren nach 50jähriger<br />
Lehrtätigkeit emeritieren. Danach leitete er das Institut <strong>für</strong> Tieranatomie<br />
noch ein Jahr lang weiter (Boessneck 1972, 315). Die Fakultätsvorschläge<br />
<strong>für</strong> seine Nachfolge ließen sich nicht verwirklichen, da Prof. Wilhelm<br />
Schauder aus Gießen abgelehnt und Prof. Eberhard Ackerknecht aus<br />
Zürich einen anderen Ruf erhalten hatte (BayHStA MK 69630; Böhm<br />
1995, 440; Möllers 2002, 59).<br />
Stoß jun. hatte einige anatomische Arbeiten vorzuweisen und „Umfragen<br />
bei namhaften tierärztlichen Anatomen ergaben“, dass seine anatomischen<br />
Arbeiten und sein Wissen „hoch eingeschätzt“ wur<strong>den</strong> (BayHStA MK<br />
69630, Ernst). Prof. Ernst 167 erklärte dem Senat der Universität München:<br />
„Die Persönlichkeit und die charakterlichen Eigenschaften von<br />
A. O. Stoß sind der Fakultät ebenso rühmlich bekannt wie seine ausgezeichnete<br />
Eignung als Lehrer und Forscher und seine Beliebtheit<br />
bei <strong>den</strong> Studieren<strong>den</strong>“ (BayHStA MK 69630, Ernst).<br />
Die Fakultät entschied sich am 6. Dezember 1933, Prof. Anton Otto Stoß<br />
jun., <strong>den</strong> or<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> Geburtshilfe und Ambulatorische<br />
167 Da nach Professor Johannes Pächtner (1932/33) Anton Otto Stoß jun. (1933-1935) Dekan<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät war, regelte wohl Prof. Ernst die weiteren Berufungsangelegenheiten.
234<br />
Klinik und Sohn des Emeritus, an die erste Stelle zu setzen und danach Dr.<br />
Hugo Grau einzureihen, <strong>für</strong> <strong>den</strong> sich der Rektor und Forstzoologe Prof.<br />
Karl Leopold Escherich sehr einsetzte. Der Rektor stimmte dem<br />
Berufungsvorschlag der Fakultät nicht zu, was sonst sehr selten vorkam,<br />
und teilte dem Kultusministerium mit, dass er Grau <strong>für</strong> diesen Posten als<br />
am besten geeignet hielt. Grau war Mitglied des Freikorps Epp und am<br />
Hitlerputsch vom 8./9. November 1923 beteiligt gewesen. Der Rektor<br />
erhoffte sich deshalb die Unterstützung des Sachbearbeiters <strong>für</strong> tierärztliche<br />
Angelegenheiten im bayerischen Innenministerium, des späteren<br />
Reichstierärzteführers Dr. Friedrich Weber. Doch Grau hatte Schwierigkeiten,<br />
seine „arische Abstammung“ nachzuweisen, und auch Weber hatte<br />
sich <strong>für</strong> Stoß ausgesprochen (Böhm 1995, 440; Möllers 2002, 59).<br />
So wurde am 1. November 1934 Anton Otto Stoß jun. berufen. Er vertrat<br />
aber weiterhin noch seine alte Professur <strong>für</strong> Geburtshilfe und Ambulatorische<br />
Klinik im Nebenamt (UAM E-II-3277).<br />
Auch Anton Otto Stoß jun. wurde im November 1945 von seinem Amt<br />
enthoben, weil er sich in der NSDAP (1933), der SA-Reserve (1933) und<br />
im NS-Dozentenbund (1937) betätigt hatte, und er wurde am 14. Mai 1948<br />
in die Gruppe der Mitläufer eingereiht 168 (UAM E-II-3277, 14.5.1948).<br />
Aufgrund der geringen Zahl an Tieranatomen in Deutschland konnten nur<br />
nominelle Parteigenossen <strong>für</strong> seine Vertretung ausfindig gemacht wer<strong>den</strong>:<br />
Dr. habil. Walther Baier und Prof. Dr. Hugo Grau (TiHoA o. Sign., Dekan<br />
Hilz an der Rektor der Universität München, 30.4.1946). Als Prof. Stoß<br />
seine Wiedereinstellung beantragte, hatte das Kultusministerium bereits die<br />
Berufung von Walther Baier ausgesprochen. Die Fakultät bot aber an, Stoß<br />
da<strong>für</strong> wieder die außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Geburtshilfe und Ambulatorische<br />
Klinik zu überlassen. Sollte sich das allerdings als „untunlich<br />
erweisen“, sollte er aufgrund seiner langjährigen Dienste (mit 60 Jahren) in<br />
<strong>den</strong> Ruhestand versetzt wer<strong>den</strong> (BayHStA MK 69630).<br />
Der Rektor der Universität München gab am 2. August 1948 eine<br />
politische Unbe<strong>den</strong>klichkeitserklärung <strong>für</strong> Stoß ab und so konnte er im Juli<br />
1949 wieder zum or<strong>den</strong>tlichen Professor berufen und gleichzeitig in <strong>den</strong><br />
Ruhestand versetzt wer<strong>den</strong> (UAM E-II-3277). Die Rechtsstellung eines<br />
emeritierten or<strong>den</strong>tlichen Professors der Universität München wurde ihm<br />
nachträglich am 12. August 1957 zugestan<strong>den</strong> (BayHStA MK 44407), im<br />
168 Zusätzliche Mitgliedschaften bestan<strong>den</strong> beim Reichsbund der Deutschen Beamten (1934),<br />
der NS-Volkswohlfahrt (1934), dem NS-Ärztebund (1934), dem NS-Lehrerbund (1934), dem<br />
Reichsluftschutzbund (1934) und der NS-Stu<strong>den</strong>tenkampfhilfe (1936) (UAM E-II-3277).
235<br />
selben Verfahren mit <strong>den</strong> Professoren Johannes Nörr, Richard Abelein und<br />
Hans Jöchle (UAM E-II-3277).<br />
Walther Baier<br />
Walther Baier (geboren am 22. Juni 1903 in Neustadt a. d. W.) hatte von<br />
1922 bis 1926 in München Tiermedizin studiert. Die Promotion und<br />
Assistenzzeit absolvierte er am Anatomischen Institut in München unter<br />
Prof. Stoß sen. Später ging er nach Berlin und danach nach Hannover, wo<br />
er sich 1931 <strong>für</strong> Anatomie, Histologie und Embryologie habilitierte<br />
(TiHoA o. Sign.; Gylstorff 1958, 335; Schimanski 1997, 116). Seine<br />
Karriere wurde 1933 vorläufig beendet, weil Baier sich geweigert hatte,<br />
einen Spen<strong>den</strong>aufruf der Assistentenschaft <strong>für</strong> eine Hakenkreuzfahne zu<br />
unterschreiben, und seinen Unmut darüber auch äußerte. Das hatte Baiers<br />
Entlassung zur Folge (Schimanski, Schäffer 2001a, 382). 169<br />
„Im Frühjahr 1933 wurde er wegen seiner gegnerischen <strong>Ein</strong>stellung<br />
zum Nationalsozialismus auf Grund eines Senatsbeschlusses [...] aus<br />
seinem Dienst entlassen. Er erhielt mit Schreiben vom 25.7.34 durch<br />
das Ministerium <strong>für</strong> Wissenschaft, Kunst und Volksbildung die<br />
schriftliche Bestätigung, daß seine Entlassung aus politischen<br />
Grün<strong>den</strong> erfolgte“ (TiHoA o. Sign., Dekan Hilz an der Rektor der<br />
Universität München, 30.4.1946).<br />
Auch in München war Baier 1933 <strong>für</strong> die Wiederbesetzung der Anatomieprofessur<br />
vorgeschlagen wor<strong>den</strong>, was aber durch <strong>den</strong> Vorfall in Hannover<br />
vereitelt wurde. Deshalb blieb ihm nur die Arbeit in der tierärztlichen<br />
Praxis. Er bekam ein Amt als stellvertretender Schlachthofleiter in Hersfeld,<br />
aus dem er im Frühjahr 1934 durch einen Parteigenossen wieder<br />
verdrängt wurde. Daraufhin gründete er dort eine Tierarztpraxis und im<br />
Juli wurde er von der Reiter-SA mit der Überwachung ihres Pferdebestandes<br />
betraut. Auch als er nach Markthei<strong>den</strong>feld umzog, wurde er dort<br />
von der SA erfasst und kam als Tierarzt zur Reiter-SA Remlingen, die aus<br />
einem ländlichen Reitverein hervorgegangen war. Aufgrund dieser Tätigkeit<br />
wurde er am 1. Mai 1937 automatisch in die Partei übernommen<br />
(TiHoA o. Sign., Dekan Hilz an der Rektor der Universität München,<br />
30.4.1946).<br />
169 Siehe Schimanski (1997, 115-130).
236<br />
Baier hatte engen Bezug zur Vereinigung der Freunde der Burg Rothenfels,<br />
einer katholischen Organisation, die <strong>den</strong> Nationalsozialisten ein Dorn im<br />
Auge war. Im August 1939 hatte Baier zufällig von der bevorstehen<strong>den</strong><br />
Räumung der Burg durch die Gestapo erfahren. Daraufhin warnte er die<br />
Vereinigung um Professor Romano Guardini und half mit, belastendes<br />
Material zu vernichten (Schimanski 1997, 128).<br />
Während des Zweiten Weltkriegs tat Baier in <strong>den</strong> Pferdelazaretten<br />
Nürnberg und Ulm Wehrdienst als Veterinäroffizier, wo er mit Melchior<br />
Westhues in Kontakt kam (Röcken 1999, 44-45; Röcken 2002, 141). In der<br />
Nachkriegszeit bemühte sich Westhues, Baier nach München an die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Fakultät zu holen (Röcken 2002, 79). Als die Militärregierung<br />
Baier wegen seiner Partei- und SA-Mitgliedschaft ablehnte, bemühte sich<br />
die Fakultät, Baier als Gegner des Nationalsozialismus darzustellen und<br />
bezeichnete ihn vielmehr als „Opfer seiner politischen Überzeugung“<br />
(TiHoA o. Sign.). Hermann Röcken, der spätere Assistent von Westhues,<br />
berichtet über Baiers Entnazifizierung:<br />
„Alle bestätigten einhellig, daß Baiers Weltanschauung dem Nationalsozialismus<br />
konträr eingestellt war, woraus er auch keinen Hehl<br />
gemacht hat und daß er auch niemals ein Militarist war. Bestätigt<br />
wird ganz besonders, daß er als eines der ersten Opfer des NS-<br />
Regimes schon 1933 Schlimmes zu erdul<strong>den</strong> hatte“ (Röcken 2002,<br />
80).<br />
Die Spruchkammer Markthei<strong>den</strong>feld hatte Walther Baier am 30. Juli 1946<br />
in die Gruppe der Entlasteten eingereiht. Daraufhin legte der öffentliche<br />
Kläger Berufung ein, doch die Berufungskammer Würzburg stufte Baier<br />
am 4. Februar 1948 erneut in die Gruppe der Entlasteten ein (BayHStA<br />
MK 69630).<br />
Am 1. September 1948 wurde Dr. habil. Walther Baier (BayHStA MK<br />
69630) auf <strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong> Anatomie, Histologie und Embryologie an<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München berufen (Walser, Stolla 1990, 159).<br />
Als erfahrener Praktiker konnte er nun zusätzlich noch die Fächer Geburtshilfe,<br />
Ambulatorische Klinik und Zuchtschä<strong>den</strong> und Aufzuchtkrankheiten<br />
vorläufig übernehmen (TiHoA o. Sign., Dekan Hilz an der Rektor der<br />
Universität München, 30.4.1946). Da Baier auch die Gynäkologie betreuen<br />
musste, wurde er in der Lehre der Anatomie von Arturs Vitums und<br />
danach von Eberhard Ackerknecht vertreten. Ab dem WS 1951/52 hielt
237<br />
Hugo Grau die Anatomievorlesungen, bis ihm 1953 das Ordinariat<br />
vollständig übertragen wurde (Vollmerhaus 1990, 58-59).<br />
Hugo Grau<br />
Hugo Grau (geboren am 15. April 1899 in Vilsbiburg, Niederbayern)<br />
studierte in München Tiermedizin und promovierte dort auch (Möllers<br />
2002, 153). Danach habilitierte er sich in Leipzig <strong>für</strong> Veterinär-Anatomie.<br />
Im Frühjahr 1934 erhielt er einen Ruf nach München. Da Grau „Halbjude“<br />
war, konnte er keinen „Arier-Nachweis“ erbringen und damit die Stelle<br />
nicht bekommen. 170 Aus diesem Grunde wurde er in Leipzig ebenfalls<br />
entlassen. So ging er <strong>für</strong> drei Jahre an die Landwirtschaftlich-<strong>Tierärztliche</strong><br />
Hochschule Karadji (Iran), bis er wegen einer Erkrankung seiner Frau nach<br />
Deutschland zurückkehren musste. Am 6. Mai 1935 hatte ihn die<br />
„Reichsstelle <strong>für</strong> Sippenforschung“ dann doch als Arier eingestuft und<br />
1937 ermöglichte ihm ein Spezialgutachten des Reichs-Sippenamts <strong>den</strong><br />
<strong>Ein</strong>tritt in die Partei. 1939 richtete er das Veterinäruntersuchungsamt in<br />
Karlsbad ein und übernahm dessen Leitung, bis er am 11. Mai 1945 von<br />
dort floh (TiHoA o. Sign., Dekan Hilz an der Rektor der Universität<br />
München, 30.4.1946; BayHStA MK 69630; Möllers 2002, 152-153).<br />
Grau kehrte nach München zurück, wo er im Sommer 1945 die Leitung der<br />
Veterinärpolizeilichen Anstalt in Schleißheim übernahm (Vollmerhaus<br />
1999, 47). Als „Halbjude“ hatte er sicherlich keine Schwierigkeiten mit der<br />
Entnazifizierung. Als 1951 der Anatom Eberhard Ackerknecht die<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Fakultät recht plötzlich verließ, sprang Grau als Ersatz <strong>für</strong> ihn<br />
ein und übernahm 1953 dessen Professur (Vollmerhaus 1999, 60, 63).<br />
Richard Abelein<br />
Am 1. November 1935 erhielt Dr. Richard Abelein 171 (geboren am 24. Juni<br />
1891 in München) <strong>den</strong> außeror<strong>den</strong>tlichen Lehrstuhl „<strong>für</strong> Geburtshilfe, <strong>für</strong><br />
die Behandlung von Außenfällen (ambulatorische Klinik) sowie <strong>für</strong><br />
Zuchtschä<strong>den</strong> und Aufzuchtkrankheiten in der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der<br />
170 Siehe auch Kap. 5.3.2 „Anton Otto Stoß“.<br />
171 Richard Abelein studierte von 1910 bis 1914 an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule München<br />
Tiermedizin. Nach dem Kriegseinsatz ließ er sich 1919 als praktischer Tierarzt in<br />
Hemigkofen-Nonnenbach am Bo<strong>den</strong>see nieder (Weber 1951, 260).
238<br />
Universität München“, der durch die Berufung von Anton Stoß jun. auf<br />
<strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong> Anatomie frei gewor<strong>den</strong> war. Damit wurde Abelein<br />
Direktor des Instituts <strong>für</strong> Geburtshilfe und der Ambulatorischen Klinik<br />
(UAM E-II-705, 8.4.1936). Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät war bemüht, <strong>den</strong><br />
Kontakt zur Praxis zu wahren, hatte aber, insbesondere bei Personalfragen,<br />
mit <strong>Ein</strong>flussversuchen der tierärztlichen Standesvertretungen und des<br />
Reichstierärzteführers zu kämpfen (Böhm 1995, 400).<br />
Richard Abelein hatte sich um 1913 dem Widarbund angeschlossen, einer<br />
„rassenhygienischen Organisation zur Förderung der nordischen Rasse“,<br />
der er bis zu deren Auflösung 1933 angehörte (UAM E-II-705, 7.1.1936).<br />
Seit 1. Februar 1932 gehörte er der NSDAP an, von 1933 bis 1935 war er<br />
bei der SA-Reserve, seit 1934 als Oberrottenführer. Im Dezember 1935 trat<br />
Abelein aus der SA-Reserve aus, weil es zu Auseinandersetzungen mit<br />
seinem dortigen Vorgesetzten gekommen war. Außerdem wurde er Mitglied<br />
der NS-Volkswohlfahrt (1934), des Volksbundes <strong>für</strong> das Deutschtum<br />
im Ausland (1936), des NS-Dozentenbundes (1937), des NS-Ärztebundes,<br />
des NS-Altherrenbundes (1937) und des Reichsluftschutzbundes (1937)<br />
(StAM SpkA K 1 Richard Abelein).<br />
Am 1. August 1939 wurde Abelein zum Wehrdienst einberufen (UAM E-<br />
II-705). Während des Krieges stellte die Fakultät <strong>für</strong> Abelein mehrmals<br />
Antrag auf Freistellung oder auf Arbeitsurlaub, unterstützt von der Landesbauernschaft<br />
Bayern und dem Staatsministerium des Innern. Seine<br />
Fähigkeiten in der Pferdegeburtshilfe und der Sterilitätsbekämpfung in der<br />
Rinder- und Pferdezucht wur<strong>den</strong> bei dem Mangel an Ziviltierärzten<br />
dringend benötigt (BayHStA MK 54164). Obwohl auch der Präsi<strong>den</strong>t des<br />
Bezirksverbands Oberbayern, Christian Weber, die Dienste der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät <strong>für</strong> die Gestüte um München forderte (BayHStA MInn<br />
87315), wurde Abelein nicht freigestellt.<br />
Im Auftrag der Militärregierung wurde Prof. Abelein am 12. Juli 1945<br />
durch <strong>den</strong> Bayerischen Staatsminister <strong>für</strong> Unterricht und Kultus seines<br />
Dienstes enthoben (UAM E-II-705). Im Februar 1946 wurde ihm die<br />
Praxistätigkeit untersagt (StAM SpkA K 1 Richard Abelein) und am<br />
15. April 1946 teilte ihm das Ministerium mit, „daß die Entfernung aus<br />
Ihrem Amt endgültig und eine Entscheidung der Militärregierung ist“<br />
(UAM E-II-705).<br />
Prof. Westhues setzte sich <strong>für</strong> Abelein ein und bezeugte, dass Abelein nie<br />
„propagandistisch <strong>für</strong> die Partei eingewirkt hat“. Die Berufung beruhe
239<br />
allein auf der wissenschaftlichen Eignung (StAM SpkA K 1 Richard<br />
Abelein). Auch Prof. Karl Hilz war dieser Ansicht und bezeugte, Abelein<br />
habe „keinen Unterschied zwischen Parteigenossen und Nicht-Parteigenossen“<br />
gemacht und 1938/39 <strong>den</strong> Tierarzt Walther Denstorff, der wegen<br />
seiner „nicht-arischen Abstammung“ an anderen Instituten Probleme hatte,<br />
die Anfertigung einer Dissertation ermöglicht (StAM SpkA K 1 Richard<br />
Abelein, 24.6.1946).<br />
Am 8. März 1947 reihte der öffentliche Kläger bei der Spruchkammer X in<br />
München Richard Abelein aufgrund der NSDAP-Mitgliedschaft seit 1932<br />
und der „Fülle der NS-Mitgliedschaften“ in die Gruppe II der Belastung<br />
ein. Solange Abelein nicht rechtskräftig in die Gruppe IV (Mitläufer)<br />
eingestuft war, war es ihm untersagt, als Tierarzt zu arbeiten. Deshalb<br />
stellte am 18. März 1947 der Anwalt Abeleins <strong>den</strong> Antrag, „<strong>den</strong><br />
Betroffenen in die Gruppe IV der Mitläufer einzureihen“. Daraufhin stufte<br />
ihn die Spruchkammer am 21. April 1947 in die Gruppe der<br />
Minderbelasteten (III) ein und es wurde ihm <strong>für</strong> die Dauer der<br />
Bewährungsfrist von zwei Jahren verboten, ein Unternehmen zu leiten, als<br />
Lehrer tätig zu wer<strong>den</strong> und „in nicht selbständiger Stellung anders als in<br />
gewöhnlicher Arbeit beschäftigt zu sein“. Seit Herbst 1945 arbeitete<br />
Abelein als Hilfsarbeiter bei der „Holzaktion Theresienwiese“. Aber schon<br />
nach zwei Monaten verunglückte er (doppelter Rippenbruch) und kam<br />
nach seiner Genesung als Melker zu einem Landwirt (StAM SpkA K 1<br />
Richard Abelein).<br />
Der Anwalt Abeleins legte am 18. Juni 1947 erneut Berufung ein und<br />
forderte die Aufhebung des Spruches vom 21. April 1947 (StAM SpkA<br />
K 1 Richard Abelein). Auch das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Ernährung<br />
und Landwirtschaft forderte die Berufungskammer auf, im Falle<br />
Abeleins baldmöglichst zu einem Urteil zu kommen, um das Berufungsverfahren<br />
zu beschleunigen. In der Kriegs- und Nachkriegszeit kam es zu<br />
einer heftigen Verbreitung von Deckseuchen der Rinder und der „beste<br />
Spezialist <strong>für</strong> die Bekämpfung der Sterilität der Rinder“ sollte im Interesse<br />
der „Volks- und Ernährungswirtschaft“ die Bekämpfung der Seuchen in<br />
Bayern in die Hand nehmen (StAM SpkA K 1 Richard Abelein,<br />
23.12.1947).<br />
So gelang auch Abelein nach der „Novelle zum Befreiungsgesetz vom<br />
7.10.1947“ am 13. April 1948 schließlich die <strong>Ein</strong>stufung in die Gruppe der<br />
Mitläufer (StAM SpkA K 1 Richard Abelein). Er ging wieder in die Praxis<br />
und wirkte bei der Etablierung der künstlichen Besamung in Bayern mit,
240<br />
auch als Berater des Bayerischen Staatsministeriums <strong>für</strong> Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Forsten. Er legte <strong>den</strong> Grundstein <strong>für</strong> die Abteilung<br />
Sterilitätsbekämpfung des Rindergesundheitsdiensts in Bayern (Weber<br />
1951, 260).<br />
Nachdem Abelein durch die Spruchkammer in die Gruppe der Mitläufer<br />
(IV) eingestuft wor<strong>den</strong> war, sah er mit dem „Gesetz zu Artikel 131 des<br />
Grundgesetzes“ 172 erneut die Chance, seine Professur doch noch zurückzubekommen.<br />
Er stellte am 15. Mai 1951 beim Bayerischen Staatsministerium<br />
<strong>für</strong> Unterricht und Kultus (BayHStA MK 54164) und am 30. Mai<br />
1951 bei der Fakultät einen Antrag auf Wiederindienststellung (UAM E-II-<br />
705). Seine Professur wurde immer noch durch Walther Baier, Inhaber der<br />
Professur <strong>für</strong> Anatomie, vertreten, wenngleich auch inzwischen Berufungsverhandlungen<br />
im Gange waren. Der Dekan der Fakultät hatte Abelein<br />
mitgeteilt, die Kollegen wür<strong>den</strong> eine Wiedereinstellung Abeleins begrüßen,<br />
doch der Hochschulreferent des Ministeriums <strong>für</strong> Unterricht und<br />
Kultus teilte mit, „es sei z. Z. noch nicht angängig, Nationalsozialisten,<br />
welche vor dem 30.1.33 der Partei beigetreten seien, im Amtsbereich des<br />
Kultusministeriums wieder in Dienst zu stellen“. Auch der Dekan der<br />
Fakultät, Demoll, gab nun zu be<strong>den</strong>ken, dass im Falle einer Wiedereinstellung<br />
Abeleins auch die Professoren Nörr und Stoß, die sich in einer<br />
ähnlichen Lage befan<strong>den</strong>, ihre Wiedereinstellung fordern könnten. Die<br />
Fakultät habe aber „keine Erinnerung gegen die Zuerkennung der<br />
Pensionsansprüche an Herrn Prof. Abelein“ 173 (BayHStA MK 54164). Da<br />
die Wiedereinstellung auf sich warten ließ, beantragte Abelein am 30. Juni<br />
1951 Versorgungsbezüge und Übergangsgeld, was durch das „Gesetz zu<br />
Artikel 131 des Grundgesetzes“ möglich gewor<strong>den</strong> war (UAM E-II-705).<br />
Karl Hilz<br />
1923 wurde Albert Jodlbauer, ein Humanmediziner, auf <strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong><br />
Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie berufen. Er wurde 1936<br />
emeritiert, übernahm aber die Stellvertretende Leitung des Instituts<br />
(BayHStA MK 69633; Schulz 1990, 208), da sich die Wiederbesetzung der<br />
or<strong>den</strong>tlichen Professur <strong>für</strong> Pharmakologie und Pharmazie hinzog. Der<br />
Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München schlug an erster Stelle die<br />
Professoren Richard Völker aus Hannover und Alexander Gluschke aus<br />
172 Siehe Kap. 2.9.<br />
173 Prof. Abelein wurde am 24. Juni 1951 60 Jahre alt.
241<br />
Berlin vor. An zweiter Stelle kamen der nicht beamtete außeror<strong>den</strong>tliche<br />
Prof. Karl Hilz 174 (geboren am 13. Dezember 1884 in München) aus<br />
München und der or<strong>den</strong>tliche Prof. Paul Luy aus Karadji (Iran) 175 . Die<br />
Dozentenschaft der Universität München wollte Hilz und Völker die erste<br />
Stelle einräumen, während der Rektor der Universität da<strong>für</strong> die Professoren<br />
Völker und Gluschke bevorzugte. Deshalb verlangte das Bayerische<br />
Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus beim Reichs- und Preußischen<br />
Minister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Berufung<br />
Völkers (BayHStA MK 69633, 21.7.1937).<br />
Während dieser Verhandlungen erkrankte Prof. Jodlbauer und der Konservator<br />
und außeror<strong>den</strong>tliche Professor Karl Hilz übernahm dessen Vorlesungen<br />
und die Vorstandschaft des Pharmakologischen Instituts (BayHStA<br />
MK 69633, 22.7.1937). Der Preußische Minister <strong>für</strong> Wissenschaft,<br />
Erziehung und Volksbildung hielt die Wegberufung Völkers aus Hannover<br />
<strong>für</strong> nicht vertretbar und verkündete, dass Völker <strong>den</strong> Ruf ohnehin nicht<br />
annehmen würde. Da auch Professor Gluschke „erst kürzlich zum<br />
or<strong>den</strong>tlichen Professor in Berlin ernannt wor<strong>den</strong>“ war, wollte man ihn<br />
nicht „nach so kurzer Zeit einer anderen Universität“ zuweisen (BayHStA<br />
MK 69633, 4.3.1938). Trotz gewisser Zweifel seitens der Fakultät, ob Karl<br />
Hilz fachlich auch geeignet sei, wurde er schließlich Jodlbauers Nachfolger.<br />
Immerhin war er schon seit 1912 <strong>für</strong> das Institut tätig. Am 1. Oktober<br />
1938 wurde Hilz or<strong>den</strong>tlicher Professor <strong>für</strong> Pharmakologie und Pharmazie<br />
sowie Geschichte der Tierheilkunde (UAM E-II-1739).<br />
Nachdem zu Kriegsbeginn die meisten Professoren einberufen wor<strong>den</strong><br />
waren, sollte Hilz im Oktober 1939 die Vertretung von Professor Völker an<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover übernehmen. Doch kurz nach<br />
Hilz’ Ankunft in Hannover wurde auch Völker nach Hannover zurückversetzt<br />
und Hilz konnte nach München zurückkehren (UAM E-II-1739).<br />
Während des Krieges blieb er neben dem damaligen Dekan Wilhelm Ernst<br />
174 Er studierte von 1902 bis 1910 in München Tiermedizin. 1912 wurde er or<strong>den</strong>tlicher<br />
Assistent am Pharmakologischen Institut der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München. Nach dem<br />
Kriegseinsatz erwarb er 1921 nachträglich das Reifezeugnis des humanistischen Gymnasiums<br />
und promovierte in München zum Dr. med. vet. 1926 habilitierte sich Hilz <strong>für</strong> Pharmakologie<br />
und Dispensierkunde und wurde 1932 zum Konservator am Pharmakologisch-Pharmazeutischen<br />
Institut an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München ernannt. <strong>Ein</strong> Jahr später erhielt er <strong>den</strong><br />
Titel eines nicht-beamteten außeror<strong>den</strong>tlichen Professors. Seit dem WS 1932/33 erteilte er das<br />
Fach Geschichte der Tierheilkunde im Lehrauftrag (BayHStA MK 69633).<br />
175 Paul Luy hatte ab 1930 die Apotheke der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover geleitet und<br />
wurde 1935 als Professor <strong>für</strong> Physiologie an die Landwirtschaftlich-<strong>Tierärztliche</strong> Hochschule<br />
Karadji berufen (Vollmerhaus 1999, 40).
242<br />
als einziger Professor im Amt und bildete veterinärmedizinisch-technische<br />
Assistentinnen aus, nachdem an einen Lehrbetrieb an der Fakultät nicht<br />
mehr zu <strong>den</strong>ken war (Boessneck 1972, 317). Hilz wurde „Abteilungsführer<br />
der Luftschutzpolizei“ und „Führer der Tierrettungsstelle Nord“. Nachdem<br />
er am 20. April 1945 als Bereitschaftsführer bei der Luftschutzpolizei<br />
München entlassen wor<strong>den</strong> war, trat er am 1. Mai 1945 wieder seinen<br />
Dienst an der Universität an (UAM E-II-1739).<br />
Obwohl Karl Hilz <strong>den</strong> Nationalsozialismus innerlich ablehnte (Schmidt<br />
2000, 254), wurde er Mitglied der NS-Volkswohlfahrt (1936), des<br />
Altherrenbundes der deutschen Stu<strong>den</strong>ten (1937) und der NS-Stu<strong>den</strong>tenkampfhilfe<br />
(1937) (UAM E-II-1739).<br />
Eugen Mennel<br />
Eugen Mennel (geboren am 26. April 1880 in München) studierte ab 1900<br />
an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule München Veterinärmedizin. Er erhielt<br />
1904 die Approbation und fand eine Assistentenstelle an der Chirurgischen<br />
Tierklinik in München. Nach seinem Militärdienst arbeitete er ein Jahr am<br />
Schlacht- und Viehhof, bis er 1906 die Assistentenstelle an der damaligen<br />
Lehrschmiede der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule München erhielt. Nach dem<br />
Kriegsdienst promovierte er in München und erhielt 1921 <strong>den</strong> Titel<br />
Landwirtschaftsrat. Nach dem Tod von Prof. Moser wurde er 1937 mit der<br />
Stellvertretung der Vorstandsstelle an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München betraut (BayHStA MK 54946).<br />
Mennel, selbst katholisch, heiratete am 3. August 1914 die evangelische<br />
Sophie Herrmann aus München. Die Nazis stuften sie später als „Halbjüdin“<br />
ein, was sich sehr nachteilig auf seine weitere Karriere auswirkte<br />
(BayHStA MK 54946). Während des Krieges versuchte Mennel, seine<br />
Frau zu schützen und die <strong>Hufbeschlag</strong>schule am Laufen zu halten<br />
(PrivAWJ 1948). Vermutlich wurde er auch wegen seines Alters nicht zum<br />
Wehrdienst einberufen. Zu Kriegsbeginn war er immerhin schon 59 Jahre<br />
alt.<br />
Da Mennel lediglich Mitglied des Reichsbundes der deutschen Beamten,<br />
der NS-Volkswohlfahrt und Luftschutzwart beim Reichsluftschutzbund<br />
war, ansonsten aber keiner Gliederung angehört hatte, wurde er am 1.<br />
Februar 1946 von der Militärregierung Bayern genehmigt und mit Spruch-
243<br />
kammerurteil vom 4. Januar 1947 als nicht betroffen eingestuft (BayHStA<br />
MK 54946). Am 30. Mai 1946 wurde Eugen Mennel offiziell zum<br />
kommissarischen Vertreter der außeror<strong>den</strong>tlichen Professur <strong>für</strong><br />
Hufkrankheiten, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre<br />
ernannt 176 (UAM E-II-2440; BayHStA MK 54946).<br />
Die Fakultät beschloss auf ihrer Sitzung am 21. Januar 1948, beim<br />
Kultusministerium <strong>für</strong> Eugen Mennel <strong>den</strong> Titel eines Honorarprofessors<br />
<strong>für</strong> „Hufkrankheiten, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre“<br />
zu beantragen, da nach der allgemeinen Auffassung, nach Prof.<br />
Mosers Tod, Mennel durchaus als dessen Nachfolger in Frage gekommen<br />
wäre, wenn er nicht mit einer „Halbjüdin“ verheiratet gewesen wäre. So<br />
war er von jeglicher Beförderung ausgeschlossen gewesen. Am 9. Juni<br />
1948 folgte das Kultusministerium dem Antrag und ernannte Mennel zum<br />
„Honorarprofessor <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>“ (BayHStA MK 54946).<br />
Bis zu seinem Ruhestand Ende Mai 1948 blieb Mennel Vorstand der<br />
Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule in München (BayHStA MK 54946). Seine<br />
Lehrtätigkeit an der Fakultät legte er erst am 31. Juli 1950 nieder. Trotzdem<br />
hielt er noch bis zum Frühjahr 1951 Prüfungen über <strong>Hufbeschlag</strong> und<br />
Huf- und Klauenkrankheiten ab (UAM E-II-2440).<br />
Das Verhältnis zwischen Hans Jöchle und Eugen Mennel war sicher<br />
schwierig, da Mennel als langjähriger Assistent an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
ebenfalls ein Anrecht auf die Nachfolge Mosers gehabt hätte. Durch die<br />
politischen Umstände und Mennels Ehe mit einer „Halbjüdin“ wurde der<br />
wesentlich jüngere Hans Jöchle zum Professor ernannt und sollte<br />
eigentlich auch an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule der Vorgesetzte Mennels<br />
wer<strong>den</strong>. Durch <strong>den</strong> Kriegsausbruch kam es allerdings nicht mehr dazu.<br />
Nach Jöchles Heimkehr aus dem Krieg hatte Eugen Mennel dessen<br />
Position übernommen, während Jöchle mit dem Entnazifizierungsverfahren<br />
zu kämpfen hatte und dringend auf ein Gehalt angewiesen war, um<br />
seine Familie zu versorgen. Immerhin konnte Jöchle wieder als Fachberater<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> arbeiten, was nun wiederum <strong>für</strong> ihn einen starken<br />
Karriereknick bedeutete.<br />
Zeitzeuge Michael Urlbauer absolvierte bis 1948 seine Ausbildung bei<br />
Eugen Mennel, danach bei Hans Jöchle an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule. Er war<br />
176 Rückwirkend zum 1. März 1946 (UAM E-II-2440).
244<br />
von 1946 bis 1950 an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München und<br />
konnte die Geschehnisse dort mitverfolgen. Er berichtet: „Mennel und<br />
Jöchle waren sich nicht ganz einig, Jöchle wurde Mennel vorgesetzt“<br />
(Urlbauer 2005, mdl. Mitt.).<br />
Johannes Nörr<br />
Nachdem Prof. Franz Schmitt sehr früh verstorben war, übernahm Dr.<br />
med. vet. Johannes Nörr 177 (geboren am 25. Juni 1886 in Zumhaus,<br />
Bayern), seit 1927 or<strong>den</strong>tlicher Professor in Gießen, am 1. Januar 1930 das<br />
Ordinariat <strong>für</strong> spezielle Pathologie und Therapie und die Leitung der<br />
Medizinischen Tierklinik. Zudem las er die Gerichtliche Tierheilkunde<br />
(StAM SpkA K 1257 Johannes Nörr; UAM E-II-2590; Boessneck 1972,<br />
319). „Nörr war, obwohl menschlich schwierig, ein außeror<strong>den</strong>tlich gebildeter<br />
und tiermedizinisch vielseitig interessierter Mann.“ 1939 ernannte<br />
die Universität Sofia Nörr zum Dr. med. vet. h. c. (Kraft, Dirksen 1990,<br />
142).<br />
Schon 1933 bekam Nörr große Schwierigkeiten, da die politische Führung<br />
der Stu<strong>den</strong>tenschaft Material gegen ihn gesammelt hatte. Ihm wurde<br />
vorgeworfen, er habe sich „nicht rechtzeitig und nicht eindeutig genug zum<br />
NS bekannt“. Auch die Fakultät und das Ministerium wur<strong>den</strong> dadurch auf<br />
ihn aufmerksam. Obwohl er 1933 zum Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
gewählt (nicht ernannt) wor<strong>den</strong> war, musste er wieder zurücktreten, weil er<br />
politisch nicht zuverlässig sei (StAM SpkA K 1257 Johannes Nörr). Die<br />
nähere Untersuchung dieses Fall gestaltet sich schwierig, da im Bayerischen<br />
Hauptstaatsarchiv in der Akte MK 69635, „Or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong><br />
spezielle Pathologie und Therapie“ (Innere Medizin), zwischen 1933 und<br />
1948 kein Schriftgut überliefert ist.<br />
Nach diesem Vorfall suchten die SA-Reiterstürme Münchens einen Tierarzt<br />
zur kostenlosen Behandlung ihrer Pferde. Nachdem Nörr persönlich<br />
aufgefordert wor<strong>den</strong> war, gab er schließlich, aus Angst um seine Stellung,<br />
nach. Er betreute ab 1934 regelmäßig die Pferde der SA-Reiterstürme und<br />
177 Johannes Nörr war Assistent an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Berlin (ab 1911) und an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Dres<strong>den</strong> (ab 1920). 1923 wurde er Oberassistent an der Medizinischen<br />
Tierklinik der Universität Leipzig und 1925 or<strong>den</strong>tlicher Professor an der Universität<br />
Sofia. 1927 erfolgte seine Berufung zum or<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> innere und gerichtliche<br />
Tiermedizin an der Universität Gießen (UAM E-II-2590).
245<br />
wurde auch beim Kauf neuer Pferde zu Rate gezogen. An Ausritten und<br />
sonstigen SA-Aktivitäten beteiligte er sich jedoch nicht und 1939 trat er<br />
aus der SA schließlich wieder aus (StAM SpkA K 1257 Johannes Nörr).<br />
Auch eine mögliche Berufung nach Leipzig scheiterte an der „politischen<br />
Unzuverlässigkeit“ Nörrs, weitergegeben durch <strong>den</strong> Dekan der Fakultät.<br />
Nörrs freundschaftliches Verhalten Walter Koch gegenüber, der 1936<br />
wegen „seiner Angriffe auf die NS-Dozentenführung“ aus seiner Oberassistentenstelle<br />
entlassen wurde, war nicht gern gesehen (StAM SpkA K<br />
1257 Johannes Nörr).<br />
SA-Mitglieder wur<strong>den</strong> 1937 automatisch in die NSDAP übernommen, die<br />
Mitgliedschaft im NS-Dozentenbund konnte Nörr bis 1939 hinauszögern.<br />
Außerdem war er Mitglied im NS-Lehrerbund (1933), im NS-Beamtenbund<br />
(1933-1934), der NS-Volkswohlfahrt (1934), im Reichsluftschutzbund<br />
(1935), im NS-Altherrenbund (1937), im Volksbund <strong>für</strong> das Deutschtum<br />
im Ausland (1939) und im Reichskriegerbund (StAM SpkA K 1257<br />
Johannes Nörr).<br />
Ab März 1938 war Nörr als Veterinäroffizier in <strong>den</strong> Pferdelazaretten<br />
München und Sonthofen stationiert, später auch in Freising und Augsburg.<br />
Am 1. Juni 1942 zog ihn die Universität Gießen zur Vertretung zweier<br />
Professuren heran (StAM SpkA K 1257 Johannes Nörr), wo er bis zum<br />
19. Juni 1945 die Lehrstühle <strong>für</strong> innere und gerichtliche Veterinärmedizin<br />
betreute (UAM E-II-2590).<br />
Nach Kriegsende war Nörr einige Monate als Praktiker tätig (Wagner<br />
1951, 222), kehrte dann aber nach München auf seinen Lehrstuhl zurück,<br />
bis er am 25. Februar 1946 vom Dienst als or<strong>den</strong>tlicher Professor <strong>für</strong><br />
spezielle Pathologie und Therapie und gerichtliche Tiermedizin enthoben<br />
wurde. Immerhin gestattete man ihm am 23. April 1946 die Niederlassung<br />
als praktischer Tierarzt, „vorbehaltlich der Zustimmung durch die Militärregierung“<br />
(StAM SpkA K 1257 Johannes Nörr).<br />
Die Spruchkammer X in München reihte ihn am 5. November 1946 in die<br />
Gruppe der Mitläufer ein und Nörr bat um die „Weiterverwendung“ in<br />
seiner früheren Stelle als Vorstand der Medizinischen Tierklinik. Der<br />
Dekan der Fakultät gab Nörrs Brief an <strong>den</strong> Rektor weiter, mit der<br />
Bemerkung, „dass es der Fakultät bisher trotz ständiger Bemühungen nicht<br />
möglich gewesen ist, einen geeigneten unbelasteten Ersatz <strong>für</strong> Herrn<br />
Professor Nörr zu fin<strong>den</strong>“ (UAM E-II-2590). Schon am 25. Juli 1946 hatte
246<br />
der Dekan der Fakultät eine Beschleunigung des Entnazifizierungsverfahrens<br />
<strong>für</strong> Nörr beantragt und am 13. November 1946 wurde Nörr die<br />
Wiedereinstellung in Aussicht gestellt (StAM SpkA K 1257 Johannes<br />
Nörr).<br />
Mit der Weihnachtsamnestie 1946 stufte die Spruchkammer X Johannes<br />
Nörr am 11. Juni 1947 als „vom Gesetz zur Befreiung vom Nationalismus<br />
und Militarismus vom 5. März 1946 nicht betroffen“ ein (UAM E-II-<br />
2590), doch am 18. November 1947 wurde das Urteil revidiert und ein<br />
erneutes Verfahren eingeleitet (StAM SpkA K 1257 Johannes Nörr). Am<br />
3. Februar 1948 reihte die Spruchkammer Nörr erneut in die Gruppe der<br />
Mitläufer ein. Der Rektor der Universität München gab am 2. August 1948<br />
eine politische Unbe<strong>den</strong>klichkeitserklärung <strong>für</strong> Nörr ab. Daraufhin konnte<br />
er zum or<strong>den</strong>tlichen Professor ernannt wer<strong>den</strong>, wurde aber gleichzeitig in<br />
<strong>den</strong> Ruhestand versetzt (7. Oktober 1948). Die Emeritierung folgte erst am<br />
12. August 1957 (UAM E-II-2590).<br />
Nörrs Nachfolger wurde 1946 Prof. Rudolf Stetter, ein Schüler Franz<br />
Schmitts, der sich 1927 habilitiert hatte (Kraft, Dirksen 1990, 142).<br />
Walter Koch<br />
Nach Studien in <strong>den</strong> Naturwissenschaften absolvierte Walter Koch (geboren<br />
am 18. März 1902 in München) von 1921 bis 1925 in München das<br />
Studium der Tiermedizin und promovierte 1925. Er erhielt eine Stelle am<br />
Tieranatomischen Institut und später am Tierzuchtinstitut in München. Als<br />
am 21. März 1936 seine Dienstzeit ablief, wurde der Vertrag nicht mehr<br />
verlängert. Koch war 1934 Vertreter der Nichtordinarien und Privatdozenten<br />
und kam mit dem Dozentenführer in Konflikt, der Koch Vorhaltungen<br />
machte, einem Kollegen <strong>den</strong> „Mißbrauch amtlicher Geltung“ vorgeworfen,<br />
damit dessen Ernennung zum Dozentenvertreter verhindert zu haben und<br />
zugleich seine Aussichten auf die Berufung <strong>für</strong> die Professur <strong>für</strong> Tierzucht<br />
verbessern zu wollen. Koch wollte die Sache klarstellen, doch der<br />
Dozentenführer kam zu der Überzeugung „Koch sei ungeeignet <strong>für</strong> einen<br />
Erzieher“. Dieser Dozentenführer, Prof. Heinrich Gall, wurde später<br />
Ministerialrat im Reichs- und Preußischen Ministerium <strong>für</strong> Wissenschaft,<br />
Erziehung und Volksbildung. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen<br />
konnte Koch immerhin seine Dozentur behalten (UAM E-II-<br />
2044). Als Koch jedoch 1938 die Teilnahme an einem Kongress im
247<br />
Ausland beantragte, lehnte der Leiter der Dozentenschaft Ernst Bergdolt<br />
aufgrund dieses Vorfalls ab und sah sich veranlasst, dem Rektor der<br />
Universität München mitzuteilen:<br />
„Privatdozent Dr. Walter Koch hat sich aus charakterlichen Grün<strong>den</strong><br />
als nicht geeignet erwiesen die akademische Laufbahn weiter<br />
fortzusetzen. Er mußte sogar als Assistent ausschei<strong>den</strong>“ (UAM E-II-<br />
2044, 30.11.1938).<br />
Im März 1932 hatte Koch die Venia legendi <strong>für</strong> Tierzucht erhalten, doch<br />
die Ernennung zum Dozenten wurde aufgrund der „angezogenen Verhältnisse“<br />
bis Kriegsbeginn verzögert. Koch tat sich durch seine wissenschaftlichen<br />
Leistungen hervor und da „gegen seine Persönlichkeit seit Jahren<br />
keine Be<strong>den</strong>ken mehr aufgetaucht“ waren, wurde er am 4. November 1939<br />
zum Dozenten ernannt und in das Beamtenverhältnis berufen. Als Koch<br />
am 21. Oktober 1941 zum außerplanmäßigen Professor ernannt wurde,<br />
leistete er bereits (seit Kriegsbeginn) Dienst an der Front (UAM E-II-<br />
2044).<br />
Walter Koch trat 1937 der NSDAP bei (UAM E-II-2044), „teils aus<br />
Schwäche, teils aus notwendigem Opportunismus“ heraus. Dass er kein<br />
überzeugter Nazi war, unterstreicht auch die Tatsache, dass er seiner Frau<br />
die Mitgliedschaft verheimlichte, bis diese eines Tages zufällig das Parteiabzeichen<br />
bei ihm entdeckte (TiHoA o. Sign., Claus Koch). Trotzdem war<br />
er auch Mitglied in der SA (1933), der NS-Volkswohlfahrt (1938) und des<br />
Reichsbundes der Kinderreichen (1939) (UAM E-II-2044).<br />
Nachdem Koch aus der russischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war,<br />
konnte er zwar an das Institut <strong>für</strong> Tierzucht zurückkehren, durfte aber nach<br />
dem Befreiungsgesetz nur „in gewöhnlicher Arbeit“ beschäftigt wer<strong>den</strong><br />
und die <strong>für</strong> die „Lehrtätigkeit des Herrn Prof. Dr. Niklas erforderlichen<br />
Vorarbeiten“ erledigen. „Obrigkeitliche Befugnisse“ stan<strong>den</strong> ihm nicht zu<br />
(UAM E-II-2044, 26.9.1947). Am 10. November 1947 wurde auch Koch<br />
durch die Weihnachtsamnestie als „nicht betroffen“ eingestuft. Daraufhin<br />
ernannte der Rektor <strong>den</strong> „außerplanmäßigen Professor Dr. Walter Koch<br />
[am 10. Februar 1948] zum wissenschaftlichen Assistenten am Institut <strong>für</strong><br />
Tierzucht der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität München. Er ist<br />
berechtigt, die Amtsbezeichnung ‚wissenschaftlicher Oberassistent‘ zu<br />
führen“ (UAM E-II-2044, Abschrift der Ernennungsurkunde).
248<br />
Anfang der 70er Jahre versuchte Koch, seine Autobiographie und die<br />
Geschichte der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München in <strong>den</strong> 30er Jahren<br />
niederzuschreiben. Er erklärte seinem Sohn Claus Koch gegenüber, dass<br />
ihm das aber nicht so recht gelingen wollte: Um seine Rolle an der Fakultät<br />
zu skizzieren, hätte er zu viele Peinlichkeiten und unangenehme<br />
Wahrheiten über Leute preisgeben müssen, die damals noch lebten. Das<br />
begonnene Manuskript ist heute unauffindbar 178 (TiHoA o. Sign.).<br />
Fritz Stockklausner<br />
Im Frühjahr 1934 wurde auch Leonhard Vogel, der or<strong>den</strong>tliche Professor<br />
<strong>für</strong> Tierzucht, emeritiert. Das Kultusministerium hatte zwei Professoren<br />
der Technischen Hochschule München, die aus organisatorischen Grün<strong>den</strong><br />
auf Lehrstühle anderer Hochschulen wechseln sollten, vorgeschlagen. Es<br />
handelte sich hierbei um die Professoren Heinz Henseler und Josef Spann.<br />
Die Fakultät hielt beide aus fachlichen Grün<strong>den</strong> <strong>für</strong> nicht geeignet, aber<br />
nachdem das Ministerium angekündigt hatte, dass andere Vorschläge<br />
zwecklos seien, erklärte sie sich „unter dem Zwang der Verhältnisse“ bereit,<br />
<strong>den</strong> geeigneteren zu akzeptieren. Hier schaltete sich der Reichstierärzteführer<br />
Dr. Friedrich Weber ein und schlug <strong>den</strong> Tierzuchtdirektor Dr.<br />
Hans Gutbrod vor. Auch der Leiter des Landestierzuchtamts, Dr. Wilhelm<br />
Niklas, kam ins Gespräch. Der „Vorbereitende Berufungssauschuss“ bestehend<br />
aus Vogel, dem Dekan und Prof. Wilhelm Ernst, wollte aber die Liste<br />
vervollständigen. So wur<strong>den</strong> an erster Stelle Gutbrod, Niklas und Stockklausner<br />
genannt. An zweiter Stelle stan<strong>den</strong> ein Professor aus Hannover 179<br />
und der Münchner Privatdozent Dr. Walter Koch. Die erstgenannten waren<br />
allesamt nicht habilitiert, konnten aber mit großen Verdiensten in der<br />
bayerischen Tierzucht aufwarten. Aufgrund des <strong>Ein</strong>spruchs einflussreicher<br />
Personen wurde die Berufung erneut hinausgezögert und kurzzeitig wurde<br />
sogar die vorläufige Vertretung durch die TH-Professoren wieder in<br />
Erwägung gezogen, bis sich das Kultusministerium im Sommer 1935 doch<br />
<strong>für</strong> <strong>den</strong> Leiter der Landesanstalt <strong>für</strong> Tierzucht in Grub, Tierarzt Dr. Fritz<br />
Stockklausner 180 (geboren am 14. Juni 1889 in Tegernheim bei Regens-<br />
178 Wolfgang Jöchle berichtet, das Manuskript sei sogar gedruckt wor<strong>den</strong>, doch Walter Koch<br />
war zu diesem Zeitpunkt schon schwer krank und nach seinem Tod zog es die Familie vor,<br />
alle Exemplare zu vernichten, um <strong>den</strong> be<strong>für</strong>chteten Konflikten aus dem Weg zu gehen<br />
(Jöchle, W. 2006, mdl. Mitt.).<br />
179 Der Name geht aus der Literatur (Böhm 1995, 441-442) nicht hervor.<br />
180 Stockklausner studierte an <strong>den</strong> Universitäten München und Gießen Veterinärmedizin.<br />
Nach seiner Approbation 1912 legte er auch das Examen als Diplom-Landwirt ab (Härtl 1983,
249<br />
burg), einsetzte (Böhm 1995, 441-442). Da nun weder die Fakultät noch<br />
die Dozentenschaft <strong>Ein</strong>wände erhoben, wurde Stockklausner zum 1. März<br />
1936 zum Ordinarius <strong>für</strong> Tierzucht und Geburtshilfe ernannt (UAM E-II-<br />
3266; Böhm 1995, 442).<br />
Auch Fritz Stockklausner wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der<br />
Militärregierung seines Amtes enthoben. Da er seit 1933 Parteigenosse<br />
war, „besteht keinerlei Aussicht, daß er in seine alte Stelle zurückberufen<br />
wird“ (BayHStA MK 69636, Dekanat an <strong>den</strong> Rektor der Universität<br />
München und das Kultusministerium, 22.5.1946). Hinzu kamen weitere<br />
Mitgliedschaften in der NS-Volkswohlfahrt (1934), im NS-Dozentenbund<br />
(1936) und dem Altherrenbund der Deutschen Stu<strong>den</strong>ten (1936) (UAM E-<br />
II-3266).<br />
Anfang 1947 wurde Wilhelm Niklas als or<strong>den</strong>tlicher Professor auf <strong>den</strong><br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Tierzucht der Universität München berufen (BayHStA MK<br />
69636; Anonym 1948b, 376). Fritz Stockklausner erhielt 1949 die or<strong>den</strong>tliche<br />
Professur <strong>für</strong> Tierzucht an der Landwirtschaftlichen Fakultät der<br />
Technischen Hochschule München in Weihenstephan (Boessneck 1972,<br />
316; Härtl 1983, 356).<br />
Wilhelm Niklas<br />
Die Berufung Stockklausners 1936 erfolgte „unter Hintansetzung des<br />
damals von der Fakultät in Aussicht genommenen Kandidaten“, Ministerialrat<br />
Dr. Wilhelm Niklas (BayHStA MK 69636).<br />
Wilhelm Niklas (geboren am 24. September 1887 in Traunstein) war seit<br />
1920 am Reichsministerium <strong>für</strong> Ernährung und Landwirtschaft tätig und<br />
wirkte bei <strong>den</strong> Verhandlungen des Versailler Vertrages mit (Anonym<br />
1948b, 376). Schon 1934 wollte das Staatsministerium <strong>für</strong> Wirtschaft,<br />
Abteilung Landwirtschaft, Niklas zum or<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> Tierzucht<br />
an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität München berufen. Doch der<br />
Gauleiter von Franken, Julius Streicher, hatte Be<strong>den</strong>ken:<br />
356) und war <strong>für</strong> ein Jahr Assistent an der Medizinischen Veterinärklinik in Gießen. Nach<br />
dem Ersten Weltkrieg war er Assistent beim Zuchtverband Landshut, bis er 1920 zum Landwirtschaftsrat<br />
ernannt und Vorstand der Tierzuchtinspektion Nürnberg wurde. <strong>Ein</strong> Jahr darauf<br />
übernahm er die Leitung der Landesanstalt <strong>für</strong> Tierzucht in Grub und wurde Vorstand der<br />
dortigen Tierzuchtinspektion (UAM E-II-3266).
250<br />
„Erfahre von Gerüchten, daß Ministerialrat Niklas Universitätsprofessor<br />
wer<strong>den</strong> soll. Betreffender in Bauernfreundangelegenheit<br />
vor Jahren schwer bloßgestellt. Verwendung unmöglich“ (BayHStA<br />
MInn 87315).<br />
Obwohl nach Ansicht des Staatskommissars <strong>für</strong> das Gesundheitswesen der<br />
Hintergrund <strong>für</strong> diesen Vorwurf „nicht so schwerwiegender Natur ist, um<br />
dem Herrn Ministerialrat Dr. Niklas die Zukunft völlig zu verbauen“<br />
(BayHStA MInn 87315), wurde ihm das Amt nicht übertragen. Die<br />
Schriftleitung des Stürmers hatte von der geplanten Berufung erfahren und<br />
eine wilde Hetze gegen Niklas angefacht, was ihn letztendlich sein Amt als<br />
Ministerialrat und Leiter der bayerischen Tierzucht kostete. „1935 zwang<br />
ihn die NSDAP aus politischen Grün<strong>den</strong> zum Ausschei<strong>den</strong> aus dem Amt<br />
(Anonym 1948b, 376).<br />
Daraufhin entschloss sich der Rektor der Universität München, die Stelle<br />
nicht wie vorgesehen zum 1. April 1935 zu besetzen, sondern die<br />
Professoren <strong>für</strong> Tierzucht der Technischen Hochschule München, Josef<br />
Spann und Heinz Henseler, zur Vertretung heranzuziehen. Prof. Henseler<br />
sollte die allgemeine, Prof. Spann die spezielle Tierzuchtlehre und die<br />
Leitung des Instituts übernehmen (BayHStA MInn 87315).<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Niklas wieder im bayerischen Landwirtschaftsministerium<br />
eingestellt und im Oktober 1945 zum Staatsrat und<br />
Stellvertreter des Ministers ernannt (BayHStA MK 69636).<br />
Als an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät die Berufungen erneut diskutiert wur<strong>den</strong>,<br />
kam Niklas wieder ins Gespräch. „Es bietet sich also jetzt die Gelegenheit,<br />
das damals Dr. Niklas angetane Unrecht wieder gutzumachen“ (BayHStA<br />
MK 69636, Dekanat an <strong>den</strong> Rektor der Universität München und das<br />
Kultusministerium, 22.5.1946). Da Niklas inzwischen Staatsrat im<br />
Landwirtschaftsministerium war, sah die Fakultät kein Problem darin, „von<br />
der <strong>Ein</strong>reichung einer Dreierliste in diesem Fall“ abzusehen, unter<br />
anderem, weil es nicht möglich war, „mehrere geeignete Kandidaten zu<br />
benennen“ (BayHStA MK 69636).<br />
Niklas wurde später (1949-1953) - als erster und einziger Tierarzt - zum<br />
Bundesminister <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und Forsten berufen.
Melchior Westhues<br />
251<br />
Melchior Westhues 181 (geboren am 6. März 1896 in Herbern, Westfalen)<br />
war seit 1. April 1931 or<strong>den</strong>tlicher Professor <strong>für</strong> Chirurgie und Augenheilkunde<br />
in München (UAM E-II-3554).<br />
Nach Kriegsende setzte sich das Kultusministerium <strong>für</strong> die schnelle<br />
Entnazifizierung Westhues’ ein. „Da Prof. Westhues dringend <strong>für</strong> <strong>den</strong><br />
Wiederaufbau der Universität benötigt wird, bitte ich um vordringliche<br />
Behandlung des Fragebogens“ (BayHStA MK 44516, Hans Meinzolt,<br />
5.3.1946). Ende Juli 1946 teilte die Militärregierung <strong>für</strong> Bayern in<br />
München mit, Westhues könne „bis auf weiteres“ in seiner dienstlichen<br />
Stellung als or<strong>den</strong>tlicher Professor an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
verbleiben (UAM E-II-3554, 31.7.1946). Er hatte der Partei nicht angehört<br />
(StAM SpkA K 1 Richard Abelein) und war lediglich 1933 der<br />
Reichsschaft der Hochschullehrer im NS-Lehrerbund beigetreten (BArch<br />
BA (ehem. BDC) NSLB-Kartei, Westhues, Melchior). Deshalb lautete die<br />
Entscheidung der Spruchkammer „nicht betroffen“ (BayHStA MK 44516).<br />
Nachdem der Lehrbetrieb wieder aufgenommen wor<strong>den</strong> war, herrschte<br />
durch die Dienstenthebungen durch die Militärregierung immer noch ein<br />
immenser Lehrermangel und Westhues bemühte sich, neue Professoren zu<br />
verpflichten. <strong>Ein</strong> ehemaliger Assistent Westhues’, Dr. Hermann Röcken,<br />
erinnert sich:<br />
„Man wollte Walther Baier haben. Westhues war zu einer Unterredung<br />
im Bremserhäuschen eines Güterwagens zu ihm bis Würzburg<br />
gefahren, dort fand der Kommunikationsaustausch statt. [...]<br />
Baier betont, daß Westhues sich <strong>für</strong> ihn immer wieder eingesetzt,<br />
ihn gefördert und seine Integration in <strong>den</strong> Lehrkörper der Fakultät<br />
vorangetrieben habe“ (Röcken 2002, 79).<br />
Beim Wiederaufbau der Fakultät und der Chirurgischen Tierklinik hatte<br />
Westhues große Leistungen vollbracht (BayHStA MK 44516), doch im<br />
Juni 1947 erhielt er ein Angebot <strong>für</strong> einen Ruf auf <strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong><br />
Chirurgie und Augenheilkunde der Universität Gießen (BayHStA MK<br />
44516, 15.6.1947). Die Abwerbung konnte aber durch weitere Verhand-<br />
181 Westhues studierte an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover und der Universität Gießen<br />
Veterinärmedizin und erhielt 1920 die <strong>Tierärztliche</strong> Approbation. Er wurde Assistent an der<br />
Chirurgischen Veterinärklinik der Universität Gießen, wo er sich 1925 habilitierte und 1930<br />
zum außeror<strong>den</strong>tlichen Professor ernannt wurde.
252<br />
lungen mit dem Kultusministerium in München abgewendet wer<strong>den</strong><br />
(BayHStA MK 44516, 22.8.1947).
253<br />
Abb. 52: Prof. Reinhard Demoll. Abb. 53: Prof. Wilhelm Ernst.<br />
Abb. 54: Prof. Karl Hilz. Abb. 55: Prof. Wilhelm Niklas.
254<br />
Abb. 56: Prof. Hugo Grau. Abb. 57: Prof. Johannes Nörr.<br />
Abb. 58: Prof. Melchior Westhues. Abb. 59: Prof. Walter Koch.
255<br />
Abb. 60: Prof. Fritz Stockklausner. Abb. 61: Prof. Walther Baier.<br />
Abb. 62: Prof. Oskar Seifried. Abb. 63: Prof. Hans Sedlmeier.
256<br />
Abb. 64: Dr. Eugen Mennel. Abb. 65: Prof. Hans Jöchle.<br />
Abb. 66: Prof. Anton Stoß sen. Abb. 67: Prof. Anton Stoß jun.
Bilanz<br />
257<br />
An der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München erfolgten bis 1945 kaum Berufungsverfahren<br />
im heutigen Sinn. 182 Lediglich Johannes Nörr (1930),<br />
Melchior Westhues (1931) und Oskar Seifried (1932) wur<strong>den</strong> als Professoren<br />
von anderen tierärztlichen Ausbildungsstätten berufen (UAM E-II-<br />
2590; UAM E-II-3554; UAM E-II-3132).<br />
Hans Sedlmeier, Karl Hilz und Walter Koch hatten in München Tiermedizin<br />
studiert und dort auch ihre Assistenzzeit und Habilitation hinter<br />
sich gebracht. In allen drei Fällen erfolgten also Hausberufungen. Karl<br />
Hilz, der sich 1926 in München habilitiert hatte, erhielt 1933 <strong>den</strong> Titel<br />
eines nicht-beamteten außeror<strong>den</strong>tlichen Professors (BayHStA MK<br />
69633). Unklar bleibt, ob es tatsächlich Zweifel über seine fachliche<br />
Eignung oder eher persönliche Gründe waren, die seine Berufung zum<br />
or<strong>den</strong>tlichen Professor von 1936 bis 1938 hinzogen. Zu diesem Zeitpunkt<br />
arbeitete er immerhin schon 26 Jahre an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
München (UAM E-II-1739). Walter Koch erhielt 1932 die Venia legendi,<br />
doch der Konflikt mit dem Dozentenführer 183 zögerte die Ernennung zum<br />
außerplanmäßigen Professor bis 1941 hinaus (UAM E-II-2044). Hans<br />
Sedlmeier habilitierte sich 1936 in München und wurde dort 1943 zum<br />
außerplanmäßigen Professor ernannt (BayHStA MK 44324).<br />
Anton Otto Stoß jun. hatte sich zwar in Berlin habilitiert, übernahm dann<br />
aber später doch <strong>den</strong> Lehrstuhl seines Vaters in München (BayHStA MK<br />
69630).<br />
Auch die Berufungen von Richard Abelein (1935) und Fritz Stockklausner<br />
(1936) verliefen nicht in <strong>den</strong> üblichen Bahnen. Abelein wurde vom<br />
Praktiker zum Hochschullehrer ernannt und Stockklausner hatte sich als<br />
Leiter der Landesanstalt <strong>für</strong> Tierzucht in Grub mit seinem späteren<br />
Fachgebiet zwar eingehend befasst, aber ebenfalls nicht habilitiert (UAM<br />
E-II-705; UAM E-II-3266). Auch Hans Jöchle, zu dieser Zeit Landwirtschaftsrat<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, wurde aus der Praxis an die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Fakultät München berufen (1939), ohne sich habilitiert zu haben.<br />
Obwohl eine gewisse „politische Zuverlässigkeit“ bei <strong>den</strong> Berufungsvorschlägen<br />
berücksichtigt wurde, war an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät Mün-<br />
182 Vgl. Schimanski, Schäffer 2001a, 385.<br />
183 Siehe Kap. 5.3.2 „Walter Koch“.
258<br />
chen letztlich doch die Eignung der zukünftigen Professoren <strong>für</strong> das<br />
jeweilige Fachgebiet ausschlaggebend. Auffällig sind die bayerische<br />
Abstammung der meisten Professoren an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
München und ihr Studium in München. Trotz zahlreicher <strong>Ein</strong>flussversuche<br />
von außen verliefen die Berufungen aber letztlich doch im Sinne der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät. 184 <strong>Ein</strong>en kollektiven <strong>Ein</strong>tritt der or<strong>den</strong>tlichen<br />
Professoren in die NSDAP, wie 1933 an der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule<br />
Hannover, hat es in München nicht gegeben. Die Münchner Professoren<br />
lassen sich vielmehr in vier Gruppen einteilen: Die erste Gruppe war aus<br />
politischer Überzeugung schon 1933 oder früher in die NSDAP eingetreten<br />
185 , die Mitglieder der zweite Gruppe waren aus Angst vor<br />
beruflicher Benachteiligung oder aus Überzeugung schon früh in die SA<br />
eingetreten und von dort 1937 automatisch in die Partei überführt<br />
wor<strong>den</strong> 186 . Die dritte Gruppe, der auch Hans Jöchle angehörte, war erst<br />
1937 der Partei beigetreten. 187 Die vierte Gruppe bildeten die Professoren,<br />
die sich bewusst von der Partei distanziert hatten: Karl Hilz, Reinhard<br />
Demoll und Melchior Westhues waren keine NSDAP-Mitglieder gewesen<br />
und bekamen so keine Probleme bei der Wiedereinstellung nach dem Krieg<br />
(UAM E-II-1739; UAM E-II-1114; BayHStA MK 44516).<br />
Hans Sedlmeier wurde im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens<br />
(1947) als „nicht betroffen“ eingestuft und auch Walter Koch erhielt<br />
diesen Status mit der Weihnachtsamnestie (1947) (StAM SpkA K 1500<br />
Hans Sedlmeier; UAM E-II-2044). Daraufhin konnten beide die Universitätslaufbahn<br />
fortsetzen. Hans Jöchle wurde ebenso eingestuft, konnte<br />
aber nicht an die Fakultät zurück, da sein Lehrstuhl eingezogen wor<strong>den</strong><br />
war.<br />
Johannes Nörr und Anton Otto Stoß jun. wur<strong>den</strong> in die Gruppe der<br />
Mitläufer eingereiht, deshalb war eine Rückkehr an die Fakultät nicht<br />
erwünscht. Ihr Alter (62 und 61 Jahre) ermöglichte aber die erneute<br />
Berufung zum or<strong>den</strong>tlichen Professor unter gleichzeitiger Versetzung in<br />
<strong>den</strong> Ruhestand (Nörr 1948 und Stoß 1949) (UAM E-II-2590; UAM E-II-<br />
3277). Auch Richard Abelein, Parteigenosse seit 1932, gelang nach<br />
mehreren Verfahren 1947 die <strong>Ein</strong>stufung in die Gruppe der Mitläufer<br />
(StAM SpkA K 1 Richard Abelein). Die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät lehnte aber<br />
eine Anstellung als Hochschullehrer ab, unter anderem, weil sie sonst auch<br />
184 Vgl. Böhm (1995, 399-400, 440-442).<br />
185 Ernst, Stoß jun., Abelein und Stockklausner.<br />
186 Sedlmeier, Baier, Nörr und Koch.<br />
187 Jöchle und Seifried.
259<br />
Anträge auf Wiedereinstellung der Professoren Nörr und Stoß be<strong>für</strong>chtete.<br />
Abelein ging wieder in die Praxis, bemühte sich aber noch bis 1952 um<br />
seinen Lehrstuhl (BayHStA MK 54164).<br />
Fritz Stockklausner war seit 1933 Parteigenosse und hatte keine Chance,<br />
seine alte Stellung zurückzubekommen (BayHStA MK 69636). Es gelang<br />
ihm aber 1949, die or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Tierzucht an der Landwirtschaftlichen<br />
Fakultät der Technischen Hochschule München in Weihenstephan<br />
zu erhalten (Boessneck 1972, 316; Härtl 1983, 356).<br />
5.3.3 Entnazifizierung an <strong>den</strong> tierärztlichen Bildungsstätten<br />
34 % der Professoren an <strong>den</strong> deutschen tierärztlichen Bildungsstätten<br />
wur<strong>den</strong> im Rahmen der Entnazifizierung endgültig entlassen. Zusammen<br />
mit <strong>den</strong> aus anderen Grün<strong>den</strong> ausgeschie<strong>den</strong>en Professoren verloren 60 %<br />
der Professorenschaft bei Kriegsende ihr Amt. Während an der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Hochschule Hannover sieben Professoren und nur vorübergehend<br />
entlassen wur<strong>den</strong>, verliefen die Entnazifizierungsmaßnahmen in der sowjetischen<br />
und amerikanischen Besatzungszone wesentlich härter. So<br />
wur<strong>den</strong> in der amerikanischen Zone in Gießen vier und in München sieben<br />
Professoren aus politischen Grün<strong>den</strong> endgültig entlassen. In Leipzig<br />
wur<strong>den</strong> ein Professor vorläufig und fünf Professoren endgültig entlassen.<br />
Nur an der Berliner Fakultät (sowjetische Besatzungszone) gab es wenige<br />
Entlassungen, weil ein großer Teil der Professoren nach Kriegsende nicht<br />
mehr an die Fakultät zurückgekehrt war (Schimanski 2000, 39).<br />
Obwohl München im WS 1944/45 einen geringeren Anteil an NSDAP-<br />
Mitgliedern unter <strong>den</strong> Lehrstuhlinhabern zu verzeichnen hatte als die<br />
tierärztlichen Bildungsstätten in Berlin, Hannover und Gießen, wurde dort<br />
aufgrund der strengen Entnazifizierungspolitik der größte Anteil der<br />
Professoren endgültig entlassen (in München 64 %, in Gießen 57 % und in<br />
Hannover 0 % der Lehrstuhlinhaber).<br />
<strong>Ein</strong>ige Professoren fan<strong>den</strong> aber später an anderen Bildungsstätten eine<br />
neue Stellung, gefördert durch das „Gesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes“,<br />
das geflüchteten und entlassenen Beamten einen Rechtsanspruch<br />
auf Versorgung gewährte. 20 % der neu zu besetzen<strong>den</strong> Stellen mussten an<br />
solche Beamte vergeben wer<strong>den</strong>. Trotz allem war mit Kriegsende die
260<br />
Hochschulkarriere von 14 veterinärmedizinischen Professoren beendet 188 ,<br />
darunter auch Hans Jöchle. Schimanski hält das angesichts der exzessiven<br />
Rehabilitierungs- und Wiedereinstellungspraxis <strong>für</strong> ungewöhnlich hoch<br />
(Schimanski 2000, 40).<br />
Tab. 3: NSDAP-Mitgliedschaft der Lehrstuhlinhaber an <strong>den</strong> tierärztlichen<br />
Bildungsstätten im WS 1944/45 (Schimanski, Schäffer<br />
2001b, 423).<br />
Lehrstuhlinhaber NSDAP-Mitglieder Anteil<br />
Berlin 14 11 79 %<br />
Gießen 7 7 100 %<br />
Hannover 12 9 75 %<br />
München 11 7 64 %<br />
Die vorläufigen und endgültigen Entlassungen führten an <strong>den</strong> schon bei<br />
Kriegsende unterbesetzten Hochschulen zu einer angespannten Personalsituation.<br />
Die Professoren, die noch im Amt waren, mussten mehrere<br />
Fächer übernehmen und in Gießen und Leipzig wur<strong>den</strong> längst emeritierte<br />
Professoren wieder an die Hochschule gerufen, damit ein Lehrbetrieb<br />
überhaupt stattfin<strong>den</strong> konnte. Teilweise wur<strong>den</strong> Notdienstverträge geschlossen,<br />
um <strong>den</strong> vorläufig entlassenen Professoren <strong>den</strong> Wiedereintritt zu<br />
ermöglichen. Der schon während des Krieges herrschende Nachwuchsmangel<br />
führte in München sogar so weit, dass die Lehrstühle <strong>für</strong> Innere<br />
Medizin und <strong>für</strong> Tierhygiene erst 1955 wieder or<strong>den</strong>tlich besetzt wer<strong>den</strong><br />
konnten (Schimanski 2000, 40-41).<br />
5.3.4 Die Stu<strong>den</strong>tenschaft<br />
In der Nachkriegszeit gab es <strong>für</strong> die Stu<strong>den</strong>ten strenge Reglungen.<br />
Politisch Belasteten blieb der Zugang zur Hochschule versagt. Den älteren<br />
sollte Vorzug vor <strong>den</strong> jüngeren gegeben wer<strong>den</strong> und Kriegsteilnehmer,<br />
insbesondere Kriegsversehrte, waren besonders zu berücksichtigen. Ansonsten<br />
war nur die Eignung <strong>für</strong> <strong>den</strong> Beruf des Akademikers ausschlag-<br />
188 Richard Abelein, Hans Dahmen, Wilhelm Ernst, Wilhelm Hinz, Hans Jöchle, Curt Krause,<br />
Wilhelm Krüger, Johannes Nörr, Arthur Scheunert, Kurt Schmidt, Curt Sprehn, Richard<br />
Standfuß, Anton Otto Stoß jun. und Hans-Jürgen Voss.
261<br />
gebend. „Frauen sollen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein, müssen<br />
jedoch hinsichtlich ihrer Eignung <strong>für</strong> <strong>den</strong> gewünschten Beruf besonders<br />
strenge geprüft wer<strong>den</strong>“ (BayHStA MK 69087). Als Anmeldefrist war der<br />
25. November 1945 geplant. An eine nahtlose Anknüpfung an die Vorkriegsverhältnisse<br />
war natürlich nicht zu <strong>den</strong>ken. Die neue Hochschule<br />
sollte in der Lage sein,<br />
„<strong>den</strong> Studieren<strong>den</strong> nicht nur das nötige Wissen zu vermitteln,<br />
sondern sie auch dazu zu erziehen, die Wahrheit auf Grund gefestigter<br />
Weltanschauung zu suchen, <strong>den</strong> neuen Geist des Staates aufzunehmen,<br />
fremde Überzeugung zu achten und dem Staat gegenüber<br />
in demokratischer Gesinnung und Haltung sich verantwortlich zu<br />
fühlen“ (BayHStA MK 69087, 15.10.1945).<br />
Zum Zeitpunkt der Eröffnungssitzung des Senats am 28. November 1945<br />
hatten sich 6.404 Stu<strong>den</strong>ten an der LMU München gemeldet. Davon<br />
wollten 171 Männer und 11 Frauen das Studium der Tiermedizin<br />
aufnehmen (UAM OC-N-1d, 1.12.1945). Zum SS 1946 meldeten sich<br />
weniger Stu<strong>den</strong>ten als vor dem Krieg, was aber sicherlich auch daran lag,<br />
dass die Fakultät offiziell noch nicht wiedereröffnet war. Im SS 1938 hatte<br />
die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der Universität München 275 Studierende, im SS<br />
1946 meldeten sich nur 213 Stu<strong>den</strong>ten zum Studium (Schweizer 2002,<br />
140).<br />
Auf der Senatssitzung am 1. August 1946 wurde vorgeschlagen, ab dem<br />
nächsten Semester „die Neuaufgenommenen zunächst <strong>für</strong> ein halbes Jahr<br />
in einem stu<strong>den</strong>tischen Arbeitsdienst zu formieren, dessen Teilnahme das<br />
Recht auf das Studium im nächsten Semester gewährt“. Dieser Vorschlag<br />
wurde allgemein begrüßt und es wurde beschlossen, dass alle Abiturienten<br />
nachweisen mussten, „mindestens ein halbes Jahr Handarbeit geleistet [zu]<br />
haben“, ehe sie mit dem Studium beginnen durften (UAM Sen-III-1).<br />
Wichtig <strong>für</strong> die Studienzulassung war auch der Nachweis einer Unterkunft.<br />
In der Vorklinik wur<strong>den</strong> Studiengebühren von 150 bis 200 Mark und in<br />
<strong>den</strong> klinischen Semestern von 200 bis 250 Mark verlangt (Röcken 2000,<br />
311).<br />
Für das WS 1946/47 waren an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät 191 Stu<strong>den</strong>ten<br />
immatrikuliert (UAM Sen-III-1, 7.11.46). Auf der Senatssitzung am 6. Februar<br />
1947 wur<strong>den</strong> Höchstzahlen <strong>für</strong> die Neuzulassungen der nächsten<br />
Semester festgelegt. Für die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät waren <strong>für</strong> das SS 1947<br />
30 und <strong>für</strong> das WS 1947/48 70 Neuzulassungen vorgesehen. Prof. Hilz
262<br />
bemühte sich um eine Lockerung der Zuzugssperre 189 <strong>für</strong> die Stu<strong>den</strong>ten der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, da München die einzige Ausbildungsstätte <strong>für</strong><br />
Tierärzte in Bayern war (UAM Sen-III-2, 6.2.1947).<br />
Manfred Jöchle, der zweite Sohn Hans Jöchles, erinnert sich an die<br />
schwierige Situation der Stu<strong>den</strong>ten in der Nachkriegszeit:<br />
„Oft waren die einzigen Kleider, die die Stu<strong>den</strong>ten noch hatten, die<br />
Uniformen. Alles andere war verloren. Es war aber verboten<br />
Uniform zu tragen, und so haben sie die Uniformen umgedreht und<br />
saßen recht abenteuerlich mit dem bekleidet, was sie kriegen<br />
konnten, in der Vorlesung“ (Jöchle, M. 2005, mdl. Mitt.).<br />
Auch sonst fehlte es am Allernötigsten und so kam es 1947 zu Hungerdemonstrationen<br />
der Münchner Stu<strong>den</strong>ten in der Ludwigstraße 190 (Boehm<br />
1972, 372).<br />
5.3.5 Hans Jöchle und die Professur <strong>für</strong> Hufkunde<br />
Nachdem Hans Jöchle das Entnazifizierungsverfahren am 26. April 1947<br />
durchgestan<strong>den</strong> hatte, hoffte er, wieder die außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong><br />
die Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s, der Hufkrankheiten und der Beschirrungslehre<br />
vertreten zu können. Doch die Fakultät hatte andere Pläne. Am<br />
26. August 1947 wandelte das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht<br />
und Kultus die außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Hufkunde in eine solche <strong>für</strong><br />
Fleischbeschau um, wie es die Fakultät einen Monat zuvor beantragt hatte<br />
(PrivAWJ 1953). Das Institut <strong>für</strong> Hufkunde wurde der Chirurgischen<br />
Tierklinik zugeteilt. So konnte die Fakultät keine <strong>Ein</strong>satzmöglichkeit <strong>für</strong><br />
Professor Jöchle mehr fin<strong>den</strong> (PrivAWJ 1953). Hans Jöchle fand diese<br />
Umwandlung, auch hinsichtlich der Ausbildung der Studieren<strong>den</strong>,<br />
vollkommen unangebracht:<br />
„Nunmehr soll die ao. Professur <strong>für</strong> Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>es, der<br />
Hufkrankheiten und der Beschirrungslehre aufgehoben (=Antrag der<br />
189 Durch Brand- und Bombenschä<strong>den</strong> herrschte im Nachkriegs-München ein immenser<br />
Wohnungsmangel, und die Stadtverwaltung ordnete eine Kontingentierung des Zuzugs an,<br />
zeitweise sogar eine totale Zuzugssperre. Andererseits konnte sich aber an der Universität nur<br />
einschreiben, wer eine Unterkunft in München und Umgebung nachweisen konnte.<br />
190 Wolfgang Jöchle berichtet, er sei als Stu<strong>den</strong>t an der Organisation der Hungerdemonstrationen<br />
beteiligt gewesen, die aber erst 1948 stattgefun<strong>den</strong> hätten (Jöchle, W. 2006, mdl. Mitt.).
263<br />
Fakultät) und als Unterabteilung der Chirurgie angegliedert wer<strong>den</strong><br />
unter Prof. Westhues. Man glaubt damit <strong>für</strong> ein anderes Lehrfach,<br />
<strong>für</strong> das heute noch keine eigene Professur besteht z. B. <strong>für</strong><br />
Parasitologie oder Fleischbeschau eine Professur freizubekommen. -<br />
Die Vorlesungen über die Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>es sollen dem<br />
jeweiligen Vorstande der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule eventuell<br />
übertragen wer<strong>den</strong> im Lehrauftrag.<br />
Die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München, vormals Lehrschmiede<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule, ist bei Uebernahme der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Hochschule als <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät an die Universität im<br />
Jahre 1914 abgetrennt und seither dem Staatsministerium <strong>für</strong><br />
Landwirtschaft unterstellt. Jedoch war der Vorstand des Instituts <strong>für</strong><br />
Hufkunde gleichzeitig auch der Vorstand der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule.<br />
Diese Bedingung hatte ich bei Uebernahme der<br />
Professur ebenfalls gestellt und auch zugesagt erhalten. Damit waren<br />
<strong>für</strong> die Studieren<strong>den</strong> auch die unbedingt notwendigen Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> eine praktische Unterweisung gegeben, weil so die<br />
<strong>Ein</strong>richtungen der <strong>Hufbeschlag</strong>schule jederzeit auch zur Ausbildung<br />
der Studieren<strong>den</strong> herangezogen wer<strong>den</strong> konnten“ (PrivAWJ, Jöchle,<br />
H. 1947).<br />
Prof. Sedlmeier leitete neben der Pathologie kommissarisch auch noch die<br />
Nahrungsmittelkunde. Das Institut <strong>für</strong> Tierpathologie hatte 1950 vier<br />
Lager-Baracken auf dem Gelände der ehemaligen „Hofbaumschule“ erhalten,<br />
worin Sektionshalle, Sammlung, Kursussaal sowie Labor-, Arbeits-<br />
und Geschäftszimmer untergebracht waren. Doch bald mussten die<br />
Baracken dem Klinikneubau weichen und Sedlmeier wur<strong>den</strong> <strong>für</strong> seine<br />
bei<strong>den</strong> Institute die Räume der <strong>Hufbeschlag</strong>schule zugewiesen (Hermanns,<br />
Dahme 1990, 184-185). Die außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Hufkunde<br />
wurde mit samt ihren Räumen auf die Nahrungsmittelkunde übertragen<br />
und das Institut <strong>für</strong> Huf- und Beschirrkunde mit Inventar, Assistent und<br />
Wärter von der Chirurgie übernommen. Auch Übungen und Kurse wur<strong>den</strong><br />
von der Chirurgie gehalten und die Vorstandschaft - „ohne Anspruch auf<br />
besondere Vergütung“ - dem Vorstand der Chirurgischen Tierklinik, Prof.<br />
Westhues, übertragen (BayHStA MK 69645, 19.11.1951, 14.12.1951).<br />
Im Institutsgebäude hatte Jöchle zu Anfang der 50er Jahre noch über einen<br />
Arbeitsraum mit Handbibliothek verfügt. Als die Räumlichkeiten an Prof.<br />
Sedlmeier abgegeben wur<strong>den</strong>, behandelte er Hans Jöchle sehr kollegial und<br />
respektierte dessen räumliche Bedürfnisse (Dahme 2004, schriftl. Mitt.).
264<br />
Erwin Dahme lernte als Stu<strong>den</strong>t und Assistent am Institut <strong>für</strong> Tierpathologie<br />
Hans Jöchle kennen und charakterisiert das Verhältnis Jöchles zur<br />
Fakultät:<br />
„Jöchle aber pflegte wohl von sich aus keinerlei Kontakt zum<br />
damaligen Lehrkörper der Fakultät. Stets etwas mürrisch, aber<br />
durchaus sehr höflich, gehörte er zum leben<strong>den</strong> Inventar des Hauses.<br />
Wir damals Jüngeren lebten lediglich auf ‚höflichem Grußfuß‘ mit<br />
ihm“ (Dahme 2004, schriftl. Mitt.).<br />
Hans Sedlmeier hatte behelfsweise die <strong>Leben</strong>smittelhygiene vertreten,<br />
doch er konzentrierte sich immer mehr auf die Pathologie und so sollte<br />
1954 auch der Lehrstuhl <strong>für</strong> <strong>Leben</strong>smittelhygiene wieder von einem<br />
Professor hauptamtlich geleitet wer<strong>den</strong>. Um das Institut <strong>für</strong> einen neuen<br />
Lehrstuhlinhaber interessant zu machen, mussten eigene zusätzliche<br />
Räume zur Verfügung gesellt wer<strong>den</strong>. Angesichts der Raumnot bestand<br />
„von Seiten der Fakultät nunmehr die besonders dringlich gewor<strong>den</strong>e<br />
Notwendigkeit, die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule <strong>für</strong> <strong>den</strong> Bedarf der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät alsbald freizubekommen“. Dekan Prof. Baier ließ<br />
vom Verwaltungsausschuss der Universität ein Gutachten anfertigen, um<br />
die umstrittenen Besitzverhältnisse zwischen der <strong>Hufbeschlag</strong>schule, die<br />
dem Bayerischen Staatsministerium <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und<br />
Forsten unterstand, und der Universität 191 zu klären (BayHStA MK 69684,<br />
9.1.1954).<br />
Der Bayerische Staatsminister <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,<br />
Dr. Alois Schlögl, setzte sich sehr <strong>für</strong> <strong>den</strong> Erhalt der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
ein. Es fand eine Besprechung mit Ministerialrat Johannes von Elmenau,<br />
Dekan Baier und Prof. Westhues statt. München war die bestbesuchte<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule Bayerns und Schlögl hielt auch die Ausbildung der<br />
Tiermedizinstu<strong>den</strong>ten an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule <strong>für</strong> äußerst wichtig. Dort<br />
wur<strong>den</strong> monatlich etwa 120 Pferde beschlagen. Andere „neuerstellte“<br />
Hochschulen (Hannover, Leipzig) legten größten Wert auf die Integration<br />
der Lehrschmie<strong>den</strong> in die Fakultät und auch das Landwirtschaftsministerium<br />
in Bayern hielt eine Verlegung der <strong>Hufbeschlag</strong>schule nicht <strong>für</strong><br />
ratsam. Falls es aber doch dazu kommen sollte, käme nur ein Neubau in<br />
Betracht. Da<strong>für</strong> veranschlagte Schlögl 200.000 DM, die aber bei der<br />
Haushaltslage des bayerischen Staats nicht aufzubringen seien und so<br />
191<br />
Die Angelegenheiten der Universität hatte das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht<br />
und Kultus zu regeln.
265<br />
schlug Schlögl vor, es beim bisherigen Zustand - also die <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
auf dem Fakultätsgelände - zu belassen (BayHStA MK 69684,<br />
13.4.1954). Doch die Diskussion um die <strong>Hufbeschlag</strong>schule und das<br />
Hufkundeinstitut wurde damit wieder neu entfacht. Auch Westhues bezog<br />
dazu Stellung:<br />
In einem Brief an das Dekanat vom 18. Juni 1954 kritisierte Professor<br />
Westhues die Zweiteilung der Lehre zwischen Chirurgie und Hufkunde,<br />
wobei er dem Institut <strong>für</strong> Hufkunde <strong>den</strong> theoretischen Vortrag zuteilte,<br />
während die Chirurgische Klinik die hufkranken Tiere demonstriere und<br />
operiere. Weiterhin argumentierte er, die Vereinheitlichung von 1945 biete<br />
<strong>den</strong> Studieren<strong>den</strong> eine wesentlich bessere Ausbildung im Bereich der<br />
Pathologie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und im Bereich der Huf- und Klauenkrankheiten<br />
im klinischen Unterricht. Auch die Lahmheitsdiagnostik werde nur<br />
in der Chirurgie gelehrt und dort werde hauptsächlich die Forschung<br />
betrieben, wie auch Lehrbücher herausgegeben. Es gäbe in der Westzone<br />
ohnehin keine <strong>Hufbeschlag</strong>schule in Verbindung mit der Universität mehr.<br />
Die <strong>Hufbeschlag</strong>schule diene nur der Ausbildung der Hufschmiede und die<br />
Behandlung von Huf- und Klauenkrankheiten gehöre ohnehin in <strong>den</strong><br />
Aufgabenbereich der Klinik. Für die Ausbildung der Stu<strong>den</strong>ten sei die<br />
Lehre der <strong>Hufbeschlag</strong>schule von geringem Interesse, da sie nicht selbst<br />
<strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> ausführen, sondern lediglich fehlerhaften <strong>Hufbeschlag</strong><br />
erkennen sollten. So sei auch die räumliche Nähe von Universität und <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
unerheblich (BayHStA MK 69684, 18.6.1954; PrivAWJ<br />
1954).<br />
Daraufhin wurde auch Professor Hans Jöchle um eine Stellungnahme<br />
gebeten. 192 Jöchle entgegnete, dass am Institut <strong>für</strong> Hufkunde besonders im<br />
Rahmen von Übungen, aber auch im Anschluss an die Vorlesungen sehr<br />
wohl der Huf- und Klauenbeschlag, hufkranke Tiere und orthopädische<br />
Maßnahmen demonstriert wür<strong>den</strong>. Auch die Lahmheitsdiagnostik werde<br />
gelehrt, aber dem Fachgebiet entsprechend, nur auf die vom Huf ausgehen<strong>den</strong><br />
Probleme eingegangen. Das hierzu notwendige Material stehe auch nur<br />
in der <strong>Hufbeschlag</strong>schule zur Verfügung, da die Chirurgische Tierklinik ja<br />
nicht einmal eine eigene Schmiede besitze. So meldeten sich seit Jahren<br />
immer wieder Stu<strong>den</strong>ten der Tierheilkunde an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule mit<br />
der Bitte, zusehen zu dürfen, weil sie an der Chirurgischen Tierklinik keine<br />
Möglichkeit hätten, die ganze Materie kennen zu lernen. Die Vereinheitlichung<br />
sei 1945 nur unter Ausnutzung der politischen Verhältnisse<br />
192 Dieser Brief vom 21. September 1954 ist im Nachlass Jöchles erhalten.
266<br />
erreicht wor<strong>den</strong>, weil der Lehrstuhlinhaber des Dienstes enthoben wor<strong>den</strong><br />
war. Die enge Verbindung von Universität und <strong>Hufbeschlag</strong>schule werde<br />
sowohl in Leipzig als auch in Hannover praktiziert. Was die Veröffentlichung<br />
von Lehrbüchern betreffe, sei es vielmehr so, dass der im Jahr<br />
1934 von Professor Erwin Moser (zu dieser Zeit Vorstand des Instituts <strong>für</strong><br />
Hufkunde) herausgegebene „Leitfa<strong>den</strong> der Huf- und Klauenkrankheiten“<br />
im Jahr 1950 vom Vorstand der Chirurgischen Tierklinik als 2. Auflage<br />
herausgegeben wor<strong>den</strong> war. Dem früheren Inhaber des Lehrstuhls <strong>für</strong> Huf-<br />
und Klauenkrankheiten sei die Möglichkeit hierzu genommen wor<strong>den</strong>. Die<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule behandle viele Pferde, die nicht durch chirurgische<br />
<strong>Ein</strong>griffe, sondern in der Hauptsache durch orthopädische Korrekturen<br />
arbeitsfähig erhalten wür<strong>den</strong>. 193 Und wie sollten die Schüler Fehler des<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>s erkennen und orthopädische Maßnahmen treffen, wenn sie<br />
all dies praktisch nie demonstriert bekämen? Für die Ausbildung<br />
praktischer Tierärzte sei es unverzichtbar, <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> in der praktischen<br />
Ausbildung an der <strong>Hufbeschlag</strong>schule demonstriert zu bekommen<br />
(PrivAWJ). Dieser Meinung schloss sich auch die Landestierärztekammer<br />
Ba<strong>den</strong>-Württemberg an, die seit der Auflösung der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule<br />
in Stuttgart die Ausbildungsmöglichkeiten <strong>für</strong> Tierärzte in der<br />
Umgebung genau beobachtete (BayHStA MK 69684, 17.12.1954). Die<br />
hier erläuterten Argumente Jöchles stehen demnach in krassem Gegensatz<br />
zu der Schilderung Westhues’. Trotz allem blieben die Verhältnisse an der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule unverändert.<br />
Das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht und Kultus hatte auch bei<br />
Prof. Sedlmeier einen Bericht über die Angelegenheiten der <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
angefordert. Dieser wies auf die Notwendigkeit der Sicherung des<br />
Instituts <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde hin, mit der Forderung, die Räume der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule <strong>für</strong> das Institut <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde freizubekommen.<br />
Die Berufung von Professor Martin Lerche aus Berlin an das Institut<br />
<strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde scheiterte wohl an persönlichen Grün<strong>den</strong>, er<br />
teilte aber ausdrücklich mit, „dass er sich nicht in der Lage sähe, ein<br />
Institut mit so erheblichen räumlichen Strittigkeiten zu übernehmen“. Der<br />
Fakultät 194 war nun daran gelegen, schon vor oder im Zuge einer Neubesetzung<br />
des Lehrstuhls die Raumfrage zu klären, um die neue Berufung<br />
nicht von vornherein zu gefähr<strong>den</strong> (BayHStA MK 69684, 7.7.1954).<br />
193 Mit Rehehufen, Platthufen, Vollhufen, Zwanghufen, Kronenzwang, Hornspalten, Hufknorpelverknöcherungen,<br />
Sehnenentzündungen und Spatlahmheit.<br />
194 Hier vertreten durch <strong>den</strong> Dekan Prof. Baier.
267<br />
Im Juli 1957 bat der Dekan der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät - inzwischen Prof.<br />
Hans Liebmann - erneut das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht<br />
und Kultus, die Verhandlungen mit dem Bayerischen Staatsministerium <strong>für</strong><br />
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wieder aufzunehmen, da die<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule nun die Baumaßnahmen auf dem Fakultätsgelände zu<br />
behindern drohte. Er forderte die baldmöglichste Räumung der <strong>Hufbeschlag</strong>schule.<br />
Trotz allem wünschte man nun, „dass die Neuerrichtung der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule in nicht allzugrosser räumlicher Entfernung vom [...]<br />
Fakultätsgelände bezw. vom Oberwiesenfeld“ erfolgen möge (BayHStA<br />
MK 69684, 5.7.1957). Auch Prof. Westhues, Mitglied des Verwaltungsausschusses<br />
der Universität München, forderte eine Woche später <strong>den</strong><br />
Auszug der Hufschmiede, da im Zuge des Ausbaues der Fakultät die<br />
Räumlichkeiten <strong>für</strong> das Institut <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde Verwendung<br />
fin<strong>den</strong> sollten (BayHStA MK 69684, 15.7.1957). Die Errichtung einer<br />
neuen <strong>Hufbeschlag</strong>schule wurde auf dem Gelände der alten Schwere-<br />
Reiter-Kaserne in unmittelbarer Nähe der Fakultätsgebäude am Oberwiesenfeld<br />
geplant. Die Räumung der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
konnte aber noch nicht stattfin<strong>den</strong>, da das Staatsministerium der Finanzen<br />
und der Landtag die beantragten Mittel <strong>für</strong> <strong>den</strong> Neubau noch nicht zur<br />
Verfügung gestellt hatten. Dies wurde frühestens <strong>für</strong> das nächste Haushaltsjahr<br />
erhofft (BayHStA MK 69684, 9.10.1957). Die Mittel konnten<br />
oder wollten wohl nicht bereitgestellt wer<strong>den</strong>. Je<strong>den</strong>falls fan<strong>den</strong> die <strong>Hufbeschlag</strong>slehrgänge<br />
weiterhin in der <strong>Hufbeschlag</strong>schule auf dem Fakultätsgelände<br />
statt, allerdings mit stetig sinkender Teilnehmerzahl (ASchw). So<br />
schien ein Neubau der <strong>Hufbeschlag</strong>schule nicht mehr erstrebenswert.<br />
Die Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule München wurde 1961 aufgelöst und<br />
nach Augsburg verlegt (ASchw 1961). Es bestand aber noch eine der<br />
Chirurgischen Klink unterstellte Schmiede, die die Patienten der Klinik<br />
versorgte, nebenbei aber auch andere Pferde beschlug (Westhues 1965,<br />
71).<br />
Im Vergleich dazu stellten sich die Verhältnisse an der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Hochschule Hannover folgendermaßen dar: Dem Leiter der Ambulatorischen<br />
Klinik, Honorarprofessor Hans Schultz 195 , wurde im WS 1947/48<br />
ein Lehrauftrag <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>swesen erteilt und im März 1948 über-<br />
195 Hans Schultz war ab 1931 als Regierungsveterinärrat in der staatlichen Veterinärverwaltung<br />
tätig gewesen. Aufgrund seiner langjährigen Mitgliedschaft in der NSDAP (1933-<br />
1945) wurde er von der Militärregierung <strong>für</strong> eine Lehrtätigkeit an der Hochschule abgelehnt,<br />
aber wenige Monate später im Zuge eines Revisionsverfahrens vom Kreisentnazifizierungsausschuss<br />
Bad Segeberg als politisch unbe<strong>den</strong>klich eingestuft (Schweizer 2002, 324-325).
268<br />
nahm er auch die Leitung der Landeslehrschmiede. Als 1952 die Ambulatorische<br />
Klinik der Medizinischen Klinik angegliedert wurde, vertrat<br />
Schultz ausschließlich das <strong>Hufbeschlag</strong>swesen an der Hochschule und der<br />
Landeslehrschmiede (Schweizer 2002, 324-325).<br />
Auch die Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig erhielt<br />
1952 wieder ein Institut <strong>für</strong> Huf- und Klauenkunde. Der bereits habilitierte<br />
Oberassistent der Chirurgischen Tierklinik, Hans Schleiter, wurde zum<br />
Professor <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> und Beschirrungskunde berufen. Außerdem<br />
übernahm er die Leitung der neu gegründeten <strong>Hufbeschlag</strong>slehrschmiede.<br />
1956 wurde Schleiter zum Professor <strong>für</strong> Veterinärchirurgie und Direktor<br />
der Chirurgischen Universitäts-Tierklinik berufen, leitete aber weiterhin<br />
die <strong>Hufbeschlag</strong>slehrschmiede. 196<br />
Melchior Westhues stellte die Vorgänge um die <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
anlässlich des 175jährigen Jubiläums der <strong>Tierärztliche</strong>n Ausbildungsstätte<br />
in München (1965) wie folgt dar:<br />
„Nach dem Tode des letzten Vorstandes des Instituts, Prof.<br />
MOSER 197 , 1937, wurde während des Krieges als Nachfolger der<br />
Ob.-Vet.-Rat Dr. JÖCHLE 198 vom Ministerium eingestellt. Nach<br />
dem Kriege wurde jedoch dieses Institut <strong>für</strong> Huf- und<br />
Beschirrungskunde als selbständiges Institut aufgehoben und in die<br />
Chirurgische Tierklinik einbezogen, während die Räume des<br />
Instituts dem neuen Fakultätsinstitut <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde<br />
zufielen. Das ist ein bemerkenswertes Ereignis in der Fakultät und<br />
der ganzen Universität, daß ein Institut als überlebt eingezogen wird.<br />
Es ist darüber vorher und nachher viel diskutiert wor<strong>den</strong>. Je<strong>den</strong>falls<br />
braucht die Landwirtschaft und das Fuhrwerk künftig <strong>den</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong> praktisch nicht mehr. Jedoch braucht die Landwirtschaft<br />
die Versorgung der Klauen der Paarhufer mehr als je und<br />
hier macht sich der Mangel an Experten bereits sichtbar. [...] Aber<br />
die Sportpferde bedürfen des <strong>Hufbeschlag</strong>es mehr als je; [...] auch<br />
der Pferdesport wird [...] seine Bedeutung voraussichtlich<br />
allenthalben vermehren. [...] Man wird niemals sagen dürfen, die<br />
Aufgabe ist zu gering, daß es nicht nötig ist, einen Tierarzt <strong>für</strong> diese<br />
Aufgabe - Betreuung der Sportpferde - besonders auszubil<strong>den</strong>. Es ist<br />
196<br />
Schleiter, Hans (2002): 50 Jahre <strong>Hufbeschlag</strong> - Lehrschmiede feierte Jubiläum, S. 1-2:<br />
http://www.uni-leipzig.de/journal/0205/0205hufe.html.<br />
197<br />
Hervorhebung im Original.<br />
198<br />
Hervorhebung im Original.
269<br />
darum nicht so ganz einfach vor sich gegangen, daß hier ein<br />
Spezialinstitut <strong>für</strong> Hufkunde wieder eingezogen und der Chirurgischen<br />
Klinik einverleibt wurde. Das Fach der Huf- und Klauenkunde<br />
muß in der Chirurgischen Klinik auch künftig gut versorgt<br />
bleiben“ (Westhues 1965, 70-71).<br />
Dieses Zitat macht u. a. deutlich, dass Westhues Jöchle nie wirklich als<br />
Hochschullehrer akzeptiert hatte, da er nicht habilitiert war. Doch Hausberufungen<br />
und die Berufung von Praktikern waren keine Seltenheit an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München. 199 Trotzdem war die <strong>Ein</strong>gliederung des<br />
Hufkundeinstituts in die Chirurgie in dieser Zeit des Niedergangs der<br />
landwirtschaftlichen Pferdehaltung sicherlich vertretbar. Die Existenz eines<br />
Hufkundeinstituts war schon vor 1939 fraglich und von ständigen<br />
Kompetenzstreitigkeiten mit der Chirurgie begleitet, da das Fachgebiet <strong>für</strong><br />
eine eigene Professur als zu klein angesehen wurde.<br />
An <strong>den</strong> tierärztlichen Bildungsstätten Hannover und Leipzig wur<strong>den</strong> zwar<br />
nach dem Krieg wieder Hufkundeinstitute in Verbindung mit <strong>den</strong> Lehrschmie<strong>den</strong><br />
etabliert, doch trotz zunehmender Freizeitpferdehaltung wur<strong>den</strong><br />
auch dort die Hufkundeinstitute schließlich wieder aufgegeben und das<br />
Gebiet der Chirurgie bzw. der Pferdeklinik zugeordnet.<br />
199 Siehe Kap. 5.3.2 „Bilanz“.
6 Schlussbetrachtung<br />
270<br />
Die Biographie Hans Jöchles schildert die Geschichte eines Landwirtssohnes<br />
aus dem Allgäu, der zum Professor aufstieg. Er durchlief die<br />
übliche Karriere: Stu<strong>den</strong>t und danach Assistent an der Universität. Die<br />
Unterstützung durch seinen Bundesbruder Professor Erwin Moser,<br />
Vorstand des Instituts <strong>für</strong> Huf- und Beschirrungskunde und der Staatlichen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule München, war sicherlich mit ausschlaggebend <strong>für</strong> die<br />
Wahl der Fachrichtung <strong>Hufbeschlag</strong>. <strong>Ein</strong>e Habilitation konnte sich Jöchle<br />
aus finanziellen Grün<strong>den</strong> jedoch nicht leisten und nahm deshalb eine Stelle<br />
als Kreiswanderlehrer <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> an. Seine Bedeutung als Wissenschaftler<br />
liegt weniger in der Entwicklung neuer <strong>Hufbeschlag</strong>smetho<strong>den</strong><br />
oder -arten als in der Aufklärungsarbeit an der Basis. Schon vor der<br />
Machtergreifung hatte sich Hans Jöchle <strong>für</strong> <strong>den</strong> Tierschutz eingesetzt. Er<br />
bemühte sich um Aufklärung der Pferdebesitzer über <strong>den</strong> schädlichen<br />
<strong>Ein</strong>fluss schlechter Haltungsbedingungen und mangelnder Hufpflege und<br />
um die Verbesserung der Ausbildung der Hufschmiede. Nicht zuletzt durch<br />
die Bekämpfung erblicher Hufmängel beim Süddeutschen Kaltblut<br />
bewahrte Jöchle die bayerische Pferdezucht vor schwerwiegen<strong>den</strong><br />
Schä<strong>den</strong>. Am <strong>Hufbeschlag</strong> an sich hat sich seit dieser Zeit bis heute kaum<br />
etwas verändert. Trotz zahlreicher Versuche, Alternativen zu entwickeln,<br />
sind die <strong>Hufbeschlag</strong>smetho<strong>den</strong> bis heute erhalten geblieben (vgl. Kratz<br />
2001, 99).<br />
Nach der Machtergreifung durchdrang die nationalsozialistische Ideologie<br />
sämtliche Bereiche, das Handwerk und die Landwirtschaft waren bevorzugte<br />
Zielgruppen. Auch Hans Jöchle trat 1937 in die NSDAP ein, weil er<br />
sich ohne Parteimitgliedschaft zunehmend beruflichen Ärger eingehandelt<br />
hätte. Möglicherweise wäre sonst auch die Ernennung zum Professor<br />
gescheitert. Die unverhoffte Ernennung des Praktikers zum Professor - an<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München jedoch nicht unüblich - erfolgte<br />
1939, also erst zwei Jahre nach Professor Mosers Tod.<br />
Anfangs strebte der Berufungsausschuss eine <strong>Ein</strong>ziehung des Hufkundeinstituts<br />
und eine Vertretung des Fachs durch <strong>den</strong> Chirurgen Prof.<br />
Westhues an, wie es auch an <strong>den</strong> tierärztlichen Fakultäten Gießen und<br />
Leipzig üblich war. In München hatte es zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Instituten oft<br />
Kompetenzüberschneidungen und -streitigkeiten gegeben. Durch diese<br />
Umstrukturierung sollte nun die Errichtung eines Lehrstuhls <strong>für</strong> <strong>Leben</strong>smittelkunde<br />
oder Parasitologie ermöglicht wer<strong>den</strong>, die an anderen tierärztlichen<br />
Bildungsstätten bereits etabliert waren. Das Reichskriegsminis-
271<br />
terium forderte, <strong>den</strong> Lehrauftrag an einen Veterinäroffizier zu vergeben,<br />
der dann der Veterinärinspektion unterstellt sein sollte. Das lehnten der<br />
Berufungsausschuss und die Dozentenschaft ab. Schließlich entschied sich<br />
der Berufungsausschuss, die Hufkunde in Form eines nicht selbständigen<br />
Lehrauftrags der Chirurgischen Klinik zu unterstellen und der Lehrauftragsinhaber<br />
sollte ein Abteilungsvorsteher wer<strong>den</strong>, der sich in diesem<br />
Rahmen evtl. noch habilitieren sollte. Da<strong>für</strong> wurde, mangels anderer<br />
Kandidaten, schließlich Hans Jöchle vorgesehen. Das Vorhaben scheiterte<br />
jedoch aus finanziellen Grün<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n der langjährige Assistent an der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule, Dr. Eugen Mennel, kam „aus persönlichen Grün<strong>den</strong>“<br />
<strong>für</strong> eine leitende Position nicht in Frage und andererseits wagte man nicht,<br />
sich ganz von Mennel zu trennen. So entschied man sich, die Professur <strong>für</strong><br />
Hufkrankheiten, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre doch<br />
zu erhalten. Der Forderung der Dozentenschaft, die Professur trotzdem der<br />
Chirurgie zu unterstellen, wurde nicht nachgegeben. Rektor Kölbl, Dekan<br />
Ernst und der Reichstierärzteführer Friedrich Weber konnten das unabhängige<br />
Institut schließlich im Jahr 1938 durchsetzen.<br />
Am 25. März 1939 teilte das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Unterricht<br />
und Kultus dem Reichsminister <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung<br />
mit, dass Jöchle bereit sei, <strong>den</strong> Ruf auf die offene außeror<strong>den</strong>tliche<br />
Professur <strong>für</strong> Hufkrankheiten, Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre<br />
an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität München<br />
anzunehmen und schlug die Ernennung zum 1. April 1939 vor. Da musste<br />
sich der Streit um die <strong>Hufbeschlag</strong>sfrage an der Militärlehrschmiede<br />
München schon ereignet haben. Ob das der Grund war, weshalb die<br />
Ernennung doch erst am 14. August 1939 erfolgte, ist in Ermangelung der<br />
Akten der Veterinärinspektion nicht mehr festzustellen. Die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Fakultät konnte aber letztlich doch ihren Kandidaten durchsetzen, was bei<br />
<strong>den</strong> vielfachen <strong>Ein</strong>flussversuchen durch verschie<strong>den</strong>e parteikonforme<br />
Instanzen wie dem Reichskriegsministerium, dem Reichstierärzteführer<br />
und dem Leiter der Dozentenschaft nicht selbstverständlich war.<br />
So fehlten aber Anfang 1939 immer noch die Professuren <strong>für</strong> Fleischbeschau<br />
und <strong>Leben</strong>smittelkunde, obwohl bereits 1937 mit der Verordnung<br />
über die Durchführung des <strong>Leben</strong>smittelgesetzes vom 7.5.1937 (in Kraft<br />
getreten am 1.10.1937) die Amtstierärzte <strong>für</strong> die <strong>Leben</strong>smittelkontrolle<br />
zuständig wur<strong>den</strong> und die Veterinärverwaltung schon mehrfach eine<br />
or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und <strong>Leben</strong>smittelkunde gefordert<br />
hatte. Am 14. Februar 1939 beantragte das Bayerische Staatsministerium<br />
<strong>für</strong> Unterricht und Kultus eine „Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau und tierärzt-
272<br />
liche <strong>Leben</strong>smittelkunde in der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität<br />
München“, die an <strong>den</strong> anderen tierärztlichen Bildungsstätten inzwischen<br />
Selbstverständlichkeit war. Bei Kriegsende gab es in München immerhin<br />
ein Extraordinariat <strong>für</strong> Nahrungsmittelkunde und eines <strong>für</strong> Parasitologie.<br />
Hierbei hatte die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät sichtlich von <strong>den</strong> bei der<br />
Schließung der Theologischen Fakultät im WS 1938/39 frei wer<strong>den</strong><strong>den</strong><br />
Lehrstühlen profitiert.<br />
1937 war die <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München die letzte der deutschen<br />
tierärztlichen Fakultäten, die noch über einen Lehrstuhl <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
verfügte. Der Zivilhufbeschlag lag immer noch im Argen und die<br />
Wehrmacht forderte eine verbesserte <strong>Hufbeschlag</strong>sausbildung. Diese sollte<br />
durch eine Vereinheitlichung des <strong>Hufbeschlag</strong>s erreicht wer<strong>den</strong>, genau<br />
genommen durch die <strong>Ein</strong>führung des Militärhufbeschlags auch im zivilen<br />
Bereich. Das Militär versuchte, langsam die zivile <strong>Hufbeschlag</strong>sausbildung<br />
zu unterwandern und durch die Metho<strong>den</strong> des Militärhufbeschlags zu<br />
ersetzen, indem die entsprechen<strong>den</strong> Professuren und Vorstände der zivilen<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schulen durch Veterinäroffiziere ersetzt wur<strong>den</strong>. Dies wurde<br />
in München durch die anstehende Berufung Jöchles unterbun<strong>den</strong>. Als<br />
Jöchle im März 1939 auch noch wagte, <strong>den</strong> Heereshufbeschlag, das<br />
Fachgebiet des Veterinärinspekteurs, öffentlich zu kritisieren, eskalierte die<br />
Situation an der Heereslehrschmiede München. Die Analyse der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>sfrage lässt aus heutiger Sicht zwar fachliche Differenzen<br />
erkennen, doch spielten sicherlich auch persönliche Streitigkeiten und die<br />
bevorstehende Berufung eines Zivilisten anstatt eines Veterinäroffiziers auf<br />
<strong>den</strong> Lehrstuhl <strong>für</strong> Hufkunde eine Rolle. Das sahen die Kontrahenten<br />
damals anders: Beide waren fest davon überzeugt, die Anwendung der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>smethode des anderen würde die Schlagkraft der Armee<br />
entschei<strong>den</strong>d schwächen. Die Konsequenzen der Auseinandersetzung<br />
waren weitreichend, von der Strafversetzung Jöchles bis hin zu Gerüchten<br />
über die Schuld Jöchles an der Schließung der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
München während des Zweiten Weltkriegs, die ihn an der Fakultät ins<br />
gesellschaftliche Abseits drängte.<br />
An der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München hatte die nationalsozialistische<br />
Idee anfangs wenig Zustimmung unter <strong>den</strong> Professoren gefun<strong>den</strong>. 1933<br />
waren lediglich die Professoren Anton Otto Stoß jun. und Wilhelm Ernst<br />
Parteimitglieder, was sich in deren Hochschulkarrieren widerspiegelte.<br />
Nach der <strong>Ein</strong>führung des Führerprinzips im Oktober 1933 ernannte der<br />
„Führer der Universität“ die Dekane und entgegen <strong>den</strong> früheren Gepflogenheiten<br />
eines jährlichen Wechsels bekleideten Stoß von 1933 bis 1935
273<br />
und Ernst von 1935 bis 1945 das Amt des Dekans, obwohl 1933/34<br />
eigentlich Johannes Nörr als Dekan gewählt wor<strong>den</strong> war. Nörr war aber zu<br />
dieser Zeit weder SA- noch Parteimitglied und der Rektor hatte es<br />
vorgezogen, Stoß als Dekan einzusetzen. 1935 waren schon fünf der sieben<br />
Dekane an der LMU München Parteimitglieder. Ab 1936 wurde Stoß auch<br />
noch stellvertretender Rektor der Universität. Hans Jöchle war einer der<br />
letzten der Professoren an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, die der Partei<br />
beigetreten waren, abgesehen von <strong>den</strong> drei Kollegen, die einen Beitritt bis<br />
zum Schluss konsequent verweigerten (Demoll, Hilz und Westhues).<br />
Die Schließung der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München im September 1939<br />
war nicht ungewöhnlich, <strong>den</strong>n das Reichserziehungsministerium wollte bei<br />
Kriegsbeginn eine möglichst große Anzahl an Hochschulen schließen und<br />
nur einige wenige <strong>für</strong> <strong>den</strong> nötigsten Bedarf offen halten. Trotzdem wurde<br />
an der LMU München lediglich diese Fakultät geschlossen. Bis Anfang<br />
1940 wurde aber ein Großteil der deutschen Universitäten wieder geöffnet.<br />
<strong>Ein</strong>e solche Wiedereröffnung wurde auch der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in<br />
Aussicht gestellt, scheiterte aber immer wieder an der Freistellung der<br />
Professoren vom Militärdienst. Der Reichstierärzteführer Friedrich Weber<br />
setzte sich zwar heftig <strong>für</strong> die Fakultät ein, konnte letztlich aber doch<br />
nichts erreichen.<br />
Die Veterinäroffiziersausbildung konzentrierte sich in Hannover und<br />
Berlin, um die dortige gute Ausstattung und die Lehrkräfte voll zu nutzen.<br />
Mit dem Rückgang der Stu<strong>den</strong>tenzahlen waren <strong>für</strong> <strong>den</strong> Zivilbereich zwei<br />
Ausbildungsstätten ausreichend. Für das Reichserziehungsministerium war<br />
es natürlich wesentlich einfacher, eine geschlossene Fakultät außer Betrieb<br />
zu belassen, als da<strong>für</strong> eine andere mit laufendem Lehrbetrieb zu schließen<br />
und die Professoren umzuverteilen. Die rivalisierende Administration<br />
verstärkte das Problem noch. Die Veterinärinspektion verlangte die<br />
Schließung der Gießener, evtl. auch der Leipziger Fakultät, um München<br />
eröffnen zu können, während die entsprechen<strong>den</strong> Reichsstatthalter natürlich<br />
vehement gegen die Schließung „ihrer“ Fakultäten protestierten. Das<br />
Reichserziehungsministerium wagte nicht, diese Schließungen durchzusetzen<br />
und so blieb weiterhin München geschlossen. Nach 1945 wurde die<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Fakultät München als letzte der tierärztlichen Bildungsstätten<br />
und auch als letzte Fakultät der LMU München erst zum WS 1946/47<br />
wieder eröffnet.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Militärregierung nur die Professoren<br />
Melchior Westhues, Karl Hilz und Reinhard Demoll bestätigt. Die
274<br />
Amerikaner betrieben eine recht strenge Entnazifizierungspolitik. Drei<br />
Professoren wur<strong>den</strong> aus politischen Grün<strong>den</strong> endgültig aus dem Universitätsdienst<br />
entlassen 200 , zwei andere zwar wieder berufen, aber gleichzeitig<br />
in <strong>den</strong> Ruhestand versetzt 201 . Prof. Stockklausner war Parteigenosse seit<br />
1933 und konnte deshalb nicht wieder an der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät<br />
eingesetzt wer<strong>den</strong>. Es gelang ihm jedoch 1949 zum or<strong>den</strong>tlichen Professor<br />
<strong>für</strong> Tierzucht an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Technischen<br />
Hochschule München in Weihenstephan berufen zu wer<strong>den</strong>. Hans Jöchle<br />
wäre zwar von der Militärregierung wieder als Professor zugelassen<br />
wor<strong>den</strong>, doch sein Lehrstuhl wurde eingezogen und seine Universitätslaufbahn<br />
somit beendet. Die drei Professoren, die nicht der NSDAP<br />
angehört hatten 202 , halfen beim Wiederaufbau der Fakultät und auch die<br />
Professoren Sedlmeier und Koch konnten wieder an der Fakultät lehren.<br />
<strong>Ein</strong>e kurze Übersicht über die Wege der einzelnen Professoren gibt Tab. 4.<br />
Bei <strong>den</strong> Professoren Stockklausner und Hilz fehlen einige Daten, da weder<br />
die Entnazifizierungsakten im Staatsarchiv vorhan<strong>den</strong> sind noch entsprechende<br />
Informationen im Universitätsarchiv der LMU München zu<br />
fin<strong>den</strong> sind. In <strong>den</strong> entsprechen<strong>den</strong> Lehrstuhlakten des Kultusministeriums<br />
im Bayerischen Hauptstaatsarchiv fehlen zwischen 1936 bzw. 1938 und<br />
1945 bzw. 1952 jegliche <strong>Ein</strong>träge.<br />
Die sich hinziehende Entnazifizierung und der Verlust der Professur in der<br />
Nachkriegszeit muss Hans Jöchle, der <strong>den</strong> Nationalsozialismus innerlich<br />
immer abgelehnt hatte, sehr getroffen haben. Nachdem er sich um einen<br />
möglichst baldigen Wiederaufbau und die Fortführung des Lehrbetriebs<br />
bemüht hatte, wurde er nun plötzlich als Nazi abgestempelt und schien <strong>für</strong><br />
die Universität nicht mehr tragbar. Das änderte sich zwar mit der<br />
<strong>Ein</strong>stufung in die Gruppe der Mitläufer im Dezember 1946 und in die<br />
Gruppe der „nicht Betroffenen“ im April 1947, doch kurz darauf wurde der<br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Hufkunde eingezogen, und damit wieder alle Hoffnung<br />
zunichte gemacht. Jöchle fühlte sich von <strong>den</strong> „Kollegen“, die immer noch<br />
an der Fakultät waren, hintergangen. Die Trennung von der Familie<br />
aufgrund der Wohnungsknappheit in München kam noch hinzu. Immerhin<br />
blieb ihm die Tätigkeit als Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> und der spätere<br />
Aufstieg zum Vorstand der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München.<br />
Die akademischen Rechte eines entpflichteten Professors der Universität<br />
München wur<strong>den</strong> Hans Jöchle im selben Verfahren mit <strong>den</strong> Professoren<br />
200 Ernst, Abelein und Seifried.<br />
201 Stoß jun. und Nörr.<br />
202 Hilz, Demoll und Westhues.
275<br />
Johannes Nörr, Richard Abelein und Anton Stoß jun. erst nachträglich am<br />
12. August 1957 zugestan<strong>den</strong> (BayHStA MK 44407; UAM E-II-3277).<br />
Die Technisierung der Landwirtschaft und <strong>den</strong> damit verbun<strong>den</strong>en Rückgang<br />
der Pferdezucht in <strong>den</strong> 60er Jahren wollte Hans Jöchle anfangs nicht<br />
wahrhaben. Danach betrachtete er sein <strong>Leben</strong>swerk, <strong>den</strong> jahrzehntelangen<br />
<strong>Ein</strong>satz <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>, als nutzlos und bemerkte darüber nicht die<br />
Chancen, die sich mit der sich langsam entwickeln<strong>den</strong> Sportpferdehaltung<br />
auftaten.
276<br />
Tab. 4: Parteizugehörigkeit und Entnazifizierung der Professoren an<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München und ihre Folgen.<br />
<strong>Ein</strong>tritt in die<br />
SA NSDAP<br />
Vorl.<br />
Dienstenthebug<br />
Entnazifizierung Wieder<br />
einstell.<br />
nach<br />
Ernst 1933 1933 11/1945 08/1948 Gr. IV<br />
10/1948 endgültige<br />
Dienstenthebung<br />
Stoß jun. 1933 1933 11/1945 05/1948 Gr. IV + a<br />
Abelein 1933<br />
bis<br />
1935<br />
1932 07/1945 04/1946 endgültige<br />
Dienstenthebung<br />
03/1947 Gr. II<br />
04/1947 Gr. III<br />
04/1948 Gr. IV<br />
Stockklausner<br />
- 1933 + Gr. IV? + b<br />
Sedlmeier 1933 1937 c 10/1945 05/1947 nicht betr. +<br />
Nörr 1934<br />
bis<br />
1939<br />
1937 c 02/1946 11/1946 Gr. IV<br />
06/1947 nicht betr.<br />
02/1948 Gr. IV<br />
d<br />
11/1947 nicht betr.<br />
04/1947 nicht betr.<br />
+<br />
-<br />
-<br />
Koch 1933 1937<br />
Jöchle - 1937 11/1945 12/1946 Gr. IV<br />
Seifried - 1937 11/1946 11/1947 endgültige<br />
Dienstenthebung<br />
Hilz - - - nicht betr.? +<br />
Demoll - - - 05/1947 nicht betr. +<br />
Westhues - - - nicht betr. +<br />
1945<br />
-<br />
-<br />
+ a
Erläuterungen zu Tab. 4:<br />
277<br />
- nein<br />
+ ja<br />
Gr. II Belastete<br />
Gr. III Minderbelastete<br />
Gr. IV Mitläufer<br />
nicht betr. vom Gesetz zu Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus<br />
vom 5.3.1946 nicht betroffen<br />
a Berufung zum or<strong>den</strong>tlichen Professor unter gleichzeitiger<br />
Versetzung in <strong>den</strong> Ruhestand<br />
b Fritz Stockklausner erhielt 1949 die or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong><br />
Tierzucht an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Technischen<br />
Hochschule München in Weihenstephan (Boessneck<br />
1972, 316; Härtl 1983, 356)<br />
c automatisch von der SA in die Partei übernommen<br />
d Kriegsgefangenschaft, dann Assistent an der Universität<br />
Quellen Entnazifizierungsakten (Staatsarchiv München), Personalakten<br />
(UAM) und Lehrstuhlakten (BayHStA) der betroffenen<br />
Professoren.
7 Zusammenfassung<br />
278<br />
Stefanie Albrecht: Prof. Dr. Hans Jöchle (1892-1968) – <strong>Ein</strong> <strong>Leben</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>. Quellen und Materialien zur Geschichte<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der Universität<br />
München.<br />
Die Arbeit beschreibt anhand der Bioergographie von Hans Jöchle die<br />
Geschichte der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München in der Zeit von 1914 bis<br />
in die 50er Jahre. Die dazu ausgewerteten Archivalien und Fachzeitschriften<br />
der Veterinärmedizin, des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Tierzucht wur<strong>den</strong><br />
durch Zeitzeugenaussagen ergänzt.<br />
Die eigentliche Biographie soll das politische, gesellschaftliche und soziale<br />
Umfeld Hans Jöchles beleuchten, um die Hintergründe seines Handelns zu<br />
verstehen. Hans Jöchle verbrachte seine Kindheit auf einem Bauernhof in<br />
Erkheim im Allgäu, seine Schulzeit am Gymnasium in Dillingen an der<br />
Donau und 1913 begann er das Studium der Tiermedizin in München, das<br />
während des Ersten Weltkriegs immer wieder unterbrochen wurde. Ab<br />
Sommer 1914 diente Jöchle als Kriegsfreiwilliger beim Ersten Bayerischen<br />
Schweren Reiter-Regiment München und bis Kriegsende erreichte er <strong>den</strong><br />
Rang eines Veterinäroffiziers. Nachdem Jöchle 1920 sein Studium beendet<br />
hatte, fertigte er am Forschungsinstitut <strong>für</strong> angewandte Zoologie in<br />
München unter der Anleitung von Prof. Dr. Schmitt seine Dissertation über<br />
„Versuche zur Bekämpfung der Dassellarve mit giftigen Gasen“ an.<br />
Danach trat er eine Assistentenstelle an der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München an und wechselte 1921 zum Institut <strong>für</strong> Hufkunde an der<br />
<strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der LMU München. 1927 bot man Jöchle die Stelle<br />
eines Kreiswanderlehrers <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> an; er erreichte damit <strong>den</strong> Rang<br />
eines Landwirtschaftsrats.<br />
Die Berufung zum außeror<strong>den</strong>tlichen Professor <strong>für</strong> Hufkrankheiten,<br />
Theorie des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Beschirrungslehre an der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät München erfolgte erst 1939, nach einer fast zweijährigen<br />
Verhandlungszeit. Da die Fakultät dringend andere Lehrstühle benötigte,<br />
wurde die <strong>Ein</strong>ziehung des Hufkundelehrstuhls in Erwägung gezogen, die<br />
dann aber an finanzpolitischen Grün<strong>den</strong> scheiterte. Der Veterinärinspekteur<br />
des Heeres, Prof. Dr. Curt Schulze, hätte aber einen Lehrauftrag<br />
<strong>für</strong> Hufkunde, vertreten durch einen Veterinäroffizier, der Berufung des<br />
Zivilisten Jöchle vorgezogen. Als Jöchle dann auch noch bei Wehrübungen<br />
an der Heereslehrschmiede München <strong>den</strong> von Schulze inaugurierten
279<br />
Heereshufbeschlag in aller Öffentlichkeit zu kritisieren wagte, kam es zum<br />
Eklat. Das brachte an der Fakultät Gerüchte in Umlauf, Hans Jöchle sei<br />
damit <strong>für</strong> die Schließung der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät von 1939 bis 1945<br />
verantwortlich; nahezu der gesamte Lehrkörper war zum Heeresdienst<br />
eingezogen wor<strong>den</strong>. Die Analyse der <strong>Hufbeschlag</strong>sfrage lässt aus heutiger<br />
Sicht zwar die fachlichen Differenzen erkennen, erweckt aber eher <strong>den</strong><br />
<strong>Ein</strong>druck einer Konfrontation zweier starkwilliger Persönlichkeiten. Das<br />
sahen die Kontrahenten damals anders: Beide waren fest davon überzeugt,<br />
dass die Durchsetzung der <strong>Hufbeschlag</strong>smethode des anderen die<br />
Schlagkraft der damals noch weithin bespannten Armee entschei<strong>den</strong>d<br />
beeinträchtigen würde. Im darauf folgen<strong>den</strong> Zweiten Weltkrieg wurde<br />
Jöchle wieder als Veterinäroffizier eingesetzt.<br />
Die Entlassung aus der amerikanischen Gefangenschaft und die Dienstenthebung<br />
durch die Militärregierung prägten <strong>für</strong> Hans Jöchle die Nachkriegszeit.<br />
Er konnte immerhin wieder als Fachberater <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> bei<br />
der Regierung von Oberbayern beginnen. Die Durchführung des Spruchkammerverfahrens,<br />
das Jöchle in die Gruppe der Mitläufer einreihte<br />
(18.12.1946) und ihn schließlich 1947 als nicht betroffen einstufte (sog.<br />
Weihnachtsamnestie), ließ die Wiedereinstellung an der Universität<br />
erwarten. Es entflammte aber der bereits 1937 mit Melchior Westhues,<br />
dem Vorstand der Chirurgischen Tierklinik, entbrannte Streit um die<br />
institutionelle Stellung des Lehrstuhls <strong>für</strong> Hufkunde erneut, und durch die<br />
Umwandlung der Professur <strong>für</strong> Hufkunde in eine Professur <strong>für</strong> Fleischbeschau<br />
und tierärztliche Nahrungsmittelkunde wurde die Wiedereinstellung<br />
unmöglich. Jöchle wurde daraufhin 1948 zum Vorstand der<br />
Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München und später zum Tierzuchtdirektor<br />
ernannt. Erst 1957 wur<strong>den</strong> ihm die akademischen Rechte eines<br />
entpflichteten außeror<strong>den</strong>tlichen Professors der LMU München zuerkannt.<br />
1968 starb Jöchle in München, wollte sich aber in seinem Heimatort<br />
Erkheim beerdigt wissen.<br />
Hans Jöchle übte großen <strong>Ein</strong>fluss auf die Pferdezucht und -haltung in<br />
Bayern aus, indem er das Universitätswissen hinaus in die Beschlagschmie<strong>den</strong><br />
und in die Ställe trug. Im ständigen <strong>Ein</strong>satz <strong>für</strong> die Hufpflege<br />
bei <strong>den</strong> Pferdehaltern und bei seinen Bemühungen um die Ausbildung der<br />
Hufschmiede traf Hans Jöchle immer wieder auf Schwierigkeiten, was ihn<br />
aber nie daran hinderte, nach seiner Überzeugung weiterzuarbeiten.
Summary<br />
280<br />
Stefanie Albrecht: Prof. Dr. Hans Jöchle (1892-1968) - A life for<br />
Horseshoeing. A contribution to the history of the<br />
Faculty of Veterinary Medicine of the LM University of<br />
Munich.<br />
This study provides the professional biography of Hans Jöchle and how it<br />
reflects on the history of the Faculty of Veterinary Medicine at the LM<br />
University in Munich from about 1914 to the 1950ies, and on its faculty<br />
(teaching staff). This study is based on information and data retrieved - and<br />
analyzed - from archives and from contemporary professional journals for<br />
veterinary medicine, horseshoeing and horse breeding. This was complemented<br />
by statements of contemporary witnesses.<br />
The objective of this biography is to show the social and political background of<br />
Hans Jöchle as an explanation for the motivations of his actions. Hans Jöchle<br />
was born into a farmer’s family in Erkheim (in the Allgäu), in South West<br />
Bavaria where he spent his childhood. He attended and graduated from the<br />
Humanistic Gymnasium in Dillingen. He inscribed at the Faculty of Veterinary<br />
Medicine, LM University in Munich, in 1913. His education as a veterinarian<br />
was interrupted several times by World War I. He entered the war in 1914 as a<br />
cavalryman in the First Bavarian Regiment of Heavy Lancers (Erstes<br />
Bayerisches Schwere Reiter-Regiment) in Munich. By the end of the war, he<br />
had been promoted to the rank of a veterinary officer. After he had graduated in<br />
1920, he obtained his Dr. med. vet. degree with a study about the control of<br />
warble fly larvae with poisonous gases, at the Zoological Institute under the<br />
supervision of Prof. Dr. Schmitt. He accepted a position as an assistant to the<br />
director of the Farrier School in Munich, which was an annex to the Institute for<br />
Hoof Science at the Veterinary Faculty. In 1921 he moved to the position of an<br />
assistant in this institute. In 1927 he was appointed as the „Kreiswanderlehrer<br />
<strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>“ in Upper Bavaria, supervising the execution of horseshoeing<br />
across the region, but also educating farriers and horse breeders alike.<br />
The appointment as an extraordinary professor for hoof diseases, the theory of<br />
horseshoeing and harnessing at the Munich Faculty of Veterinary Medicine<br />
came in 1939, after two years of negotiations. This faculty had been missing two<br />
full professorships and hence wanted to abolish hoof science and convert the<br />
professorship into one of those missing, but eventually had failed. On the other<br />
hand, the „Veterinärinspecteur“, head of the Army Veterinary Corps, Curt<br />
Schulze, who had remodeled the army’s horseshoeing theory and practice would<br />
have liked to see an army veterinarian in this position instead of a civilian<br />
promoter of a style of „civilian horseshoeing“, which the general detested. For<br />
this reason the conflict escalated as Hans Jöchle, during a military exercise in
281<br />
1939 at the military farrier school in Munich, dared to criticize the military’s<br />
method of hoof care and horseshoeing. That inci<strong>den</strong>ce led to the rumor that<br />
Hans Jöchle was supposedly responsible for the closure of the Faculty of<br />
Veterinary Medicine in Munich from 1939 to 1945. While an analysis today of<br />
that debate seems to show a predominance of rather personal arguments, a clash<br />
of two strong personalities, and of efforts to demonstrate the military’s power,<br />
the parties involved then saw it differently. Hans Jöchle was deeply concerned<br />
that in his professional judgment, the military approach to horseshoeing was<br />
detrimental to the performance of the army’s horse population. Yet Curt Schulze<br />
seemed convinced to be right and used his influence to consolidate his power.<br />
Consequently, Hans Jöchle served during the entire World War II as a veterinary<br />
officer in the army.<br />
The release from American captivity in 1945 and the suspension from office by<br />
the US Military Government the same year, marked the post-war period. But<br />
soon Hans Jöchle was allowed to resume activities as a „Fachberater <strong>für</strong><br />
<strong>Hufbeschlag</strong>“ (Expert consultant for horseshoeing) as before (1927-1939) in<br />
Upper Bavaria. On December 18, 1946, the special court system for<br />
<strong>den</strong>azification rated Hans Jöchle as „Mitläufer“ (follower) and in 1947 as „nicht<br />
betroffen“ (not involved) in the so called Christmas Amnesty. Hence a return to<br />
the faculty seemed likely. But now an old debate from 1937 was revived:<br />
Professor Melchior Westhues, head of the Department of Veterinary Surgery,<br />
then and now argued that Hoof Science should become a section within his<br />
department. He strongly supported the conversion of the hoof science<br />
professorship into one for meat hygiene and food science. Hence Hans Jöchle<br />
was deprived from reclaiming his former position at the University. Instead, he<br />
was appointed „Director of the Farrier School“ (Staatliche <strong>Hufbeschlag</strong>schule)<br />
in Munich, which by now was separated completely from the Veterinary<br />
Faculty. In 1957, he was reinstated at the university and gained the status of a<br />
retired professor. Hans Jöchle died in Munich in 1968. According to his wishes,<br />
he was put to rest at Erkheim, the place of his birth.<br />
Hans Jöchle had a strong influence on breeding, husbandry and hoof care of<br />
horses in Bavaria by bringing his mix of academic knowledge and professional<br />
experience into farrier shops and horse stables. Difficulties to convince<br />
horseshoers and horse owners of the need for and the advantages of correct hoof<br />
care could never discourage him. The same can be said about his dedication to<br />
the education of farriers.
8 Quellen und Literatur<br />
8.1 Quellen<br />
282<br />
Archiv der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover (TiHoA)<br />
1.7.2.1.11 Unterricht über <strong>Hufbeschlag</strong> 1918-1955<br />
o. Sign. Dienstaltersliste der Veterinäroffiziere nach dem Stand<br />
vom 1. Januar 1945<br />
o. Sign. weitere Archivalien ohne Signatur<br />
Archiv des Bayerischen Haupt- und Landgestüts Schwaiganger<br />
(ASchw)<br />
Fahrnis-Verzeichnis der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München<br />
Briefw. A-Z Briefwechsel A-Z der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München<br />
ASchw weitere Archivalien ohne Signatur<br />
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)<br />
Innenministerium (MInn)<br />
MInn 87315 <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der Universität München<br />
MInn 87396 Prüfung <strong>für</strong> <strong>den</strong> tierärztlichen Staatsdienst Frühjahr 1921<br />
(1920-22)<br />
MInn 87801 Ausbildung und Prüfung der Hufschmiede 1943-1948<br />
Kultusministerium (MK)<br />
Personalakten<br />
MK 43573 Wilhelm Ernst<br />
MK 43826 Hans Jöchle<br />
MK 44324 Hans Sedlmeier<br />
MK 44407 Anton Otto Stoß jun.<br />
MK 44516 Melchior Westhues<br />
MK 54164 Richard Abelein<br />
MK 54946 Eugen Mennel<br />
Akten zur <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der LMU München<br />
MK 64637 Lehrstuhlakt Hufkunde
283<br />
MK 69087 Lehrkörper, Entnazifizierung, Wiedereröffnung, 1945-46<br />
MK 69128 Wiederaufbau der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät, Geländeerwerb<br />
Hofbaumschule<br />
MK 69629 Außeror<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> allgemeine Pathologie<br />
und pathologische Anatomie<br />
MK 69630 Or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Anatomie, Histologie und Entwicklungsgeschichte<br />
MK 69631 Or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Chirurgie, Augenheilkunde,<br />
Geschichte der Tierheilkunde, Chirurgische Klinik und<br />
Poliklinik<br />
MK 69633 Or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Pharmakologie, (Toxikologie)<br />
und Pharmazie (umbenannt 1955)<br />
MK 69635 Or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> spezielle Pathologie und Therapie<br />
(Innere Medizin)<br />
MK 69636 Or<strong>den</strong>tliche Professur <strong>für</strong> Tierzucht<br />
MK 69637 Außeror<strong>den</strong>tliche Lehrstühle, Umwandlung <strong>Hufbeschlag</strong>-<br />
in Fleischbeschaulehrstuhl<br />
MK 69645 Institut <strong>für</strong> Hufkunde<br />
MK 69666 Chirurgische Tierklinik 1931-1960<br />
MK 69684 <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
MK 69880 Lehraufträge 1939-1946, <strong>Leben</strong>släufe<br />
MK 69896 Vorlesungsverzeichnisse 1944-1945<br />
Landwirtschaftsministerium (ML)<br />
ML 562 Lehrschmiede der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule München -<br />
Personal, 1840-1937<br />
Finanzministerium (MF)<br />
MF 68351 <strong>Hufbeschlag</strong>schulen 1888-1941<br />
MF 71323 <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der Universität München,<br />
Professuren 1931-1950<br />
Bayerisches Hauptstaatsarchiv - Kriegsarchiv (MKr)<br />
MKr 10653 Veterinärpersonal 1913-1920<br />
MKr 10654 Errichtung eines Veterinäroffizierskorps 1909-1920<br />
MKr 10657 Veterinärpersonal 1905-1920<br />
MKr 10684 Kriegseinteilung der Veterinäre 29.05.1916 - 10.12.1916<br />
MKr 10686 Kriegseinteilung der Veterinäre 14.07.1917 - 15.03.1918
284<br />
MKr 10733 Pferdekrankenrapporte und Veterinärsanitätsberichte<br />
4.12.1916 - 8.8.1917<br />
MKr 10757 <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule München 1858-1919<br />
MKr OP 15233 Offizierspersonalakt Jöchle<br />
Bundesarchiv Berlin (BArch)<br />
R 55/21000 Reichsministerium <strong>für</strong> Volksaufklärung und Propaganda,<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>sgesetz<br />
R 68I/99 Reichsverband <strong>für</strong> Zucht und Prüfung des Deutschen<br />
Kaltbluts, <strong>Hufbeschlag</strong>sprämierungen<br />
R 1501/5594 Reichsministerium des Innern, Gesetz über <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong><br />
R 4901/13276 Reichsministerium <strong>für</strong> Wissenschaft, Erziehung und<br />
Volksbildung, Kartei der Hochschullehrer<br />
BA (ehem. BDC) NSLB-Kartei, Westhues, Melchior, 06.03.1896<br />
DS (ehem. BDC) B 72, Jöchle, Hans, 29.03.1892<br />
Institut <strong>für</strong> Palaeoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte<br />
der Tiermedizin der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät München (IGTM)<br />
IGTM o. Sign. Archivalien ohne Signaturen<br />
Institut <strong>für</strong> Zeitgeschichte (IfZ)<br />
IfZ MA 1164 Akz 4046/68<br />
Privatarchiv Manfred Jöchle (PrivAMJ)<br />
Archivalien ohne Signaturen<br />
Privatarchiv Wolfgang Jöchle (PrivAWJ)<br />
Archivalien ohne Signaturen
Staatsarchiv München (StAM)<br />
285<br />
LRA 137, 420 Entnazifizierung Bd. I , Namenslisten von Beamten im<br />
Öffentlichen Dienst und Angestellten 1945-46<br />
RA 100 661 Landwirtschaftsämter, Dienstbesprechungen 1952-55<br />
Spruchkammerakten:<br />
SpkA K 1 Richard Abelein<br />
SpkA K 375 Wilhelm Ernst<br />
SpkA K 814 Johannes Jöchle<br />
SpkA K 1257 Johannes Nörr<br />
SpkA K 1500 Hans Sedlmeier<br />
Standesamt Erkheim<br />
Geburts- und Heiratseinträge der jeweiligen Personen<br />
Universitätsarchiv der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
(UAM)<br />
D-III-106 Sitzungsprotokolle des Akademischen Senats<br />
05.01.1939 - 26.10.1939<br />
D-III-111 Sitzungsprotokolle des Akademischen Senats<br />
29.08.1944 - 02.11.1944<br />
Personalakten des Akademischen Senats der LMU München zu:<br />
E-II-705 Richard Abelein<br />
E-II-1114 Reinhard Demoll<br />
E-II-1254 Wilhelm Ernst<br />
E-II-1739 Karl Hilz<br />
E-II-1898 Hans Jöchle<br />
E-II-2044 Walter Koch<br />
E-II-2440 Eugen Mennel<br />
E-II-2590 Johannes Nörr<br />
E-II-3117 Hans Sedlmeier<br />
E-II-3132 Oskar Seifried<br />
E-II-3266 Fritz Stockklausner<br />
E-II-3277 Anton Otto Stoß jun.<br />
E-II-3554 Melchior Westhues
286<br />
OC-N-1d Planungsausschuss: Wiedereröffnung der Universität,<br />
1945-1946<br />
Sen-I-145 Berufungsakte des Akademischen Senats zu Hans Jöchle<br />
Sen-III-1 Sitzungsprotokolle des Akademischen Senats von Mai<br />
1945 bis Dezember 1946 (Reinschrift)<br />
Sen-III-1b Wiedereröffnung der Universität, 1945-1946<br />
Sen-III-2 Senatsprotokolle 1947<br />
VA-AII-80,7 Akten des Verwaltungsausschusses der LMU München<br />
die <strong>Tierärztliche</strong>n Institute betreffend, Institut <strong>für</strong> Huf-<br />
und Beschirrungskunde<br />
Universitätsarchiv der Humboldt-Universität Berlin (UA HUB)<br />
Vet. med. Fak. Nr. 549<br />
Volksschule Erkheim<br />
Verzeichnis der Werktagsschule zu Erkheim pro 1904/05
8.2 Literatur<br />
287<br />
Abel, Otto (1915): Aus dem Verbindungsleben. In: Philisterzeitung der<br />
Stu<strong>den</strong>tenverbindung „Apollo“ 39 (1), 16.<br />
Ahne, Winfried, u. a. (1990): Institut <strong>für</strong> Zoologie und Hydrobiologie. In:<br />
Driesch, Angela von <strong>den</strong> (Hrsg.): 200 Jahre tierärztliche Lehre und<br />
Forschung in München. Schattauer, Stuttgart und New York, 123-130.<br />
Anhang I zur Heeresveterinärvorschrift (1931), zur H. Dv. 57, Heer und<br />
Marine. Grundsätze <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> vom 29. Juni 1931. Verlag<br />
„Offene Worte“, Berlin.<br />
Anhang I zur Heeresveterinärvorschrift (1937), zur H. Dv. 57, Heer und<br />
Marine. Grundsätze <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong> vom 20. August 1936. Verlag<br />
„Offene Worte“, Berlin.<br />
Anonym (1914): Persönliche Mitteilungen. In: Philisterzeitung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
„Apollo“ 38 (2), 23-24.<br />
Anonym (1915): Persönliche Mitteilungen. In: Philisterzeitung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
„Apollo“ 39 (1), 16.<br />
Anonym (1917): Feldadressen. In: Philisterzeitung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
„Apollo“ 41 (3), 38.<br />
Anonym (1919a): Persönliche Mitteilungen. In: Philisterzeitung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
„Apollo“ 43 (1), 12-13.<br />
Anonym (1919b): Persönliche Mitteilungen. In: Philisterzeitung der<br />
Stu<strong>den</strong>tenverbindung „Apollo“ 43 (3), 41-42.<br />
Anonym (1920a): Persönliche Mitteilungen. In: Philisterzeitung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
„Apollo“ 44 (1), 8-9.<br />
Anonym (1920b): Persönliche Mitteilungen. In: Philisterzeitung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
„Apollo“ 44 (2), 20-21.<br />
Anonym (1920c): Persönliche Mitteilungen. In: Philisterzeitung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung<br />
„Apollo“ 44 (3), 33-34.
288<br />
Anonym (1923): Geschäftliche Mitteilungen, Aufruf. In: Philisterzeitung<br />
der Stu<strong>den</strong>tenverbindung „Apollo“ 47 (2), 7.<br />
Anonym (1928a): Erhebung und Nachprüfung der Berechtigung zur<br />
gewerblichen Ausübung des <strong>Hufbeschlag</strong>es. In: Bayerische Schmiedezeitung<br />
32 (2), 1.<br />
Anonym (1928b): Prämiierung 203 der Pferdezuchtgenossenschaft Tölz-<br />
Lenggries. In: Zucht und Sport 11 (22), 369-370.<br />
Anonym (1928c): Bericht über die Obermeistertagung des Oberbayerischen<br />
Kreisverbandes. In: Bayerische Schmiedezeitung 32 (24), 3-5.<br />
Anonym (1930a): Oberbayerischer Kreisverband: Obermeistertagung des<br />
Kreisverbandes Oberbayerischer Schmiede-Innungen. In: Bayerische<br />
Schmiedezeitung 34 (20), 1-2.<br />
Anonym (1930b): Mitgliederversammlung Miesbach-Tegernsee am 14.<br />
November 1929. In: Zucht und Sport 13 (1), 7-9.<br />
Anonym (1930c): Pferdepflege- und Vorführungskurs am Kanzlerhof. In:<br />
Zucht und Sport 13 (11), 173.<br />
Anonym (1930d): Pferdeschau anläßlich des Bezirksfestes in Bad<br />
Reichenhall am 8. August 1930. In: Zucht und Sport 13 (18), 275.<br />
Anonym (1931a): Verbandsausschußsitzung des Zuchtverbandes <strong>für</strong> das<br />
norische Pferd in Schwaben. In: Zucht und Sport 14 (3), 40-42.<br />
Anonym (1931b): Generalversammlung des Pferdezuchtvereins Markt<br />
Oberndorf. In: Zucht und Sport 14 (5), 74-75.<br />
Anonym (1931c): Aus dem Vereinsleben: Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Ingolstadt. In: Zucht und Sport 14 (15), 224-226.<br />
Anonym (1931d): Oberbayerischer Kreisverband: Tagung der oberbayerischen<br />
Schmiedeinnungen am 10. Mai 1931 in Traunstein. In:<br />
Bayerische Schmiedezeitung 35 (11), 4-6.<br />
203 Im Literaturverzeichnis wird die Schreibweise „Prämiierung“ des Originaltextes beibe-<br />
halten.
289<br />
Anonym (1931e): Obermeistertagung des Kreisverbandes Oberbayern am<br />
20. September 1931 in München. In: Bayerische Schmiedezeitung 35 (20),<br />
1.<br />
Anonym (1931f): Sitzung des gesamten Vorstandes am 21. November<br />
1931 in München. In: Bayerische Schmiedezeitung 35 (24), 1-4.<br />
Anonym (1932a): 24. Erdinger Zuchthengstmarkt. In: Zucht und Sport 15<br />
(4), 39-40.<br />
Anonym (1932b): Senkung der <strong>Hufbeschlag</strong>spreise. In: Zucht und Sport 15<br />
(5), 56-57.<br />
Anonym (1932c): Jahreshauptversammlung der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Ingolstadt. In: Zucht und Sport 15 (9/10), 109-110.<br />
Anonym (1932d): Landwirtschaftliches Kreisfest in Grafing. In: Zucht und<br />
Sport 15 (15/16), 155.<br />
Anonym (1932e): Pferdeprämiierung in Freising. In: Zucht und Sport 15<br />
(15/16), 156.<br />
Anonym (1932f): Sitzung des gesamten Vorstandes am 21. November<br />
1931 in München (Schluss). In: Bayerische Schmiedezeitung 36 (2), 1-2.<br />
Anonym (1932g): Oberbayerische Obermeistertagung am 19. März 1932<br />
im Augustiner-Bierstübl zu München. In: Bayerische Schmiedezeitung 36<br />
(8), 1-2.<br />
Anonym (1933a): Stutenprämiierung der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Fürstenfeldbruck. In: Zucht und Sport 16 (16), 189.<br />
Anonym (1933b): Oberbayerischer Kreisverband: Obermeistertagung am<br />
26. August 1933. In: Bayerische Schmiedezeitung 37 (18), 5-6.<br />
Anonym (1933c): Tagungsbericht über die Kreistagung in München am<br />
27. August 1933. In: Bayerische Schmiedezeitung 37 (18), 6.<br />
Anonym (1933d): Programm <strong>für</strong> das Zentrallandwirtschaftsfest 1933 vom<br />
16. September bis 1. Oktober, veranstaltet von der Bayerischen Landesbauernkammer.<br />
In: Zucht und Sport 16 (18), 207-208.
290<br />
Anonym (1933e): Oberbayerischer Kreisverband: Obermeistertag. In:<br />
Bayerische Schmiedezeitung 37 (9), 3-4.<br />
Anonym (1934a): Der Aufbau des Reichsnährstandes. In: Zucht und Sport<br />
17 (1), 3-4.<br />
Anonym (1934b): Der 26. Zuchthengstmarkt in Erding. In: Zucht und<br />
Sport 17 (4), 37-38.<br />
Anonym (1934c): Oberbayerischer Kreisverband. In: Bayerische Schmiedezeitung<br />
38 (6), 4.<br />
Anonym (1934d): Der Bundestag in München am 9. und 10. Juni. In:<br />
Bayerische Schmiedezeitung 38 (14), 1-6.<br />
Anonym (1935a): Auszugsbericht über die Gesamt-Vorstandssitzung des<br />
Bayerischen Schmiedebundes von 16. Dezember 1934 in München. In:<br />
Bayerische Schmiedzeitung 39 (1), 3-4.<br />
Anonym (1935b): Gesellenprüfung München. In: Bayerische Schmiedezeitung<br />
39 (9), 73-74.<br />
Anonym (1936): Generalstabsveterinär Dr. Schulze zum Professor ernannt.<br />
In: Der Hufschmied 54 (8), 130.<br />
Anonym (1938): Die Aufgaben des Handwerkerwettkampfes 1939. In:<br />
Bayerische Schmiedezeitung 42 (24), 270.<br />
Anonym (1939): Keine Innungsversammlungen mehr. In: Bayerische<br />
Schmiedezeitung 43 (18), 242.<br />
Anonym (1941): Lehranstalten, Unterrichts- und Prüfungswesen: <strong>Hufbeschlag</strong>gesetz.<br />
In: Der Hufschmied 59 (6), 69.<br />
Anonym (1947): Hochschulnachrichten: München. In: <strong>Tierärztliche</strong> Umschau<br />
2 (11/12), 140.<br />
Anonym (1948a): 165 Lehrlinge wollen Schmiede-Gesellen wer<strong>den</strong>: Aus<br />
der Berufsschule <strong>für</strong> Schmiede in München. In: Die Schmiede-Werkstatt 2<br />
(11), 10.
291<br />
Anonym (1948b): Staatsrat Niklas stellvertretender Leiter der VELF. In:<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Umschau 3 (21/22), 376.<br />
Anonym (1949): Die Lage der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München.<br />
J. Gotteswinter, München.<br />
Anonym (1950a): <strong>Hufbeschlag</strong>-Lehrschmie<strong>den</strong> im westdeutschen Bundesgebiet.<br />
In: Vademecum <strong>für</strong> Tierärzte 1950 (hrsg. von der „<strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Umschau“). Terra-Verlag, Konstanz, 16.<br />
Anonym (1950b): Was der 4. Verbandstag <strong>den</strong> bayerischen Schmiedemeistern<br />
und Fahrzeugbauern bietet. In: Die Schmiede-Werkstatt 4 (5), 14-<br />
15.<br />
Anonym (1950c): Arbeitstagung des bayerischen Schmiedeverbandes. In:<br />
Die Schmiede-Werkstatt 4 (5), 15.<br />
Anonym (1951a): Hilfsmittel und Werkzeuge <strong>für</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>. In: Die<br />
Schmiede-Werkstatt 5 (6), 16-17.<br />
Anonym (1951b): Nachrichten von unserem Verbandstag. In: Mitteilungsblatt<br />
<strong>für</strong> das bayerische Schmiedehandwerk 4 (8), 1-4.<br />
Anonym (1952): Wissenschaft und Praxis beim <strong>Hufbeschlag</strong>: Arbeitstagung<br />
über <strong>Hufbeschlag</strong>fragen erbringt weitgehende Übereinstimmung<br />
der Auffassungen. In: Die Schmiede-Werkstatt 6 (6), 97-99.<br />
Anonym (1953): Bericht über <strong>den</strong> Verbandstag 1953. In: Der Bayerische<br />
Schmied 6 (6), 2-6.<br />
Anonym (1954): Die Zukunftsaufgaben des Schmiedehandwerks: Verbandstagung<br />
des bayerischen Schmiede- und Fahrzeugbauerhandwerks. In:<br />
Die Schmiede-Werkstatt 8 (8), 188-189.<br />
Anonym (1957a): Ernannt wur<strong>den</strong>. In: Bayerisches Tierärzteblatt 8 (9),<br />
207.<br />
Anonym (1957b): Änderungen. In: Bayerisches Tierärzteblatt 8 (8), 179.<br />
Anonym (1958): <strong>Hufbeschlag</strong>schulen in Bayern sollen aufgelöst wer<strong>den</strong>.<br />
In: Die Schmiede-Werkstatt 12 (6), 140.
292<br />
Baier, Walther (1990): Als Veterinärstu<strong>den</strong>t im München der zwanziger<br />
Jahre. Bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von Johann Schäffer.<br />
Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg.<br />
Bauer, Theodor (1938): Handbuch des <strong>Hufbeschlag</strong>es. Verlag Mittler &<br />
Sohn, Berlin.<br />
Bauer, Theodor (1940): Handbuch des <strong>Hufbeschlag</strong>es. 2., neu bearbeitete<br />
Auflage. Verlag Mittler & Sohn, Berlin.<br />
Bauer, Theodor (1944): Handbuch des <strong>Hufbeschlag</strong>es. 5., durchgesehene<br />
und erweiterte Auflage. Verlag Mittler & Sohn, Berlin.<br />
Behrninger 204 (1948): Die Berechtigung zum gewerbsmäßigen <strong>Hufbeschlag</strong><br />
unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in Bayern. In:<br />
Die Schmiede-Werkstatt 2 (13), 7-8.<br />
Beiheft 1 zum Anhang I zur Heeresveterinärvorschrift, H. Dv. 57. Neudruck<br />
1938. Druck: Oberkommando der Wehrmacht, Berlin.<br />
Berninger 205 (1938): Der Obermeister und seine Mitarbeiter. In: Bayerische<br />
Schmiedezeitung 42 (4), 31-33.<br />
Boehm, Laetitia (1972): Auf dem Weg zur Gegenwart. In: Laetitia Boehm<br />
und Johannes Spörl (Hrsg.): Die Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt<br />
- Landshut - München 1472-1972. Duncker und Humblot, Berlin,<br />
363-394.<br />
Böhm, Helmut (1995): Von der Selbstverwaltung zum Führerprinzip. Die<br />
Universität in <strong>den</strong> ersten Jahren des Dritten Reiches (1933-1936). In:<br />
Laetitia Boehm (Hrsg.): Münchener Universitätsschriften, Band 15.<br />
Duncker und Humblot, Berlin.<br />
204 Trotz intensiver Bemühungen und der Berücksichtigung der Tierärzteadressbücher<br />
konnten bei einigen Autoren die Vornamen, in besonderen Fällen auch die Nachnamen, nicht<br />
ermittelt wer<strong>den</strong>.<br />
205 In <strong>den</strong> Originaltexten wur<strong>den</strong> die Schreibweisen Behrninger (1948) und Berninger (1938)<br />
verwendet. Es ist aber durchaus möglich, dass es sich um einen Schreibfehler handelt und<br />
beide Aufsätze von demselben Autor stammen.
293<br />
Boessneck, Joachim (1965): 175 Jahre <strong>Tierärztliche</strong> Ausbildungsstätte in<br />
München. In: <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München (Hrsg.): 175 Jahre <strong>Tierärztliche</strong> Ausbildungsstätte in München.<br />
Kiefhaber, Kiefhaber & Elbl, München, 3-8.<br />
Boessneck, Joachim (1972): Chronik der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät. In:<br />
Laetitia Boehm und Johannes Spörl (Hrsg.): Die Ludwig-Maximilians-<br />
Universität in ihren Fakultäten. Erster Band. Duncker & Humblot, Berlin,<br />
281-345.<br />
Boessneck, Joachim, und Angela von <strong>den</strong> Driesch (1990): Die Geschichte<br />
der tierärztlichen Ausbildungsstätte in München. In: Angela von <strong>den</strong><br />
Driesch (Hrsg.): 200 Jahre tierärztliche Lehre und Forschung in München.<br />
Schattauer, Stuttgart und New York, 1-30.<br />
Brixner (1930): Stuten- und Fohlenprämiierungen in Tittmoning, 24.<br />
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München. Obst- und Gartenbauverlag, München.<br />
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295<br />
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32 (8), 4-5.<br />
Hagen (1929): Oberbayerischer Kreisverband: Oberbayerische Kreisverbandstagung<br />
in Fürstenfeldbruck am 26. Mai 1929. In: Bayerische<br />
Schmiedezeitung 33 (12), 6.<br />
Hagen (1932): Oberbayerische Obermeistertagung am 18. September in<br />
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Hager (1927): Kreistagungs-Berichte: Oberbayern. In: Bayerische Schmiedezeitung<br />
31 (12), 3-4.
296<br />
Hagn 206 (1927): Obermeistertagung des Oberbayerischen Kreisverbandes<br />
im Augustiner-Bierstübl in München am 18. September 1927. In:<br />
Bayerische Schmiedezeitung 31 (22), 4-5.<br />
Hagn (1928): Obermeistertagung des Oberbayerischen Kreisverbandes am<br />
19. März 1928 in München. In: Bayerische Schmiedezeitung 32 (8), 1-2.<br />
Hagn (1929): Obermeistertagung des Oberbayerischen Kreisverbandes am<br />
19. März 1929 in München. In: Bayerische Schmiedezeitung 33 (8), 3-4.<br />
Hagn (1930a): Obermeistertagung des Kreisverbandes oberbayerischer<br />
Schmiedeinnungen am 19. März in München (Augustiner-Bräustüberl). In:<br />
Bayerische Schmiedezeitung 34 (8), 2-3.<br />
Hagn (1930b): Oberbayerischer Kreisverband: Kreisverbandstagung<br />
oberbayerischer Schmiedeinnungen am 11. Mai 1930. In: Bayerische<br />
Schmiedezeitung 34 (11), 1-3.<br />
Hagn (1931): Oberbayerischer Kreisverband: Obermeistertagung des<br />
Kreisverbandes oberbayerischer Schmiedeinnungen am 19. März 1931 in<br />
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Haug, Anton (1939): Der Aufbau der Achselschwanger Warmblutzucht.<br />
München, Ludwig-Maximilians-Universität, <strong>Tierärztliche</strong> Fakultät, Diss.<br />
Heiber, Helmut (1991): Universität unterm Hakenkreuz. Teil I. Der<br />
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Saur, München, London, New York, Paris.<br />
Heiber, Helmut (1992): Universität unterm Hakenkreuz. Teil II, Band 1.<br />
Die Kapitulation der Hohen Schulen. Das Jahr 1933 und seine Themen.<br />
K. G. Saur, München, London, New York, Paris.<br />
Heiber, Helmut (1994): Universität unterm Hakenkreuz. Teil II, Band 2.<br />
Die Kapitulation der Hohen Schulen. Das Jahr 1933 und seine Themen.<br />
K. G. Saur, München, New Provi<strong>den</strong>ce, London, Paris.<br />
206<br />
In <strong>den</strong> Originaltexten wer<strong>den</strong> Hagen, Hager und Hagn angegeben. Wahrscheinlich handelt<br />
es sich dabei aber um <strong>den</strong>selben Autor.
297<br />
Henkels, Paul (1935): Kampf dem Hufkrebs. In: Deutsche tierärztliche<br />
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Hohmann, Marion (2000): Und die Arbeit ging weiter ... Die VMTA-<br />
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Fakultät, Diss.<br />
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Fakultät, Diss.
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Jöchle, Hans (1933): <strong>Hufbeschlag</strong> und Hufpflege im Winter. In: Zucht und<br />
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Jöchle, Hans (1934a): Schlechte <strong>Ein</strong>nahmen beim Pferdeverkauf durch<br />
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Jöchle, Hans (1934b): Warum ist die Klauenpflege notwendig und wie soll<br />
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Jöchle, Hans (1935): Sachgemäße Pflege der Fohlenhufe. In: Deutsches<br />
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Jöchle, Hans (1936): Die Hufpflege beim beschlagenen Pferde. In:<br />
Deutsches Kaltblut 9 (11), 171-175.<br />
Jöchle, Hans (1937a): Was kann der Pferdezüchter und Pferderhalter <strong>für</strong><br />
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In: Zeitschrift <strong>für</strong> Gestütkunde und Pferdezucht 32, 104-109, und in:<br />
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299<br />
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Jöchle, Hans (1953c): Die Herstellung von Hufeisen an <strong>den</strong> <strong>Hufbeschlag</strong>schulen.<br />
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300<br />
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Koch, Walter (1973): Erinnerungen. II. Teil. 1912-1932. Jugend, Stu<strong>den</strong>t,<br />
der junge Wissenschaftler. Ohne Verlag, ohne Ort.<br />
König, Walter (1936): <strong>Ein</strong> Tag an der Heeres-Veterinärakademie. In:<br />
Deutsche tierärztliche Wochenschrift 44 (8), 119-120.<br />
König, Walter (1939): Vier Jahre Heeres-Veterinärakademie. In: Deutsche<br />
tierärztliche Wochenschrift 47 (41), 622-623.<br />
König, Walter (1961): Generaloberstabsveterinär a. D. Prof. Dr. Schulze<br />
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301<br />
Krauße, Günter, und Klaus-Jürgen Zaadhof (1990): Institut <strong>für</strong> Hygiene<br />
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<strong>den</strong> Driesch (Hrsg.): 200 Jahre tierärztliche Lehre und Forschung in<br />
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Kuhn, Helmut (1966): Die deutsche Universität am Vorabend der<br />
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Dritten Reich. <strong>Ein</strong>e Vortragsreihe der Universität München. R. Piper & Co.<br />
Verlag, München. Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck, 12-43.<br />
Kunkel, Wolfgang (1966): Der Professor im Dritten Reich. In: Helmut<br />
Kuhn (Hrsg.): Die deutsche Universität im Dritten Reich. <strong>Ein</strong>e Vortragsreihe<br />
der Universität München. R. Piper & Co. Verlag, München.<br />
Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck, 103-133.<br />
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Blutlinien des Oberländers. Hengstbuch <strong>für</strong> <strong>den</strong> Bereich der Landesbauernschaft<br />
Bayern, Bayerische Ostmark, Württemberg, Ba<strong>den</strong>, Saarpfalz<br />
und Sudetenland. Reichsnährstand Verlags-GmbH., Zweigniederlassung<br />
Bayern, München.<br />
Large, David Clay (1998): Hitlers München. Aufstieg und Fall der<br />
Hauptstadt der Bewegung. Übers. von Karl Heinz Siber. Verlag C. H.<br />
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an der Heeresveterinärakademie Hannover. In: Johann Schäffer<br />
(Hrsg.): Veterinärmedizin im Dritten Reich, 5. Tagung der DVG-<br />
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302<br />
Löffler, Albert (1931): Pferdezuchtverband <strong>für</strong> das oberbayerische<br />
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Löffler, Albert (1933): Jahresbericht <strong>für</strong> das Jahr 1931 des Pferdezuchtverbandes<br />
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(3), 29-30.<br />
Maier, Hans (1966): Nationalsozialistische Hochschulpolitik. In: Helmut<br />
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der Universität München. R. Piper & Co. Verlag, München.<br />
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Matis, Ulrike (1990): Chirurgische Tierklinik. In: Angela von <strong>den</strong> Driesch<br />
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Mehrle, Franz (1968): Professor Dr. Johannes Jöchle †. In: Deutsche<br />
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Mießner, Hermann (1939): Generaloberstabsveterinär Prof. Dr. Schulze<br />
zum 40jährigen Militär-Dienstjubiläum. In: Deutsche <strong>Tierärztliche</strong> Wochenschrift<br />
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Möllers, Georg (2002): Jüdische Tierärzte im Deutschen Reich in der Zeit<br />
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Karl Alexander von Müller (Hrsg.): Die wissenschaftlichen Anstalten der<br />
Ludwig-Maximilians-Universität zu München. Chronik zur Jahrhundertfeier.<br />
Verlag von R. Ol<strong>den</strong>bourg und Dr. C. Wolf & Sohn, München, 132-<br />
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Moser, Erwin (1934): Leitfa<strong>den</strong> der Huf- und Klauenkrankheiten. Ferdinand<br />
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303<br />
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Ebner, Stuttgart.<br />
Moser, Erwin, und Melchior Westhues (1950): Leitfa<strong>den</strong> <strong>für</strong> Huf- und<br />
Klauenkrankheiten, 2., verbesserte Auflage. Ferdinand Enke Verlag,<br />
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Müller, Friedrich (Hrsg. 1919): Die Universität München während der<br />
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Munck, F. C. (1951): Der Schmiedetag 1951 in Würzburg zeigte die<br />
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Orlob, Eva-Maria, und Christian Giese (2000): Die Gießener Veterinärmedizinische<br />
Fakultät in der Nachkriegszeit. In: Johann Schäffer<br />
(Hrsg.): Tiermedizin in der Nachkriegszeit, 7. Tagung der DVG-<br />
Fachgruppe Geschichte der Veterinärmedizin, 1999. Verlag der Deutschen<br />
Veterinärmedizinischen Gesellschaft, Gießen, 153-170.<br />
Orlob, Eva-Maria (2003): Die Gießener Veterinärmedizinische Fakultät<br />
zwischen 1933 und 1957. Gießen, Justus-Liebig-Universität, <strong>Tierärztliche</strong><br />
Fakultät, Diss.<br />
Pascher, Joseph (1966): Das Dritte Reich, erlebt an drei deutschen<br />
Universitäten. In: Helmut Kuhn (Hrsg.): Die deutsche Universität im<br />
Dritten Reich. <strong>Ein</strong>e Vortragsreihe der Universität München. R. Piper &<br />
Co. Verlag, München. Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck, 45-69.<br />
Pechmann, Hubert von (1972): Geschichte der Staatswirtschaftlichen<br />
Fakultät. In: Laetitia Boehm und Johannes Spörl (Hrsg.): Die LMU in<br />
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304<br />
Philistervertretung der Stu<strong>den</strong>tenverbindung Apollo (1920): Gründung<br />
einer Berufszentrale der Stu<strong>den</strong>tenverbindung Apollo. In: Philisterzeitung<br />
der Stu<strong>den</strong>tenverbindung „Apollo“ 44 (1), 2.<br />
Prestel, Georg (2002): Die Geschichte der alten Häuser und Höfe in<br />
Erkheim und <strong>den</strong> Weilern Dankelsried, Erlenberg und Lerchenberg. Hrsg.<br />
vom Heimatpflege Erkheim e. V.<br />
Pschorr, Wilhelm (1950): Zur Entwicklungsgeschichte der <strong>Tierärztliche</strong>n<br />
Fakultät der Universität München. In: Berliner und Münchener tierärztliche<br />
Wochenschrift 63 (10), 198-202.<br />
R. S. (1957): Bericht über <strong>den</strong> Verbandstag 1957. In: Der Bayerische<br />
Schmied 10 (7), 3-9.<br />
Rathsmann, Erich (1936): Das Tätigkeitsgebiet der Veterinäroffiziere. In:<br />
Deutsche tierärztliche Wochenschrift 44 (8), 121-124.<br />
Redaktionsmitarbeiter (1948): Die Kurse der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule<br />
München <strong>für</strong> 5 Jahre im Voraus besetzt! In: Die Schmiede-<br />
Werkstatt 2 (12), 9-10.<br />
Reichsinnungsverband des Schmiedehandwerks (1939): Handwerkerwettkampf<br />
auch im Beschlagschmiedehandwerk. In: Bayerische Schmiedezeitung<br />
43 (1), 14.<br />
Richter, Walter (1936): Grundsätze und Richtlinien <strong>für</strong> die Ausführung des<br />
Heereshufbeschlags. In: Zeitschrift <strong>für</strong> Veterinärkunde 48 (7), 291-301.<br />
Richters, Claus Eduard (1941): Die Aufgaben des Kriegsveterinärdienstes.<br />
Rundfunkvortrag vom 27.10.1941. Abgedruckt in: <strong>Tierärztliche</strong> Rundschau<br />
47 (46), 549-551.<br />
Riedel, Karsten (2004): Die Geschichte der Veterinärmedizinischen<br />
Fakultät der Universität Leipzig in der Zeit von 1933 bis 1945. Leipzig,<br />
Universität, Veterinärmedizinische Fakultät, Diss.<br />
Röcken, Hermann (1999): Tiermedizin im Aufbruch. <strong>Leben</strong> und Wirken<br />
außergewöhnlicher Tierärzte. Teil I, Melchior Westhues. Libri-Verlag,<br />
Hamburg.
305<br />
Röcken, Hermann (2000): Es begann in einer Garage. Meine Lehrjahre an<br />
der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät in München. In: Johann Schäffer (Hrsg.):<br />
Tiermedizin in der Nachkriegszeit, 7. Tagung der DVG-Fachgruppe<br />
Geschichte der Veterinärmedizin, 1999. Verlag der Deutschen Veterinärmedizinischen<br />
Gesellschaft, Gießen, 310-317.<br />
Röcken, Hermann (2002): Tiermedizin im Aufbruch. <strong>Leben</strong> und Wirken<br />
außergewöhnlicher Tierärzte. Teil II, Walther Baier. Libri-Verlag, Hamburg.<br />
Roegele, Otto Bernhard (1966): Stu<strong>den</strong>t im Dritten Reich. In: Helmut<br />
Kuhn (Hrsg.): Die deutsche Universität im Dritten Reich. <strong>Ein</strong>e Vortragsreihe<br />
der Universität München. R. Piper & Co. Verlag, München.<br />
Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck, 135-174.<br />
Ruthe, Hermann, Heinrich Müller und Friedbert Reinhard (1997): Der Huf.<br />
Lehrbuch des <strong>Hufbeschlag</strong>es, 5., überarbeitete Auflage. Ferdinand Enke<br />
Verlag, Stuttgart.<br />
Schäffer, Johann (Hrsg. 1998): Veterinärmedizin im Dritten Reich,<br />
5. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte der Veterinärmedizin, 1997.<br />
Verlag der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft, Gießen.<br />
Schäffer, Johann, und Martin Fritz Brumme (1998): „Mit Bauer und<br />
Bo<strong>den</strong>, mit Heimat und Volk“ - Tiermedizin unterm Hakenkreuz:<br />
Thematisierung und Forschungsstand. In: Johann Schäffer (Hrsg.):<br />
Veterinärmedizin im Dritten Reich, 5. Tagung der DVG-Fachgruppe<br />
Geschichte der Veterinärmedizin, 1997. Verlag der Deutschen Veterinärmedizinischen<br />
Gesellschaft, Gießen, 13-24.<br />
Schäffer, Johann, und Pauline Gunther (1998): Dr. Friedrich Weber -<br />
Reichstierärzteführer 1934-1945. In: Johann Schäffer (Hrsg.): Veterinärmedizin<br />
im Dritten Reich, 5. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte der<br />
Veterinärmedizin, 1997. Verlag der Deutschen Veterinärmedizinischen<br />
Gesellschaft, Gießen, 276-292.<br />
Schimanski, Michael (1997): Die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule Hannover im<br />
Nationalsozialismus. Hannover, <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule, Diss.
306<br />
Schimanski, Michael (2000): Die Entnazifizierung an <strong>den</strong> tierärztlichen<br />
Bildungsstätten in Deutschland. In: Johann Schäffer (Hrsg.): Tiermedizin<br />
in der Nachkriegszeit, 7. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte der<br />
Veterinärmedizin, 1999. Verlag der Deutschen Veterinärmedizinischen<br />
Gesellschaft, Gießen, 34-49.<br />
Schimanski, Michael, und Johann Schäffer (2001a): Die tierärztliche<br />
Hochschule Hannover im Dritten Reich. Teil 1: Vorgeschichte, Machtübernahme<br />
und Konsolidierung des NS-Regimes. In: Deutsche tierärztliche<br />
Wochenschrift 108 (9), 380-385.<br />
Schimanski, Michael, und Johann Schäffer (2001b): Die tierärztliche<br />
Hochschule Hannover im Dritten Reich. Teil 2: <strong>Ein</strong>fluss der Heeresveterinärakademie,<br />
Zweiter Weltkrieg und Entnazifizierung. In: Deutsche<br />
tierärztliche Wochenschrift 108 (10), 423-429.<br />
Schmidt, Winfried (2000): Die seltsame Karriere des Hansjörg Maurer. In:<br />
Johann Schäffer (Hrsg.): Tiermedizin in der Nachkriegszeit, 7. Tagung der<br />
DVG-Fachgruppe Geschichte der Veterinärmedizin, 1999. Verlag der<br />
Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft, Gießen, 246-258.<br />
Schrempp, Fridolin (1949): Ändert sich der <strong>Hufbeschlag</strong>? Kommt der<br />
einheitliche Sommer- und Winterbeschlag? In: Die Schmiede-Werkstatt 3<br />
(7), 16-17.<br />
Schulz, Rüdiger (1990): Institut <strong>für</strong> Pharmakologie, Toxikologie und<br />
Pharmazie. In: Angela von <strong>den</strong> Driesch (Hrsg.): 200 Jahre tierärztliche<br />
Lehre und Forschung in München. Schattauer, Stuttgart und New York,<br />
207-212.<br />
Schulze, Curt (1911): Untersuchungen über das Wachstum des Hufhorns<br />
der Pferde unter Berücksichtigung des <strong>Ein</strong>flusses äußerer und innerer<br />
Reize. Berlin, Königlich-<strong>Tierärztliche</strong> Hochschule, Diss.<br />
Schulze, Wilhelm (1985): Die Heeresveterinärakademie und die <strong>Tierärztliche</strong><br />
Hochschule Hannover - ein Rückblick. Festvortrag am 05.05.1985 in<br />
der Aula der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule anläßlich der Jahrestagung des<br />
Bundes Deutscher Veterinäroffiziere. In: Mitteilungsblatt des Bundes<br />
Deutscher Veterinäroffiziere e. V. 33 (2/3), 13-24.
307<br />
Schweizer, Melanie (2002): Die <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule Hannover in der<br />
Nachkriegszeit (1945-1963). Hannover, <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule, Diss.<br />
Seifert, Arno (1972): In <strong>den</strong> Kriegen und Krisen des 20. Jahrhunderts. In:<br />
Laetitia Boehm und Johannes Spörl (Hrsg.): Die Ludwig-Maximilians-<br />
Universität Ingolstadt - Landshut - München 1472-1972. Duncker & Humblot,<br />
Berlin, 315-362.<br />
Seifried, Oskar (1938): Die Frage des Wissenschaftlichen Nachwuchses.<br />
In: Deutsches Tierärzteblatt 5 (9), 171-175.<br />
Seifried, Oskar (1941): <strong>Ein</strong>richtung eines Heimat-Pferdelazaretts in einer<br />
nicht da<strong>für</strong> vorbereiteten Kaserne. In: Zeitschrift <strong>für</strong> Veterinärkunde 53 (5),<br />
141-151.<br />
Sperber, Josef (1934): Bericht über die Durchführung des Probebeschlags<br />
in der Staatlichen <strong>Hufbeschlag</strong>schule München, Veterinärstraße, am<br />
17. Februar 1934. In: Bayerische Schmiedezeitung 38 (5), 1.<br />
Stanek, Christian (2006): Hufpflege und -beschlag beim Fohlen und<br />
Sportpferd. In: Olof Dietz und Bernhard Huskamp (Hrsg.): Handbuch<br />
Pferdepraxis. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Enke Verlag, Stuttgart,<br />
1009-1019.<br />
Stöckel, Sigrid (2000): Kontinuität und Wandel im Gesundheitswesen<br />
Nachkriegsdeutschlands. In: Johann Schäffer (Hrsg.): Tiermedizin in der<br />
Nachkriegszeit, 7. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte der<br />
Veterinärmedizin, 1999. Verlag der Deutschen Veterinärmedizinischen<br />
Gesellschaft, Gießen, 17-33.<br />
Tessin, Georg (1980): Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht<br />
und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939-1945. 2. Auflage, 11. Bd.,<br />
Biblio Verlag, Osnabrück.<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der LMU München (Hrsg. 1965): 175 Jahre<br />
tierärztliche Ausbildungsstätte in München. Kiefhaber, Kiefhaber & Elbl,<br />
München.<br />
Traeger (1921): 56. Stiftungsfest, 15.-17. Juli. In: Philisterzeitung der<br />
Stu<strong>den</strong>tenverbindung „Apollo“ 45 (3), 25-26.
308<br />
Verordnung über die Stiftung des Kriegsverdienstkreuzes in der Fassung<br />
vom 19.8.1940. In: E.-J. Graf von Westarp (Hrsg. 1940): Oertzenscher<br />
Taschenkalender <strong>für</strong> die Offiziere des Heeres. 61. Jg. Verlag Alfred<br />
Waberg, Grimmen in Pommern, 412-413.<br />
Voit, Erwin (1926): Das Tierphysiologische Institut. In: Karl Alexander<br />
von Müller (Hrsg.): Die wissenschaftlichen Anstalten der Ludwig-<br />
Maximilians-Universität zu München. Chronik zur Jahrhundertfeier im<br />
Auftrag des akademischen Senats. Verlag von R. Ol<strong>den</strong>bourg und Dr. C.<br />
Wolf & Sohn, München, 119-120.<br />
Vollbach, Heinrich (1954): Geschichte, Entwicklung und Kritik der<br />
Hufzubereitungstheorien. Hannover, <strong>Tierärztliche</strong> Hochschule, Diss.<br />
Vollmerhaus, Bernd (1990): Institut <strong>für</strong> Tieranatomie. In: Angela von <strong>den</strong><br />
Driesch (Hrsg.): 200 Jahre tierärztliche Lehre und Forschung in München.<br />
Schattauer, Stuttgart und New York, 51-64.<br />
Vollmerhaus, Bernd (1999): Hugo Grau (1899-1984). Wanderjahre und<br />
Erfüllung eines Forscherlebens. Zentenarschrift von Bernd Vollmerhaus<br />
unter Mitarbeit von Heide Roos und Sven Reese. Logos-Verlag, Berlin.<br />
Vorlesungsverzeichnis der LMU München <strong>für</strong> das Kriegsnothalbjahr<br />
15. Januar bis 15. April 1919.<br />
Vorlesungsverzeichnis der LMU München <strong>für</strong> das Winterhalbjahr 1937/38.<br />
Wagner, Oskar (1951): Johannes Nörr 65 Jahre alt. In: <strong>Tierärztliche</strong><br />
Umschau 6 (11/12), 222-223.<br />
Walser, Kurt, und Rudolf Stolla (1990): Gynäkologische und Ambulatorische<br />
Tierklinik. In: Angela von <strong>den</strong> Driesch (Hrsg.): 200 Jahre tierärztliche<br />
Lehre und Forschung in München. Schattauer, Stuttgart und New York,<br />
157-168.<br />
Weber, Friedrich (1951): Professor Abelein 60 Jahre. In: <strong>Tierärztliche</strong> Umschau<br />
6 (13/14), 260.<br />
Westhues, Melchior (1937): Über das Wesen und die Behandlung des<br />
Hufkrebses. In: Berliner <strong>Tierärztliche</strong> Wochenschrift 53 (28), 436-440.
309<br />
Westhues, Melchior (1965): Chronik der Chirurgischen Tierklinik. In:<br />
<strong>Tierärztliche</strong> Fakultät der LMU München (Hrsg.): 175 Jahre tierärztliche<br />
Ausbildungsstätte in München. Kiefhaber, Kiefhaber & Elbl, München,<br />
66-71.<br />
Wildsfeuer, Hans (1929): Pferdezuchtgenossenschaft Ingolstadt. In: Zucht<br />
und Sport 12 (24), 373-374.<br />
Wildsfeuer, Hans (1933): Stutenschau der Pferdezuchtgenossenschaft<br />
Ingolstadt. In: Zucht und Sport 16 (15), 178.<br />
Wippermann, Wolfgang (1998): Der Hund als Propaganda- und<br />
Terrorinstrument im Nationalsozialismus. In: Johann Schäffer (Hrsg.):<br />
Veterinärmedizin im Dritten Reich, 5. Tagung der DVG-Fachgruppe<br />
Geschichte der Veterinärmedizin, 1997. Verlag der Deutschen<br />
Veterinärmedizinischen Gesellschaft, Gießen, 193-206.<br />
Wolf, Hans (1952): Um das Schicksal der bayerischen Pferdezucht. In:<br />
Allgäuer Bauernblatt 20 (27), 346-347.<br />
Wolfer, Rudolf (1948): Die Theorien der Hufzubereitung. In: <strong>Tierärztliche</strong><br />
Umschau 3 (17/18), 272-279.<br />
Wolfer, Rudolf (1949): Wird das Problem des Gleitschutzes durch <strong>den</strong><br />
Widak-Beschlag gelöst? In: Die Schmiede-Werkstatt 3 (11), 5-8.<br />
Zieger, Wilhelm (1973): Das deutsche Heeresveterinärwesen im Zweiten<br />
Weltkrieg. Verlag Rombach, Freiburg.<br />
Zieger, Wilhelm (1981): Zur 100. Wiederkehr des Geburtstages von<br />
Generaloberstabsveterinär Professor Dr. Curt Schulze. In: Deutsche<br />
tierärztliche Wochenschrift 88 (11), 449-452.<br />
Zorn, Wilhelm (1948): Pferdezucht. 2. Auflage. Ulmer Verlag, Stuttgart.
8.3 Zeitzeugen und Fachleute<br />
310<br />
Hubert Bachofer (Filderdstadt)<br />
Heinz Cichlar 207 (Krailling)<br />
Prof. Dr. Erwin Dahme (Germering)<br />
Dorothea Dycke (Erkheim)<br />
Prof. Dr. Rudolf Fritsch (Neubiberg)<br />
Prof. Dr. Wolfgang Jöchle (USA)<br />
Anton Jöchle jun. (Erkheim)<br />
Josef Jöchle (Erkheim)<br />
Manfred Jöchle (München)<br />
Richard Haselbeck (München-Daglfing)<br />
Dr. Thomas Kratz (Handorf)<br />
Karl Lang (Erkheim)<br />
Josef Langwieser (Vaterstetten)<br />
Dr. Herbert Loibl (Freising)<br />
Rolf Luff (München-Daglfing)<br />
Dr. Bruno Müller (Aulendorf)<br />
Hans Neuper (München-Daglfing)<br />
Michael Urlbauer (Friedberg)<br />
Dr. Erwald Wolpert 208 (Murnau)<br />
207<br />
Archivar der Münchener Burschenschaft Franco-Bavaria, in die die Burschenschaft Apollo<br />
aufgegangen ist<br />
208<br />
Dr. Erwald Wolpert war von 1972 bis 1990 Leiter der <strong>Hufbeschlag</strong>schule Schwaiganger.
8.4 Abbildungsnachweis<br />
311<br />
Abb.<br />
1 Bronzestatue, Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA<br />
2 Privatbesitz Georg Prestel †, Erkheim<br />
3 erstellt von Stefanie Albrecht, Quellen: UAM Sen-I-145; Standesamt<br />
Erkheim; Prestel 2005, schriftl. Mitt.<br />
4 Privatbesitz Elisabeth Prestel, Erkheim<br />
5 PrivAMJ<br />
6-7 PrivAWJ<br />
8 <strong>Bibliothek</strong> der <strong>Tierärztliche</strong>n Fakultät der LMU, Signatur H 9.885<br />
9 Privatbesitz Georg Prestel †, Erkheim<br />
10 Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA<br />
11-12 PrivAWJ<br />
13 Moser, Erwin, und Friedrich Gutenäcker 1933, Vorspann<br />
14 Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA<br />
15 PrivAWJ<br />
16-19 Privatbesitz Manfred Jöchle, München<br />
20 PrivAWJ<br />
21 Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA<br />
22 PrivAWJ<br />
23 Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA<br />
24 Privatbesitz Stefanie Albrecht, Aulendorf<br />
25 Privatbesitz Dorothea Dycke, Erkheim<br />
26 PrivAWJ<br />
27 Privatbesitz Stefanie Albrecht, Aulendorf<br />
28 Jöchle, Stockklausner 1937, Titelbild<br />
29 Jöchle, Stockklausner 1937, Schmutztitel<br />
30 Moser, Erwin, und Friedrich Gutenäcker 1933, 127<br />
31 Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA<br />
32 Die Schmiede-Werkstatt 1952 6 (11), 204<br />
33 Die Schmiede-Werkstatt 1951 5 (22), 7<br />
34 Die Schmiede-Werkstatt 1951 5 (22), 7<br />
35 Boessneck, von <strong>den</strong> Driesch 1990, 15<br />
36-37 Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA<br />
38 Anhang I HVV 1931, 22<br />
39 Anhang I HVV 1937, 22<br />
40 Jöchle, Stockklausner 1937, 49<br />
41 Jöchle, Stockklausner 1937, 36<br />
42 Bauer 1940, 86<br />
43 Ruthe, Müller, Reinhard 1997, 82
312<br />
44 Fontaine 1939, 3<br />
45 Fontaine 1939, 332<br />
46 Deutsche Dienststelle, Berlin, o. Sign.<br />
47 Fotoarchiv Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der<br />
Haustiere der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover<br />
48 Fotoarchiv Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der<br />
Haustiere der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover<br />
49 TiHoA o. Sign.<br />
50 Fotoarchiv Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der<br />
Haustiere der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover<br />
51 Boessneck 1972, 314<br />
52 Vollmerhaus 1999, 13 (Demoll)<br />
53 Berliner und Münchener tierärztliche Wochenschrift 1939 55 (21),<br />
338 (Ernst)<br />
54 Beilage zu Berliner und Münchener tierärztliche Wochenschrift<br />
1966 79 (18) (Hilz)<br />
55 Ehrenbuch der <strong>Tierärztliche</strong>n Hochschule Hannover, Ehrensenatoren,<br />
TiHoA (Niklas)<br />
56 Berliner und Münchener tierärztliche Wochenschrift 1964 77 (7),<br />
133 (Grau)<br />
57 <strong>Tierärztliche</strong> Rundschau 1934 40 (34), 602 (Nörr)<br />
58 <strong>Tierärztliche</strong> Umschau 1956, 11 (3), 73 (Westhues)<br />
59 Berliner und Münchener tierärztliche Wochenschrift 1973 86 (15),<br />
299 (Koch)<br />
60 Mitteilungen der Bayerischen Landesanstalt <strong>für</strong> Tierzucht in Grub<br />
1959 7 (1/2), 1 (Stockklausner)<br />
61 <strong>Tierärztliche</strong> Umschau 1958 13 (10), 335 (Baier)<br />
62 <strong>Tierärztliche</strong> Rundschau 1934 40 (37), 651(Seifried)<br />
63 Berliner und Münchener tierärztliche Wochenschrift 1960 73 (11),<br />
220 (Sedlmeier)<br />
64 Modifiziert nach: Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA (Mennel)<br />
65 Modifiziert nach: Privatbesitz Wolfgang Jöchle, USA (Jöchle)<br />
66 Beilage zu Berliner und Münchener tierärztliche Wochenschrift<br />
1968 81 (18) (Stoß sen.)<br />
67 Modifiziert nach: Deutsche tierärztliche Wochenschrift 1933 41<br />
(42), 670 (Stoß jun.)
Danksagung<br />
Zunächst möchte ich Herrn Professor Johann Schäffer <strong>für</strong> die Überlassung<br />
des Themas und die hervorragende Betreuung des Promotionsvorhabens<br />
danken.<br />
Besonderer Dank gilt weiterhin allen Zeitzeugen. Wolfgang Jöchle,<br />
Manfred Jöchle und Dorothea Dycke (geb. Jöchle) beantworteten stets<br />
hilfsbereit und geduldig ständig neu aufkommende Fragen. Das<br />
ausgezeichnete Detailwissen von Wolfgang Jöchle sowie das von Manfred<br />
Jöchle zur Verfügung gestellte Fotomaterial waren eine große Hilfe.<br />
Weitere Zeitzeugen vermittelten mir das Bild von Hans Jöchle in seinem<br />
beruflichen Umfeld. In Erkheim, der Heimatstadt Hans Jöchles, wurde ich<br />
freundlich empfangen und konnte dort viele nützliche Hinweise sammeln.<br />
Elisabeth und Georg † Prestel stellten mir weiteres Bildmaterial zur<br />
Verfügung. Dr. Michael Schimanski unterstützte die Arbeit mit konstruktiver<br />
Kritik. Darüber hinaus möchte ich all <strong>den</strong>jenigen danken, die mir<br />
Auskünfte im Bereich des <strong>Hufbeschlag</strong>s und der Pferdezucht erteilten,<br />
insbesondere Dr. Thomas Kratz <strong>für</strong> die Durchsicht des Kapitels über die<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>stheorien.<br />
Des weiteren gilt mein Dank allen Archivaren <strong>für</strong> die Beratung zu <strong>den</strong><br />
Akten. Dr. Hans-Peter Remler ermöglichte mir die <strong>Ein</strong>sicht der Akten der<br />
<strong>Hufbeschlag</strong>schule München im Archiv des Bayerischen Haupt- und<br />
Landgestüts Schwaiganger und Heinz Cichlar danke ich <strong>für</strong> die Auskünfte<br />
über die Burschenschaft Apollo.<br />
Meiner Mitdoktorandin Svantje Insenhöfer danke ich <strong>für</strong> <strong>den</strong> fachlichen<br />
Austausch sowie die allzeit freundlich gewährte Unterkunft in Hannover<br />
und Ricarda Maucher <strong>für</strong> die Gastfreundschaft während meiner Recherchearbeiten<br />
in München.<br />
Zum Schluss möchte ich meiner Mutter <strong>für</strong> die Beratung in historischen<br />
Fragen danken und meinem Vater <strong>für</strong> die finanzielle Unterstützung sowie<br />
<strong>für</strong> die Durchsicht des Manuskripts. Meiner Schwester Ulrike danke ich<br />
herzlich <strong>für</strong> die Hilfestellung in sämtlichen Computerfragen. Besonderer<br />
Dank gilt Oliver Jöchle <strong>für</strong> die moralische Unterstützung.