SOTE 2010_1 - IFZ
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Technologie & Politik<br />
gern, hat zu viel Widerstand geführt, weil<br />
es bedeuten würde, dass Menschen in Industriestaaten<br />
trotzdem höhere Pro-Kopf-<br />
Emissionen zustehen würden als Menschen<br />
in Entwicklungsländern.<br />
Die Entwicklungsländer sind jedoch kein<br />
homogener Block. So unterscheiden sich<br />
ihre Interessen enorm. Die Opec-Länder unter<br />
der Führung Saudi-Arabiens versuchen<br />
ausschließlich, ein Klimaabkommen zu verhindern<br />
und nützen jede Möglichkeit, um<br />
Sand ins Getriebe zu streuen. Die „least developed<br />
countries“ sind besonders stark an<br />
Hilfe zur Anpassung an den bereits stattfindenden<br />
Klimawandel interessiert und fordern<br />
ansonsten möglichst deutliche Treibhausgasreduktionen<br />
bei den reichen Ländern.<br />
Waldreiche Länder kämpfen für ein<br />
starkes Waldabkommen und die großen<br />
Vier (Brasilien, Südafrika, Indien und<br />
China) haben sich als so genannte BASIC-<br />
Länder zusammengefunden und spielen<br />
große Weltpolitik. Auch hier muss unterschieden<br />
werden. Brasilien und Südafrika<br />
sind zu deutlich stärkeren eigenen Maßnahmen<br />
bereit, während China und Indien besonders<br />
die historische Verantwortung des<br />
Nordens hervor streichen und ihr starkes<br />
Wirtschaftswachstum absichern wollen.<br />
Die Rolle Chinas muss dabei noch extra ausgeleuchtet<br />
werden, da sie ja mittlerweile das<br />
Land mit den größten Treibhausgasemissionen<br />
sind. Es gibt in der chinesischen Politik<br />
durchaus ein Bewusstsein, dass der Klimawandel<br />
an China nicht vorbeigehen wird<br />
und dass mit gravierenden Konsequenzen<br />
zu rechnen ist. Dadurch gibt es nicht nur<br />
eine grundsätzliche Bereitschaft, sondern einen<br />
regelrechten Zwang zu handeln. Die<br />
Regierung blickt dabei aber auch in Richtung<br />
des Nordens und stellt fest, dass die<br />
notwendigen Anstrengungen in vielen Industriestaaten<br />
ausbleiben. Das stärkt in<br />
China natürlich nicht den Willen, dann bei<br />
den Verhandlungen selber den ersten<br />
Schritt zu setzen. Was China auch nicht gefällt,<br />
ist die westliche Forderung nach Kontrollen<br />
– ein durchaus berechtigter Wunsch,<br />
in Hinblick auf die geringe Transparenz und<br />
Zweifel über die Verlässlichkeit der chinesischen<br />
Daten. China hat jedoch im Vorfeld<br />
Flexibilität in vielen strittigen Punkten angedeutet,<br />
wurde aber durch die fehlende<br />
Ambition der reichen Länder nie in die Verlegenheit<br />
gebracht, selbst handeln zu müssen.<br />
■ USA: Die Rolle der USA ist großteils innenpolitisch<br />
erklärbar. Obwohl mit Barack<br />
Obama ein Präsident im Amt ist, der<br />
im Gegensatz zu seinem Vorgänger zumindest<br />
bereit ist, sowohl den Klimawandel<br />
als auch die Verantwortung der Vereinigten<br />
Staaten zu verstehen, liegt der<br />
Schatten der Bush-Ära noch über dem<br />
Land. Relativ große Teile der Bevölkerung<br />
sind unwissend bis skeptisch beim Thema<br />
Klimawandel, was sich im Abgeordnetenhaus<br />
und Senat widerspiegelt. Folge ist,<br />
dass es eine relativ schwache Lobby für<br />
Klimaschutzmaßnahmen gibt, aber dafür<br />
einen sehr starken Druck aus der Industrie,<br />
keine Maßnahmen zu beschließen,<br />
die eine Verringerung der Treibhausgasemissionen<br />
bedeuten. Kombiniert mit der<br />
Tatsache, dass Obama große Schwierigkeiten<br />
hat, seine Reform des Gesundheitswesens<br />
durchzubringen, führt das dazu, dass<br />
in den USA, abgesehen von Lippenbekenntnissen<br />
Obamas, keine entscheidenden<br />
Änderungen zu sehen sind. Rechnet<br />
man dazu dann noch die Unbeliebtheit<br />
von internationalen Abkommen und ausbleibende<br />
Schritte Chinas, dann ist klar,<br />
dass die Voraussetzungen für weitgehende<br />
Zugeständnisse der Vereinigten Staaten<br />
denkbar schlecht waren. Die fehlende Bereitschaft<br />
der USA, relevante Maßnahmen<br />
zu setzen, ist jedoch der wichtigste einzelne<br />
Hinderungsgrund für ein globales Klimaabkommen,<br />
wenn auch nicht (mehr)<br />
der einzige.<br />
Die Rolle der Klimawandel-Leugner ist in<br />
der internationalen politischen Debatte<br />
nicht mehr relevant. In einzelnen Staaten<br />
spielen sie aber eine Rolle, stärken bei einem<br />
Teil des Publikums das Gefühl, dass das<br />
Stattfinden einer globalen Erwärmung weiterhin<br />
umstritten ist, und das verringert<br />
wieder den politischen Druck, schnell zu einer<br />
Einigung zu kommen.<br />
Was in Kopenhagen selbst<br />
geschah<br />
Am Ende der ersten von zwei Verhandlungswochen<br />
war klar, dass die VerhandlerInnen,<br />
die seit Bali (Dezember 2007) mit<br />
der Materie beschäftigt waren, zu keinem<br />
vorzeigbaren Ergebnis kommen würden.<br />
Der „bottom up process“, d. h. der Versuch,<br />
in zwei Jahren auf ExpertInnenebene die<br />
wichtigsten Elemente eines zukünftigen<br />
globalen Klimaregimes zu diskutieren und<br />
zur Entscheidungsreife zu bringen und in<br />
Kopenhagen dann die entsprechenden politischen<br />
Entscheidungen treffen zu können,<br />
war gescheitert. Dieser Prozess war als Gegenstück<br />
zur Kyoto-Erfahrung (top down)<br />
entwickelt worden. In Kyoto waren primär<br />
politische Entscheidungen getroffen worden,<br />
die dann bis zur Konferenz in Marrakesch<br />
vier Jahre später in Detailverhandlungen<br />
erst praktisch ausgestaltet wurden.<br />
In der ersten Woche in Kopenhagen wurde<br />
der enorme Bruch zwischen Entwicklungsländern<br />
und Industrieländern, der sich bereits<br />
durch die beiden letzten Verhandlungsjahre<br />
gezogen hat, sehr deutlich,<br />
wurde aber zudem noch durch einen starken<br />
Bruch innerhalb der G-77, also den Entwicklungsländern<br />
selber, ergänzt. Hauptauslöser<br />
hierfür war die Haltung zum rechtlichen<br />
Status des potenziellen Ergebnisses.<br />
Die kleineren Entwicklungsländer und hier<br />
insbesondere die „most vulnerable countries“<br />
haben sich massiv für ein rechtsverbindliches<br />
Abkommen als Zusatz zum weiter<br />
bestehenden Kyoto-Protokoll eingesetzt.<br />
Die großen Entwicklungsländer (v. a. China,<br />
Indien und die OPEC-Staaten) waren,<br />
ebenso wie die meisten Industrieländer, für<br />
ein Rechtsdokument. Der Unterschied hierbei<br />
ist vordergründig die Frage nach der Einbeziehung<br />
der USA und hintergründig nach<br />
der eigenen Bereitschaft, rechtlich verbindliche<br />
Maßnahmen zu treffen. Theoretisch<br />
wäre ein Vertrag, der alle Vertragsparteien<br />
entsprechend ihrer „common but differentiated<br />
responsibility“ bindet, das beste und<br />
sauberste Ergebnis. Realpolitisch war immer<br />
klar, dass es einen solchen Vertrag mit den<br />
USA nur geben kann, wenn der Rest der<br />
Welt sich auf ein sowohl bezüglich Ambition<br />
als auch Rechtsverbindlichkeit sehr<br />
schwaches US-Niveau begeben würde. So<br />
diente das Argument, dass auch die USA<br />
verpflichtet werden müsse, der EU als Vorwand,<br />
sich nicht ambitioniert binden zu<br />
wollen, den meisten anderen Industriestaaten<br />
als Vorwand, aus den eigenen Verpflichtungen<br />
raus zu kommen, großen Entwicklungsländern<br />
(v. a. China) als Vorwand, zukünftigen<br />
verbindlichen Zielsetzungen vorzubeugen<br />
und den OPECs als Vorwand, den<br />
Prozess als Ganzes zu untergraben.<br />
Die Ankunft der MinisterInnen und später<br />
Regierungschefs für das sogenannte „highlevel<br />
segment“ in der zweiten Woche<br />
brachte dann keinen Fortschritt mehr. Dies<br />
lag v. a. an der starken innenpolitischen<br />
Orientierung vieler Schlüsselakteure (v. a.<br />
Obama) und an der unklaren Entscheidungssituation<br />
durch die unzureichende<br />
Vorbereitung eines Vertragswerkes in den<br />
letzten beiden Jahren und wurde durch eine<br />
extrem schlechte Vorsitzführung durch das<br />
Gastgeberland Dänemark, welches entsprechend<br />
der UN-Regeln für die Moderation<br />
des Prozesses verantwortlich ist, verstärkt 1 .<br />
Nach sehr heftigen Debatten über den weiteren<br />
Prozess wurde Donnerstagabend eine<br />
Soziale Technik 1/<strong>2010</strong><br />
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