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Risiken rechtzeitig absichern - und Handelskammer Nord Westfalen

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Der Spagat zwischen<br />

Risiko <strong>und</strong> unternehmerischer<br />

Absicherung sollte<br />

gut überlegt werden.<br />

Foto: bilderbox<br />

Unternehmer<br />

<strong>Risiken</strong> <strong>rechtzeitig</strong><br />

<strong>absichern</strong><br />

Wer ein Risiko eingeht,<br />

muss sich <strong>absichern</strong>.<br />

Am Berg oder im Unternehmen.<br />

Doch viele (Jung-)Unternehmer<br />

tun es nicht – oder zu spät.<br />

Das kann fatale Folgen haben.<br />

Uwe Heubaum will sicher gehen. Und<br />

vor allem möglichst wenig falsch<br />

machen. Denn der 40-Jährige erlebt<br />

gerade das Leben ohne Netz <strong>und</strong> doppelten<br />

Boden. Heubaum macht sich in Oer-Erkenschwick<br />

als IHK-geprüfter Bilanzbuchhalter<br />

selbstständig. Daher war auch er auf die<br />

Informationsveranstaltung der IHK <strong>Nord</strong><br />

<strong>Westfalen</strong> am b<strong>und</strong>esweit organisierten<br />

Aktionstag „Sozial gesichert starten“ nach<br />

Dülmen gekommen. 53 Industrie- <strong>und</strong> <strong>Handelskammer</strong>n<br />

in Deutschland informierten<br />

an einem Tag zusammen mit den regionalen<br />

Starter-Centern vor allem Existenzgründer<br />

zur sozialen Sicherung. Heubaums<br />

Interesse: „Ein kurzes Update für den Bereich<br />

der persönlichen Versicherungen“.<br />

Und die gab es im St. Barbara-Haus „in<br />

einem Parforce-Ritt, kompakt, manchmal<br />

kurzweilig“, wie IHK-Geschäftsführer Wieland<br />

Pieper später feststellte, von Versicherungsexperten<br />

aus erster Hand. „Bei der<br />

Zusammenstellung seines persönlichen<br />

Versicherungsschutzes muss der Unternehmer<br />

Prioritäten setzen. Nicht alles kann<br />

<strong>und</strong> muss direkt vom Start an in voller<br />

Höhe abgesichert werden“, stellte Ludger<br />

Tillmann als Vorsitzender <strong>und</strong> Sprecher des<br />

B<strong>und</strong>esverbandes Deutscher Versicherungskaufleute<br />

e. V. im nördlichen Ruhrgebiet<br />

<strong>und</strong> Münsterland an dem Abend heraus.<br />

Tillmann hatte bereits im Interview in der<br />

November-Ausgabe des „Wirtschaftsspiegel“<br />

darauf hingewiesen, dass sich viele<br />

✔<br />

✔<br />

✔<br />

✔<br />

✔<br />

Expertentipp I<br />

Private Altersvorsorge abschließen!<br />

Der/die Unternehmer/in kann aber auch der<br />

gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig<br />

beitreten – manche Selbstständige sind<br />

pflichtversichert.<br />

Private Krankenversicherung abschließen!<br />

Versicherung in einer der gesetzlichen<br />

Krankenkassen ist möglich, manchmal<br />

Pflicht. In jedem Fall muss dort auch eine<br />

Pflegeversicherung abgeschlossen werden.<br />

Einkommensausgleich für Krankheitstage<br />

nicht vergessen – die gesetzliche Kasse<br />

übernimmt dies ab 2009 nicht mehr.<br />

Wenn möglich freiwillige Arbeitslosenversicherung<br />

abschließen! Nach der Existenzgründung<br />

ist dort freiwillige Weiterversicherung<br />

möglich – Fristen beachten!<br />

Freiwillig eine gesetzliche Berufsunfallversicherung<br />

abschließen bzw. als Pflichtmitglied<br />

in manchen Berufsgenossenschaften.<br />

Alternativ, aber mit einem anderen<br />

Leistungsspektrum, eine private Unfallversicherung.<br />

Eine private Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

abschließen! hierfür gibt es in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung keinen vergleichbaren<br />

Ausgleich mehr.<br />

Astrid Schenk<br />

Versicherungsberaterin<br />

10 wirtschaftsspiegel 1 · 2009


Titel Absicherung<br />

Unternehmensgründer „zu spät mit ihrer<br />

sozialen Absicherung befassen“. Das Interesse<br />

war jedenfalls unübersehbar. Etwa<br />

2000 Gründer beteiligten sich b<strong>und</strong>esweit<br />

an dem Aktionstag <strong>und</strong> gaben wie auch<br />

viele weitere Besucher der kostenlosen Veranstaltung<br />

per Fragebogen einen anonymisierten<br />

Einblick in ihre Alterssicherung. So<br />

planen 62 Prozent der Besucher in Dülmen<br />

demnach, stärker in ihre Altersvorsorge zu<br />

investieren.<br />

Krankenversicherung wichtig<br />

„Viele Informationen, viele Zahlen“ versprach<br />

ihnen Moderatorin Astrid Schenk.<br />

Als „Frau vom Fach“ hatte Pieper die Marlerin<br />

eingeführt, die den „seltenen Berufsstand<br />

einer Versicherungsberaterin“ hat.<br />

Im Gegensatz zu Versicherungsvermittlern<br />

dürfen Versicherungsberater keine Provision<br />

oder Courtage von Versicherungsgesellschaften<br />

erhalten. Schenk arbeitet auch<br />

als Honorarberaterin für die Verbraucherzentrale<br />

NRW.<br />

Astrid Schenk führte in die Themen der<br />

Referenten ein. Wie bei Stefan Sieben von<br />

der Barmer Ersatzkasse, der die gesetzlichen<br />

Krankenversicherungen (GKV) <strong>und</strong><br />

ihr Leistungsspektrum vorstellte. Das gesetzliche<br />

Krankenversicherungssystem<br />

wurde lange Zeit als weltweit vorbildlich<br />

betrachtet. Im europäischen Vergleich sei<br />

das deutsche Ges<strong>und</strong>heitsversorgungssystem<br />

„immer noch preiswert <strong>und</strong> außerdem<br />

gut“, so Schenks Einschätzung.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich gibt es<br />

für Selbstständige<br />

keine Pflicht, in einer<br />

gesetzlichen Krankenversicherung<br />

Mitglied zu sein.<br />

Aber letztlich unterstrichen<br />

alle Experten:<br />

Eine Kranken-<br />

Stefan Sieben<br />

versicherung ist ein absolutes Muss für<br />

Selbstständige <strong>und</strong> ihre Familie. Ein Unternehmer<br />

kann sich freiwillig in einer gesetzlichen<br />

Krankenversicherung, also in Orts-,<br />

Innungs- <strong>und</strong> Betriebskrankenkassen sowie<br />

Ersatzkassen, versichern. Sieben rechnete<br />

vor, dass ab dem Jahr 2009 ohne<br />

Krankengeldanspruch für Selbstständige<br />

inklusive Familienversicherung maximal<br />

547,58 Euro Monatsbeitrag fällig würden.<br />

Er vergaß nicht, die „bedürftigen Selbstständigen“<br />

<strong>und</strong> die Bezieher eines Gründungszuschusses<br />

auf ihre verminderten<br />

Kassen-Beiträge hinzuweisen. Langfristige<br />

Prognosen über die Entwicklung des deutschen<br />

Krankenversicherungssystems wollte<br />

Sieben aber nicht abgeben. Bei den nun<br />

festgelegten 15,5 Prozent Krankenkassenbeitrag<br />

werde es aber vermutlich nicht bleiben.<br />

Privat oder gesetzlich?<br />

Expertentipp II<br />

Die Krankenversicherung ist ein Muss<br />

für Gründer <strong>und</strong> Selbstständige!<br />

Bei der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />

ist wichtig:<br />

Rechtzeitig Kontakt mit der Krankenkasse<br />

aufnehmen, um keine Frist zur freiwilligen<br />

Weiterversicherung zu versäumen.<br />

Existenzgründer sollten die einkommensbezogene<br />

Beitragseinstufung beantragen,<br />

um zu vermeiden, dass die Beiträge unabhängig<br />

von der Einkommenslage nach der<br />

Beitragsbemessungsgrenze erhoben<br />

werden.<br />

Die Angebote der Krankenkassen zum<br />

Krankengeldanspruch prüfen, hier gibt es<br />

vielfältige Varianten, die sich in Preis <strong>und</strong><br />

Leistung unterscheiden.<br />

Stefan Sieben<br />

Barmer Ersatzkasse, Wuppertal<br />

Auch Tillmann ging noch einmal auf den<br />

Konflikt vieler Junggründer ein: Privat<br />

oder gesetzlich versichern? „Gerade bei der<br />

Krankenversicherung muss der Unternehmer<br />

genau Chancen <strong>und</strong> <strong>Risiken</strong> gegeneinander<br />

abwägen. Nicht immer ist die private<br />

Krankenversicherung für jeden die optimale<br />

Lösung.“ Wer in der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung bleibe, müsse diesen<br />

Schutz aber über Zusatzversicherungen,<br />

wie über eine Krankentagegeldversicherung,<br />

seinem Status als Selbstständiger anpassen.<br />

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung<br />

stellte deren Geschäftsstellenleiter<br />

Karl-Heinz Andro aus Düsseldorf vor. Die<br />

gesetzliche Unfallversicherung ist quasi<br />

✔<br />

✔<br />

✔<br />

Versicherungsberaterin Astrid Schenk im Gespräch mit Existenzgründer<br />

Uwe Heubaum <strong>und</strong> Jungunternehmer Daniel Platte.<br />

Das Interesse an der IHK-Veranstaltung für Jungunternehmer <strong>und</strong> Existenzgründer<br />

war groß.<br />

Fotos: Hinse<br />

wirtschaftsspiegel 1 · 2009<br />

11


Titel Absicherung<br />

eine Haftpflichtversicherung der Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> wurde im Deutschen Kaiserreich<br />

gegründet. Sie soll nach Eintritt eines Arbeitsunfalls<br />

oder einer Berufskrankheit den<br />

Verletzten oder Kranken, seine Angehörigen<br />

<strong>und</strong> seine Hinterbliebenen entschädigen.<br />

Andro stellte heraus, dass heute vor<br />

dem Entschädigen vor allem das stark geförderte<br />

„Verhüten“ stehe. Selbst teuerste<br />

Rehabilitation gehe immer vor Entschädigung.<br />

„Hervorragende Leistungen“ attestierte<br />

Astrid Schenk der gesetzlichen Unfallversicherung,<br />

die über die Unfallkassen,<br />

Gemeindeunfallversicherungsverbände<br />

<strong>und</strong> Berufsgenossenschaften 70 Millionen<br />

Versicherte hat.<br />

Unfallversicherung setzt<br />

auf Prävention<br />

Andro kündigte nach dem vergangenen<br />

Jahr auch für 2009 eine weitere „Fusionswelle“<br />

an. Bis zum Ende des Jahres werden<br />

die Berufsgenossenschaften zu neun übergreifenden<br />

zusammengefasst. Und künftig<br />

wird es einheitlich nur noch eine Unfallkasse<br />

pro B<strong>und</strong>esland geben. Die gesetzliche<br />

Unfallversicherung finanziert sich<br />

durch die Beiträge, die die Unternehmen<br />

zahlen. Tipp der<br />

Experten: Eine<br />

freiwillige Versicherung<br />

ist<br />

manchmal sinnvoll,<br />

weil bei relativ<br />

geringen Jahresbeiträgen<br />

ein<br />

umfassender Versicherungsschutz<br />

geboten werde.<br />

✔<br />

✔<br />

✔<br />

✔<br />

len. Plattes Erfahrung: „Es gibt einen immensen<br />

Bedarf an Beratung – bei Finanzen,<br />

bei Versicherungen.“ Aber der 32-jährige<br />

Familienvater hat aus dem Vortrag von<br />

Andro für sich eine neue Information mitgenommen.<br />

„Ich hab' hier gelernt, dass die<br />

gesetzliche Unfallversicherung für mich<br />

auch in Frage kommt.“ Für Platte wäre es<br />

dann eine freiwillige Mitgliedschaft<br />

in der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft,<br />

wie sich<br />

später bei gut genutzten Nachfrage-R<strong>und</strong>en<br />

mit Schenk <strong>und</strong><br />

den anderen Absicherungs-<br />

Experten zeigte.<br />

Der Hertener Versicherungskaufmann<br />

Tillmann plädierte<br />

auch für die private Unfallversicherung,<br />

da ihre Leistungspflicht<br />

nicht nur auf Berufsunfälle<br />

<strong>und</strong> Wegeunfälle<br />

beschränkt sei. Diese Unfallversicherung<br />

sichere r<strong>und</strong> um die<br />

Uhr <strong>und</strong> weltweit, auch in Freizeit<br />

<strong>und</strong> Urlaub ab, warb Tillmann. „Allerdings<br />

muss jeder für sich prüfen, welche<br />

nicht sinnvollen Leistungen ausgeschlossen<br />

oder erst gar nicht vereinbart werden<br />

sollten.“<br />

Rentenversicherung<br />

manchmal Pflicht<br />

Expertin Irmhild Venschott hat jeden Tag<br />

mit der Zukunft zu tun – nämlich mit der<br />

gesetzlichen Rente. Venschott arbeitet in<br />

Expertentipp III<br />

Checkliste für Unternehmer <strong>und</strong><br />

Selbstständige:<br />

Sind Sie abgesichert für den Fall, dass Sie wegen einer<br />

Erkrankung längere Zeit kein Geld verdienen?<br />

Sind Sie bei Berufsunfähigkeit finanziell geschützt?<br />

Haben Sie geprüft, ob Ihnen eine private Krankenversicherung<br />

Vorteile bringt?<br />

Wie sind Sie im Alter abgesichert?<br />

Haben Sie Ihre Hinterbliebenen abgesichert?<br />

Gibt es eine Vorsorge, wenn Sie durch Unfall, Krankheit<br />

oder im Alter Pflege benötigen?<br />

Ludger Tillmann<br />

B<strong>und</strong>esverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V.,<br />

Herten<br />

Karl-Heinz Andro: „Eine<br />

freiwillige gesetzliche<br />

Unfallversicherung ist oft<br />

sinnvoll, da bei geringen<br />

Beiträgen umfassender<br />

Schutz geboten wird.“<br />

Fotos: Hinse<br />

Andros Präsentation<br />

fiel auf Ludger<br />

fruchtbaren Boden.<br />

Unter den<br />

Tillmann<br />

Besuchern war auch David<br />

Platte, der sich vor zwei Jahren<br />

in <strong>Nord</strong>kirchen zusammen mit<br />

zwei Kollegen als Finanzmakler<br />

selbstständig gemacht hat. Er<br />

war eigentlich nach Dülmen<br />

gekommen, um zu erk<strong>und</strong>en,<br />

welche Fragen seine K<strong>und</strong>enzielgruppe<br />

bewegen. Der Münsteraner<br />

hat „sehr viele K<strong>und</strong>en,<br />

die Existenzgründer sind<br />

<strong>und</strong> sich privat <strong>absichern</strong>“ wolder<br />

Auskunfts- <strong>und</strong> Beratungsstelle bei der<br />

Deutschen Rentenversicherung <strong>Westfalen</strong><br />

in Münster. Ein vertrautes Gebiet für die<br />

Besucher in Dülmen: Bei der Fragen-Auswertung<br />

zeigte sich, dass fast alle Teilnehmer<br />

schon mal in der „Gesetzlichen“ versichert<br />

waren – <strong>und</strong> die Hälfte es auch noch<br />

ist. Bei vielen Selbstständigen, die den<br />

Kontakt zu Venschott <strong>und</strong><br />

ihren Kollegen suchen, geht<br />

es um die Rentenversicherungspflicht.<br />

Viele Selbstständige<br />

sind nämlich bereits<br />

per Gesetz pflichtversichert.<br />

Dazu zählen neben Handwerkern<br />

unter anderem Künstler<br />

<strong>und</strong> Publizisten, Hebammen<br />

<strong>und</strong> freiberufliche Lehrer.<br />

Oder auch Selbstständige mit<br />

nur einem Auftraggeber, auch<br />

Küstenschiffer <strong>und</strong> -fischer.<br />

Alle anderen Selbstständigen<br />

können in den ersten fünf<br />

Jahren der selbstständigen<br />

Tätigkeit einen Antrag auf Pflichtversicherung<br />

stellen. Eine Pflichtversicherung auf<br />

Antrag gilt dann so lange, bis die Selbstständigkeit<br />

aufgegeben wird. Der Beitrag<br />

liegt – anders als bei der ebenfalls möglichen<br />

freiwilligen Rentenversicherung – wie<br />

bei allen anderen Pflichtmitgliedern derzeit<br />

bei 19,9 Prozent.<br />

Individueller Schutz<br />

Aber bis auf diese wenigen Berufsgruppen<br />

haben Unternehmer die Möglichkeit, aus<br />

dem System der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

auszusteigen. Und auf die Aussteiger<br />

warten die „Klassiker“ der privaten<br />

Altersvorsorge, die Tillmann vorstellte: die<br />

private Rentenversicherung <strong>und</strong> die Kapitallebensversicherung.<br />

Der Unternehmer<br />

habe hier die Möglichkeit, sich seinen individuellen<br />

Schutz für die Altersversorgung<br />

zusammenzustellen. Allerdings bieten auf<br />

dem deutschen Versicherungsmarkt weit<br />

über 100 Unternehmen solche Versicherungen<br />

zur privaten Altersversorgung an. Tillmann<br />

riet deshalb zur genauen Überprüfung<br />

der Angebote <strong>und</strong> auch der Vermittler.<br />

Ferner streifte er die neue Basisrente<br />

(„Rürup-Rente“) <strong>und</strong> die Riester-Rente, wobei<br />

Selbstständige nicht zum förderungsfähigen<br />

Personenkreis dieser Rente gehören.<br />

Seit 2005 bietet das Alterseinkünfte-<br />

12 wirtschaftsspiegel 1 · 2009


Titel Absicherung<br />

Karin Hartmann<br />

Bei der Befragung zeigte sich, dass 52 Prozent<br />

der Veranstaltungsteilnehmer eine private<br />

Rentenversicherung, 69 Prozent eine<br />

Lebensversicherung abgeschlossen haben.<br />

Aber nur ein Besucher hat eine Rürup-<br />

Rente. Fast ein Drittel sorgt auch noch anderweitig<br />

vor, beispielsweise über Immobilienbesitz.<br />

Ein Plädoyer hielt Tillmann für die Berufsunfähigkeitsversicherung.<br />

„Denn gerade<br />

für Existenzgründer <strong>und</strong> Selbstständige<br />

gilt: Ohne den Chef läuft im Betrieb nichts.<br />

Wenn er in der Firma durch Berufsunfähigkeit<br />

ausfällt, ist ihr Bestehen gefährdet. Und<br />

seine Familie steht vor dem Nichts. Deshalb<br />

ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

sehr wichtig.“<br />

Arbeitslos - was dann?<br />

Expertentipp IV<br />

Selbstständige können sich seit 2006 freiwillig in<br />

der Arbeitslosenversicherung weiterzuversichern.<br />

Wichtig dafür ist, dass<br />

die selbstständige Tätigkeit mindestens 15 St<strong>und</strong>en<br />

wöchentlich umfasst.<br />

innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der<br />

selbstständigen Tätigkeit mindestens zwölf Monate<br />

ein Versicherungspflichtverhältnis bestand.<br />

Und was hatte der Abend Uwe Heubaum<br />

gebracht, der selbst Spezialist für Gehaltsabrechnung<br />

<strong>und</strong> Personalsachbearbeitung<br />

ist? Der Existenzgründer hat sich bereits<br />

abgesichert, durch, wie er sie nennt, „freiwillige<br />

Pflichtversicherungen“. Als selbstgesetz<br />

Selbstständigen<br />

neue Möglichkeiten<br />

„unter<br />

steuerlich optimierten<br />

<strong>und</strong> geförderten<br />

Bedingungen<br />

Altersvorsorge<br />

zu betreiben“<br />

– <strong>und</strong> das Agentur für Arbeit, Coesfeld<br />

Karin Hartmann<br />

größtenteils mit<br />

einem Schutz bei<br />

Insolvenz, wies Tillmann auf eine Neuerung<br />

hin.<br />

unmittelbar vor Aufnahme der Selbstständigkeit,<br />

ein Versicherungspflichtverhältnis besteht, oder<br />

Arbeitslosengeld I bezogen wird.<br />

✔<br />

✔<br />

✔<br />

losenversicherung<br />

kurz<br />

vorstellte.<br />

Denn diese<br />

dauerhafte<br />

„Weiterversicherung“<br />

ist<br />

seit 2006<br />

möglich,<br />

aber erst einmal<br />

noch bis<br />

Ende 2010<br />

befristet. Sie<br />

ist nur für<br />

Selbstständige<br />

gedacht,<br />

die vorher<br />

schon<br />

pflichtversichert<br />

waren, in den zwei Jahren zuvor mindestens<br />

zwölf Monate lang Pflichtbeiträge<br />

zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung<br />

gezahlt haben oder unmittelbar vorher Arbeitslosengeld<br />

oder Übergangs-, Unterhalts-<br />

oder Insolvenzgeld bezogen haben.<br />

Dafür müssen Fristen eingehalten werden.<br />

Selbstständige zahlen den festen Monatsbeitrag<br />

von 20,50 Euro, der – wie Karin<br />

Hartmann vermutet – demnächst vielleicht<br />

noch weiter sinken wird. Kurz <strong>und</strong> knapp<br />

auch der Kommentar von Astrid Schenk<br />

dazu: „Das ist eine gute Absicherung. Die<br />

kann ich nur empfehlen.“ 35 Prozent der<br />

Besucher-Antworten in Dülmen verwiesen<br />

auf eine bestehende freiwillige Arbeitslosenversicherung.<br />

Bei der b<strong>und</strong>esweiten<br />

Auswertung dieser Fragebogen zeigt sich,<br />

dass im B<strong>und</strong>esschnitt sogar 47 Prozent davon<br />

Gebrauch machen.<br />

Breite Aufmerksamkeit hatte zum Schluss<br />

Karin Hartmann von der Coesfelder Agentur<br />

für Arbeit, als sie die freiwillige Arbeitsständiger<br />

Bilanzbuchhalter muss er seinem<br />

Berufsverband, dem B<strong>und</strong>esverband der<br />

Bilanzbuchhalter <strong>und</strong> Controller, die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung<br />

nachweisen – nichtselbstständig tätige<br />

Bilanzbuchhalter brauchen das nicht.<br />

Schritt für Schritt<br />

Die zweite freiwillige Pflichtversicherung<br />

ist die Betriebshaftpflichtversicherung. Klar<br />

ist Heubaum aber, dass „ich allerdings bei<br />

der persönlichen Absicherung noch das<br />

eine oder andere optimieren kann“. Und sicher<br />

weiß er nun, dass er seine Strategie bei<br />

der Vorsorge mit vielen Gründern teilt: „Ich<br />

kann nicht alles<br />

auf einmal haben –<br />

ein Schritt nach<br />

dem anderen.“<br />

Werner Hinse<br />

Irmhild<br />

Venschott<br />

Expertentipp V<br />

Wenn es um die gesetzliche<br />

Rentenversicherung geht, ist für<br />

Gründer <strong>und</strong> Selbstständige wichtig:<br />

Überprüfen, ob nicht eine Versicherungspflicht<br />

besteht.<br />

Überprüfen, ob Fristen für eine Versicherungspflicht<br />

auf Antrag zu beachten sind.<br />

Überprüfen, ob die freiwillige Versicherung<br />

für Selbstständige als alternative Absicherung<br />

in Frage kommt.<br />

Fragen werden von den Auskunfts- <strong>und</strong><br />

Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung<br />

kostenlos beantwortet.<br />

Irmhild Venschott<br />

Deutsche Rentenversicherung <strong>Westfalen</strong>,<br />

Münster<br />

✔<br />

✔<br />

✔<br />

wirtschaftsspiegel 1 · 2009<br />

13


Titel Absicherung<br />

Berufsunfähigkeitsrente<br />

Wenn nichts mehr geht<br />

Schon seit 2001 sind weitere Lücken in der gesetzlichen<br />

Versorgung im Falle einer Berufsunfähigkeit entstanden,<br />

von denen alle Arbeitnehmer drastisch betroffen sind –<br />

besonders aber die unter 40-Jährigen. Wer kein finanzielles<br />

Desaster erleben will, sollte beizeiten mit einer<br />

Berufsunfähigkeitsversicherung vorsorgen.<br />

Ein Unfall oder eine schwere Erkrankung<br />

können von einem Moment auf den anderen<br />

das Leben total verändern. Mittlerweile<br />

muss jeder dritte Arbeiter <strong>und</strong> jeder fünfte<br />

Angestellte vorzeitig aus dem Berufsleben<br />

ausscheiden. Die Folgen sind Wegfall des<br />

Einkommens <strong>und</strong> eine schmale gesetzliche<br />

Rente, wenn überhaupt. Häufigste Ursache<br />

für Berufsunfähigkeit sind Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen, Rückenleiden <strong>und</strong> psychische<br />

Erkrankungen. Steht kein üppiges<br />

Vermögen als Sicherheitspolster bereit, ist<br />

die private Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

(BU) eine sehr gute Alternative.<br />

Police oder Zusatz<br />

Die Berufsunfähigkeitsversicherung kann<br />

entweder als Zusatzbaustein zu einer Risikolebensversicherung,<br />

einer (fondsgeb<strong>und</strong>enen)<br />

Kapitallebensversicherung oder<br />

einer (fondsgeb<strong>und</strong>enen) privaten Rentenversicherung<br />

(BUZ) oder als eigenständiger<br />

Vertrag (BU) abgeschlossen werden. Basisleistung<br />

der BUZ ist es, den Versicherten bei<br />

Berufsunfähigkeit von der weiteren Zahlung<br />

der Beiträge für die Hauptversicherung<br />

<strong>und</strong> für die Zusatzversicherung zu befreien.<br />

Damit wird sichergestellt, dass trotz<br />

Berufsunfähigkeit zumindest die Hinterbliebenen-<br />

<strong>und</strong> Altersvorsorge bestehen<br />

bleiben. Zusätzlich kann noch eine BU-<br />

Rente vereinbart werden.<br />

Die selbstständige BU ist für diejenigen geeignet,<br />

die bereits über eine Alters- <strong>und</strong><br />

Hinterbliebenenversorgung verfügen, aber<br />

ihr monatliches Einkommen <strong>absichern</strong><br />

möchten. Diese Police kann auch von Vorteil<br />

sein, wenn zum Beispiel bei schwankenden<br />

Einnahmen öfter mit finanziellen<br />

14 wirtschaftsspiegel 1 · 2009


Titel Absicherung<br />

Engpässen gerechnet werden muss. Dann<br />

ist es leichter, nur den Beitrag für den<br />

selbstständigen Vertrag aufzubringen als<br />

für die Hauptversicherung plus Zusatzversicherung.<br />

Im Zweifel ist es günstiger, den<br />

Aufbau der privaten Altersvorsorge zu unterbrechen,<br />

als den Berufsunfähigkeitsschutz<br />

zu verlieren.<br />

Das Risiko der Berufsunfähigkeit kann<br />

auch im Rahmen der Riester-Rente, der<br />

Basis-Rente oder der betrieblichen Altersvorsorge<br />

abgesichert werden. Die hierauf<br />

entfallenden Beiträge sind im Rahmen der<br />

gesetzlichen Förderhöchstgrenzen als Sonderausgaben<br />

abzugsfähig. Im Gegenzug<br />

unterliegt die Berufsunfähigkeitsrente in<br />

voller Höhe der Besteuerung.<br />

Wann gibt es Rente?<br />

Bereits bei einer 50-prozentigen Berufsunfähigkeit<br />

– der Prozentsatz kann jedoch<br />

auch geringer oder höher vereinbart werden<br />

– zahlen die meisten Unternehmen eine<br />

Rente aus, wenn die versicherte Person<br />

wegen ärztlich nachgewiesener Krankheit,<br />

Körperverletzung oder Kräfteverfall voraussichtlich<br />

sechs Monate oder auf Dauer<br />

nicht in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben.<br />

Das gilt auch für eine andere<br />

Tätigkeit, die auf Gr<strong>und</strong> ihrer<br />

Ausbildung <strong>und</strong> Erfahrung ausgeübt<br />

werden kann <strong>und</strong> ihrer<br />

bisherigen Lebensstellung entspricht.<br />

Diese Definition wird<br />

überwiegend von den deutschen<br />

Lebensversicherungsunternehmen<br />

verwendet.<br />

Auch Pflegebedürftige mit mindestens<br />

Pflegestufe 1 gelten, je<br />

nach vertraglicher Vereinbarung,<br />

überwiegend als berufsunfähig.<br />

Die Bedingungen der<br />

Unternehmen sind sehr unterschiedlich.<br />

Selbst innerhalb eines<br />

Unternehmens werden oft<br />

mehrere Tarife mit unterschiedlichen<br />

Definitionen angeboten.<br />

Mit dieser breiten Palette soll<br />

den ungleichen K<strong>und</strong>eninteressen<br />

Rechnung getragen werden,<br />

die von möglichst preiswerter<br />

Basisabsicherung bis hin zu<br />

einem möglichst umfassenden<br />

Versicherungsschutz reichen.<br />

Bei Vertragsabschluss ist darauf zu achten,<br />

dass die Police keine Verweisklausel enthält.<br />

Damit ist die Möglichkeit gemeint, den<br />

Betroffenen bei Berufsunfähigkeit auf<br />

einen völlig anderen Job zu orientieren <strong>und</strong><br />

statt einer Rente beispielsweise nur eine<br />

Umschulung zu bezahlen. Die modernen<br />

Tarife der meisten Versicherer verzichten<br />

inzwischen auf solche Klauseln.<br />

Nettoeinkommen als<br />

Orientierung<br />

Die Höhe der versicherten Rente sollte sich<br />

am Nettoeinkommen orientieren. Nicht jedes<br />

Versicherungsunternehmen bietet eine<br />

Absicherung bis zu dieser Höhe an. Meist<br />

sind aber zwischen 75 <strong>und</strong> 80 Prozent versicherbar.<br />

Gehaltssteigerungen <strong>und</strong> die<br />

Wirkung der Inflation sollten berücksichtigt<br />

werden.<br />

Nicht immer ist nach einer aufgetretenen Behinderung eine<br />

Berufstätigkeit weiter möglich. Eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit<br />

ist daher wichtig.<br />

Foto: fotolia<br />

Tipps <strong>und</strong> Infos<br />

Der DIHK informiert in einer Broschüre<br />

„Soziale Absicherung“ über alle aktuellen<br />

Änderungen bei Sozialversicherungen<br />

(Stand 2008). Zu bestellen für 5,40<br />

Euro unter http://verlag.dihk.de.<br />

Der neu aufgelegte Ratgeber „Risikoschutz<br />

<strong>und</strong> Existenzsicherung – Die private<br />

Berufsunfähigkeitsversicherung“<br />

von ZUKUNFT klipp + klar, dem Informationszentrum<br />

der deutschen Versicherer,<br />

liefert wertvolle Tipps zum<br />

Thema. Zu bestellen unter Tel. 0800<br />

7424375 (gebührenfrei) oder unter<br />

www.klipp-<strong>und</strong>-klar.de.<br />

Persönliche Fragen r<strong>und</strong> um die private<br />

Berufsunfähigkeitsversicherung: Informationszentrum<br />

der deutschen Versicherer,<br />

gebührenfreie Service-Hotline<br />

0800 3399399, www.klipp-<strong>und</strong>-klar.de.<br />

Deutsche Rentenversicherung: kostenfreie<br />

Telefonnummer 0800 10004800.<br />

Angebotsvergleiche unter www.vergleich.de,<br />

www.guenstigversichert.de,<br />

www.versicherungsvergleich.de.<br />

Auszubildende oder Berufsanfänger vereinbaren,<br />

analog zum Nettoeinkommen,<br />

häufig zunächst nur eine geringe Rente.<br />

Deshalb sollte der Vertrag zum Beispiel<br />

vorsehen, dass die Rentenhöhe zu bestimmten<br />

Ereignissen – wie Hochzeit, Geburt<br />

eines Kindes oder Einkommensveränderungen<br />

– ohne erneute Ges<strong>und</strong>heitsprüfung<br />

im Laufe des Lebens flexibel angepasst<br />

wird. Diese so genannte Nachversicherungsgarantie<br />

wird von vielen Unternehmen<br />

angeboten. Auch eine Dynamisierung<br />

lässt sich vereinbaren.<br />

Die BU sollte möglichst zum Ausbildungsbeginn<br />

abgeschlossen werden. Der frühzeitige<br />

Einstieg sichert günstige Beiträge <strong>und</strong><br />

erhöht die Chance auf Annahme. Später<br />

könnten Erkrankungen den Abschluss erschweren<br />

oder sogar verhindern. Kommt es<br />

zu einem Unfall oder einer Erkrankung, die<br />

eine Rückkehr in den Beruf unmöglich<br />

machen, haben junge Leute keine oder nur<br />

geringe Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung.<br />

Sinnvoll ist der Berufsunfähigkeitsschutz<br />

auch für Hausfrauen <strong>und</strong><br />

Hausmänner. Denn fällt deren Arbeitskraft<br />

weg <strong>und</strong> sind Kinder oder andere Familienangehörige<br />

zu versorgen, muss eventuell<br />

eine Fachkraft deren Aufgaben übernehmen.<br />

Dieser Schutz ist jedoch recht teuer.<br />

Deshalb sollte eine zur Berufszeiten abgeschlossene<br />

BU möglichst weiter aufrechterhalten<br />

bleiben.<br />

Ingrid Laue<br />

wirtschaftsspiegel 1 · 2009<br />

15


Titel Absicherung<br />

IHK-Beratung<br />

Businessplan<br />

inklusive Vorsorge<br />

Existenzgründer können <strong>und</strong> müssen vorsorgen. Für ihr<br />

Geschäft, für ihre Familie, für sich. Damit nicht erst im<br />

möglichen Krisenfall Alarm geschlagen werden muss,<br />

berät die IHK Unternehmensgründer. Und hilft auch<br />

tatkräftig, wenn's mal brenzlig wird.<br />

Ohne „Businessplan“ geht<br />

heute keine Existenzgründung<br />

mehr durch. Nur: Krankenversicherung,<br />

Pflegeversicherung,<br />

Unfall- <strong>und</strong> Rentenversicherung<br />

oder gar Arbeitslosenversicherung<br />

tauchen in den Plänen<br />

der Neugründer <strong>und</strong> Übernehmer<br />

von Geschäften oft nur<br />

am Rande auf, hat IHK-Geschäftsführer<br />

Wieland Pieper<br />

festgestellt. Die Haltung vieler<br />

Gründer zur notwendigen sozialen<br />

Absicherung ist in ihren Arnold Isken<br />

Plänen deutlich abzulesen: Das<br />

ist etwas für später, wenn das Geschäft mal<br />

richtig läuft. Erst einmal wird in der Gründungsphase<br />

nur das Nötigste getan.<br />

Zu oft wird aus dem „Später“ ein „Nie“. Das<br />

ist die Erfahrung der IHK-Berater Arnold<br />

Isken <strong>und</strong> Michael Meese, die beide in der<br />

betriebswirtschaftlichen Abteilung der IHK<br />

<strong>Nord</strong> <strong>Westfalen</strong> bei Wieland Pieper arbeiten.<br />

Die Folgen dieser unternehmerischen<br />

Entscheidung gegen eine ausreichende soziale<br />

Absicherung bei Unfall, Unglück oder<br />

Krankheit müssen nach ihren jahrelangen<br />

Erfahrungen dann nicht nur der Unternehmer,<br />

sondern auch dessen Familie <strong>und</strong> die<br />

Beschäftigten tragen.<br />

Anlaufstelle in der Krise<br />

Isken bietet Unternehmern Hilfe zur Selbsthilfe,<br />

wenn ein Nachfolger fürs Unternehmen<br />

fehlt oder wenn die Geschäftsidee zu<br />

scheitern droht – ein nicht gesetzlich vorgeschriebener<br />

Service der IHK. 520 Beratungstermine<br />

hatte er im vorigen Jahr in<br />

Fotos: IHK<br />

seinem Kalender stehen. Je<br />

zur Hälfte Nachfolgeberatung<br />

<strong>und</strong> Finanz- <strong>und</strong> Insolvenzunterstützung.<br />

Bei r<strong>und</strong> 50 Prozent der<br />

„Krisenfälle“ kann, so Isken,<br />

eine Insolvenz vermieden<br />

werden. Die soziale Absicherung<br />

wird schnell zum zentralen<br />

Thema, wenn es im<br />

Unternehmen wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten gibt oder<br />

der Chef schwer krank wird.<br />

„Die Hälfte der Unternehmer, die hier sitzt“,<br />

berichtet Isken, „hat keine Krankenkasse“.<br />

Wenn nämlich die monatlichen Beiträge<br />

nicht mehr gezahlt werden, dann erfolge<br />

die Leistungsfreistellung von<br />

der Versicherung, sprich: der<br />

Krankenschutz erlischt. Frau<br />

<strong>und</strong> Kinder seien dann oft auch<br />

nicht mehr versichert. „Erst<br />

wenn das Gewerbe abgemeldet<br />

<strong>und</strong> Hartz IV beantragt worden<br />

ist, gibt es wieder Zugang zum<br />

gesetzlichen Krankenversicherungssystem.“<br />

Deshalb steht für<br />

Isken fest: „Wir brauchen eine<br />

Gr<strong>und</strong>versorgung für Unternehmer.<br />

Es kann nicht sein,<br />

dass Familien ohne Krankenversicherung<br />

sind.“<br />

Michael Meese<br />

„Von vornherein auf die saubere Trennung<br />

der Vermögensteile achten“, ist der bewährte<br />

Tipp von Iskens Kollege Michael<br />

Meese, der bei der IHK <strong>Nord</strong> <strong>Westfalen</strong> die<br />

Existenzgründer begleitet. Wie bei einer<br />

Eheschließung solle man sich schon bei der<br />

Gründung gut informieren <strong>und</strong> den Gedanken<br />

an eine mögliche Scheidung nicht<br />

wegschieben.<br />

Durch Wissen wird die Angst vor einem<br />

möglichen Scheitern beherrschbar, die die<br />

Hälfte der befragten Menschen in Deutschland<br />

davon abhält, sich selbstständig zu<br />

machen. Das hat das Nürnberger Institut<br />

für Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Berufsforschung<br />

(IAB) in einem internationalen Vergleich<br />

festgestellt. „Die Deutschen sind pessimistischer,<br />

was die Chancen einer Existenzgründung<br />

angeht, <strong>und</strong> ängstlicher hinsichtlich<br />

der Folgen eines möglichen Scheiterns.“<br />

Gerade Gründer müssen sich deshalb sichern.<br />

Absicherung keine Pflicht<br />

„Bei zahlreichen deutschen Existenzgründungen<br />

sind zu viele Kreditmittel im Spiel –<br />

auch durch die Existenzgründerförderung“,<br />

weiß Isken. Sein Gegenbeispiel: Bei Neugründungen<br />

nach einer Insolvenz werde oft<br />

mit minimalen Mitteln ein Unternehmen<br />

wieder aufgebaut: „Das funktioniert, weil<br />

man viel vorsichtiger ist bei<br />

der Aufnahme von Krediten.“<br />

In Zahlen klingt es nüchtern.<br />

„Wir haben hier bei der IHK<br />

im vorigen Jahr 17 000 Zugänge<br />

im Gewerberegister<br />

gehabt. Und 11 000 Abmeldungen.<br />

Das ist in jedem<br />

Jahr eine Kleinstadt.“ Und<br />

nicht hinter jeder Zahl verbirgt<br />

sich nur eine einfache<br />

Gewerbeabmeldung. Als<br />

Isken 1984 mit dem Sonderprojekt<br />

Krisenberatung bei<br />

der IHK startete, da bezogen nach einer Firmenpleite<br />

64 Prozent der Unternehmer<br />

anschließend Sozialhilfe. Auch wenn es<br />

heute Hartz IV heißt, die Zahl ist „sogar<br />

noch höher“. Denn durch das Sicherungs-<br />

16 wirtschaftsspiegel 1 · 2009


Titel Absicherung<br />

verhalten der Banken falle das gesamte<br />

Vermögen des Unternehmers, einschließlich<br />

seiner Alters- <strong>und</strong> Überbrückungsversorgung,<br />

mit in den Topf. Anders als in anderen<br />

Ländern, sagt Isken, gibt es in<br />

Deutschland keine verpflichtende soziale<br />

Absicherung für Unternehmer, keine im<br />

Fall des Scheiterns mündelsichere Altersversorgung,<br />

wie eine nicht pfändbare Lebensversicherung.<br />

„Hochintelligent, sehr fleißig <strong>und</strong> sehr leistungsbewusst“<br />

sei der überwiegende Teil<br />

der deutschen Unternehmer, betont Isken.<br />

„Wenn der Unternehmer mal scheitert, ist<br />

er hier oft gleich auch gesellschaftlich gebrandmarkt“,<br />

kritisiert er. In den USA, in<br />

Großbritannien oder Frankreich werde dagegen<br />

Scheitern als Möglichkeit gesehen,<br />

aus Fehlern zu lernen <strong>und</strong> aus dieser Erfahrung<br />

heraus neu zu starten. In den USA<br />

macht im Durchschnitt jeder Unternehmer<br />

2,3 Gründungen. „Da wird eine gescheiterte<br />

Gründung nicht als Charaktermangel gesehen,<br />

sondern als Versuch gewertet“, weiß<br />

Isken. „Der Gründer wird auch nicht in die<br />

pseudo-kriminelle Ecke gerückt.“<br />

Nothilfeplan<br />

„Wenn es dann doch zu einem Ende des<br />

Geschäfts kommt, stecken wir hier einen<br />

Handlungsrahmen ab“, sagt Arnold Isken<br />

<strong>und</strong> zeigt auf den Platz ihm gegenüber am<br />

Schreibtisch. Der IHK-Berater versucht<br />

dann die Gründe für die wirtschaftlichen<br />

Schwierigkeiten, die Insolvenz, nachzuvollziehen.<br />

Für Isken steht fest: „Die meisten<br />

Unternehmer, die zu mir kommen,<br />

brauchen nur ein wenig Anleitung. Ich sage<br />

ihnen, wie sie aus der Krise herauskommen<br />

könnten – damit sie selbst handeln können.“<br />

Das geschäftliche Scheitern kann auch<br />

krank machen. „Viele haben nicht nur ein<br />

materielles, sondern auch ein Statusproblem.<br />

Die gehen oft durch ein soziales<br />

Wechselbad.“ Gerade da wird die Absicherung<br />

gegen Krankheit wichtig. Zu Geldmangel<br />

<strong>und</strong> Statusverlust in der Öffentlichkeit<br />

kommen Beziehungsprobleme hinzu:<br />

„In über der Hälfte der Fälle scheitern auch<br />

die Partnerbeziehungen an der Situation.“<br />

Restschuldbefreiung <strong>und</strong> Neugründung<br />

sind Arnold Iskens oft angebotene Auswege.<br />

Das Unternehmertum ist vielfach<br />

Interview mit IHK-Geschäftsführer Wieland Pieper<br />

„Berufswunsch Unternehmer muss<br />

selbstverständlich werden“<br />

?<br />

Herr Pieper, etwa die Hälfte deutscher<br />

Gründungswilliger lässt sich durch<br />

die Angst vor den Folgen eines möglichen<br />

Scheiterns von der Gründung abhalten.<br />

Wie lässt sich diese Angst<br />

bekämpfen?<br />

!<br />

Nicht jeder ist zum Unternehmer<br />

geboren <strong>und</strong><br />

eine Unternehmensgründung<br />

ist ein mutiges Unterfangen.<br />

Wer sich nach eingehender<br />

Prüfung seines<br />

Geschäftsplanes gegen<br />

eine Gründung entscheidet,<br />

ist deshalb nicht unbedingt<br />

ein Angsthase. Wichtig<br />

ist eine eingehende Beschäftigung<br />

mit den Märkten<br />

<strong>und</strong> K<strong>und</strong>enwünschen,<br />

die man bedienen will, <strong>und</strong><br />

eine kritische Betrachtung<br />

der eigenen Grenzen - besonders in konjunkturell<br />

unsicheren Zeiten wie den jetzigen.<br />

Aber ungeachtet der aktuellen<br />

Durststrecke müssen wir uns alle weiterhin<br />

um den Unternehmernachwuchs<br />

kümmern, sonst droht uns langfristig eine<br />

Unternehmerlücke, die mindestens so gefährlich<br />

ist wie der Facharbeitermangel.<br />

Der Berufswunsch Unternehmer muss so<br />

selbstverständlich werden wie abhängige<br />

Beschäftigungsformen. Das ist in einer<br />

Arbeitnehmer-Gesellschaft wie der deutschen<br />

nicht einfach.<br />

IHK-Geschäftsführer<br />

Wieland Pieper Foto: IHK<br />

?<br />

Selbstständigen unterstellt der Gesetzgeber<br />

ein hohes Maß an Eigenverantwortung<br />

für ihre soziale Absicherung.<br />

Aber ist das nicht zu viel des Guten?<br />

die einzige Handlungsalternative, wenn<br />

eine Idee nicht getragen hat. Doch selbst<br />

die Neugründung in Deutschland wird<br />

noch immer von mittelalterlich wirkenden<br />

Schuldturm-Mechanismen behindert.<br />

Während nach drei Jahren der Hinweis<br />

auf die Insolvenz aus der Schufa-Datei<br />

gelöscht wird, steht dann bei vielen Unternehmern<br />

für immer im polizeilichen<br />

Führungszeugnis, dass sie nachweislich<br />

!<br />

Wer sich mit Erfolg unternehmerisch<br />

behaupten will, braucht neben einer<br />

guten Geschäftsidee <strong>und</strong> den notwendigen<br />

Werkzeugen zur Umsetzung vor<br />

allem auch ein beträchtliches Maß an<br />

Selbstständigkeit <strong>und</strong> Eigenverantwortung.<br />

Das schließt sein<br />

persönliches Umfeld ein. Natürlich<br />

muss ein tragfähiger Geschäftsplan<br />

am Anfang stehen.<br />

Aber dann muss sehr bald das<br />

Thema persönliche Absicherung<br />

in den Blick genommen werden.<br />

Nicht alle angehenden Selbstständigen<br />

tun das. Für uns ist es<br />

regelmäßig Bestandteil unserer<br />

Veröffentlichungen <strong>und</strong> der persönlichen<br />

Beratungsgespräche<br />

mit angehenden Unternehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Unternehmern.<br />

?<br />

Welche soziale Gr<strong>und</strong>absicherung<br />

sollte jeder Unternehmer unbedingt<br />

für sich <strong>und</strong> seine Familie organisieren?<br />

!<br />

Vorne an muss das Thema Ges<strong>und</strong>heit<br />

stehen, außerdem die Frage, was passiert,<br />

wenn die Gründerin oder der Gründer<br />

selbst – aus welchen Gründen auch<br />

immer – für längere Zeit ausfällt. Wenn<br />

die finanziellen Möglichkeiten es zulassen,<br />

sollte man auch schon früh mit der<br />

Vorsorge fürs Alter beginnen. Wer<br />

schnell, aber überlegt einsteigt, kann<br />

schon mit geringen Beiträgen viel erreichen.<br />

Mit der Entwicklung des Unternehmens<br />

<strong>und</strong> des persönlichen Lebensstandards<br />

muss auch der Sicherungsschirm<br />

ständig angepasst <strong>und</strong> optimiert<br />

werden.<br />

■<br />

säumige Zahler sind. Krankenkassen <strong>und</strong><br />

Stadtsteuerämter beantragen häufig die<br />

Gewerbeuntersagung, wenn Beiträge <strong>und</strong><br />

Steuern ausbleiben. „Das ist dann wie eine<br />

eingetragene Vorbestrafung.“ Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> wird verständlich, weshalb<br />

selbst Isken <strong>und</strong> Meese vorher schon mal<br />

empfehlen müssen: „Manchmal ist es besser,<br />

das Gewerbe <strong>rechtzeitig</strong> abzumelden.“<br />

Werner Hinse<br />

wirtschaftsspiegel 1 · 2009<br />

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