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OHRWURM<br />

DAS<br />

WURMT!<br />

WAS DIE<br />

WISSENSCHAFT<br />

ÜBER DEN<br />

OHRWURM<br />

<strong>und</strong> SEINE<br />

BEKÄMPFUNG<br />

HERAUSGEFUNDEN<br />

hat<br />

Die Brasilianer nennen es<br />

„Ohrkaugummi“, die Franzosen<br />

„Ohrenbohrer“, die Spanier<br />

„Klebelied“, <strong>und</strong> auch im Englischen<br />

ist von einer „sticky tune“<br />

die Rede. Alle Begriffe beschreiben<br />

das Phänomen, dass sich<br />

etwas in unser Ohr frisst <strong>und</strong><br />

dort auf unbestimmte Zeit<br />

kleben bleibt: der Ohrwurm. Auf<br />

der Suche nach den Hintergründen<br />

seiner Entstehung stößt<br />

man auf potentielle Stopp-Tasten.<br />

Schon lange vor dem Aufkommen des<br />

heute üblichen Begriffs „Ohrwurm“ haben<br />

Autoren wie Heinrich Heine <strong>und</strong> Sigm<strong>und</strong><br />

Freud das Phänomen wiederkehrender<br />

Melodien im Kopf beschrieben.<br />

Theodor W. Adorno prägte im frühen 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert den Begriff des „Gassenhauers“.<br />

Doch auch nach der Entstehung des<br />

heute gängigen Begriffs hat es noch einmal<br />

40 Jahre gedauert, bis Forscher um<br />

die Jahrtausendwende begannen, sich<br />

systematisch mit dem Ohrwurm auseinanderzusetzen.<br />

So wurden kürzlich für<br />

eine Studie an der Uni Kassel 20 ohrwurmverdächtige<br />

Stücke auf eine CD gebrannt<br />

<strong>und</strong> an 60 Versuchspersonen abgegeben.<br />

Nach ein paar Wochen haben<br />

die Forscher die Probanden unter anderem<br />

gefragt, in welchen Situationen Ohrwürmer<br />

aufgetreten sind. Das Ergebnis:<br />

Putzen ist gefährlich! 70 Prozent der von<br />

den Befragten angegebenen Ohrwürmer<br />

sind in Alltagssituationen entstanden,<br />

zum Beispiel beim Abwaschen oder Aufräumen.<br />

Die Forscher schließen daraus,<br />

dass das Gehirn in Phasen der Entspannung<br />

selbst für Unterhaltung sorgen will.<br />

Reinhard Kopiez, Professor für Musikpsychologie<br />

an der Hochschule für Musik,<br />

Theater <strong>und</strong> Medien Hannover (HMTMH),<br />

bezeichnet diese psychologische Durchlässigkeit<br />

des Gehirns als „entspannten<br />

Wachzustand“. Neben der äußeren Situation<br />

sind es laut Kopiez vor allem die<br />

Anzahl der Wiederholungen, ein gewisser<br />

„Personenfaktor“ <strong>und</strong> natürlich die Merkmale<br />

der Musik, die Einfluss auf die Entstehung<br />

eines Ohrwurms haben. Das bedeutet:<br />

Stücke, die man häufiger gehört<br />

hat, werden mit höherer Wahrscheinlichkeit<br />

zum Ohrwurm. Der Personenfaktor<br />

hingegen sagt aus, dass „es ein Teil einer<br />

Persönlichkeit sein kann, einfach empfänglicher<br />

für suggestive Inhalte zu sein<br />

– das kann Hypnose, das können aber<br />

auch Werbung oder Glaubenssätze sein“,<br />

so Kopiez. Geschlechtsspezifische Zuordnungen,<br />

also ob Mann oder Frau häufiger<br />

vom Ohrwurm übermannt werden, sind<br />

dabei nicht bekannt. Auch darüber, ob<br />

Musiker oder Nicht-Musiker häufiger betroffen<br />

sind, gibt es keine klaren Erkenntnisse.<br />

Kopiez vermutet allerdings, dass das<br />

Repertoire bei Musikern ein anderes ist.<br />

Damit zum Beispiel ein „Klassik“-Ohrwurm<br />

entstehen kann, bedarf es einer gewissen<br />

Vertrautheit mit dem Stil der Musik.<br />

„Ohne eine Wertschätzung <strong>und</strong> eine<br />

Vertrautheit mit den Regeln dieser Musik<br />

ist es häufig nicht möglich, so etwas zu<br />

induzieren.“ Empfänglicher für suggestive<br />

Inhalte sind wir übrigens alle nicht nur<br />

im entspannten Zustand, sondern auch<br />

in Zeiten großer Gefühle: Verbinden wir<br />

mit einem Song eine bestimmte Emotion,<br />

prägt er sich tiefer ins Gehirn ein <strong>und</strong><br />

kehrt in ähnlich gefühlvollen Momenten<br />

wieder – auch das haben die Forscher<br />

aus Kassel herausgef<strong>und</strong>en.<br />

Interessant ist auch eine Entstehungstheorie<br />

des Ohrwurms aus den<br />

USA: Forscher am Dartmouth College<br />

in Hanover, New Hampshire, haben die<br />

Theorie aufgestellt, dass Ohrwürmer oft<br />

dann entstehen, wenn man ein Lied nicht<br />

bis zum Ende gehört hat. Versuche mit<br />

Personen, denen Musik vorgespielt <strong>und</strong><br />

dann plötzlich abgedreht wurde, zeigten,<br />

dass die meisten Probanden es nicht verhindern<br />

konnten, die Melodie im Kopf zu<br />

vervollständigen – das Gehirn leidet sozusagen<br />

unter einem Vervollständigungswahn.<br />

„Gr<strong>und</strong>sätzlich kann ich mir das<br />

vorstellen, weil wir dann sicherlich einen<br />

Mechanismus aktivieren, der Expektanz<br />

genannt wird: Wir wollen wissen, wie es<br />

weitergeht, <strong>und</strong> ergänzen den Rest ima-<br />

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