BQN Arbeitspapier 12
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Aspekte der ökonomischen und sozialen Entwicklung in der Emscher-Lippe-Region<br />
Sie wissen: Während es der Artischocke egal ist, wie viel sie kostet, hat der Mensch ein Gespür für<br />
Gerechtigkeit und Fairness. Hält ein Mitarbeiter sein Gehalt für unverschämt niedrig, bringt er<br />
weniger Leistung. Er wird unproduktiv, das Unternehmen verliert Einnahmen. Also zahlt es lieber<br />
etwas höhere Löhne. Dieses Phänomen lässt sich derzeit in Ostdeutschland beobachten. Dort ist<br />
nur noch ein kleiner Teil der Industriebetriebe an einen Tarifvertrag gebunden. Trotzdem verschwindet<br />
die Arbeitslosigkeit nicht. Die Löhne steigen zwar kaum, sie sind niedriger als im<br />
Westen. Aber sie sinken nicht, sie pendeln sich nicht auf dem niedrigen Niveau ein, dass nach der<br />
ökonomischen Theorie nötig wäre, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. (ebd.)<br />
Die meisten Industrieunternehmen lassen im Zweifel lieber weniger und dafür motivierte Leute für<br />
sich arbeiten, denen sie einen einigermaßen fairen Lohn zahlen, als möglichst viele Mitarbeiter zu<br />
möglichst niedrigen Tarifen zu beschäftigen. Auch daran liegt es, dass die Unternehmen zwar gute<br />
Gewinne schreiben, dass aber trotzdem nicht alle Leute einen Job finden. Trotz Lohnzurückhaltung.<br />
Arbeit ist eben anders als alle anderen Waren, und das simple Drehen an der Lohnschraube hilft<br />
nicht weiter, auch wenn viele hiesige Ökonomen das nicht wahrhaben wollen. (ebd.)<br />
Dazu passt eine Presseerklärung der Creditreform Bochum, in der erklärt wird, dass im Ruhrgebiet<br />
15,3 % mehr Privatpersonen als im Vorjahr Ende 2004 überschuldet waren. Es wurde ein klarer<br />
Zusammenhang zwischen Jobverlust und Überschuldung festgestellt. So sind die Bürger in Städte<br />
mit hoher Arbeitslosenqoute häufiger von Finanzproblemen betroffen. Dies ist eine Tatsache, die<br />
vor allem den Kreis Recklinghausen zum „Armenhaus“ im Revier macht: Von insgesamt 186.053<br />
privaten Überschuldungen, die Creditreform im Revier registriert hat, stammen allein 26.176 aus<br />
den zehn Kreisstädten. Ein ähnliches düsteres Bild ergibt sich in Gelsenkirchen: Der traurige<br />
Spitzenreiter bei der NRW-Arbeitslosigkeit mischt auch bei den überschuldeten Privatpersonen<br />
(14.893) ganz oben mit. Bezogen auf die Einwohnerzahl (271.767) ist damit mehr als jeder fünfte<br />
(erwachsene) Gelsenkirchener ein Fall für die Schuldnerberatung. (MZ vom 08.03.05. von Oliver<br />
Prause)<br />
Bezüglich der hohen Überschuldungsrate bei Privatpersonen ist der Experte Dieter Korczak vom<br />
Münchner Instituts für Grundlagen- und Programmforschung der Auffassung, dass viele Konsumenten<br />
auf Grund schlechter finanzieller Allgemeinbildung auf Lockangebote reinfielen. Außerdem<br />
könnten zahlreiche Kreditnehmer ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht einschätzen. Den Banken<br />
wirft der Gutachter vor, die erheblichen Kosten von Restschuldversicherungen zu verschleiern, da<br />
diese in Berechnungen für den effektiven Jahreszins zumeist nicht auftauchten. Restschuldversicherungen<br />
decken etwa bei Tod, Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit ausstehende<br />
Zahlungsverpflichtungen ab. Außerdem sei die Risikoeinstufung für Bankkunden "intransparent",<br />
Kontroll- und Einspruchsmöglichkeiten fehlten ebenso wie Haftungsansprüche bei falschen<br />
Einschätzungen. Das Institut schlägt auf Grund von Experten-Befragungen ein Raster vor, mit dem<br />
die Belastung von Haushalten verglichen werden könnte: Demnach gelte eine Kreditaufnahme bis<br />
zu 15 Prozent des Haushaltseinkommens als risikoarm, die Spanne zwischen 15 und 30 Prozent als<br />
risikoreich und eine höhere Verschuldung als hochriskant. Dazu die ehemalige Verbraucherschutzministerin<br />
Renate Künast: „Mit massiver Kreditwerbung hätten sie ihren Teil dazu beigetragen,<br />
dass in Deutschland rund drei Millionen Haushalte als überschuldet gelten“.<br />
Nicht weniger praxisfern können die Massenkaufkraft-Theorien der so genannten Linken bezeichnet<br />
werden, die sich auf die Denkansätze von John Maynard Keynes stützen und vor allem von der<br />
Arbeitnehmerfraktion von RVR u. DGB NRW und dem Arbeitsnehmerflügel der CDU kultiviert werden.<br />
Hier kann die simple Wahrheit noch einfacher dargestellt werden: Von dieser Seite wird die<br />
populäre Forderung formuliert, dass der Kreis Recklinghausen und die Kommunen der Emscher-<br />
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