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BQN Arbeitspapier 12

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Aspekte der ökonomischen und sozialen Entwicklung in der Emscher-Lippe-Region<br />

Allgemeine gesamtgesellschaftliche und spezielle volkswirtschaftliche Aspekte<br />

der Emscher-Lippe-Region<br />

Eine Nachricht vorweg: Deutschland ist offensichtlich noch zur Selbstkritik fähig, wie es der<br />

Süddeutschen Zeitung vom 04.03.2005 vom Redakteur Marc Beise zu entnehmen ist:<br />

Deutschland hat viele Probleme, in diesen Tagen wird es wieder offensichtlich. Das größte<br />

Problem ist grundsätzlicher Natur: Den Deutschen fehlt weitgehend offensichtlich die<br />

Fähigkeit, verhängnisvolle Trends rechtzeitig wahrzunehmen und dann beherzt gegenzusteuern.<br />

Etwa in der Beschäftigungspolitik: Jahrelang sind die monatlichen Arbeitslosenzahlen aus<br />

Nürnberg von den nicht persönlich Betroffenen mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen<br />

und gewissermaßen geistig abgeheftet worden. Heute ist der Schock über mehr als 5,2<br />

Millionen offiziell ausgewiesene Arbeitslose so groß, dass er womöglich SPD-geführte<br />

Regierungen in Land und Bund aus dem Amt tragen wird. Auch die Armuts- und<br />

Reichtumsberichte der Bundesregierung werden von der Öffentlichkeit eher beiläufig zur<br />

Kenntnis genommen worden. Die Zahl der Armen in Deutschland steigt, das Armutsrisiko wird<br />

größer: Kurze Betroffenheit, abhaken, vergessen? So einfach darf man sich das nicht machen!<br />

Nach einer Untersuchung des Kinderhilfswerks Unicef wächst die Kinderarmut in Deutschland<br />

schneller als in den meisten anderen Industrieländern. Jedes zehnte Kind lebt nach den<br />

Unicef-Kriterien in relativer Armut, das sind mehr als 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche.<br />

Dabei haben Mädchen und Jungen aus Familien mit geringem Einkommen im Bildungssystem<br />

schlechtere Startchancen als ihre Altersgenossen, sind häufiger krank und finden später meist<br />

nur einen niedrig dotierten Job - wenn überhaupt. Diese Situation verstößt gegen unser<br />

Gerechtigkeitsempfinden, und sie ist ökonomisch gefährlich.<br />

Ein Land wie Deutschland, dessen maßgeblicher Rohstoff Wissen („Humankapital“) ist,<br />

braucht jeden jungen (klugen) Kopf. Mit Kindern und Jugendlichen, die zu einem nennenswerten<br />

Teil arm, ungebildet, ungefördert, womöglich sogar schlecht ernährt und insgesamt kaum<br />

leistungsfähig sind, ist Wohlstand nicht zu bewahren. Erst recht nicht, wenn sich gleichzeitig<br />

die Altersstruktur weiter verschiebt. 2,08 Kinder pro Frau wären nötig, um auch nur den<br />

Status quo zu halten; derzeit liegt Deutschland bei 1,35. Die Gesellschaft insgesamt erstarrt.<br />

Mit Mitte 30, sagen die Experten, ist die Innovationsfähigkeit und der Antrieb, ein<br />

Unternehmen zu gründen, am größten. Eine Gesellschaft, in der die Älteren dominieren, die<br />

risikoscheuer sind und auch erschöpfter, verliert Dynamik und Innovationskraft. Wenn der<br />

Staat nicht massiv in Kinder und Jugendliche investiert, wenn er nicht Betreuungsangebote<br />

und Teilzeitstellen in großem Stil anbietet und fördert und die Bildungeinrichtungen mit deutlich<br />

mehr Geld und Aufmerksamkeit ausstattet, wird sich an der Krise daran nichts ändern.<br />

Charakteristisch für den Arbeitsmarkt ist der Prozess der so genannten Tertiarisierung:<br />

Arbeitsplätze in der gewerblichen Fertigung gehen verstärkt verloren, Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor<br />

nehmen im geringem Maße zu. Entscheidend (für die soziale Zusammensetzung der<br />

Emscher-Lippe-Region) wird die Struktur der Beschäftigung sein, die sich im Dienstleistungssektor<br />

herausbildet. Die Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft wurde lange Zeit ausschließlich positiv<br />

bewertet, weil dadurch die Arbeitsplatzverluste, die sich aus den Produktivitätssteigerungen der<br />

Güterproduktion ergeben, kompensiert werden würden. Inzwischen ist bekannt, dass in der<br />

Dienstleistungsökonomie die höher- und höchstqualifizierten Tätigkeiten mit guter Entlohnung<br />

zumindestens wohl auf dem bisherigen Niveau werden bleiben können. Die gering qualifizierten,<br />

schlecht bezahlten Dienstleistungstätigkeiten vermehren sich nur unter bestimmten Bedingungen,<br />

Tertiarisierung kann auch in steigende Arbeitslosigkeit münden. (H. Häußermann)<br />

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