Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR - Fonds Heimerziehung
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Die Verwaltungsstruktur <strong>der</strong><br />
Jugendhilfe nach 1965<br />
Ebene<br />
Sekretäre des Zentralkomitees <strong>der</strong> SED<br />
M<strong>in</strong>isterium für Volksbildung<br />
Abteilung Jugendhilfe/Heim erziehung<br />
<strong>in</strong>nerhalb des M<strong>in</strong>isteriums für<br />
Volksbildung<br />
Abteilungen <strong>der</strong> Volksbildung<br />
<strong>in</strong> den Bezirken, Referate<br />
Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong><br />
Abteilungen <strong>der</strong> Volksbildung <strong>in</strong><br />
den Bezirken, Referate Jugendhilfe/<br />
<strong>Heimerziehung</strong><br />
Abteilungen <strong>der</strong> Volksbildung <strong>in</strong> den<br />
Kreisen und größeren Kommunen, Referate<br />
Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong><br />
Abteilungen <strong>der</strong> Volksbildung <strong>in</strong> den<br />
Kommunen bzw. Stadtteilen <strong>in</strong><br />
größeren Kommunen, Referate<br />
Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong><br />
Quelle: Laudien und Sachse 2012, S. 166.<br />
Zuständigkeit<br />
Allgeme<strong>in</strong>e politische Verantwortung für die Volksbildung, <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong>er die Jugendhilfe angesiedelt war<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Planung <strong>der</strong> Perspektiven über längere Zeiträume, aber<br />
auch direkte E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> das alltägliche Geschehen („operative<br />
Arbeit“) durch e<strong>in</strong>e Unterabteilung<br />
Allgeme<strong>in</strong>e politische Verantwortung <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Margot Honecker<br />
und des für die Jugendhilfe zuständigen Stellvertreters<br />
Verwaltung und operative Leitung des gesamten Bereichs <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />
und <strong>Heimerziehung</strong><br />
Koord<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>in</strong>sgesamt, Verantwortung und<br />
Genehmigung von E<strong>in</strong>weisungen für<br />
• den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau<br />
• das Aufnahme- und Beobachtungsheim <strong>in</strong> Eilenburg<br />
• das Komb<strong>in</strong>at <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>heime<br />
Aus- und Weiterbildung <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter e<strong>in</strong>schließlich<br />
<strong>der</strong> dafür vorgesehenen Institutionen<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Verantwortung für die Jugendhilfe und <strong>Heimerziehung</strong><br />
im Bezirk (Personal, F<strong>in</strong>anzen, Gebäude und ihre Ausstattung,<br />
Umsetzung zentraler Weisungen)<br />
Verwaltung und operative Anleitung <strong>der</strong> Durchgangsheime, Spezialk<strong>in</strong><strong>der</strong>heime<br />
und Jugendwerkhöfe, Koord<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> E<strong>in</strong>weisungen<br />
<strong>in</strong> die Spezialheime<br />
Bearbeitung von Beschwerden, die von unteren Instanzen abgelehnt<br />
worden s<strong>in</strong>d durch die Jugendhilfeausschüsse<br />
Weiterbildung von Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Verantwortung für die Jugendhilfe und Normalheime<br />
im Kreis (Personal, F<strong>in</strong>anzen, Gebäude und ihre Ausstattung, Umsetzung<br />
zentraler Weisungen)<br />
Verwaltung und operative Anleitung <strong>der</strong> Normalheime<br />
Beschlüsse <strong>der</strong> Jugendhilfeausschüsse zur Heime<strong>in</strong>weisung<br />
Bearbeitung von Beschwerden über Maßnahmen <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />
durch die Jugendhilfeausschüsse<br />
Organisation <strong>der</strong> Jugendhilfe „vor Ort“, Arbeit <strong>der</strong> Jugendfürsorger<strong>in</strong>nen<br />
und -fürsorger, Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen<br />
und politischen Organisationen<br />
Teilweise auch Verantwortung für Normalheime<br />
Beschlüsse <strong>der</strong> Jugendhilfekommissionen zur Erziehungshilfe<br />
In <strong>der</strong> Anglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Jugendhilfe an<br />
den Bildungsbereich spiegelt sich das zentrale<br />
Denkmuster <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> wi<strong>der</strong>,<br />
nämlich die Annahme, soziale Probleme als<br />
„Leistungsdefizite“ zu <strong>in</strong>terpretieren; sei es<br />
als „Leistungsdefizite“ <strong>der</strong> für die Erziehung<br />
von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen zuständigen<br />
gesellschaftlichen Kräfte wie beispielsweise<br />
Schulen, K<strong>in</strong><strong>der</strong>krippen, K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Betrieben<br />
und Organisationen, o<strong>der</strong> als „Leistungsdefizite“<br />
<strong>der</strong> Erziehungsberechtigten,<br />
die sich nur unzureichend von sozialistischen<br />
Werten haben leiten lassen, o<strong>der</strong> gar als<br />
„Leistungsdefizite“ <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen<br />
selbst, die im Ergebnis „fehlerhafter<br />
Erziehung“ problembehaftet geworden s<strong>in</strong>d.<br />
Dem sollte mit dem erzieherischen Mittel <strong>der</strong><br />
sogenannten Umerziehung begegnet werden<br />
(dazu ausführlicher <strong>in</strong> Kapitel 2.5. Praxis <strong>der</strong><br />
<strong>Heimerziehung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> ab S. 31 dieses<br />
Berichts).<br />
2.2.3. Personalsituation <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Verwaltungsstruktur <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />
1987 arbeiteten <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> 252 Referate<br />
Jugendhilfe/<strong>Heimerziehung</strong>, <strong>in</strong> denen neben<br />
weiterem Personal 1.284 Jugendfürsorger<strong>in</strong>nen<br />
und -fürsorger tätig waren (vgl. Laudien<br />
und Sachse 2012, S. 162).<br />
Es ist e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Verwaltungsstruktur<br />
<strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>,<br />
dass bereits durch die §§ 12 und 13 <strong>der</strong> Verordnung<br />
Nr. 156 <strong>der</strong> Sowjetischen Militäradm<strong>in</strong>istration<br />
von 1965/1966 9 ehrenamtlichen<br />
Kräften <strong>in</strong> den Jugendhilfeausschüssen<br />
zentrale Aufgaben wie die Anordnung zur<br />
<strong>Heimerziehung</strong> übertragen wurden. Das<br />
heißt, die meisten Entscheidungen über die<br />
<strong>Heimerziehung</strong> wie auch die Aufsicht und<br />
Kontrolle <strong>der</strong> getroffenen Entscheidungen<br />
zwischen 1952 und 1990 lagen nicht nur <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Verwaltung, son<strong>der</strong>n ebenso <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Hand von ehrenamtlichen Jugendhelfer<strong>in</strong>nen<br />
und -helfern.<br />
9 Verordnung über die Aufgabe und Arbeitsweise<br />
<strong>der</strong> Organe <strong>der</strong> Jugendhilfe – Jugend hilfeverordnung<br />
(JHVO), vom 22. April 1965, aufgehoben und neu<br />
erlassen am 3. März 1966.<br />
Es s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Kriterien für die Berufung <strong>in</strong><br />
die Jugendhilfeausschüsse bekannt. Es liegt<br />
nahe, dass die Besetzung <strong>der</strong> Ausschüsse, die<br />
<strong>der</strong> Leiter<strong>in</strong> o<strong>der</strong> dem Leiter des Referates<br />
Jugendhilfe übertragen war, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />
nach politischer Opportunität erfolgte.<br />
„Anfang 1988 waren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> <strong>in</strong>sgesamt<br />
470 Jugendhilfeausschüsse und 217<br />
Vormundschaftsräte mit <strong>in</strong>sgesamt 3.750<br />
ehrenamtlichen Mitglie<strong>der</strong>n tätig. Von diesen<br />
Gremien wurden 1986 13.046 Entscheidungen<br />
über die Herausnahme aus e<strong>in</strong>er Familie<br />
getroffen. Dies betraf 0,3 Prozent aller<br />
M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen“ (Laudien und Sachse 2012,<br />
S. 160).<br />
2.3. Wege <strong>in</strong>s Heim<br />
Im Recht <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> muss zwischen den folgenden<br />
zwei Verfahren unterschieden werden:<br />
1. <strong>der</strong> Anordnung <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong>: die<br />
Entscheidung darüber, dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>e Jugendliche bzw. e<strong>in</strong> Jugendlicher <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Heim e<strong>in</strong>gewiesen wurde;<br />
2. <strong>der</strong> E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> bestimmtes Heim:<br />
die Entscheidung darüber, <strong>in</strong> welches<br />
Heim das K<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> die bzw. <strong>der</strong> Jugendliche<br />
e<strong>in</strong>gewiesen wurde.<br />
In diesem Kapitel wird zunächst die Anordnung<br />
<strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> genauer erläutert,<br />
die, erst e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Gang gesetzt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
auch zu e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong>s Heim führte<br />
(vgl. Laudien und Sachse 2012, S. 173).<br />
2.3.1. Die Anordnung <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong><br />
Die Anordnung <strong>der</strong> <strong>Heimerziehung</strong> konnte <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>DDR</strong> aufgrund<br />
a) des Familien- und Jugendrechts,<br />
b) des Strafrechts,<br />
c) sogenannter „freiwilliger Erziehungsverträge“<br />
mit den Eltern o<strong>der</strong><br />
d) des Aufgreifens von „Ausreißer<strong>in</strong>nen<br />
und „Ausreißern“ durch die Polizei (dazu<br />
zählen auch Republikfluchtversuche)<br />
erfolgen.<br />
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